“Eine globale Rezession ist unvermeidbar”

Interessantes Interview in der FINANZ und WIRTSCHAFT. Grundtenor: Es mehren sich die Warnzeichen für die globale Wirtschaft. Deckungsgleich zu den Beiträgen vom Anfang der Woche. Charles Biderman misst fundamentalen Daten zur Konjunktur oder zum Geschäftsverlauf der Unternehmen kaum Bedeutung zu. Stattdessen achtet er vor allem auf Rückkaufprogramme, mit denen amerikanische Konzerne in den vergangenen Jahren die Anzahl ihrer Aktien stark reduziert und so die Kurse stimuliert haben. Die Kernaussagen:

  • “Misst man, wie viele Aktien im Umlauf sind und wie viel Geld ihnen gegenübersteht, dann gibt das einen guten Anhaltspunkt dafür, wie es mit den Kursen weitergehen könnte. Seit 2011 nimmt die Zahl der ausstehenden Aktien Jahr für Jahr ab.” ‒ bto: Habe ich hier mehrfach gezeigt. Die größten Käufer von Aktien sind Unternehmen.
  • “Die Top-Insider eines Konzerns haben einen Informationsvorsprung auf das Publikum und können den Kurs durch Emissionen und Rückkäufe von Aktien zu ihren Gunsten beeinflussen. Wenn sie also die Anzahl der Chips im Spiel verringern und die Geldmenge gleich bleibt oder wächst, steigen die Aktienkurse.” ‒ bto: was zur Frage führt, wie lange das so weiter geht?
  • “Statt zu versuchen, den inneren Wert eines Unternehmens zu erraten, glaube ich deshalb, dass in der kurzen Frist Angebot und Nachfrage den Preis einer Aktie bestimmen, wie das bei allen Handelsgütern der Fall ist. Davon hängt letztlich auch ab, ob das Kurs-Gewinn-Verhältnis hoch oder tief ist.”
  • “Wie viel Geld in den Aktienmarkt strömt, hängt üblicherweise von der Einkommensentwicklung ab. Doch obschon die Einkommen seit 2009 nur langsam wachsen, hat sich der US-Leitindex S&P 500 seither mehr als verdreifacht. (…). Weil überschüssige Mittel im Tiefzinsumfeld kaum Rendite abwerfen und die Wirtschaft nicht läuft, investieren sie ihren Cashflow nicht in neue Kapazitäten. Stattdessen kaufen sie eigene Aktien zurück und treiben damit die Kurse an.”
  • “In den USA tritt die Wirtschaft seit rund einem halben Jahr auf der Stelle, und ich sehe derzeit nichts, was für robustes Wachstum spricht. Zu den Sektoren, denen es am besten läuft, zählt die Autobranche. Das Wachstum basiert dort aber primär auf Krediten an Schuldner minderer Bonität. (…). In den USA leben zudem immer mehr Menschen von Studentendarlehen, deren Volumen jedes Jahr um 100 Mrd. $ steigt. Die Chancen sind gleich null, dass dieses Geld jemals zurückgezahlt wird.”
  • “Eine globale Rezession ist unvermeidbar. Der Zerfall der Rohstoffpreise ist das erste Anzeichen dafür. Nachdem die Notenbanken in der Finanzkrise weltweit die Zinsen drastisch gesenkt hatten, belebte sich die Weltwirtschaft zunächst zwar etwas. Zudem entschied sich China, Millionen von Häusern zu bauen, in denen niemand wohnen wird. (…). Jetzt, wo die Nachfrage aber nicht mehr wächst, bestehen im Rohstoffsektor massive Überkapazitäten.” ‒ bto: was zudem zu Deflation führt!
  • “Wir leben in einer Scheinwelt. Immer mehr Schulden anzuhäufen, kann nicht der Motor für die Wirtschaft sein. Die Überkapazitäten im Rohstoffsektor bedeuten, dass faule Kredite über das ganze Finanzsystem verstreut sind. Das heisst, Regierungen können ihre Schulden nicht mehr begleichen und sind auf die Zentralbanken angewiesen, um sich zu finanzieren.”
  • “In den Vereinigten Staaten etwa belaufen sich die künftigen Verpflichtungen der Regierung auf rund 70’000 Mrd. $, wenn man alle künftigen Verpflichtungen gegenüber öffentlichen Pensionskassen und Sozialwerken zusammenrechnet. Um dieses Geld zahlen zu können, müssten die Einkommen jedes Jahr 10% wachsen.”
  • “Ich investiere daher nur in US-Gesellschaften, die den Cashflow steigern und ihn über Rückkäufe an die Aktionäre zurückgeben. Für Unternehmen ausserhalb der USA gilt das Gleiche, wobei ich dort jedoch mehr auf die Dividende achte. Das sind für mich die sichersten Investments.” ‒ bto: Das ist indirekt sehr nahe am dem hier vorgestellten Ansatz zu Qualitätsaktien.

“Auf kurze Sicht bin ich optimistisch für Aktien, auch wenn ich langfristig mit einer massiven Korrektur rechne.”

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “Eine globale Rezession ist unvermeidbar”, 26. Mai 2015