Folgt Europa Japan in das deflationäre Szenario (II)?

Nach dem skeptischen Blick auf die Eurozone durch die japanische Brille von heute Morgen, nun ein anderes Team der Deutschen Bank mit mehr Hoffnung (How Europe is different from Japan). Schauen wir uns die Argumentation an:

  • “For the purpose of this piece, a Japan scenario could be defined as a situation in which there is a large private sector credit bubble that bursts. The private sector deleveraging is slow and is not accommodated by either aggressive fiscal or monetary policy. As a result, the credit impulse (i.e. the pace of deleveraging) never reverses, and domestic demand remains under pressure. Ultimately, the economy converges to a situation in which inflation is negative and the output gap is widening while real interest rates are too high. This dynamic is exacerbated by population ageing and a weak banking sector.” – bto: Man könnte es als Bilanzrezession (Richard Koo) oder als Schuldendeflation (Irving Fisher) oder aber als deflationäre Depression in Zeitlupe (Stelter) bezeichnen. Das Ergebnis ist das gleiche.
  • “To assess if Europe’s experience is similar to Japan in the 90s, we analyse the evolution of key economic and financial variables during each region’s respective crisis episode. (…) In practice, we set as a reference date (t=0) the peak in credit growth (Q1-90 in Japan and Q4-07 in the US and Europe) to compare the relevant variables in event time. We find that Europe in aggregate resembles the US (with a 3-4 year lag) more than Japan.” – bto: Das ist nur vordergründig eine gute Nachricht, denn auch die USA befinden sich – zumindest, wenn man der Eiszeit-These von Albert Edwards folgt – auch auf dem Weg in das japanische Szenario und ist uns nur wenig hinterher. Aber schauen wir mal, was hier gezeigt wird.
  • Im Vordergrund steht also das Kreditwachstum: “In Japan, credit growth rose from ~10% of GDP to ~25% in the early 90s. Credit growth rose to ~15% in the US and ~10% in Europe ahead of the 2008 crisis. Thus, the overall scale of the credit overhang appears smaller in Europe. In Japan, credit growth adjusted slowly and did not turn negative before the late 90s. In the US, credit growth turned negative after 1.5 years, quickly reaching -3.7%. In Europe, it turned negative 3.5 years after the US reaching -1.1% (left graph below). Subsequently, the credit impulse in the US and Europe recovered, while it never turned sustainably positive in Japan (right graph below).” – bto: Also ist die These, dass die Schuldenblase bei uns geringer war und deshalb die Krise nicht so nachwirkt. Das könnte sein. Allerdings betonen die Autoren gleich am Anfang, ihre Aussagen träfen nur für die gesamte Eurozone zu, nicht für die jeweiligen Teile. Das allein zeigt allerdings schon, dass wir die gefährlichen politischen Implikationen vergessen.

Quelle: Deutsche Bank

Danach erinnert die Bank daran, dass man mit Kreditwachstum die Wirtschaft (temporär) pushen kann – allerdings zum Preis künftig tieferen Wachstums, wie wir wissen: “During the period of positive credit impulse, the economy is likely to be growing above potential, reducing the unemployment gap. In fact, for 3 years, the credit impulse in Europe was higher than in the US. During this period Europe outperform- ed its growth potential and consensus more than the US.” – bto: Wir müssen einfach nur viel mehr Schulden machen – wie die USA – dann bekommen wir auch mehr Wachstum.

Dahinter steht aus Sicht der Bank auch eine andere Reaktionsgeschwindigkeit und -konsequenz der Geldpolitik: “To measure the effectiveness of monetary policy in supporting the deleveraging process, we focus on the 10y real rate and the real effective exchange rate. In Japan, 10y real rates stayed in a 2-3% range. In contrast, 10y real rates in the US declined by 300bp relative to pre-crisis and went negative to -50bp after operation twist in late 2011. In Europe, 10y GDP weighted real rates also went negativewith the announcement of QE in 2015. Thus, similar to the credit dynamics, the policy response in Europe lagged the US by 3-4 years (left graph below). The 300bp difference in real rates between Japan in the 90s and Europe is significant given that estimates of neutral real rates are within 25bp of each other (right graph below).” – bto: Mario Draghi hätte so – spät aber, immerhin – das Japan-Szenario verhindert.

