Ein Blick auf die Bewertung der US-Börse

Immer wieder habe ich an dieser Stelle die (zu hohe) Bewertung der US-Börse diskutiert. Dies trotz der allgemeinen Auffassung, dass in einer Welt, die immer weiter in Eiszeit und Negativzins absteigt, Aktien der einzige sichere Hafen seien und damit wohl jeden Preis rechtfertigen.

In einem günstigen Szenario bedeutet dies geringe Erträge auf lange Sicht, im ungünstigen Fall deutliche Korrekturen mit für Investoren schmerzhaften Verlusten. Grund genug, doch gelegentlich auf die Fundamentaldaten zu blicken, wie es John Authers in einem seiner letzten Newsletter tut:  

  • “In the very long term, stocks are driven by fundamentals – economic growth, earnings, and assets. That is why valuations comparing share prices to various slowly changing trackers of fundamentals are taken seriously by asset allocators.” – bto: Obwohl alle wissen, dass diese Faktoren für kurzfristige Entscheidungen nicht taugen. Schließlich können sich die Märkte sehr lange von den fundamentalen Faktoren entfernen.  
  • “But what happens when we revise the fundamentals? And how can fundamentals even be measured in an era where assets tend to be ever less tangible, and to be tied up instead in more nebulous qualities such as intellectual property and brands?” – bto: Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die immer größere Bedeutung von erworbenem Goodwill auf den Bilanzen. Hier schlummert gerade auch in Deutschland ein erhebliches Risiko.
  • “That issue now confronts the measure known as Tobin’s – a concept coined by the Yale University Nobel laureate economist James Tobin which refers to the ratio of a company’s market value to the replacement value of its assets. Over history (…) q is the most effective long-term valuation metric, followed by the cyclically adjusted price/earnings multiple (CAPE) (…) Neither measure is of any use for timing, but they both do a great job of predicting subsequent returns over 10 years or longer.” – bto: Leser dieser Seiten kennen das Konzept aus verschiedenen Beiträgen. Letztlich läuft es auf die triviale Feststellung hinaus, dass im Einkauf der Gewinn liegt. Das zeigt auch Authers mit dieser Darstellung, die wir ähnlich auch bei Hussman und anderen gesehen haben.

Quelle: Bloomberg

  • Both are startlingly accurate, but q has worked better. This may well be because CAPE relies on numbers produced under accruals accounting, which might be systematically distorted. But recently, the National Income and Product Account (NIPA) numbers that make up the denominator in q, produced by the Bureau of Economic Analysis as part of the national GDP numbers, received a drastic revision.” – bto: und zwar in die falsche Richtung. Wenn die Assets weniger werden und die Verbindlichkeiten mehr, ist das eine doppelte Verschlechterung der fundamentalen Daten. Demzufolge sind Aktien noch teurer oder aber sie müssten nach der Veröffentlichung der Daten fallen.

Quelle: Bloomberg

  • “The result is to reduce U.S. non-financial companies’ net worth by 58%. The lower denominator means that q now shows the stock market to be more overvalued compared to history than CAPE does.” – bto: und zwar auf einem Niveau, das über 1929 und nur geringfügig unter der Dotcom-Blase liegt.

Quelle: Bloomberg

  • “If you feel bearish, this implies that U.S. stocks are even more overvalued than we thought. By Smithers’ calculations, non-financial companies were overvalued by 88% according to q at the end of the second quarter before the revisions. Post-revision, that number rose to 167% overvaluation. If you feel bullish, however, the fact that the denominator can be so widely revised raises questions over its usefulness. The historical record of q as a great indicator brooks little argument; and the BEA statisticians are trying to keep up with the changing nature of assets. It would be unwise to ignore the warning signal from a high q…” – bto: Dem kann man nur zustimmen. Denn wie immer ist es gefährlich, zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass diesmal alles anders sei.
  • “A nasty implication of the NIPA revisions is that U.S. companies are far more leveraged than they previously appeared. This chart, from Smithers, shows gross and net debt as a proportion of net worth under the previous numbers, and under the revisions. “

Quelle: Bloomberg

  • “Suddenly leverage appears to have returned almost to its post-war high set during the dotcom bubble. That is alarming. And it has, indeed, caused alarm. One finding of the Bank of America Merrill Lynch fund manager survey is that investors have changed their preference on how companies should use cash flow.” – bto: Das ist eine entscheidende Veränderung und zeigt, dass die Börsianer doch nicht glauben, dass es diesmal anders ist.

