F.A.Z.: “Fantasielosigkeit gegen­über Erfinder­geist” beim Bundes­verfassungs­gericht

Wie groß war doch die Kritik zu meinem Kommentar zum technologie- und innovationsskeptischen Bundesverfassungsgericht, das lieber mehr “Planung” eines per Definition nicht planbaren Zustands forderte, den die Politik dann mit ihrer hektischen Zielerhöhung für die Einsparungen prompt lieferte:

Klimaschutz­gesetz: Wir brauchen Effizienz statt Plan­wirtschaft

Neben der WeLT (letzten Freitag bei bto) hat auch die F.A.Z. ähnlich argumentiert:

  • “Um die großen existenziellen Herausforderungen zu bewältigen, wird generell gefordert, die Leute sollen ihr Verhalten ändern. In der Regel geht es um Verzicht, was intuitiv naheliegt: Es gilt, die natürlichen Ressourcen zu bewahren. So sollen sich die Menschen Autofahren, Fliegen oder Fleischessen verkneifen. Das hilft dem Klima, den Tieren und dem Gewissen.” – bto: Das ist genau jenes, was uns die Dauerbeschaller der Medien und der Politik erzählen.
  • “Vorschläge werden schnell zu moralischen Appellen, deren Nichtbefolgung soziale Ächtung und eine Delle im SUV nach sich ziehen kann. Nur, es nützt offenbar nichts. Die meistverkauften Autos sind inzwischen SUVs. Laut Internationaler Energieagentur haben die Geländewagen mit ihrem größeren Verbrauch die CO2-Einsparungen durch neue Elektrofahrzeuge komplett zunichtegemacht.” – bto: Und die bessere Gebäudedämmung wurde durch höhere Wohnzimmertemperaturen kompensiert.
  • “(Die Menschheit) erfindet sich aus Krisen heraus. Oder genauer gesagt: Pioniere erfinden bahnbrechende Dinge, die die Bemühungen der Massen klein erscheinen lassen. Der Glaube, mit Trinkhalmverboten und Tupperware die Welt retten zu können, entpuppt sich als Illusion.” – bto: Und deshalb wäre es so viel wichtiger, Geld für Forschung auszugeben.
  • “Geöffnet für das normale Leben oder kurz davor sind die Länder, die sehr früh rigorose Lockdowns und Einreisebeschränkungen verhängt haben wie Neuseeland, Australien oder China. Es ist also keineswegs so, als hätten nicht auch Verhaltensänderungen ihre positive Wirkung. Dazu gesellen sich Länder, die konsequent aufs Impfen gesetzt haben: Israel, die Vereinigten Staaten und England gehören zu diesem Club. Sie profitierten als Erste von der Errungenschaft des unter anderem in Mainz erfundenen Corona-Impfstoffs – dem wahren ‘Gamechanger’ dieser Pandemie.” – bto: Wir mit unserem Bundeslockdown üben schon mal für Klimalockdowns.
  • “Als der amerikanische Präsident Donald Trump (…) das ‘Warp Speed’-Programm mit dem Ziel auf den Weg brachte, in Rekordzeit Impfstoffe und Therapeutika entwickeln zu lassen, reagierten politische Gegner mit Kritik oder Ignoranz und Experten mit Unglauben. Selbst renommierteste Fachleute wie der Pharma-Analyst Geoffrey Porges von der Investmentbank SVB Leerink hielten es für nahezu ausgeschlossen, dass es klappen könnte, gleich mehrere Corona-Impfstoffe binnen eines Jahres zu entwickeln und genehmigen zu lassen.” – bto: bekanntlich völlig falsch. Es wäre schön gewesen, wenn die EU genauso konsequent gehandelt hätte.
  • Die Skepsis wird aus jener Fantasielosigkeit gegenüber Erfindergeist und wirtschaftlicher Dynamik gespeist, die auch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz durchdringt. Die Richter verdonnern Deutschland dazu, schon heute festzulegen, in welchem Industriebereich in zwanzig Jahren wie viel CO2 eingespart wird. Schon heute müsse mehr getan werden, um kommenden Generationen nicht die Freiheit zu rauben.” – bto: Es ist so rückwärtsgerichtet, man kann es nicht glauben. Dabei dürften die Richter eigentlich gut gebildet sein.