Quelle: Deutsche Bank

Dann zu einem deutlichen Unterschied, dem Wechselkurs, der übrigens auch das heute Morgen schon gesehene Exportwachstum in Europa versus Japan erklärt: “Japan had to suffer a significant appreciation in its currency with a peak 50% appreciation of the yen on a real effective exchange rate (REER) basis. In contrast, the euro depreciated by more than 15% in 2015, vs. a trough for the USD REER of -6% (left graph below).” – bto: Japan gelang es damals nicht, die Krise “zu exportieren”, uns in gewissem Umfang schon, wobei davon vor allem Deutschland profitiert hat!

Und auch die Fiskalpolitik hat besser und schneller reagiert, meinen die Analysten der Deutschen Bank: “Initially, fiscal policy in the Eurozone was very reactive (as it was in the US), which accommodated the private sector deleveraging . However, the Eurozone crisis resulted in a sharp fiscal tightening. The same occurred in the US following the debt ceiling issues, but the adjustment of the private sector was already well advanced by then and monetary policy was more aggressive. Japan was slower to loosen fiscal policy.” – bto: Auch das leuchtet ein, ist allerdings eine Politik, die auf weiter steigende Schulden setzt. Das muss sie allerdings ohnehin, wie ich immer wieder bei bto diskutiere.

Quelle: Deutsche Bank

“In Japan, core inflation initially held up, which is consistent with a delayed economic adjustment. However, after 3 years it started a downward trend which was only briefly interrupted by the 1997 VAT hike. In the US and Europe core inflation initially declined before bouncing back to 1.5-2%. Following the debt ceiling episode, euro-zone crisis and supply shock to oil prices, core inflation declined in both the US and Europe. The scale of the decline in Europe was larger and the recovery in US core inflation has been more pronounced. The behaviour of Europe’s inflation is markedly better than Japan. However, so far, its performance is worse than simply lagging the US.” – bto: Das könnte bedeuten, dass es eben in Europa doch in Richtung des japanischen Szenarios geht. Ohnehin dürfte es zu früh sein, eine Entwarnung zu geben.

Quelle: Deutsche Bank

So kommen die Analysten zunächst zu einem positiven Fazit. Nämlich dem, dass die Schuldenblase – und damit der Druck zur Entschuldung – kleiner war in Europa als in Japan, dass die Politik besser reagiert hat und die Inflationsraten immer noch höher liegen. Andererseits sehen sie auch Risiken: “(…) in an imperfect union, Europe’s weakest link (Italy) will matter. Italy does share more similarities with Japan than the rest of Europe. For instance, its real rates have remained close to Japanese levels, while arguably its neutral real rate is even lower. Second, the exposure of Europe to global growth will make it more sensitive to other large economies.” – bto: Der entscheidende (positive) Unterschied sind die Exporte, die neben dem Wechselkurseffekt vor allem auf die schuldenfinanzierte Konjunktur in China zurückgeführt werden können.

China sehen sie ähnlich vorsichtig wie ich: “In that context, China does share troubling similarities with Japan. Credit growth is higher than the levels observed in Japan in the early 90s and itsreal effective exchange ratehas appreciated significantly as it did in Japan. Could China more resemble Japan than Europe on this measure?” – bto: Und die demografische Entwicklung ist schlechter als in Europa. Deshalb ist China ein Risiko für Europa und vor allem Deutschland.

Damit bleibt eigentlich die skeptische Sicht valide. Teile der Eurozone sind wie Japan. Andere Teile sind es (noch) nicht, weil sie von einem anderen Ponzi-Schema abhängen (China) und eine Sonderkonjunktur erlebt haben. Nun kommt diese an ihr Ende und die politischen Spannungen werden zunehmen. Ist es in Japan die Allokation des Schadens innerhalb einer Gesellschaft, ist es bei uns die Allokation zwischen Gesellschaften. Das dürfte die Euro-Zone nicht ohne Weiteres überstehen.

Leider kann ich die Studie nicht verlinken.

Kommentare (13) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ Michael Stöcker

    Ich will Ihre weiter oben gestellte Frage beantworten und hoffe, dass Sie darüber nachdenken, was die Antwort beinhaltet und WO das „ignorante Unverständnis“ zu finden ist.

    Zu dem, was abgehakt ist und was nicht, komme ich später.

