EU-Deal: teuer, nutz­los und im Keim zer­stö­rerisch

Das wird teuer für Deutschland. Erneut haben unsere Politiker unseren Wohlstand auf dem Altar der europäischen Freundschaft geopfert – geblendet vom Glauben an das reiche Land, gefangen im Narrativ, wir seien die großen Eurogewinner und in völliger Verkennung des großen Spiels, als könne man sich Freundschaft erkaufen. Noch in diesem Jahrzehnt werden wir alle schmerzlich spüren, wie sehr uns unsere Politiker damit überfordert haben.

Zur Erinnerung: Wir sind nicht so eindeutig der große Eurogewinner.

ifo-Schnelldienst: Zehn Gründe, warum die Deutschen nicht die Gewinner des Euros sind

In verschiedenen Medien habe ich mich in den letzten Tagen kritisch geäußert, von den ARD tagesthemen über WDR5, n-tv und den österreichischen Sender Servus-TV. Ein ZDF-Interview scheiterte an Terminkonflikten. Meine Aussagen sind simpel:

  • Die Probleme der EU und des Euro haben nichts mit Corona zu tun. Corona ist nur Beschleuniger und Vorwand.
  • Es geht – rein debitistisch – um die Möglichkeit, mehr Schulden zu machen.
  • Dafür müssen jene haften, die noch haften können, also vor allem der deutsche Staat, der deshalb so gut dasteht, weil er seinen Bürgern schon vor Corona viel zu viel Geld abgenommen hat.
  • Der Betrag von 750 Milliarden ist dabei viel zu klein und nur als Türöffner hin in die Schuldenunion zu sehen.
  • Schon bald wird von diesem Instrument großzügig Gebrauch gemacht werden, um den „ärmeren Ländern“ zu helfen, während Deutschland finanziell weiter auszehrt und zudem von der damit verbundenen Schaffung neuen Geldes erheblich getroffen wird.
  • Dabei verfestigen sich die Strukturen der Schulden- und Transferunion und die Empfänger werden immer abhängiger, so wie Berlin die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich auch nur konsumiert, statt für die Zukunft vorzusorgen.
  • Deshalb wird das Konstrukt am Ende gigantisch scheitern.

Gewinner sind die Empfängerländer, vor allem Frankreich. Hier beweist sich, die schon früh geäußerte Vermutung, dass Macron ein Meisterstück gelungen ist, als er die hierzulande bereits auf dem Weg in das Altenteil befindliche von der Leyen als dankbare Vertreterin französischer Interessen installierte und zugleich mit Frau Lagarde den Zugriff auf die Gelddruckerei bekam.

Da wäre es allemal besser gewesen, Altschulden zu poolen und über die EZB abzuwickeln, statt einen offenen Scheck zu schreiben. Denn dass das „einmalig“ sein wird, wie die Politiker behaupten glauben, diese doch nicht mal selbst.

In den kommenden Wochen werde ich mich sicherlich an verschiedener Stelle detaillierter dazu äußern. Darum heute zu zwei anderen Kommentaren.

Zunächst die WELT:

