Es kommt drauf an, wie man es verkauft

Doch keine Kapitulation. Einhellig vermelden die Medien den deutschen Sieg. Die Euro-Gruppe hätte voll zu der deutschen Position gestanden und Griechenland musste klein beigeben. Wirklich? Malte Fischer zieht bei WiWo.de ein anderes Fazit:

  • “… ein genauer Blick in die Details der Vereinbarungen lässt Zweifel an der These aufkommen, dass sich die von Bundesfinanzminister Schäuble propagierte harte Spar- und Reformpolitik durchgesetzt hat.” ‒ bto: Wie auch? Wir haben uns erpressbar gemacht. Und jeden Tag wachsen ELA und Target-Forderungen.
  • “Zwar werden die Finanzhilfen aus dem laufenden Programm nur um vier statt der von Athen geforderten sechs Monate verlängert. Im Gegenzug verpflichtet sich die Regierung von Alexis Tsipras, Reformen nicht ohne Absprache zurückzunehmen. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch, dass Tsipras Reformen durchaus zurücknehmen kann, wenn er dies nur vorher mit den Geldgebern abgesprochen hat.”
  • “Erste Anzeichen dafür könnten sich auf der Reformliste finden, die Athen bis Montag erstellen muss. Die Geldgeber wollen diese Liste bis Ende April prüfen, bevor sie die nächste Hilfstranche an Athen überweisen. Tsipras hat bis dahin also genug Zeit, den Geldgebern Zugeständnisse abzuringen, etwa einen höheren Mindestlohn oder höhere Renten.”
  • “Frankreich und Italien empfinden durchaus Sympathie für Athens Wunsch, die Reformen auf dem Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen zurückzudrehen oder zu verwässern.” ‒ bto: Und wie!
  • “Zugleich bieten die Geldgeber Griechenland aber an, Verhandlungen über die Höhe des für dieses Jahr vereinbarten Primärüberschusses zu führen. Dabei sollen die ‚wirtschaftlichen Umstände im Jahr 2015 berücksichtigt werden‘.”
  • “Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Geldgeber Athen entgegenkommen und diesen Zielwert deutlich herabsetzen. Faktisch bedeutet dies, dass sie die Syriza-Regierung für deren wirtschaftsfeindlichen Kurs belohnen. Denn es war Tsipras, dessen reformaverse Politik die gerade angesprungene Konjunktur abgewürgt und die Wirtschaft wieder in die Rezession gestürzt hat. Dadurch versiegen die Steuerquellen und der Zielwert für den Primärüberschuss von drei Prozent rückt in weite Ferne.”
  • “Sie senden auch ein fatales Signal an die anderen Länder der Währungsunion. Warum, werden sich die Regierungen in Rom, Paris und Madrid fragen, sollen wir sparen, wenn Athen höhere Defizite machen darf? So diskreditieren die Geldgeber den Konsolidierungskurs in der gesamten Währungsunion.”
  • “Angesichts des mickrigen Wirtschaftswachstum lassen sich die Schulden nur noch durch Staatsbankrotte, künstliche Zinsdrückerei und hohe Inflation abtragen. Da die Politiker Staatsbankrotte politisch zum Tabu erklärt haben, wächst der Druck auf die EZB, die Schulden durch Niedrigzinsen und hohe Inflationsraten abzuschmelzen.” ‒ bto: Sozialisierung über die EZB-Bilanz bleibt das Ziel. Ich bin davon immer mehr überzeugt.

Fischers Resume: “Der Kompromiss von Brüssel ist faul – so faul, dass darüber auch die Siegerrhetorik der Geberländer nicht hinwegtäuschen kann.”

WiWo: Ein fauler Kompromiss im Schuldenstreit, 22. Februar 2015

In die gleiche Richtung geht Thomas Mayer in der FAS. An Klarheit kaum zu überbieten:

  • “Griechenland ist pleite. Die logische Konsequenz dieses umfassenden Scheiterns wäre eigentlich der Austritt des Landes aus der Währungsunion (EWU). Die Mitgliedschaft des Landes wurde mit falschen Angaben errungen und durch eine unverantwortliche Politik verspielt. Aber sowohl die Europolitiker als auch die griechische Bevölkerung stemmen sich gegen diese Einsicht.”
  • “Angesichts dieser Umstände ergibt Varoufakis’ Verhandlungsstrategie jede Menge Sinn. Wenn eine Mitgliedschaft Griechenlands in der EWU zu den Bedingungen der Eurogruppe aus eigener Anstrengung nicht möglich ist, keine der beteiligten Parteien aber den Austritt will, dann muss die Mitgliedschaft von den anderen Euroländern subventioniert werden. (…) Es geht vielmehr um Dauersubventionen, deren Höhe sich nach dem im Land demokratisch ermittelten Bedarf richten muss.”
  • “Varoufakis kann sich als Gewinner fühlen. Setzt er durch, dass Geld gegen wirtschaftspolitische Auflagen fließt, die nur noch als Feigenblatt vorhanden sind, hat er die Alimentierung des Landes durch die EWU-Partner erreicht. Sollten die Partner hingegen das griechische Ansinnen auf Hilfe zu weichen Bedingungen am Ende doch noch ablehnen, dann bliebe ja immer noch der Austritt aus der EWU. Oder, als Zwischenlösung, die Einführung einer Parallelwährung zum Euro.”
  • “Im Vergleich dazu befinden sich die Euro-Politiker mit ihrer Verhandlungsstrategie auf der Verliererstraße. Nehmen sie doch noch den Austritt der Griechen aus der EWU hin, so bricht die Fassade einer irreversiblen Währungsunion zusammen. (…)Dies käme einem Rückbau zum ursprünglichen Konzept von Maastricht gleich und würde die Rettungspolitik seit 2010 als Irrweg entlarven. Geben sie den Griechen aber nach und versorgen sie mit frischem Steuergeld anderer Länder oder neu geschaffenem Geld der EZB ohne effektive Auflagen, dann erheben sie die Rechtsbeugung im Euroland zum Prinzip. (…)  dann würde die EWU in eine Unrechtsgemeinschaft degenerieren und das Europäische Projekt wäre wirklich gescheitert.” – bto: und genau so wird es kommen.