    Erst einmal:

    Unsere Gesellschaft sieht es offensichtlich als Problem an, dass es eine ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung gibt. Ob es eine klaffende Wunde des Kapitalismus ist, lasse ich dahingestellt. Wenn die Gesellschaft mehrheitlich es so oder so ähnlich sieht, dann SEI sie ein Problem, mit dem man sich beschäftigen sollte.

    Wie beschäftigen wir uns damit?

    Beispielhaft für die Varianten der öffentlichen Beschäftigung, die gang und gäbe sind, ist der Film bzw. Doku-Reihe, die Sie oben verlinkt haben.

    Dieser Film enthält zu Beginn einen Satz, den ich zitiert habe, nämlich:

    >For Marx the best argument against capitalism was that it was inherently unfair.>

    Was löst er aus prototypisch für andere der gleichen Art?

    Hier hat nicht nur jemand, sondern eine überragende Geistesgröße, die Marx ja auch war, ein ARGUMENT gegen den Kapitalismus mit seinem Problemen, speziell auch des der Ungleichheit formuliert. Und nicht nur ein Argument, sondern das BESTE Argument hat er angeblich formuliert.

    Bestes Argument ist weit MEHR als – wie Sie sagen – „den Finger in die klaffende Wunde des Kapitalismus gelegt“.

    Denn damit ist auch der Hinweis auf die „Lösung“ ausgesprochen:

    Wenn dieser fantastische, oder wie Sie es ausdrücken „umso bessere Ökonom“ das Problem erkannt hat, dann hat er auch die Lösung dafür gefunden. Das hat er augenscheinlich:

    Überführung der Produktionsmittel in Gemeinschaftseigentum, kurzum: Enteignung.

    Also, so die Schlussfolgerung, müssen wir enteignen, heute die Immobilienbesitzer, morgen BMW.

    Das ist doch dem Film entsprechend nur FAIR mit Blick auf die Ungleichheit, die unser Problem ist.

    Was ich hier darlege, ist REALITÄT – Realität nicht nur wegen eines Kühnerts, sondern auch wegen derjenigen, die ihm in hoher Prozentzahl zustimmen.

    Und das sind nicht nur Unterbelichtete, wie dieser Blog zeigt:

    Christian Hu, den ich hier bezüglich des Films angesprochen habe, jemand der – so nehme ich nach seinen Andeutungen an – ein Hochschulstudium in Wirtschaftswissenschaft bzw. Finanzwirtschaft erfolgreich abgeschlossen hat, findet diese Doku-Reihe und damit auch Marx „super“.

    Die Wirkung solcher Filme oder ähnlicher Projekte ist also WEITREICHEND bis in die Ränge der Gebildeten.

    Was ist so FALSCH daran, dass man diese AUSSAGE des Films und damit den Film kritisieren muss?

    1. Die anfangs fehlende EINORDNUNG der Theorie von Marx, die der Beleg für die QUALITÄT seiner Auffassungen sein muss und nicht die Gefolgschaft, die er generiert hat.

    Man hätte sagen MÜSSEN, dass unabhängig davon, auf was er berechtigt oder nicht berechtigt hinweist, seine Theorie FALSCH ist – und das erwiesenermaßen, weil seine Prognosen krachend verfehlt wurden. Wenn das so ist, hat er auch die MECHANISMEN für Ungleichheit und anderes nicht richtig erkannt oder sie falsch gedeutet. Das würde alles RELATIVIEREN, was von Marx gesagt wurde.

    Das fehlt auch bei Ihnen, wenn Sie ihn als „umso besseren Ökonomen“ bezeichnen.

    Er war EINFLUSSREICH, aber als Ökonom ein Versager.

    2. Man hätte auf die RELEVANZ verweisen müssen, d. h. darauf, dass Marx eine Realität zu fassen gesucht hatte, die NICHT mehr unsere heutige ist. Man kann den Kapitalismus seiner Zeit nicht mit dem 150 Jahre später vergleichen. Also ist höchst Vorsicht geboten, auf seine Auffassungen, speziell die Lösung „Enteignung“ zurückzugreifen.

