Elektromo­bili­tät und Klimas­chutz: die große Fehl­kalkulation

Ich habe mich des Öfteren kritisch zur Art und Weise, wie bei uns Klimapolitik betrieben wird, geäußert. Dabei gehe ich nicht der Frage nach, ob es sinnvoll ist, CO2 zu sparen, sondern blicke lediglich auf den Aspekt, ob wir das richtig machen – im Sinne von effizient und effektiv. Daran gibt es erhebliche Zweifel, erinnert sei an die 82 Milliarden Euro für die Förderung der Solarenergie.

Dass mit den Elektroautos ist auch so eine Sache. Sind sie wirklich umweltschonender, wie immer wieder betont? Zumindest Zweifel sind angebracht, wie eine neue Studie des Instituts für Weltwirtschaft zeigt:

Die Highlights:

  • “Der Verkehr verursacht knapp 20 Prozent aller Treibhaugasemissionen in Deutschland und liegt damit nach der Energiewirtschaft und der Industrie an dritter Stelle. Während die Emissionen aus dem Energie- und Industriesektor im europäischen Emissionshandelssystem (EU ETS) reguliert werden, liegt die Emissionsreduktion im Verkehrssektor im nationalen Verantwortungsbereich der einzelnen Mitgliedsstaaten der EU.” – bto: Das Einfachste wäre, alles in den Emissionshandel einzubeziehen, weil dann dort gespart wird, wo es effizient und effektiv ist. Dann kann man halt nicht Symbolpolitik betreiben.
  • “Die Elektromobilität ist in Deutschland ein wichtiger Baustein, um den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten. (…) Während es lange umstritten war, ob Elektroautos tatsächlich zum Klimaschutz beitragen, zeigen zwei jüngere Studien des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (Wietschel et al. 2019) und des Heidelberger Instituts für Energie und Umweltforschung (Agora-Verkehrswende 2019), dass Elektroautos gegenüber herkömmlichen Verbrennern 15–30 Prozent der Emissionen einsparen können.” – bto: Das ist eine klare Aussage, könnte man meinen. Also alles auf Elektro.
  • “Entscheidend für das Ergebnis sind die Annahmen bezüglich des Strommixes, der bei der Batterieherstellung und Betankung von Elektrofahrzeugen unterstellt wird. Nur bei einem hinreichend hohen Anteil erneuerbarer Energien am Strommix hat das Elektroauto einen Vorteil gegenüber Verbrennern. Typischerweise wird bei den Studien vom derzeitigen oder einem zukünftig prognostizierten Strommix in Deutschland ausgegangen. Während die beiden oben genannten Studien schon beim derzeitigen Strommix einen klaren Vorteil für die Elektroautos sehen, sind laut einer Studie im Auftrag des ADAC (Joanneum Research 2019) Elektroautos und Verbrenner zurzeit noch nahezu gleichauf. Alle Studien stimmen aber darin überein, dass die Elektromobilität im Vergleich zu Verbrennern immer klimafreundlicher wird, wenn in Zukunft der Anteil der erneuerbaren Energien im Strommix steigen sollte.” – bto: Natürlich wäre es ideal, wenn aller Strom umweltfreundlich hergestellt wird und wir dann quasi zu Null-CO2 über die Straßen rollen. Doch wie realistisch ist das? Zweifel sind angebracht, denn wir wissen ja schon jetzt, dass die erneuerbaren Energien einen geringen Anteil am Energieverbrauch haben, weil sie oftmals dann in großem Umfang anfallen, wenn man sie nicht braucht und dann, wenn man sie braucht – dunkel und windstill – nicht anfallen.
  • “Die Berechnungen dieser Studien geben die Klimabilanz von Elektroautos jedoch verfälscht wieder, da sie nicht berücksichtigen, dass ein substanzieller Ausbau der Elektromobilität mit einem erhöhten Strombedarf einhergeht. Allein mit Personenkraftwagen wurden im Jahr 2018 insgesamt 630,84 Mrd. Kilometer zurückgelegt (Kraftfahrt-Bundesamt o. J.). Bei einem durchschnittlichen Verbrauch eines Elektroautos von 15 kWh je 100 Kilometer ergäbe dies bei vollständiger Umstellung auf Elektromobilität allein im PKW-Bereich einen Stromverbrauch von 94,63 TWh, was 18,4 Prozent der Nettostromerzeugung von 515,56 TWh in Deutschland entspricht (Fraunhofer ISE 2020). Hinzu kommt noch der erhöhte Energiebedarf bei der Produktion von Elektroautos.” – bto: “Na und?” wird man da sagen. Dann müssen wir halt mehr Strom (aus erneuerbaren Energien) erzeugen oder Strom an anderer Stelle einsparen. Was aber leichter gesagt als getan ist.
