Emotion statt Mathe

Gestern Abend habe ich den Fehler gemacht, mir die Talkshow “maybrit illner” anzusehen. Im Brennglas bekam ich dort erneut präsentiert, woran es bei uns mangelt. Beim Thema „Europas Zukunft unbezahlbar?“ zeigten deutsche Politiker und das johlende Publikum erneut, was zählt: Emotionen. Mathematik spielt keine Rolle.

Die Akteure im Ranking ihrer Substanz (aufsteigend):

  • Marie Rosenkranz, „Europawissenschaftlerin“ beim „European Democracy Lab“ durfte in einer Nebenrolle emotionsbeladen daran appellieren „Europa für die nächste Generation“ zu erhalten. Es war ein Statement, welches zu 100 Prozent aus Emotion und zu null Prozent aus Inhalt bestand. Damit fasste die „Wissenschaftlerin“ die Lage im Land zusammen. 
  • Katarina Barley, SPD und Justizministerin hat hart mit Rosenkranz um den letzten Platz im Inhaltsranking gekämpft. Kam bei Inhalten so ins Schleudern, dass sie stammelte. Auch für sie geht es nicht um die harten Zahlen und Fakten, sondern „um Europa“. Weshalb es einen Widerspruch gibt zwischen „Europa“ und einer sachlichen Lösung der Eurokrise, hat sich nicht erklärt. Dass die Deutschen viel ärmer sind, als jene, die wir retten sollen, wurde auch nicht erwähnt. Dabei ist die SPD doch sonst gegen die Umverteilung von unten nach oben? Emotion: 95 Prozent. Da sie ein „Profi“ ist, ist das eigentlich der letzte Platz.
  • Das Studiopublikum, war ganz auf der emotionalen Seite. Wer will denn nicht Frieden, Verständigung und gute Exporte? Emotion: 80 Prozent.
  • Markus Söder von der CSU und Ministerpräsident Bayerns kann das Spiel natürlich. Er brachte ein paar Fakten, setzte aber mehr auf die Rolle als jener, der sicherstellt, dass die Deutschen nicht für alle bezahlen. Außerdem brachte er das Thema der Zuwanderung und der Ereignisse in Ellwangen, die vermutlich die Zuschauer gestern Abend mehr interessiert hätten. Emotion: 70 Prozent.
  • Thomas Fricke, bekannt von SPIEGEL ONLINE, hat natürlich  mehr die Rolle des Faktenmannes inne, dabei aber mit Bildern von Finanzkrisen gespielt, die nur durch deutsche Solidarität zu verhindern seien. Auch hat er die Idee des „Eurogewinners“ Deutschland weiter bedient und wider besseren Wissens behauptet, wir sollten wie die USA einen Transfermechanismus etablieren. Er kennt doch die IWF-Studien, die zeigen, dass es eben nicht geht! Emotion 50 Prozent.
  • Otto Fricke, Haushaltsexperte der FDP gab sich reichlich Mühe, die Fakten zu erklären. Und bewies damit, weshalb es bei uns nicht geht! Selbst als er auf die Tatsache verwies, dass die Griechen sich selbst ein Rentenniveau von 30 Prozent über dem unsrigen genehmigten und nun wollen, dass wir es bezahlen, gab es erheblichen Gegenwind. Leicht konnten die anderen ihn in die Ecke des kaltherzigen Europagegners stellen. Gerade Barley wirkte immer so, als wäre sie den Tränen nahe. Emotion 20 Prozent.
  • Anne-Marie Descotes, französische Botschafterin mit perfektem Deutsch, saß da und freute sich. Live und in Farbe bekam sie erneut die Mittelmäßigkeit der deutschen Politik vorgeführt. Kühl und strategisch konnte sie damit die französische Linie vertreten und sicherlich mit Freude erkennen, wie die emotionale Kampagne ihres Chefs aufgeht. Emotion fünf Prozent.  Sie schaffte es, ein freundliches Pokergesicht zu bewahren!

 Oh man. Wenn wir nicht endlich Politiker bekommen, die auch rechnen können, statt Emotionen zu schüren und zu bedienen, muss dieses Land vor die Wand fahren.

zdf.de: maybrit illner zu “Macrons Traum, Merkels Albtraum – Europas Zukunft unbezahlbar?”, 3. Mai 2018