    Die Wunde des Kapitalismus, die Marx mit seiner Theorie zu heilen versuchte, ist nach Art, Entstehung und Wirkung nicht mehr die unserer Zeit – so muss der intellektuell saubere Ansatz sein.
    So ist heute u. a. der Staatsanteil ungleich höher als zu Zeiten von Marx. Das ERZWINGT ein anderes Denken als das von Marx, zumindest verhindert es die unreflektierte Übernahme von Lösungen, d. h. Konzepten der Marxschen Theorie.

    Man kann zwar wie Sie bestimmte signifikante Merkmale benennen, die auch Marx benannt hat, muss aber damit ZUGLEICH einen AUFTRAG verstehen, sie in einem HEUTE angemessenen Kontext der Realität NEU zu bestimmen.

    Sie, der Sie mit wissenschaftlichem Anspruch hier auftreten, verweigern sich dem mit einem UMHERWERFEN von Begriffen und unterstützen stattdessen mit obiger Verlinkung eines Rosinenpickens, dass diese Aufgabe nicht erforderlich sei, weil ja schon Marx das Problem erkannt hat. Ich konstatiere, dass Sie vor der Enteignung als Lösung zurückschrecken, ohne aber zu sagen, dass sie auf falsche Marxschen Prämissen beruht.

    Dass es auch anders geht, will ich Ihnen demonstrieren am Beispiel A. Turners, den wir beide schätzen.

    Es geht nicht darum, Sie an seinen ökonomischen Kenntnissen zu messen, sondern lediglich darum, wie man ALLGEMEINVERSTÄNDLICH (für Bemühte) mit einem Thema in der Öffentlichkeit umgeht, das eine mögliche Lösung sein könnte:

    Helikoptergeld.

    Tritt A. Turner auf – dem Film gleich – mit „Helikoptergeld hat schon Milton Friedman vor mehr als 50 Jahren als Lösung gesehen – es ist das Beste Argument“.

    Nein, Turner analysiert vielmehr die Probleme des Schuldgeldsystems und findet im Rahmen dieses Geldsystems nicht die Lösung, die es bräuchte.

    Er schaut nach alternativen Geldsystemen oder Teilsystemen und begutachtet Helikoptergeld.

    Er kommt zu dem Schluss, dass es in der HEUTIGEN Realität funktionieren könnte.

    Er benennt auch die Risiken, die mit seiner Nutzung entstehen.

    Auf Basis dieser ERKLÄRTEN Erkenntnisse stellt er anderen, u. a. auch den deutschen Starökonomen H.-W. Sinn und C. Fuest folgende Fragen:

    Darf man Helikoptergeld ausklammern, wenn das Schuldgeldsystem keine Lösung liefern kann?

    Und:

    Wenn Sie meinen, dass man es ausklammern darf UND Sie zugleich keine andere Lösung vorweisen können, dann müssen sie angesichts der beklemmenden Krisensituation BEGRÜNDEN, warum sie es ausklammern.

    WIE begründen Sie es?

    Das und nicht der Film ist AUFKLÄRUNG.

    Es ist Aufklärung über die OPTIONEN, die wir haben und eben nicht der Griff in die Mottenkiste.

    Jetzt denken Sie vielleicht noch einmal nach, bei WEM Ignoranz vorherrscht.

    Ich sage NACHDENKEN und nicht der problematischen VERMITTLUNG, wie sie der Film aufweist, mit Schlagwörtern wie Historismus entkommen.

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      @ Dietmar Tischer

      „Wenn dieser fantastische, oder wie Sie es ausdrücken „umso bessere Ökonom“ das Problem erkannt hat, dann hat er auch die Lösung dafür gefunden.“

      Nein, hat er nicht. Marx war ein ausgezeichneter Ökonom bei der Problemanalyse, aber ein lausiger Prophet und in vielen Punkten ebenso ein lausiger Ratgeber.

      „Also, so die Schlussfolgerung, müssen wir enteignen, heute die Immobilienbesitzer, morgen BMW.“

      Kevin K. handelt mutmaßlich im Auftrag von Oscar L., um der SPD den finalen Rettungsschuss zu verpassen. Unglaublich, wie sich diese Partei zerlegt.

      „Das ist doch dem Film entsprechend nur FAIR mit Blick auf die Ungleichheit, die unser Problem ist.“

      Wir scheinen unterschiedliche Filme gesehen zu haben.