  • So dann wird gerechnet, um zu zeigen, wie sich der Mehrbedarf an Strom für Elektroautos auf den Mix der Stromerzeugung auswirkt und damit auf den Klimaeffekt: “Für einen wirklichen Vergleich der Klimabilanz von Elektroautos und Verbrennern müssen wir also annehmen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im gleichen Tempo erfolgt.” – bto: was zu zwei Welten führt: eine, in der die erneuerbaren Energien die bestehende fossile Stromerzeugung ersetzen und eine andere, wo die neuen Kapazitäten an erneuerbaren Energien nur dazu dienen, die wachsende Elektroflotte zu betanken.  Folgt die Frage, was mehr CO2 spart: der Ersatz fossiler Kraftwerke durch erneuerbare Energien und Einsatz von Verbrennungsmotoren oder aber der Weiterbetrieb von fossilen Kraftwerken und eine Flotte an Elektroautos. Eine – typisch – rationale Ökonomenfrage, die natürlich nicht unbedingt ideologiekonform ist.
  • Mit anderen Worten: Wir können ohne Elektromobilität die Nutzung der fossilen Energieträger zurückdrängen, während der Ausbau der Elektromobilität eine stärkere Nutzung fossiler Energieträger erfordert.” – bto: Das ist die entscheidende Frage!
  • “Diese Berechnung zeigt, dass zur Berechnung der Klimabilanz der Elektromobilität davon ausgegangen werden muss, dass der zusätzliche Energiebedarf, insbesondere das Tanken, vollständig mit fossilen Energieträgern erfolgt. Dieses Ergebnis folgt, da der gesamte zusätzliche Strombedarf durch die Elektromobilität in einem Szenario ohne Elektromobilität nicht anfällt und daher eine zusätzliche Stromproduktion mit fossilen Energieträgern nicht benötigt wird und der Ausbau der erneuerbaren Energien zusätzlich zu einem Zurückdrängen der fossilen Energieträger genutzt werden kann. Da sich alle Studien einig sind, dass Elektromobilität bei einem Strommix mit 100 Prozent fossilen Energieträgern eine negative Klimabilanz hat, tragen Elektroautos nicht zum Klimaschutz bei, sondern verschlimmern dagegen noch die Erderwärmung. Dies gilt zumindest so lange, wie der Anteil der fossilen Energieträger im Strommix über 20 Prozent ist.” – bto: Es wären 20 Prozent erforderlich, um die Autos zu betreiben. Die Alternative ist also 100 Prozent fossiler Strom versus Verbrennungsmotor.
  • “Laut den Schätzungen der EU-Kommission wird der Anteil fossiler Energieträger auch im Jahr 2050 noch bei rund 40 Prozent liegen. Ein Szenario, in dem die Elektromobilität zum Klimaschutz beitragen kann, anstatt das Klima weiter zu schädigen, ist also weit entfernt. Derzeit könnte der zusätzliche Strom bei einem Ausbau der erneuerbaren Energien sogar vollständig dazu verwendet werden, um die Kohleverstromung zu reduzieren, d. h., Elektroautos fahren heutzutage de facto eigentlich mit 100 Prozent Kohlestrom, was Emissionen von ca. 300 Gramm CO2 pro Kilometer entspricht (Europäisches Parlament 2019). Da gemäß der ADAC-Studie moderne Diesel-Fahrzeuge nur ca. 173 Gramm CO2 emittieren, steigen die Emissionen bei einem Umstieg auf Elektroautos de facto um 73 Prozent.” – bto: Das ist natürlich wirklich blöd. Wahrscheinlich hat man deshalb den Diesel unmöglich gemacht, weil der Benziner nicht so effizient ist und damit der Unterschied zu Kohlestrom kleiner?
  • “Diese Wirkung des zusätzlichen Stromverbrauchs von Elektroautos wurde in den bisherigen Studien vernachlässigt, weshalb sie die Klimabilanz der Elektromobilität nicht korrekt widerspiegeln. Am deutlichsten wird dies in der Studie des Fraunhofer-Instituts. Dort wird behauptet, dass es besonders umweltfreundlich ist, das Elektroauto mit selbsterzeugtem Solarstrom zu betanken. Dabei wird jedoch völlig vernachlässigt, dass der Solarstrom ohne Elektroauto ins Stromnetz eingespeist und dadurch zur Reduktion der Verstromung von Kohle eingesetzt werden könnte. Dies bedeutet letztendlich: Gleichgültig, womit man sein Elektroauto betankt, aus gesamtwirtschaftlicher Sicht fährt es de facto mit 100 Prozent Strom aus fossilen Energieträgern, heutzutage sogar zu 100 Prozent aus Kohle. Erst wenn die Energiewende weit fortgeschritten ist und der Strom nahezu ausschließlich aus erneuerbaren Energien besteht, ist das Elektroauto umweltfreundlicher als moderne Diesel- Fahrzeuge.” – bto: Das Problem besteht einfach darin, dass diese Erkenntnis sich vermutlich in rational agierenden Ländern durchsetzen wird, jedoch bei uns aus ideologischen Gründen nicht, womit wir zugleich unsere Schlüsselindustrie platt machen. Warum, ist mir schleierhaft.
  • “Steigert man also durch die Förderung der Elektromobilität die Emissionen im Energiesektor, erzwingt man dadurch eine Reduktion im Industriesektor. Nur durch diesen Effekt kann die Elektromobilität derzeit zum Klimaschutz beitragen.”bto: Das bedeutet, wir zwingen zu einer noch rascheren Deindustrialisierung Europas und Deutschlands. Das dient weder dem Klima, noch sichert es künftigen Wohlstand. Wir wollen die Basis unseres Wohlstands also direkt schwächen (Auto) und indirekt (teure Emissionszertifikate).

→ ifw-kiel.de: “Elektromobilität und Klimaschutz: Die große Fehlkalkulation”, Juni 2020