FAS: Athen gewinnt, 21. Februar 2015

Kommentare (3) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Cajus
    Cajus sagte:

    Hmmh…, allein eine Mehr-Einnahme für die griechische Staatskasse von 2,3 Milliarden €uro nur durch die Unterbindung des Schmuggels von Benzin und Zigaretten. Halte ich bei einem “Inselstaat” wie Griechenland für ein ziemlich gewagtes Unterfangen. Wieviel Beamte wird der griechische Zoll zur Erfüllung der Planzahlen da wohl einstellen müssen?

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  2. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Aktueller Staatsschuldenstand Griechenland: ca. 330 Mrd. Eur. – Ausmaß der Steuerhinterziehungen pro Jahr: ca. 40 Mrd. Euro (Schätzungen griechische Steuerbehörde) – Die macht ca. 17%(!) des griechischen BIP aus! Auf Deutschland hochgerechnet wären das ca. 500 Mrd. Euro – pro Jahr, versteht sich! – Bis heute funktioniert das griechische Steuerwesen nicht wirklich. Auch weil es einen strikten Bruch mit der exzessiven Korruption in dem Land bedeuten würde! – In Zypern (auch Griechen) haben die die Briten im Laufe ihrer 80-jährigen Besatzung stark reduzieren können. Es liegt also nicht an der griechischen Mentalität sondern an FUNKTIONIERENDEN STAATLICHEN INSTITUTIONEN! – Zu Syriza: Viele linke Ideologen, die sehr oft auch an englischen Universitäte studiert haben (gerade auch die Ökonomen wie der griechische Finanzminister Varoufakis). An englischen Unis dürfen sie eben noch echte Marxisten sein! In Deutschland geht das nicht mehr. Oder besser: Kaum noch!

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  3. Cajus
    Cajus sagte:

    Wie sieht es eigentlich mit den griechischen Militärausgaben aus? Diese Ausgaben, die in Griechenland unvermindert hoch im Verhältnis zum BIP waren, wurden noch in 2013 recht stark thematisiert. (Griechenland war seinerzeit nach den USA das NATO-Land mit den zweithöchsten Militärausgaben) Heutzutage liest man kein Wort mehr darüber. Ist möglicherweise auch im Hinblick auf die Sicherung der Süd-Ost-Flanke der NATO zu sehen. Dass deren Strategen bei dem Gedanken an einen GREXIT und einer Hinwendung Griechenlands in Richtung Russlands momentan nervös werden könnten, das dürfte auf der Hand liegen. Eine wichtige Interessenslage seitens der NATO, die stets in Betracht gezogen werden sollte. Griechenland verfügt über 500 Militärbasen und besitzt allein 17 Ausbildungszentren.

    Desweiteren möchte Herr Draghi ja wie angekündigt Staatsanleihen aufkaufen. Das Problem an der Geschichte scheint zu sein: Wer wird ihm diese in gewünschtem Maß freiwillig anbieten?

    “ECB’s Draghi wants to buy bonds, but who will sell?”

    …..Banks, which buy mainly short-term bonds, use government debt as a liquidity buffer. Selling would force them to invest in other assets, for which — unlike government bonds — regulators ask banks to set cash aside as a precaution. Alternatively, they can deposit money with the ECB, at a discouraging interest rate of minus 0.20 percent.

    Insurers and pension funds typically buy long-term debt. They could make hefty profits selling to the ECB. But the money would have to be re-invested in other bonds whose yields would be much lower than their long-term commitments to clients — a regulatory no-no….

    ….One of the Swiss bank’s rate strategists, Nishay Patel, says this hoarding is likely to force the ECB to buy more bonds maturing in 5 to 10 years to meet its trillion euro target.

    He calculates that if 45 percent of the ECB’s purchases are in that sector, 35 percent in shorter maturities and 20 percent in longer ones, the ECB would be able to stay below its self-imposed cap of not owning more than a quarter of any one bond.

    Holders of 5- to 10-year debt are likely to be hedge funds or other asset managers that bought government bonds in anticipation of the ECB entering the market.

    “The ECB have a lot of flexibility in the sense that they haven’t disclosed what amounts they would buy in certain segments of the curve,” Patel said.

    If the ECB gets desperate, some analysts say, it could raise its deposit rate to zero to encourage banks to sell…..

    http://www.reuters.com/article/2015/02/20/us-markets-ecb-bonds-idUSKBN0LO0VP20150220

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