      „Was ich hier darlege, ist REALITÄT – Realität nicht nur wegen eines Kühnerts, sondern auch wegen derjenigen, die ihm in hoher Prozentzahl zustimmen.“

      Hohe Prozentzahl? Die kommenden Wahlen werden es zeigen.

      „findet diese Doku-Reihe und damit auch Marx „super“.“

      „und damit“? Das ist Ihre Schlussfolgerung. So wie mir geht es vermutlich auch Christian Hu um die Problem-Analyse. Und da ist Marx in der Tat „super“.

      „Die Wirkung solcher Filme oder ähnlicher Projekte ist also WEITREICHEND bis in die Ränge der Gebildeten.“

      Hoffentlich! Und durch Stephanie Flanders (Bloomberg) ist auch die nötige kapitalistische Seriosität garantiert.

      „Man hätte sagen MÜSSEN, dass unabhängig davon, auf was er berechtigt oder nicht berechtigt hinweist, seine Theorie FALSCH ist – und das erwiesenermaßen, weil seine Prognosen krachend verfehlt wurden.“

      Nein, das muss man nicht. Dennoch wurde es getan. Aber dazu hätten Sie die Doku in Gänze sehen müssen.

      „Wenn das so ist, hat er auch die MECHANISMEN für Ungleichheit und anderes nicht richtig erkannt oder sie falsch gedeutet. Das würde alles RELATIVIEREN, was von Marx gesagt wurde.“

      Auch diese Schlussfolgerung ist unhaltbar. Ihnen geht es zudem nicht um Relativierung sondern um Diskreditierung des Gesamtwerks sowie der gesamten Person. Warum? Lassen Sie uns doch sachlich darüber diskutieren, was in seinen Analysen richtig war und was falsch.

      „Er war EINFLUSSREICH, aber als Ökonom ein Versager.“

      Als einer der Repräsentanten der dismal science gehört er wohl zu denjenigen, die am wenigsten versagt haben. Wie ordnen Sie da erst HWS ein?

      „2. Man hätte auf die RELEVANZ verweisen müssen, d. h. darauf, dass Marx eine Realität zu fassen gesucht hatte, die NICHT mehr unsere heutige ist. Man kann den Kapitalismus seiner Zeit nicht mit dem 150 Jahre später vergleichen.“

      Wie gesagt, ich vermute, Sie haben eine andere Doku gesehen als ich oder aber eine ganz spezielle Brille aufgesetzt. Flanders hat auf alle Ihre kritikpunkte hingewiesen.

      „Also ist höchst Vorsicht geboten, auf seine Auffassungen, speziell die Lösung „Enteignung“ zurückzugreifen.“

      Ja, Enteignung ist wohl in den allermeisten Fällen die falsche Wahl. Das Instrument der Wahl ist die Erbschaftssteuer.

      „Die Wunde des Kapitalismus, die Marx mit seiner Theorie zu heilen versuchte,“

      Seit wann werden mit Theorien Wunden geheilt? Theorien sind wissenschaftlich begründete Aussagen, die dazu dienen, Ausschnitte der Realität und die zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten zu erklären.

      „Man kann zwar wie Sie bestimmte signifikante Merkmale benennen, die auch Marx benannt hat, muss aber damit ZUGLEICH einen AUFTRAG verstehen, sie in einem HEUTE angemessenen Kontext der Realität NEU zu bestimmen.“

      D’accord.

      „Ich konstatiere, dass Sie vor der Enteignung als Lösung zurückschrecken, ohne aber zu sagen, dass sie auf falsche Marxschen Prämissen beruht.“

      Ich schrecke hier vor gar nichts zurück, weil ich ein großer Freund des Eigentums bin. Aber auch hier gilt es, Maß und Mitte zu wahren, damit eine Marktwirtschaft funktionieren kann. Der Matthäus-Effekt ist eine historische Konstante und nannte sich bei Marx dann lediglich Kapitalakkumulation.

      „Darf man Helikoptergeld ausklammern, wenn das Schuldgeldsystem keine Lösung liefern kann?“

      Nein, man darf grundsätzlich erst einmal gar nichts ausklammern. Alle Optionen müssen auf den Tisch. Also auch Helikoptergeld.

