Felix Zulauf: “Zeitenwende”

Felix Zulauf ist einer der scharfsinnigsten Beobachter der Wirtschaft und von Kapitalmärkten, weshalb ich ihn immer gerne zitiere. Früherer Highlights:

→ „Globale Sturmwinde“

→ „Ist Deflation unausweichlich?“

→ Risse im Euro-Fundament

Nun äußert er sich erneut in der FINANZ und WIRTSCHAFT. Die Ansichten entsprechen denen von bto, dennoch ist es schön, sie so klar in den Kontext gestellt zu bekommen:

Mittelstand der Verlierer der Politik der letzten Jahrzehnte

  • Die „Revolte des Volkes gegen eine langjährige Politik des Establishments an den Interessen des Mittelstands vorbei (…) manifestiert eine große Veränderung des Zeitgeists – von Globalisierung zu Nationalismus, von Freihandel zu Protektionismus, von Migration zu geschützten Grenzen.“ – bto: In der Tat hat sich die Politik weit von den Interessen der Mittelschicht entfernt. Allerdings dürfte es nicht zu einem baldigen Kurswechsel in Europa kommen, zu groß sind die Beharrungskräfte.
  • „(…) das ist die Antwort der “Wutbürger” auf die selbstherrliche und vielfach fehlgeleitete Regierungsarbeit des Establishments, das den Mittelstand der meisten Industrieländer zum großen Verlierer der letzten 25 Jahre gemacht hat. Die Protestbewegung wird weitergehen, denn die etablierten Regierungen sind überall überfordert und verschleppen notwendige strukturelle Anpassungen und Reformen.“ – bto: was allerdings nicht sobald geändert wird. Man denke an den sich abzeichnenden Wahlkampf in Deutschland.

Euro verfehltes Projekt der Elite

  • „Gerade in Europa hat sich die «Elite» mit der unmöglichen Währungsunion und einer zunehmend zentralisierten EU viel zu weit vom Volk entfernt und wird dafür die Zeche bezahlen.“ – bto: das kann noch Jahre dauern. Inhaltlich bin ich bei Zulauf, denke aber der unbedingte Wille das Projekt zu erhalten, wird es noch lange tragen. Und vermutlich den Schaden weiter vergrößern.
  • „Trumps Versuch der Veränderung (…) könnte in den kommenden Jahren in der Weltwirtschaft wie auch in der Geopolitik ordentlich rumpeln, was an den Finanzmärkten entsprechende Verunsicherung auslösen dürfte. Gewisse Vorwürfe Trumps an seine Handelspartner sind berechtigt. China hat über Jahre ein Modell der Beschäftigung mit Dumping der hergestellten Produkte im Ausland betrieben (…) Auch der Vorwurf der Währungsmanipulation an Deutschland trifft zu, da die deutsche Exportwirtschaft mit einer um 20 bis 30 % zu niedrigen Währung operieren kann, weil sie in den Euro eingebunden ist. Deutschland hat seit der Einführung des Euros seine Exportquote auf über 40 % fast verdoppelt.“ – bto: Es erschreckt mich immer, dass wir die negativen Folgen dieser Politik für uns selbst nicht erkennen wollen.

China lebt auf Pump

  • China hat bis 2008 alles richtiggemacht, doch seither forciert es das Wachstum mit gigantischen staatlichen Investitionen und maßloser Kreditschöpfung. Diese Politik schwächt die Währung, die durch Interventionen gestützt wird, wobei die Währungsreserven bereits um ein Viertel dezimiert wurden. Dieser Kurs ist nicht nachhaltig. Peking wünscht Stabilität und Ruhe im Hinblick auf den 19. Parteikongress im Herbst, an dem die Führung bestätigt wird. Darauf wird Trump kaum Rücksicht nehmen, denn er will seine Wahlversprechen einlösen, womit der Konflikt mit China programmiert ist.“ – bto: Sollte dies eintreten, stehen wir in der Tat vor massiven Turbulenzen an den Kapitalmärkten.

Europa: Auflösung der Währungsunion erforderlich

  • „Für die EU gibt es nur zwei Lösungen: entweder Überführen der Nationalstaaten in einen Zentralstaat, was die Völker alle nicht wollen oder zurück zu nationalen Währungen, vielleicht wieder in einer Schlange wie früher. Langfristig gibt es keinen anderen Weg; deshalb sind die politischen Führungen in der Eurozone gut beraten, sich geordnet aus diesem Schlamassel zu befreien. Zuwarten führt nur tiefer in die Sackgasse, was wiederum die Protestbewegungen stärkt.“ – bto: Wer glaubt, dass die Politiker dies tun? Also bekommen wir die schlechteste aller Welten.

Erschreckende Parallelen zu 1900

  • „Die heutige Lage zeigt viele Parallelen zur Zeit um 1900, als die Weltwirtschaft auch globalisiert war, mit freiem Waren- und Kapitalverkehr und großer Migration. Damals forderte der Emporkömmling Deutschland die Vormächte Großbritannien und Frankreich heraus, so wie heute China die USA. Die Donaumonarchie war das institutionelle Fehlkonstrukt mit elf Nationen unter einem Dach, zwei Kronen und schwacher Führung, ähnlich wie heute die EU.“ – bto: Auch dies ein Vergleich, den ich bei bto schon einmal diskutiert habe. Er stimmt nicht optimistisch.
  • Vor dem Hintergrund einer strukturell geschwächten Weltwirtschaft mit dem höchsten finanziellen Hebel der Geschichte würden zunehmende Handelskonflikte und Verunsicherungen das Fundament erschüttern und geopolitische Verhältnisse verschieben.“ – bto: Er meint eine Weltwirtschaft, die noch nie so viele Schulden hatte!

Notenbanken kaufen Zeit

  • „(…) die Regierungen (haben) den Ball einfach den Notenbanken zugespielt. Diese haben mit einem geschöpften zweistelligen Billionenbetrag an neuem Geld Probleme temporär überkleistert (…) Mit dieser Ausgangslage und den anlaufenden Veränderungen ist es nur eine Frage der Zeit, bis zunehmende Risiken zu höheren Zinsen führen. Assets werden jedoch vom Zinsniveau abdiskontiert, was Vermögenswerte aller Art heute sehr teuer einstuft.“ – bto: Auch dies habe ich immer wieder gezeigt.
  • „Hohe Bewertungen führen zu niedrigen Anlagerenditen und umgekehrt. Noch weisen Konjunktur- und Aktienindikatoren nach oben, und die Haussiers bestimmen den Takt. Aber wer genauer hinschaut, sieht das dünne Eis, auf dem sich die Welt bewegt.“ – bto: deshalb: Risiken abbauen und das Haus wetterfest machen!

 

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “Zeitenwende”, 7. Februar 2017