Grenzabgaben för­dern Protektio­nismus, helfen dem Klima aber nicht

Hans-Werner Sinn bringt es in einem Kommentar für die FINANZ und WIRTSCHAFT auf den Punkt: So wie wir in Europa Klimapolitik betreiben – und von den Parteien in Deutschland propagiert wird –, werden wir alle Ziele verfehlen: Wohlstand, Klimaschutz, Fortschritt. Es ist ein Programm, um Europa abzuhängen im Wettbewerb der Regionen. Dramatisch.

  • Niemals zuvor hat es auf der Welt auch nur annähernd vergleichbare Anstrengungen für den Umweltschutz gegeben, und niemals, ausser in Kriegszeiten, sind Marktwirtschaften derart rigide einer zentralplanerischen Steuerung unterworfen worden, wie es jetzt geplant ist.” – bto: Es ist der Abschied von der Marktwirtschaft.
  • “Zum Programm gehören drei verschiedene Emissionshandelssysteme für CO2. Das bestehende System, das für die Energiewirtschaft, Teile der Grundstoffindustrie und der chemischen Industrie gilt, soll auf den Schiffsverkehr ausgedehnt werden. Zwei neue, separate Systeme sollen für den Wohnungsbau und den Verkehr geschaffen werden. Die Zuteilung der Zertifikate soll nicht mehr frei sein. Vielmehr will die EU sie verkaufen und mit den Erlösen auch Transfers an ärmere Bevölkerungsschichten finanzieren. Die Menge der Zertifikate soll Jahr für Jahr reduziert werden.” – bto: Damit könnte man vielleicht noch leben, wenn es keine weiteren Eingriffe gäbe.
  • “Bereits 2020 wurde ein System zur Klassifizierung der Unternehmen nach dem Grad ihrer ‘Grünheit’ (Taxonomieverordnung) eingeführt mit dem Ziel, die europäische Notenbank zu differenzierenden Kreditoperationen zu veranlassen, die den grünen Firmen niedrigere Zinsen verschaffen.” – bto: Bekanntlich benachteiligt das kleine Firmen und ist in vielerlei Hinsicht manipulationsanfällig – abgesehen davon, dass es nichts bewirkt.
  • “Hinzu kommt nun das Totalverbot des direkten Einsatzes fossiler Brennstoffe für PKW-Motoren bis 2035. Die PKW sollen dann mit elektrischer Energie fahren, die entweder in Batterien oder Wasserstofftanks zwischengespeichert wird.” – bto: Afrika freut sich bereits auf die Flut an billigen Autos.
  • “Ein Grenzausgleich, der die Importe von Grundstoffen der Industrie erfasst, soll das sogenannte Carbon Leakage verhindern, also die Verlagerung der CO2-Emission in andere Länder.” – bto: Dies ist in der Praxis aber nur sehr schwer zu bemessen, weshalb es pauschal gemacht wird.
  • “Die Massnahmen sind atemberaubend. Ob sie wirken werden, ist mehr als unsicher. Sicher ist aber, dass sie den Lebensstandard der Europäer massiv beeinträchtigen werden. Sie werden die europäische Industrie in die Knie zwingen und ihrer Wettbewerbsfähigkeit berauben. Hinter den Massnahmen steht vor allem der sozialdemokratische EU-Kommissar Frans Timmermans. Er ist dabei, Europa in ein protektionistisches, zentral aus Brüssel gelenktes Wirtschaftssystem zu verwandeln.” – bto: Und die Freude ist groß. Denn so können diese Politiker Ziele erreichen, die sie offen nie erreicht hätten.
  • “Die Abschaffung der Benzin- und Dieselmotoren und die Umstellung der PKW auf elektrische Energie wird entgegen seiner Hoffnung kaum einen Beitrag zur Verminderung des globalen CO2-Ausstosses leisten. Das liegt daran, dass der Strom noch zu einem erheblichen Anteil aus Kohle gewonnen wird und dass Deutschland seine Kernkraftwerke in Kürze abschalten will. Auf absehbare Zeit werden die neuen E-Autos mit Strom fahren, der zu erheblichen Teilen aus Kohle gewonnen wird.” – bto: Bekannt, man kann allerdings argumentieren, dass später, wenn die erneuerbaren Energien verfügbar sind, auch schon die Autos fahren.
  • “Leider übersieht er auch, dass die in Europa nicht mehr verbrauchten handelbaren Brennstoffe Öl und Gas samt und sonders über die Weltmärkte in andere Länder verkauft werden, die sie zu fallenden Preisen gerne abnehmen. Wegen des Carbon Leakage über die Brennstoffmärkte bringt die Einsparung des Öls beim Verkehr für sich genommen nichts für das Weltklima, auch wenn die EU damit ihr Versprechen von Paris formal erfüllt. Um durch das Verbot der Verbrenner positive Effekte für das Klima zu erreichen, müsste die EU die eingesparten Brennstoffe in wohlbehüteten Tanks auf ihrem Territorium sicher aufbewahren.” – bto: Die Logik ist klar. Fallende Preise für Rohstoffe führen woanders zu einem höheren Verbrauch.
  • “Die Aktionen der EU sind nicht mit den anderen Ländern koordiniert, auch nicht durch das Pariser Abkommen. Man darf nicht vergessen, dass knapp 140 der 200 Unterschriften unter dem Abkommen von Ländern stammen, die sich selbst nicht zu quantitativen Mengenbeschränkungen beim CO2-Ausstoss verpflichtet haben. Sie haben im Grunde nur den Umstand begrüsst, dass eine kleine Minderheit der Länder der Welt versprochen hat, ihnen nicht mehr so viele Brennstoffe vor der Nase wegzukaufen.” – bto: Das ist jetzt aber gehässig geschrieben. Wir wollen doch Vorbild sein!
  • “Die EU-Kommission glaubt, das Carbon Leakage mit dem System des Grenzausgleichs verhindern oder eindämmen zu können. (…) selbst wenn sie den CO2-Gehalt aller Importe besteuern könnte, hätte sie keine Möglichkeit, zu verhindern, dass die in der EU nicht mehr verbrauchten Brennstoffe in andere Teile der Welt geliefert und dort verbrannt werden.
    Der Grenzausgleich bringt, ähnlich wie der Verkauf der CO2-Zertifikate, für die EU allerdings den Vorteil, dass sie endlich zu einer ergiebigen eigenen Einnahmequelle kommt. Ob das auch diejenigen als Vorteil empfinden, die die Abgaben werden zahlen müssen, kann bezweifelt werden.” – bto: Wir Bürger dürfen dafür bezahlen und liefern also noch mehr an den Staat ab.
  • “Die EU wird Europa mit ihrer unilateralen Klimastrategie in eine Handelsfestung verwandeln. Sie wird einem neuen Protektionismus Vorschub leisten und anderen Regionen der Welt die Möglichkeit geben, sich mit der billigen Energie, die die EU freigibt, im eigenen Wirtschaftsverbund zu einer prosperierenden, arbeitsteiligen Wirtschaft zu entwickeln. Auf die Kontakte zu einem sich selbst kasteienden Europa wird man dort zunehmend weniger Wert legen. Und dem selbst ernannten Versuchskaninchen zu folgen, werden sich andere Länder hüten, denn ohne China und Indien, versehen nur mit Lippenbekenntnissen der USA, lässt sich kein Klimaclub gründen, der eine Anziehungskraft auf andere ausüben kann.” – bto: So ist es, wenn Politiker versuchen, etwas zu gestalten. Allerdings könnte es Absicht sein.

fuw.ch: „Europas grüner Unilateralismus“, 6. August 2021