      „Wenn Sie meinen, dass man es ausklammern darf UND Sie zugleich keine andere Lösung vorweisen können, dann müssen sie angesichts der beklemmenden Krisensituation BEGRÜNDEN, warum sie es ausklammern.“

      Entweder ich bin schwer von Begriff oder aber Sie haben missverständlich geschrieben. Ich bin ein Befürworter von Helikoptergeld und ich habe auch Alternativen/Ergänzungen genannt (Erbschaftssteuer).

      Also: Was bitte schön klammere ich aus?

      „mit Schlagwörtern wie Historismus entkommen.“

      HistoriZIsmus! Dieses Schlagwort war lediglich der kurze Hinweis, dass Sie mit Ihrer Kritik an den Prognosefähigkeiten von Marx bei mir offene Türen einrennen.

      Hier nochmals der Link zu dieser EXZELLENTEN und AUSGEWOGENEN Dokumentation von Stephanie Flanders (Senior Executive Editor for Economics at Bloomberg and head of Bloomberg Economics): https://youtu.be/oaIpYo3Z5lc

      LG Michael Stöcker

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    • Christian Hu
      Christian Hu sagte:

      @Dietmar Tischler:

      “Christian Hu, den ich hier bezüglich des Films angesprochen habe, jemand der – so nehme ich nach seinen Andeutungen an – ein Hochschulstudium in Wirtschaftswissenschaft bzw. Finanzwirtschaft erfolgreich abgeschlossen hat, findet diese Doku-Reihe und damit auch Marx „super“.

      Die Wirkung solcher Filme oder ähnlicher Projekte ist also WEITREICHEND bis in die Ränge der Gebildeten.”

      Ich empfehle wirklich, die Dokumentation anzuschauen, da sie auch auf die damaligen Verhältnisse eingeht und weiterhin dediziert anbringt, dass Marx keine Lösungsansätze präsentiert hat, sondern lediglich den Finger in die Wunde legt.

      Mir ist an dieser Stelle eine Unterscheidung wichtig:
      vermutlich denken Sie beim Begriff Marx aus nachvollziehbaren Gründen an die linksfaschistischen Diktaturen des letzten Jahrhunderts, welche Ihre Generation weit über ein halbes Leben lang begleitet haben und welche viel Leid gebracht haben. Wir sind uns sicher einig, dass kein vernünftiger Mensch sich dieses System für Deutschland wünschen kann.
      Neben dieser politischen Dimension gibt es jedoch auch eine rein wirtschaftliche Dimension – über diese sprechen wir, und dort ist Marx ein genialer Analytiker gewesen. Was Revolutionäre Kampftruppen daraus gemacht haben, steht auf einem anderen Blatt (aber auf keinem, das von Marx beschrieben wurde)

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Christian Hu

        Ich verstehe nicht, wie Sie zu der Auffassung gelangen, ich würde in meinem Kommentar an linksfaschistische Diktatoren denken.

        Habe nicht daran gedacht.

        Ich habe vielmehr daran gedacht, wie ein Satz den ich auch der Dokumentation zitiert habe, aussagt und gemessen an dem, was er BEWIRKT, dargelegt, warum er KEINE Aufklärung sein kann.

        Natürlich gibt es bei Marx neben anderem auch eine REIN wirtschaftliche Dimension.

        Sie beruht auf EMPIRIE und des Weiteren auf der GESCHICHTSPHILOSOPHIE von Hegel.

        Auf dieser Basis hat Marx eine ökonomische THEORIE entworfen, die

        a) mit konkreten Prognosen behaftet erwiesenermaßen FALSCH ist (die sogenannten Ausgebeuteten sind nicht mehr auf Reproduktionsniveau, d. h. nur zur Fortpflanzung fähig, sondern sie sind in großer Zahl übergewichtig, weil überfressen; der Kapitalismus steuert erkennbar nicht dem Ziel „Sozialismus“ zu, das Marx mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel verband.)

        und

        b) selbst, wenn sie richtig wäre, erst einmal nur für die Gegebenheiten des 19. Jahrhundert als richtig anzusehen sein würde, nicht aber für unsere, die NACH Marx Gegebenheiten einer kapitalistischen WEITERENTWICKLUNG sein müssen, also NICHT mehr umstandslos fürs 21. Jahrhundert gelten können.

        Wer angesichts dieser DEFIZITE behauptet, dass Marx das BESTE Argument gegen den Kapitalismus geliefert habe, hat entweder keine Ahnung oder betreibt Demagogie.

