Gibt es eine Strategie zur Vermögenssicherung vor Inflation?

Ein Leser hat mich auf einen Beitrag in der F.A.Z. hingewiesen. Darin macht Hanno Beck, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Pforzheim Werbung für sein Buch “Inflation – Die ersten zweitausend Jahre: Wie Politiker unser Geld zerstören und wie man sich davor schützt.” Erschienen bei Frankfurter Allgemeine Buch, wo übrigens auch “Die Schulden im 21. Jahrhundert” erschienen ist. Die Frage wäre, was ist von der Argumentation zu halten. Schauen wir sie uns an:

  • Zunächst beginnt der Beitrag mit einem Verweis auf Venezuela: „Man trägt das Geld in Rucksäcken, die Währung wird in Kilo bemessen: Für 100 amerikanische Dollar bekommt man anderthalb Kilo heimisches Geld. Geldautomaten werden mehrmals am Tag nachgefüllt, sie verschleißen rapide. Geldtransporter bleiben auf dem Hof, überfallen werden sie längst nicht mehr – das lohnt sich nicht. Entführer verlangen harte Devisen statt heimischer Weichwährung, (…).” – bto: Das ist natürlich das drastische Bild, mit dem man Hyperinflation beschreiben kann. War in Weimar so, war in Simbabwe so. Die Rede ist hier von Venezuela.
  • „Verglichen mit der ungarischen Inflation des Jahres 1945 allerdings, ist das nicht die Spitze: Während die monatliche Inflationsrate im Deutschen Reich in der Spitze bei knapp 30 000 Prozent pro Monat lag, erreichte sie in Ungarn 4,1 Quadrillionen Prozent, eine vier mit 16 Nullen. Die Preise verdoppelten sich alle 15 Stunden.“ – bto: Spielt das bei den Dimensionen, um die es hier geht, eigentlich eine Rolle?
  • „Mit der Erfindung des Geldes beginnt die Geschichte der Inflation, und sie verläuft 2000 Jahre nach einem festen Muster in fünf Akten. Am Anfang des ersten Aktes steht ein verschuldeter Staat, der Geld in Umlauf bringt, das anfänglich durch Werte (…) gedeckt ist. (…) Der Staat kann seine Schulden begleichen, die Wirtschaft wird durch zusätzliches Geld belebt, Produktion und Wohlstand steigen. Im zweiten Akt allerdings wird der Staat übermütig, erhöht die Geldmenge, vernachlässigt die Deckung dieses Geldes durch Werte, meist steigt das staatliche Defizit. Im dritten Akt führt das Gebräu aus steigenden Schulden und steigender Inflation zu einer Wirtschafts- und Vertrauenskrise, weswegen im vierten Akt verzweifelte Versuche erfolgen, die Katastrophe zu verhindern: Preisstopps und andere Zwangsmaßnahmen verhindern aber nicht den Zusammenbruch der Wirtschaft, die Implosion der inflationierten Währung und die schmerzhafte Reform des Währungssystems im fünften Akt.“ – bto: Jetzt muss man allerdings feststellen, dass das nicht immer zu gelten scheint. Man blicke nur nach Japan, wo ein immer größerer Teil des Defizits und des Schuldenstands in der Hand der Notenbank ist.
  • „(…) bisweilen wird sogar der Tod der Inflation ausgerufen. Eine Idee, die sich gerechtfertigt sieht, indem sie auf die Kombination aus hohen Staatsschulden und dramatisch steigenden Geldmengen verweist, die entgegen dem üblichen Drehbuch bisher kaum steigende Preise hervorgebracht hat. Die aktuelle Teuerungsrate in Deutschland liegt bei gerade einmal zwei Prozent.“ – bto: wobei man sagen muss, dass es eben nicht hohe Defizite sind, sondern hohe Schuldenstände. Wir haben auch erhebliche globale Kapazitäten, die deflationär wirken.
  • „Die meisten Menschen wissen erstens, dass Inflation die Kaufkraft ihres Barvermögens vernichtet, und zweitens, unter welchen Bedingungen es zu Inflation kommen kann. Zusammen mit den modernen Finanzmärkten und den vielen Möglichkeiten, Vermögensgegenstände jeglicher Art zu kaufen, hat sich heute etwas Entscheidendes im Inflations-Drehbuch geändert: Die Anleger wissen um die Inflationsgefahren und die Wege, wie man diesen entkommt. Und sie fliehen in Scharen.“ – bto: So, hier bin ich nicht ganz dabei. Es stimmt zwar, dass immer mehr Menschen aus (berechtigter) Angst um den Euro und die weiteren Eingriffe der Rettungspolitiker in Sachwerte fliehen, doch dauert der Boom der Sachwerte schon seit Jahrzehnten an. Dahinter liegt die massive Zunahme der privaten Verschuldung vor allem zum Zwecke des Kaufs von Immobilien. Getrieben von einem Bankensystem, das faktisch unbegrenzt Geld schaffen kann. Wie ich gezeigt habe, steht genau diese Verschuldung hinter dem Zuwachs der Vermögenswerte und in der Tat sind Immobilien die einzige Vermögensklasse, die in den Daten von Piketty deutlich zugelegt hat. Insofern hat das mit staatlichen Defiziten und deren Finanzierung herzlich wenig zu tun und es ist auch kein neues Phänomen. Es läuft seit Mitte der 1980er-Jahre.