Quelle: Bloomberg

  • “(…) about 16% of big investors (…) see a bear market as quite likely. These investors believe there is safety in emerging markets (in an inflationary environment), and also trust gold. If leverage is as scary as the new NIPA numbers suggest, we can expect this group to grow.” – bto: Es bleibt so banal. Schulden sind gut, solange das Vertrauen da ist. Sobald dieses fehlt, sind die Probleme nur eine Frage der Zeit. Je länger es dann dauert, desto brutaler der Margin Call und damit die Anpassung der Vermögenswerte.
Kommentare (10) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Lenz
    Lenz sagte:

    @LibMisesMenger
    Ein Konto außerhalb der EU zu haben bringt nur noch begrenzt etwas. Wegen der völligen Datenpreisgabe durch die Banken, weiß das Finanzamt nicht nur, welche Einnahmen Sie hatten, die man ja eh angibt, es werden wohl auch die Depotstände übertragen.

    Noch eine kleine Korrektur bei den Verordnungen/Gesetzten hier, ein saugen der Daten vom Katasteramt (was ist die Immo Wert), von Banken, Lebensversicherern, … und unser weiser Gesetzgeber hat für Sie eine Vermögenssteuererklärung erstellt.
    Es fehlen natürlich Pensionsansprüche, …

    Aber eine ??% Vermögensrasur ist ab 2020 sehr einfach möglich.

    Ich fühle mich an die X-Scheine erinnert, die Euros, die von der Bundesbank kamen.
    Das war über Jahre ein “Geheimtipp” für bessere Euros. Die werde nicht mehr in Umlauf gebracht, es gibt nur noch Euros, für die alle Zentralbanken gerade stehen.

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  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Wenn so, ist die Frage:

    Was sollen sie tun und was KÖNNEN sie tun, wenn in einer globalisierten Welt ein Wettbewerb um die Unternehmen besteht, die Arbeitsplätze schaffen.

    Wenn sie in China oder anderen Ländern mit Wachstum dafür BELOHNT werden, Arbeitsplätze zu schaffen, dann werden sie sich hierzulande nicht vorschreiben lassen, was zu tun ist – insbesondere nicht das, was ihre Rendite senkt.

    Globaler Renditewettbewerb eben – den kann keine nationale Regierung abschaffen.

    Was bleibt ist die Fiskalpolitik.

    Mit der werden aber nicht international wettbewerbsfähige Arbeitsplätze gerettet werden können.

    Wenn die Bevölkerung ihre Ansprüche reduziert, wird sie verlieren.

    Wenn sie ihre Ansprüche nicht reduziert, wird sie MEHR verlieren.

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  3. MSt
    MSt sagte:

    “Dies trotz der allgemeinen Auffassung … Aktien der einzige sichere Hafen seien und damit wohl jeden Preis rechtfertigen.” Dazu eine dumme Frage: die Aktien werden ja bei Banken aufbewahrt, auf einem digitalen Konto. Was gibt uns die Sicherheit, dass im Fall von Bankpleiten etc. nicht auch Aktienbesitzer zu Kasse gebeten werden, z.B. in Form von Einfrierung der Depots, oder gar Konfiskation von x% des Depowertes zu Tilgung der Bankschulden? Technisch ist es eine Frage von ein paar Mausklicks…

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    • LibMisesMenger
      LibMisesMenger sagte:

      in der regeln gilt ein depot (oder die wertpapiere in einem depot) als sondervermögen, sind also von einer etwaigen konkurmasse ausgeschlossen. vielleicht gibt da kleine aber feine unterschiede oder spitzfindigkeiten, diese kenne ich aber nicht. trotz sondervermögens ist es wahrscheinlich gut, sein depot auf einer sicheren bank, am besten außerhalb der EU zu haben ;)

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    • Susanne Finke-Röpke
      Susanne Finke-Röpke sagte:

      @LibMisesMenger:

      Ihre Aussage ist m.E. gleichzeitig volkswirtschaftlich richtig und politisch falsch.

      Es geht gar nicht um die Frage, ob mehr Notenbankmaßnahmen helfen oder nicht. Es geht – wie Mario Draghi immer gesagt hat – darum, der Politik Zeit zu verschaffen. Und um nichts anderes. Notenbankmaßnahmen verschieben den Knall in die Zukunft: in eine andere Wahlperiode, auf eine andere Regierung, zu einer anderen Partei.