  • “Das Denken in den Kategorien regionaler, langfristiger Planerfüllung verweigert sich bei allem berechtigten Klimaschutzehrgeiz der Vorstellung, dass die Einsparung der schädlichen Klimagase in zehn oder zwanzig Jahren viel einfacher und billiger sein könnte – dank heute noch unbekannter oder gerade erst zu erahnender Technik. Das ist nicht aus der Luft gegriffen. Die steil abwärts weisenden Kostendegressionspfade für Solarzellen, Windenergie und Stromspeicher lassen eine Zukunft der klimaneutralen Stromproduktion realistisch erscheinen. Wie unvorstellbar die Zukunft ist, zeigt ein Blick zurück: Wer hätte zur Jahrtausendwende darauf gewettet, diesen Artikel auf einem mobilen Telefon zu lesen und nebenbei ‘Alexa’ zu bitten, Musik abzuspielen?” – bto: Und wir wissen auch von Umwelttechnologien, die erheblichen Einfluss haben werden. Sie werden allerdings bei uns zum Teil tabuisiert.
  • “Aids verbreitete sich zuletzt in Afrika, obwohl sichere Sexualpraktiken das hätten verhindern können. Auf den ersten Blick hätte es also nur einer simplen Verhaltensanpassung bedurft (…). Erst mit dem Aufkommen von wirksamen Behandlungsmethoden und ihrer Verbilligung ergibt sich nun die Chance, die Krankheit zu eliminieren. (…) Die Geschichte wiederholt sich an dieser Stelle: Bei der Syphilis-Bekämpfung halfen nicht moralische Keuschheitsappelle der Kirche, sondern letztlich Antibiotika.” – bto: das Problem aus Sicht der Politik: Man kann weniger eingreifen und steuern.
  • “Trotz jahrzehntelanger Kampagnen von Organisationen wie PETA, trotz aller Veganismus zelebrierender Promis lässt der Fleischkonsum nicht nach. Die Welt isst dieses Jahr mehr Fleisch als je zuvor (…). Der bekannte New-YorkTimes-Kolumnist und bekennende Vegetarier Ezra Klein kommentierte die Entwicklung mit dem schlichten Hinweis: ‘Die Menschen mögen Fleisch. Sehr.’ (….) Er warb dafür, dass künstliches Fleisch aus Pflanzen oder dem Labor dem Genuss des echten Rohstoffes entsprechen muss. (…) Die Hoffnung, dass Milliarden Bürger ihre Fleischmesser niederlegen, um in einen ‘Impossible Burger’ zu beißen, sollte man nicht hegen. Zumindest nicht, bevor die Preise für das falsche Fleisch stark sinken – was durchaus möglich sei, aber noch dauert. Die Verhaltensänderung würde dann also folgen, sobald die Innovation massentauglich und erschwinglich ist – und nicht andersherum.” – bto: Und das wird passieren, wobei natürlich die Politik Rahmenbedingungen setzen kann.
  • “Das alles heißt mit keiner Silbe, dass gewissenhaftes Verhalten, Aktivismus und der Drang, das Gute zu tun, eine dumme Sache wären. (…) auch beim Klimaschutz glauben selbst die größten Verfechter des technologischen Fortschritts nicht daran, dass die Technik allein die Katastrophe verhindert. MIT-Ökonom Andrew McAffee beispielsweise hat neben Kapitalismus und neuer Technologie zwei andere Dinge ausgemacht, die dazu beigetragen haben, dass wir aus weniger natürlichen Ressourcen heute deutlich mehr herausholen können: ‘das öffentliche Bewusstsein für die Schäden, die wir unserem Planeten zufügen, sowie bürgernahe, reaktionsfähige Regierungen, die den Bürgerwillen zügig umsetzen und vernünftige Maßnahmen ergreifen, um solchen Umweltschäden tatkräftig entgegenzuwirken’.” – bto: Dem widerspreche auch ich nicht.
  • “Es ist also oft nicht nur das Problem allein, das den Erfindergeist auf den Plan ruft, sondern von Menschen erzeugter und politisch kanalisierter Handlungsdruck, der die geistigen – und damit verbunden oft auch die materiellen – Ressourcen in die richtige Richtung lenkt. Ökonom McAffee nennt die Melange dieser Faktoren die ‘Reiter des Optimisten’. Welch befreiende Kraft diese Reiter bewirken, kann jeder am eigenen Leib nachfühlen, der dieser Tage eine Impfspritze gesetzt bekommt.” – bto: Doch unsere obersten Richter und Politiker setzen voll auf eine Klima-Verzichtswirtschaft, die bitte schon heute einen 20-Jahres-Plan aufstellt. Uff.

faz.net: „Die Jünger des Verzichts und ihre falschen Träume“, 5. Mai 2021