  • „Wer die Zeichen lesen kann, (…) erahnt, dass die Staaten versucht sind, ihre Bürger mittels Inflation zu enteignen, und nutzt die Finanzmärkte, um dieser Gefahr zu entkommen, indem er in Sachwerte flüchtet. Immobilien, Aktien, Kunst, Antiquitäten, Luxusgegenstände – alles, was kein Bargeld ist, so die Idee, schützt vor Inflation. Weltweit steigen Aktienindizes und Vermögenspreise, obwohl die weltwirtschaftliche und weltpolitische Lage nicht berauschend ist.“ – bto: Wenn Inflation so leicht zu erzielen wäre, hätten wir sie schon. Richtig ist, dass es eine solche Entwicklung gibt, doch mehr getrieben von der Verfügbarkeit von Geld und noch nicht breit wegen Inflationsangst.
  • „Die klassische Güterpreisinflation greift angesichts der modernen Finanzmärkte und der aufgeklärten Anleger als Inflationsbarometer zu kurz, sie erfasst nur die Güter-, nicht aber die Vermögenspreise. Und hier steckt das Problem: Die steigenden Geldmengen wandern nicht wie in den vergangenen 2000 Jahren in die Gütermärkte und treiben dort die Preise, sondern sie fliehen vor genau dieser Güterpreisinflation in die Vermögensmärkte und lösen dort das aus, was man Vermögenspreisinflation nennt.“ – bto: stimmt. Allerdings stand auch schon früher hinter jeder Vermögenspreisblase leicht verfügbarer Kredit.
  • „Bleibt man im Bargeld, droht Wertvernichtung durch herkömmliche Inflation. Flieht man in die Vermögensmärkte, droht ein Kauf zu überteuerten Preisen inklusive anschließendem Kurssturz, der das Fluchtgeld vernichtet. Das Knifflige an dieser Situation ist, dass es nun nicht mehr reicht, einfach Vermögenswerte zu kaufen, sondern dass man nun auch darauf achten muss, wann man diese Werte kauft und verkauft.“ – bto: hierzu noch die Feststellung, dass die Renditen von Objekten wie Kunst und Oldtimern deutlich unter jener des Aktienmarktes liegen. Es ist eine Illusion, damit gute Renditen zu erwirtschaften und auch das Thema des Vermögenserhalts ist nicht gelöst. Bekanntlich braucht man nach der Inflation für den Neustart beleihungsfähiges Eigenkapital. Kunst und Oldtimer werden dann wenig Nachfrage finden.
  • „Kauft man (…) Vermögenswerte bereits zu hohen Preisen oder steigt man zu spät aus (also, nachdem die durch die Vermögenspreisinflation entstandene Preisblase bereits geplatzt ist), ist man zwar der Inflation entkommen. Dafür aber hat nun die Vermögenspreisinflation die Ersparnisse vernichtet. Die Flucht vor der Inflation ist fehlgeschlagen.“ – bto: wobei man natürlich im Falle einer Inflation à la Weimar diese Angst nicht haben muss. Da ist fast kein Preis zu hoch. Dieses Szenario tritt eher ein, wenn die Inflation eben nicht kommt und durch Schuldenschnitte und Pleiten ein deflationäres Szenario um sich greift.
  • „Die Idee, aus den inflationierten Vermögenswerten rechtzeitig auszusteigen und in andere Vermögenswerte zu wechseln, funktioniert bei einer breiten Vermögenspreisinflation nicht. (…) Die Flucht vor beiden Arten von Inflation gelingt also nur, wenn man erstens vor dem Platzen der Vermögenspreisblase seine Gewinne realisiert und zweitens die dabei gemachten Gewinne konsumiert, noch bevor die Güterpreisinflation diesen Konsum verteuert. Gerade dieses richtige Timing ist aber nicht wirklich planbar und teilweise Glückssache.“ – bto: Es ist unmöglich. Und es ist auch recht theoretisch.

bto: Überzeugend finde ich die ganze Argumentation nicht. Güterpreisinflation setzt Knappheit der Güter relativ zur Nachfrage voraus, zum Beispiel durch eine Zerstörung von Produktionskapazitäten oder indem man sie abwirtschaftet wie im Sozialismus. Global haben wir jedoch erhebliche Überkapazitäten (die auch durch das billige Geld am Leben erhalten werden) und die technologische Revolution macht immer mehr bestehende Kapazität überflüssig, was den deflationären Trend verstärkt. Deshalb gibt es – vielleicht – trotz der aggressiven Geldpolitik keine unmittelbare Inflationsgefahr, auch weil die Kreditgeldmengen nicht im gleichen Maße steigen wie die Zentralbankgeldmenge. Derweil wachsen die Blasengefahren, wie hier richtig angemerkt. Die richtige Antwort mag dann jedoch Liquidität sein, statt Spekulation mit Hoffnung auf gutes Timing.

F.A.Z.: „Die hinterhältige Geldentwertung“, 15. Mai 2016