Eurozone stagnation is a greater threat than debt

Wolfgang Münchau heute morgen bei mir im Doppelpack. Unter dem völlig falschen Titel “Eurozone stagnation is a greater threat than debt” sein Beitrag in der FT. Den Titel muss sich der Sonntagsredakteur ausgesucht haben. Denn wenn man der Argumentation von Münchau in seinem Artikel folgt, so kann man nicht zu dem Schluss kommen, das die Schulden keine Bedrohung sind. Außer man geht ohnehin davon aus, was ich bei Münchau durchaus nicht ausschließen möchte, dass am Ende die Notenbank alle Schulden aufkauft und so entwertet. Münchaus Argumentation geht so:

  • Die Turbulenzen an den Finanzmärkten sind nicht aufgekommen, weil die Märkte eine Rückkehr der Staatsschuldenkrise erwarten. Da die Zinsaufschläge für Anleihen der Krisenländer nicht gestiegen sind (bto: was sie natürlich nicht tun, weil die Investoren wissen, dass die EZB sie raushaut). Stattdessen haben die Märkte realisiert, dass Europa eine zehn- bis zwanzigjährige Stagnation mit tiefer Inflation droht.
  • Folge: hohe Arbeitslosigkeit, Verarmung, sinkende öffentliche Dienstleistungen und weiter steigende Schuldenquoten (stimmt).
  • In einem solchen Szenario schwachen Wachstums, geringer Inflation und anhaltend hoher Schulden wird es zu steigenden Insolvenzzahlen kommen.
  • Damit ist eine solche “säkulare Stagnation” schlimmer als die Schuldenkrise: Die Politik muss endlich handeln, vor allem auch, weil die EZB es nicht alleine lösen kann. (bto: Hier habe ich etwas Verständnisschwierigkeiten. Die hohen Schulden sind doch ein wesentlicher Grund für das geringe Wachstum. Wenn die Stagnation zudem dazu führt, dass noch mehr Schulden auch offiziell nicht bedient werden, so ist dies zutreffend, aber nicht Grund genug, die Stagnation zum Problem zu erklären, die Schulden hingegen nicht.)
  • Die Politik muss demzufolge eine echte Währungsunion mit Eurobonds, fiskalpolitischer Koordinierung, Transferzahlungen und Bankenunion mit Risikosozialisierung durchsetzen. Alternative 1: Die Stagnation akzeptieren. Alternative 2: Die Eurozone auflösen. Wobei 2 auch die Folge von 1 sein kann (stimmt).

Das Fazit stimmt traurig und ist zutreffend. Münchau war aber schon einmal weiter, als er offen Schuldenschnitte verlangt hat.

FT (Anmeldung erforderlich): Eurozone stagnation is a greater threat than debt, 19. Oktober 2014

Bei SPIEGEL ONLINE beschäftigt er sich mit dem Vorschlag des französischen Finanzminister Michel Sapin und von Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, dass Deutschland mehr ausgeben soll, während Frankreich spart. Dies würde den gesamtwirtschaftlichen Effekt im Euroraum neutralisieren. Für Münchau ein Textbuch-Beispiel für die wirtschaftspolitische Koordination in einer Währungsunion. Was zutreffend ist, aber auch hier nicht der Lösung unserer Probleme dient, sondern nur dem Kauf von weiterer Zeit, weil der kurzfristige Anpassungsdruck sinkt. Zur Erinnerung: Deutschland hat in Wahrheit deutlich höhere Schulden als offiziell ausgewiesen. Was aber nicht heißen soll, dass es nicht besser wäre, unsere Schulden und Straßen zu modernisieren, als zweifelhaften Schuldnern auf Kredit unsere Autos und Maschinen zu verkaufen. Münchau erläutert dann sehr zutreffend, wie es in einer idealen Welt funktionieren würde, um dann aber auch zu zeigen, warum es in der Realität eben nicht funktioniert: “Seit Jahren geloben auch die französischen Regierungen Besserung – und schieben den ausgeglichenen Haushalt auf den Nimmerleinstag hinaus. Gegenseitiges Vertrauen ist so kaum möglich.” Und weiter: “Die Koordination ist ein Spiel mit ungleichen Karten. Ein Sparprogramm kann schnell gekippt werden. Aber ein angekündigtes Investitionsprogramm wäre nicht so einfach rückgängig zu machen. Ich selbst gehörte zu denen, die am Anfang der Währungsunion noch dachten, die Koordinierung könnte funktionieren. Ich weiß jetzt, dass das nicht geht.”

SPIEGEL ONLINE: Warum die Franzosen recht haben, 20. Oktober 2014

Damit wären wir beim Gesamtfazit:

  • Was getan werden müsste, wird nicht mal gefordert (Schuldenschnitt und danach Neustrukturierung der Eurozone).
  • Was gefordert wird, würde ohnehin nicht genügen, kommt aber sowieso nicht (Zentralisierung, Koordination Wirtschaftspolitik, Umverteilung)
  • Was kommt, will noch keiner wahrhaben (zunehmende Spannungen, Zahlungseinstellungen und/oder die Sozialisierung über die EZB mit ebenfalls chaotischen Folgen).

Es bleibt spannend.