  • „Das 750 Milliarden Euro schwere Corona-Paket bedeutet eine Zäsur in der Finanzierung der EU: Die EU-Kommission soll sich dafür Geld an den Finanzmärkten leihen. In solch einem Umfang hat sie es nie zuvor getan. Es ist zugleich auch der erste Schritt in eine Schuldenunion – allerdings nur teilweise. Denn anders als bei den zu Beginn der Krise diskutierten Corona- oder Euro-Bonds haften einzelne Staaten wie Deutschland bei dem Modell nicht für die Schulden aller. Ihre Haftung ist vielmehr begrenzt auf den Anteil an den Einzahlungen in den EU-Haushalt.“ – bto: Ah, na dann ist es ja gut. Ach, da haben die anderen sich Rabatte geben lassen? Dann haften wir ja mehr? Macht doch nichts. 30 Prozent von 750 Milliarden sind ja nicht mal ein ganzer Bundeshaushalt. Und vor allem müssen die anderen ja auch von den 750 Milliarden war zurückzahlen, sind ja nur 390 geschenkt. Wie, die werden auch die Kredite nicht tilgen? Ach, das kann ich mir gar nicht vorstellen …
  • „Von der Gesamtsumme sollen nur noch 390 Milliarden Euro als Zuschüsse vergeben werden, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Die übrigen 360 Milliarden Euro werden als Kredite ausgeteilt, die von den Empfängerländern selbst abgestottert werden. Der Zeitraum für die Rückzahlungen der 750 Milliarden ist allerdings lang: 2058 sollen die Schulden erst abgegolten worden sein – bis dahin dürfte es weitere Krisen geben.“ – bto: Aber wenn die schon heute keine Schulden mehr machen können, wie sollen die dann die zusätzlichen Schulden tilgen?
  • „Zwar sollen die neuen Schulden der Union nur einmalig für die Corona-Krise genutzt werden. Aber die Erfahrung lehrt, dass neue Instrumente auf EU-Ebene, wenn sie erst mal existieren, Teil des Repertoires werden.“ – bto: Und genau darum knallen die Korken in Paris, Rom und Madrid. Die Deutschen haben endlich ihre Kreditkarte rausgerückt. Selbst der SPIEGEL sieht die als Sieger – ohne natürlich zu schreiben, dass die Deutschen wieder einmal die ganz großen Verlierer sind. 40 Milliarden Euro bekommt Frankreich, um damit ökologische Maßnahmen finanzieren, wie die Isolierung von Gebäuden und den Ausbau von Eisenbahnstrecken. Das muss man sich vor Augen halten. Deutsche Steuerzahler bezahlen den Franzosen die Gebäudeisolierung und so soll Europa die wettbewerbsfähigste Region der Welt werden?
  • „Die Staats- und Regierungschefs haben eine Einigung damit erkauft, dass sie viel des Überkommenes nicht angetastet haben. Der Haushalt der EU für die kommenden sieben Jahre wird weit weniger zukunftsgewandt, als es sich die Kommission gewünscht hat: Gestrichen haben die Verhandler etwa bei der Forschung, bei der Cybersicherheit oder im Bereich Gesundheit.“ – bto: Was keine Rolle spielt, denn die Transfers kommen ab jetzt ja immer. Da muss man nicht für die Zukunft vorsorgen. Siehe Berlin.

Neben der WELT möchte ich kurz Ambroise Evans-Pritchard zitieren. Der Telgraph-Kolumnist denkt dabei sicherlich nicht an den deutschen Wohlstand. Muss er ja auch nicht im Unterschied zu dem, was unsere Politiker eigentlich tun müssten.

