Hans-Werner Sinn ist ja auch ein Perma-Bär

Im Interview mit Capital äußert sich der ehemalige Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn und erinnert schmerzlich daran, wie farblos und flexibel sich der Nachfolger zeigt:

  • Zum Handelsstreit: “Das ist gefährlich für die Weltwirtschaft. Man kann Trumps Maßnahmen aber auch so interpretieren, dass er Europa und China vorwirft, selbst keinen freien Handel zuzulassen. Wir Europäer haben uns zunächst einmal an die eigene Nase zu fassen. Amerikanische Autos werden in Europa mit 10-prozentigen Zöllen belastet. Europäische Autos in Amerika nur mit 2,5 Prozent. Eine zweite Branche, in der Europa Protektionismus betreibt, ist der Agrarsektor. Die Liste der Agrarimporte, die mit happigen Zöllen belastet werden, ist lang. Milchprodukte werden im Durchschnitt mit 35 Prozent belastet, Fleischprodukte im Durchschnitt mit 17 Prozent. Rindfleisch gar mit über 60 Prozent.” – bto: Gern mit zweierlei Maß zu messen, ist aber wieder typisch für die EU und die Politiker.
  • Zu Trumps Steuersenkung und Investitionsprogramm: “Das erinnert mich an Reagans Wirtschaftspolitik. Ein riesiges Keynesianisches Konjunkturprogramm, das den ohnehin schon stattfindenden Aufschwung weiter anheizt und die Zinsen erhöht, was selbst wiederum eine Dollar-Aufwertung induzierte. Unter Reagan geriet Mexiko zwei Jahre nach seiner Wahl in eine verheerende Schuldenkrise. Der deutsche Immobilienboom brach ab und es kam zu einer großen Krise der Entwicklungsländer. Ich kann nur jedem raten, für die nächsten zwei, drei Jahre auf der Hut zu sein.” – bto: Und dann kommt ja noch die ungelöste Eurokrise hinzu!
  • „Es ist ein Strohfeuer, ein reines Schuldenprogramm. Dennoch hat diese Strohfeuer die Kraft, die Welt in Unordnung zu bringen.“ – bto: Aber Trump könnte Glück haben und es kommt genau in den Abschwung hinein, dann gälte er als Genie.
  • Zu Griechenland: “Griechenland ist nach wie vor von einer gesunden Wettbewerbsfähigkeit weit entfernt. Die Produktion ist trotz einer gewissen Preiszurückhaltung in den letzten Jahren noch immer viel zu teuer. Die Löhne, die vor der Lehmann-Pleite aufgeblasen wurden, sind nach wie vor viel höher, als es mit der Produktivität kompatibel ist. Sie verhindern, dass Griechenland zu einem attraktiven Standort für Industrieansiedlungen werden kann. Der Plan der Griechen, eine Dienstleistungswirtschaft aufzubauen, die durch stets wieder neue Kredite aus dem Ausland am Leben gehalten wird, kann auf Dauer nicht funktionieren.” – bto: Allerdings dürfte das Land auch nie einem exportorientierten deutschen Modell entsprechen.
  • “Griechenland müsste um 30 Prozent gegenüber 2007 real abwerten, also durch Senkung seiner relativen Produktpreise. 11 Prozent sind tatsächlich passiert. Je mehr Rettungskredite kommen, desto länger dauert die Kur.” – bto: Es ist doch auch schöner, “gerettet” zu werden. Es ist ein Fass ohne Boden.
  • Lösung: “Ganz klar mit der Schäuble-Papandreou- Varoufakis-Lösung: Griechenland tritt aus der Währungsunion aus, und die Drachme wertet ab. Nur so kann Griechenland wieder wettbewerbsfähig werden.” – bto: Ich glaube, das können wir vergessen. Sie müssen austreten, denn sonst liegen sie uns immer auf der Tasche.
  • Zum Euro: “Wir erleben eine Scheinblüte, die auf die EZB-Politik der Nullzinsen und das Staatsanleihenkaufprogramm zurückgeht. Das versetzt die Staaten in die Lage, am Markt keine höherverzinslichen Papiere anbieten zu müssen. Das ist eine Bonanza, ein rein keynesianisches Strohfeuer. Der staatliche Nachfrageboom überdeckt die nach wie vor bestehenden Probleme bei der Wettbewerbsfähigkeit.” – bto: und der Überschuldung!
  • Zum Bankensektor: “Viele faule Kredite sind noch gar nicht ausgewiesen, weil die EZB die Schuldner der Banken mit neuen Krediten die alten Kredite bedienen lässt. Dennoch sind die bereits jetzt ausgewiesenen faulen Kredite riesengroß.” – bto: darum auch die Idee mit der Bankenunion.
  • Zur EU: “Ich finde, wir sollten unser Augenmerk eher auf eine politische Union für die gesamte EU legen. Das umspannt in meiner Vorstellung eine gemeinsame Außenpolitik, einen gemeinsamen Grenzschutz, eine europäische Armee und eine Harmonisierung der Rechtssysteme. Dazu kommen dann grenzüberschreitende Projekte, die regional durchgeführt werden sollten und andere Formen der Zusammenarbeit.” – bto: Das kann man sich wünschen, ist aber in der aktuellen Lage meines Erachtens völlig illusorisch.
  • “(…) eine Transferunion, wie sie sich Macron vorstellt, wird eine solche Union scheitern lassen. Die Franzosen wollen nämlich gar keine Verteidigungsunion, sie wollen ihre Force de Frappe (Atomstreitmacht) für sich behalten und sie nicht einer europäischen Institution überlassen. Wenn Deutschland einer Fiskalunion zustimmt, fehlt jeder Grund, warum die Franzosen dann noch Zugeständnisse bei der Verteidigungsunion machen sollten.” – bto: Es geht ohnehin nur um Frankreich, nicht so sehr um Europa.
  • Sollten sich die jetzigen Vorzeichen irgendwann einmal drehen und Deutschland finanzielle Mittel benötigen, wird die Transferunion sowieso beendet. Die Vorstellung einer Risikoteilung mit Geben und Nehmen und einem Ausgleich über die Zeit ist nach aller Erfahrung, die wir mit dem vielfältigen Bruch der Verträge der Europäischen Union haben, naiv.” – bto: Das war genau meine Argumentation bei manager magazin online vor einigen Monaten. Frankreich würde niemals für uns bezahlen.
  • Richtig Bewegung kriegt man allerdings erst rein, wenn man das Volk direkt anspricht. Wir haben ein Volk von mündigen Bürgern, die in der Lage sind, sich selbst ein Bild zu machen. Mit Argumenten, die das Volk überzeugen, kann man die Politik über den indirekten Weg, der nicht über die Verhandlungszimmer führt, beeinflussen. Das ist meine Idealvorstellung: Mit mündigen Bürgern Ideen reifen und eine Diskussion im öffentlichen Raum stattfinden zu lassen.” – bto: wenn das keine gute Begründung auch für diese Seiten ist!

capital.de: „Ich kann nur jedem raten, die nächsten Jahre auf der Hut zu sein“, 30. April 2018