        AUFKRLÄRUNG ist es auf keinen Fall.

        Das ist so schlüssig, dass ich mir bezüglich dieser Dokumentation nichts weiter anzusehen und anzuhören brauche.

        Tut mir leid, ich mache die Wischi-Waschi-Nummer der Volksverdummung nicht mit.

        Vor allem bin ich allergisch, wenn sie mit dem Überlegenheitsgestus eines M. Stöcker daherkommt, wie etwa (im Beitrag vor Ihrem):

        >Marx war ein ausgezeichneter Ökonom bei der Problemanalyse, aber ein lausiger Prophet und in vielen Punkten ebenso ein lausiger Ratgeber.>

        Marx war ein sehr guter Beobachter, das zweifelsohne, aber jemand der ERWIESENERMASSEN eine falsche Theorie aufgestellt hat, ist KEIN ausgezeichneter Ökonom.

        Marx war kein Prophet – seriöse Ökonomen, zu denen er selbstverständlich zu zählen ist, sind mitunter PROGNOSTIKER – er zählt dazu -, aber NIE Propheten.

        Typisch Stöcker:

        Weiß alles, wechselt aber bei den Kategorien eben mal von der Ökonomie zur Religion.

        Das ist Herumgeeiere, wertlos für eine KLÄRENDE Diskussion.

  2. ikkyu
    ikkyu sagte:

    Es gibt noch einen weiteren wichtigen Unterschied:

    In kaum einem anderen Wirtschaftsraum ist die von den links-grünen Ideologen + Medien beförderte Innovations- und Technikfeindlichkeit so weit verbreitet wie in Europa.

    Ein Beispiel ist das EuGH-Urteil zu dem Gen-Editing Verfahren Crispr/Cas:

    https://www.spektrum.de/kolumne/der-lange-schatten-der-ideologien/1580714

    Hinzu kommt noch, dass die von den Leugnern des natürlichen Klimawandels geschürte Angst vor der CO2-verursachten Klimaapokalypse vor allem in Europa weit verbreitet ist.
    Die daraus resultierende Politik der Energieverteuerung wird zusätzlich eine verheerende Wirkung auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung haben.

    Und das alles, obwohl es in der Klimageschichte keinen Hinweis für eine schädliche Wirkung von hohen CO2-Werten auf die Natur gibt.
    Im Gegenteil florierte das Leben zu “Dino-Zeiten” bei CO2-Konzentrationen von mehr als 1000 ppm (aktuell ca. 400 ppm).

    Zitat:
    “Das Ergebnis: Entgegen den Erwartungen nahm der Nährstoff- und Energiegehalte von mehreren der getesteten Pflanzenarten auch bei hohen CO2-Werten nicht ab. Der Schachtelhalm blieb sogar unabhängig von den CO2-Werten gleich gehaltvoll, beim Farn, dem Ginkgo, der Araukarie und dem Hahnenfuß war der Nährstoffgehalt bei 1.200 ppm CO am höchsten. Nur der Mammutbaum verlor oberhalb von 800 ppm deutlich an Energiegehalt.”

    https://www.scinexx.de/news/biowissen/dino-dinner-futter-gabs-genug/

    Die positive Wirkung von CO2 auf das Leben zeigt auch diese NASA Studie zum “global greening”:

    https://www.nasa.gov/feature/goddard/2016/carbon-dioxide-fertilization-greening-earth

    Warum sind die Grünen gegen eine grüner werdende Erde?

    Antworten
  3. Markus
    Markus sagte:

    Ein Unterschied zwischen Europa, USA und China jetzt und Japan damals ist auch, dass sich Japan damals als einziges entwickeltes Land in dem Zustand befand, heute aber alle entwickelten Volkswirtschaften inklusive des (USA) bzw. der (USA +China) dominanten Volkswirtschaften.

    Antworten
      • Christian Hu
        Christian Hu sagte:

        Die Dokureihe war super, schaue ich mir am Wochenende vielleicht noch einmal an. Wenn ich mich richtig erinnere, wird auch die “kapitalistische” Seite von Marx (…der ja nun einmal auch ein Kind der Klassik war…) dargestellt.