  • „The significance is political. The fund is a profound change in the structure and character of the European Project. The Commission will have powers to raise large funds on the capital markets for the first time and to direct how the spending is allocated, turning this strange hybrid creature into an even more extraordinary institution. Where else in the world does a single unelected body have the ‘right of initiative’ on legislation, and the executive powers of a proto-government, and the spending prerogatives of a parliament, all wrapped in one? “ – bto: Richtig, es ist die Schuldenunion, die auch nur Probleme verschiebt, statt sie zu lösen. Aber nicht schlimm aus Sicht der Empfänger, denn sie haben einen Dummen gefunden, der für sie bezahlt.
  • „The pure fiscal component has been whittled down from €500bn to €390bn, and even that figure is not quite what it seems. The money will be stretched out to the mid-2020s, amounting to less than 0.6pc of GDP annually. A big chunk will go to Eastern Europe, lightly touched by the pandemic so far. (…) If the aim is to prevent an asymmetric recovery that leaves Italy and Club Med marooned – and therefore renders monetary union unworkable – it is a blunt tool. There will be an ‘emergency brake’ if states are deemed to be dragging their feet on reforms (policed by the Commission, further increasing the power of Brussels), and a mechanism to cut funding to those breaching the ‘rule of law’. This will be a big source of coming friction. It is political nitroglycerine on a long fuse.“ – bto: falsch. Die Kommission wird nie einschreiten, deshalb ist es auf dem Papier ein „Problem“, in der Praxis nicht.
  • „None of the grants will arrive until next year. The package is therefore useless as Covid disaster relief. In the meantime the European Central Bank is holding the eurozone together (…) The Recovery Fund will kick in when the ECB’s pandemic QE runs out.“ – bto: Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, das Verschuldungsinstrument zu schaffen, mit dem man sich in Zukunft bedienen kann. Und deshalb auch die Freude überall.
  • „What is striking about this battle has been the sheer level of abuse hurled at Dutch premier Mark Rutte, the frugal-in-chief. His sin was to question why Dutch taxpayers should be bounced into funding pandemic give-aways that in reality have precious little to do with the virus. Some of the money is earmarked for countries that suffered less damage from Covid-19 than the Netherlands itself.“ – bto: Ich verstehe das nicht. Wieso tritt ein Politiker für die Interessen seiner Bürger ein? Scherz bei Seite. Ich finde auch, dass die Medien es recht einseitig darstellen.
  • „The majority party of the Italian coalition is the Five Star Movement, a melange of techno-Utopian, anti-globalist radicals, who not so long ago were calling for the break-up of the euro and an Italian sovereign default. Every fibre of Five Star’s political body is hostile to the brisk, reformed, and austere Dutch model. Premier Giuseppe Conte has been toying with tax cuts even as he demands Dutch money, which he does with a strikingly shrill sense of entitlement. Yet Italian state pensions soak up 16.2pc of GDP, according to OECD data. In the Netherlands the figure is 5.4pc. In effect, Dutch taxpayers are told they must cross-subsidise Italy’s luxurious old age.“ – bto: und erst recht die Deutschen.

    Quelle: Telegraph

    • „The Spanish coalition includes two Corybnista parties: Podemos and Izquierda Unida. They joined forces with the Socialists this year after securing an agreement that would roll-back the free market reforms of the last decade and let rip on public spending, supposedly to be paid for with a Tobin tax and by soaking the rich. Pensions are 11pc of GDP and rising.“ – bto: Und nun hat man auch noch die doofen Deutschen als Finanziers. Super.
    • „Such is the inevitable and tragic mess that ensues if you lock yourself into a currency bloc that is moving to a different macro-economic rhythm, and is controlled by somebody else. (…) The Recovery Fund is designed as a one-off episode that does not lead to fiscal union or change the EU’s constitutional structure. Everything reverts to the state quo ante after the pandemic, which is why it is tolerated by hardliners in the German Council of Economic Experts. But that is not what French and Italian leaders tell their own political constituency. They advertise the fund as a crucial and defining step across the Rubicon. Paris calculates that this machinery will become irreversible once in place.“ – bto: Das sehe ich ganz genauso und Frankreich hat damit die eigenen Schuldenprobleme gelöst. Zumindest vorläufig. Denn auch Deutschland kann nicht dauerhaft bezahlen.
    • „If the Recovery Fund is a stalking horse for a European debt union – the mutualisation of €6 trillion of Club Med and French legacy liabilities – then it is a very big ask. It is dangerous practice to push through transforming commitments by means of stealth, legerdemain, and fait accompli. We have not heard the last of the Frugal Five.“ – bto: Aber das dauert. Weitere Euro-Austritte werden kommen, nicht jedoch von Deutschland. Wir werden bis zum Schluss mitgehen und erst, wenn wir nicht mehr zahlen können, wird man von anderer Seite den Club schließen. Die Verluste werden gigantisch sein.

    welt.de: “Warum das „neue Europa“ ziemlich alt aussieht”, 21. Juli 2020

    telegraph.co.uk: “Europe’s €750bn recovery fund is an economic pop-gun – but a political howitzer”, 21. Juli 2020