      Das muss man sich vorstellen, wie in einem Cartoon mit Tom und Jerry. Wer die Bombe mit der brennenden Zündschnur rechtzeitig weitergibt, ist das Problem los. Wer der letzte in der Reihe ist, den trifft es. Die AFD hat das begriffen, Frau Merkel und Herr Lindner m.E. ziemlich sicher auch, ganz sicher aber haben es Hr. Macron, Frau Lagarde und Herr Draghi begriffen. Die SPD und die Grünen noch nicht, weswegen es für die SPD klug wäre, die Groko zu verlassen, aber aus ganz anderen Gründen als die, die sie gerade vorbringen. Wer es gar nicht begriffen hat, sind die Mainstreammedien in Deutschland sowie die breite Masse der Deutschen.

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      • LibMisesMenger
        LibMisesMenger sagte:

        ok, wenn man diese unterscheidung treffen will, dann haben sie recht, da stimme ich ihnen zu. denn ohne den notenbank-interventionismus wäre es schon 2008 aus gewesen. es sind sich viele einig, dass es richtig war. ich freue mich auch, weil ich mich nun (allerdings auch erst seit monaten) aktiv auf das ende des systems vorbereite. zeit kaufen war genau richtig. leider blieben notwendige maßnahmen aus.

        Frau Merkel und Herr Lindner m.E. ziemlich sicher auch, ganz sicher aber haben es Hr. Macron, Frau Lagarde und Herr Draghi begriffen <- und ob. da stimme ich auch zu. natürlich geht es den politkern nur um die (wieder)wahl. die wahrheit will niemand aussprechen und erst recht keiner hören. also die wähler :D

  4. Susanne Finke-Röpke
    Susanne Finke-Röpke sagte:

    bto: “Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die immer größere Bedeutung von erworbenem Goodwill auf den Bilanzen.”

    Goodwill ist in den allermeisten Fällen Humbug. Er ist einfach nur ein Euphemismus dafür, dass der Verkäufer seine assets höher bewertet sehen will als in der Bilanz ausgewiesen und der Käufer bereit ist, diese Höherbewertung zu bezahlen. Aber es oft ist nur ein Preis für eine Wette auf die Zukunft, die aufgehen kann oder eben nicht. Vor allen Dingen die lange Abschreibungsfrist des Goodwill = handelsrechtlichen Firmenwert halte ich in der heutigen schnelllebigen Zeit für falsch.

    Die Eigenkapitalquoten einiger Firmen würden ganz schön armselig aussehen, wenn man den Goodwill gegen das Eigenkapital verrechnen würde und die Bilanzsummen entsprechend kürzen würde. Mal schauen, ob die zunehmende Risikophobie großer Anleger daran etwas ändert; das billige Geld verführt eher zum Gegenteil.

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  5. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    bto: “One finding of the Bank of America Merrill Lynch fund manager survey is that investors have changed their preference on how companies should use cash flow.“

    Und genau das ist der Punkt in der letzten Grafik. Wenn die großen Aktionäre glauben, dass die Gesellschaften ihr Geld weder investieren noch an die Aktionäre ausschütten sollen, ist Angst im Spiel. Angst, dass die eigenen Aktien wertlos werden, weil sie unter der Schuldenlast zusammenbrechen könnten. Daher ist die Verringerung der Schuldenlast und die Überarbeitung von Pensionsregelungen betriebswirtschaftlich sinnvoll, aber auch volkswirtschaftlich deflatorisch. Denn die Geldmenge, vor allem die Giralgeldmenge, verringert sich, die Zukunftserwartungen der künftigen Rentner führen zu vorgezogenem sparsameren Verhalten und die Investitionsausgaben reduzieren sich unmittelbar und senken das BIP.

    Nur eines hat John Authers ganz elegant unter den Tisch fallen lassen – und Herr Dr. Stelter auch: die Politik und die Notenbanken. Es ist m.E. überhaupt nicht zu erwarten, dass die Regierungen und die Notenbankspitzen sich gepflegt zurücklehnen, wenn die großen Privatunternehmen schrittweise auf Rezession umschalten, Kosten senken, Investitionen zurückfahren, Schulden tilgen und Pensionen kürzen. Würde es nur ein Unternehmen machen, wäre es egal. Macht es die Mehrheit, ist es nicht egal. Dann steigt nämlich die Arbeitslosigkeit. Und hier werden die Geld- und Fiskalpolitiker unter keinen Umständen in Ruhe zusehen, denn das wird ihnen auch der Wähler nicht durchgehen lassen, denn der Normalbürger in der westlichen Welt hat so hohe Erwartungen an das, was Politik vermeintlich leisten muss, dass sich kein marktgläubiger Politiker lange halten wird, wenn er nicht eingreift. Das war schon in den 1930ern unter Roosevelt (“new deal”) so und das ist heute noch viel krasser.

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