        Für diejenigen, die darüber hinaus Interesse an Grundlagen haben, kann ich die im folgenden Syllabus genannten Kapitel ganz oder in Teilen empfehlen: http://www.perrymehrling.com/wp-content/uploads/2015/04/Syllabus_Theoretical-Foundations_1996.pdf

        Die darin genannten Werke gibt es kostenlos:
        – Keynes (https://keynes-gesellschaft.de/the-general-theory-1936/zur-general-theory/)
        – Smith (https://political-economy.com/wealth-of-nations-adam-smith/)
        – Marx (https://archive.org/stream/KarlMarxDasKapitalpdf/KAPITAL1_djvu.txt)

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Christian Hu

        Was Sie super nennen, beginnt spätestens bei Minute 1:40 mit grobem UNSINN über Marx:

        >For Marx the best argument against capitalism was that it was inherently unfair.>

        Erstens:

        Was den Kapitalismus betrifft, gibt es für Marx kein Dafür- und Dagegensein.

        Es gibt eine Entwicklung des Kapitalismus, die so und nicht anders abläuft.

        Er könnte auf obigen Satz antworten:

        Für oder gegen den Kapitalismus zu sein, ist so, wie für oder gegen die Fallgesetze von Newton zu sein – also nichts verstanden zu haben.

        Zweitens:

        Etwas als unfair zu bezeichnen, besagt, dass etwas zwischen bzw. von Menschen ausgehandelt wurde, das nicht als akzeptabel ist.

        Für Marx ist der Kapitalismus nichts, was von Menschen ausgehandelt worden ist oder wird – und somit verhandelbar wäre.

        Super in der Serie ist zumindest über Max nur das Unverständnis – Futter für Dummköpfe wie die Kühnerts.

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        @ Dietmar Tischer

        „Es gibt eine Entwicklung des Kapitalismus, die so und nicht anders abläuft.“

        Ich frage mich, warum Sie immer wieder auf diesem Punkt herumreiten, der eigentlich seit 1944/1945 abgehakt ist: „Das Elend des Historizismus“ sowie „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.

        Marx war dafür ein umso besserer Ökonom und hat den Finger in die klaffenden Wunden des Kapitalismus gelegt: ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung, Krisenhaftigkeit des Kapitalismus (mit dem Finanzsektor als Beschleuniger: G-W-G‘), tendenzieller Fall der Profitrate, Überproduktionskrise/Unterkonsumtionskrise.

        „Super in der Serie ist zumindest über Max nur das Unverständnis – Futter für Dummköpfe wie die Kühnerts.“

        Super in Ihrem Kommentar ist zumindest über Marx nur das ignorante Unverständnis jenseits des Historizismus – Futter für Dummköpfe wie die Schäfflers.

        LG Michael Stöcker

  4. Bauer
    Bauer sagte:

    Schlussatz bto: “Ist es in Japan die Allokation des Schadens innerhalb einer Gesellschaft, ist es bei uns die Allokation zwischen Gesellschaften.”

    Hierin liegt wohl der entscheidende Unterschied zwischen den verglichenen Wirtschaftsräumen (USA, Japan, EZ) der Studie, wobei der Akzent nicht auf Gesellschaft, sondern auf Rechtsraum zu legen ist.

    Japan hat sein Problem weitgehend unter nationaler Kontrolle, da Schuldner und Gläubiger überwiegend demselben Rechtsraum (Staat), der unbedingt eingreifen (regulieren, umverteilen) kann. Damit kann Japan noch lange so weiterfahren.

    Für die USA trifft das so nicht zu, sie sind international zu sehr verflochten, haben aber Heimvorteil durch ihren Dollar (“Der Dollar ist unser Geld, aber euer Problem”). Auch die USA können noch länger so weiterwirtschaften, notfalls mit militärischer Unterstützunng.

    Für Europa, bzw. die Eurozone trifft das nicht zu, da bereits innerhalb des Währungsraums “die Allokation zwischen Gesellschaften” nicht funktioniert. Während da Italien noch am ehesten dem japanischen “Modell” nahe kommt, trifft das für die übrigen Südländer gerade nicht zu, wie uns die Beschwerden der letzten 10 Jahre eindrücklich bewiesen haben.

    Und nebenbei gesagt, folgt China mutatis mutandis doch eher dem japanischen Muster und wird wahrscheinlich viele seine Probleme mittels seiner Kommandowirtschaft im Griff behalten. Hoffentlich!

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