EZB: Komplizin auf dem Weg in die Schulden­union

Letzten Sonntag habe ich mich intensiv mit dem Wiederaufbaufonds beschäftigt: der Blankoscheck für eine Schulden- und Transferunion, die den Euro nicht wirklich rettet, uns aber belastet, um nicht zu sagen überlastet.

Es ist immer das Ziel der anderen Staaten gewesen, über eine Schulden- und Transferunion Zugriff auf die deutsche Finanzkraft zu bekommen. Wie das Spiel dabei abläuft, haben wir gesehen: Bei jeder Krise verschiebt sich die Last zu uns und die EZB schafft derweil Tatsachen, wie die NZZ zusammenfasst:

  • “Seit Jahren schirmt die Notenbank die Mitgliedstaaten der Währungsunion von ‘gerechten’ Zinssätzen ab, nämlich jenen Sätzen, die quasi per Schwarmintelligenz an den Finanzmärkten ermittelt werden. Seit dem Beginn des Pandemie-Notfallkaufprogramms (PEPP) über bis zu 1850 Mrd. € entsprechen die Netto-Anleihekäufe der EZB (Bruttokäufe minus Tilgungen) den Netto-Anleiheemissionen der Euro-Staaten. (…) Die EZB finanziert faktisch die gesamten Haushaltsdefizite der Mitgliedstaaten.” – bto: Dumm ist, wer den Staat mit Steuern und Abgaben finanziert.

Budgetrestriktionen durch die Finanzmärkte

  • “Politiker versprechen Bürgern gerne eine Vielzahl von segensreichen Leistungen, um die nächste Wahl zu gewinnen. Allerdings müssen die Wohltaten früher oder später bezahlt werden. Da Steuererhöhungen bei den Bürgern unbeliebt sind, suchen Regierungen Kreditgeber. Diese finden sie auf dem Markt für Staatsanleihen. Die Preise für die Kredite bilden sich aufgrund von diversen Faktoren, etwa Angebot und Nachfrage, der Kreditwürdigkeit, den Erfahrungen der Kreditgeber mit dem Land, der Höhe der Wirtschaftskraft, der Inflation und vielem mehr.” – bto: In der Theorie steigt der Zins mit dem wahrgenommenen Kreditrisiko.
  • “In der Euro-Zone ist die EZB (…) zum mit Abstand grössten Gläubiger der Euro-Länder geworden. Sie kauft bei mancher Emission oder manchem Emittenten rund einen Drittel der verfügbaren Papiere – und hält auf diese Weise die Zinsen für die Staatsanleihen künstlich tief. Das führt dazu, dass zehnjährige Anleihen von Ländern wie Italien oder Griechenland, die nicht den Ruf eines stabilen Schuldners haben, derzeit eine Rendite von nur noch knapp 1% abwerfen. Portugiesische Anleihen rentieren sogar nur mit 0,5%. Die USA, einer der glaubwürdigsten Schuldner, müssen derweil 1,6% Zinsen zahlen.” – bto: womit klar ist, dass es in der Eurozone keine marktgerechte Bepreisung von Risiken gibt.
  • “Steigen die Renditen für (gewisse) Staatsanleihen gegen den Wunsch der EZB, etwa weil Marktteilnehmer höhere Risiken orten, wertet die EZB dies als Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus, was mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Dieses Totschlagargument wird zum Schutzschirm für die Finanzminister aller Euro-Länder gegen steigende Renditen an den Staatsanleihemärkten. Es erlöst sie vom disziplinierenden Druck der Märkte, eine massvolle Finanzpolitik zu betreiben.” – bto: und nicht nur das. Wer in diesem Umfeld spart, ist der Dumme und der große Verlierer.
  • “Selbst der bis Mitte 2019 amtierende EZB-Chefökonom Peter Praet hält es inzwischen für gefährlich, wie er im Januar in einem Interview sagte, wenn ein Land wie Italien Kredite der EU ausschlage, da es sich mithilfe der EZB zu sehr niedrigen Zinsen allein am Kapitalmarkt refinanzieren könne. «Auch du, Brutus?», mag sich da mancher EZB-Vertreter fragen, da Praet während seiner achtjährigen Amtszeit ein strammer Verfechter einer ultralockeren Geldpolitik war.” – bto: Für die Geschichtsbücher hat er sich so auf das rettende Ufer begeben und kann sagen, er hätte vor den Risiken gewarnt. Super.
  • “(…) die Mehrheit der Bürger im Euro-Raum (ist) misstrauisch gegenüber der EZB, wie die regelmässige Umfrage ‘Eurobarometer’ der EU-Kommission zeigt. Das Nettovertrauen in die EZB liegt seit fast zehn Jahren unter null, obwohl das Nettovertrauen in den Euro selbst hoch ist und seit dem Jahr 2015 sogar nochmals zulegte.” – bto: Es hat keines Beweises für die Ahnungslosigkeit der Bürger gebraucht, denn es ist schizophren.
  • “Monetäre Staatsfinanzierung ist laut den Verträgen über die Arbeitsweise der Europäischen Union (§ 123) verboten. Über die Frage, ob gegen dieses Verbot – faktisch oder zumindest dem Geiste nach – verstossen wird, wenn die Zentralbank mit ihrer Geldschöpfung die gesamte Neuverschuldung der Euro-Länder finanziert, müssen Juristen urteilen.” – bto: Und wir wissen, dass diese es nicht beanstanden werden.
  • “Die EZB hat in den vergangenen Jahren der Prosperität dazu beigetragen, dass hochverschuldete Länder sich selbst in guten Zeiten nie ernsthaft mit einer Reduktion ihrer Verbindlichkeiten beschäftigen mussten. Das wäre jedoch wichtig gewesen, um sich für künftige Unwägbarkeiten zu rüsten und auch ohne Hilfe der Notenbanken am Finanzmarkt gute Konditionen zur Refinanzierung erzielen zu können.” – bto: Italien hat es durchaus probiert. Es lag an dem zu tiefen Wachstum, dass das nicht funktioniert hat.
  • “Das gilt umso mehr, als mit steigenden Schuldenständen der Druck auf die EZB immer grösser wird, für die betreffenden Länder den Schutzschirm vor marktgerechten Zinsen aufrechtzuerhalten. (…) Diese Politik dürfte so lange weitergehen, bis die Schuldenbombe irgendwann mit unabsehbaren Konsequenzen platzen wird.” – bto: Und das kann nur mit erheblichen Vermögensverlusten für alle verbunden sein. Umso wichtiger, dass Deutschland sich auf die Dekade der Vermögensvernichtung vorbereitet!

nzz.ch: „Die EZB manövriert die Währungsunion in eine Schuldenunion“, 16. Mai 2021