Drei Dinge, die mich gestern gewundert haben

Eigentlich überrascht mich wenig. Doch gestern hatte ich gleich drei Mal Grund dazu. Da war zunächst ein Kommentar im Handelsblatt, den ich in dieser Form eher im neuen deutschland vermutet hätte. Es geht um das Thema „Bargeldverbot“, dem ich mich auf bto oft gewidmet habe , so auch in der letzten Woche (einfach „Bargeldverbot“ in die Suchmaske).

Nun also das Handelsblatt:

  • In Deutschland dauert es bei vielen Filialbanken drei Werktage, bis 5.000 Euro in bar zur Abholung bereitgestellt werden können. Wer sich aus dem Automaten bedienen will, stößt bei einer solchen Summe an die Limitgrenze. Das erschwert große Transaktionen allein schon in der Praxis.“ – bto: Und wer hindert mich, bei der Bank Geld zu bestellen zur Abholung?
  • „Hand aufs Herz, wer hat überhaupt schon mal mehr als 5.000 Euro in bar bezahlt?“ – bto: Darum geht es aber hier nicht.
  • „Die Bargeldfans fürchten, dass im Falle negativer Zinsen für Privatleute ihre Kontoguthaben an Wert verlieren. Eine Ausweichmöglichkeit wäre es, Bargeld zu horten – die Bank könnte dann keine Strafzinsen abbuchen. Nur ist in der aktuellen Diskussion von Bargeld-Haltegrenzen überhaupt nicht die Rede.“ – bto: Nein, aber wer die Zahlungen beschränkt, wird als Nächstes bei größeren Beträgen Herkunftsnachweise fordern. Aber auf diese Idee kommt das Handelsblatt nicht.
  • Die Bargeld-Lagerung bei der Bank wäre natürlich eine Alternative, aber auch dafür sind Gebühren fällig – und die sind zuletzt von vielen Geldhäusern deutlich erhöht worden.“ – bto: Der Autor betont dann die Kosten der Lagerung von Bargeld. Ein Safe bei einer Bank, kleinste Größe, dürfte rund 200 Euro pro Jahr kosten. Bei 100.000 Euro Bargeldlagerung betragen die Kosten also 0,2 Prozent. Was ist das zu angedachten Negativzinsen von fünf Prozent pro Jahr (Larry Summers)? Doch recht wenig. 
  • Und nach dem bisherigen Diskussionsstand ist ja auch nur eine Obergrenze von 5.000 Euro angedacht – und nicht die Abschaffung des Bargelds. Jeder wird weiter ohne Spur auf der Kreditkartenabrechnung ein Schmuckstück für den Lebenspartner kaufen können.“ – bto: Ist ja nett, dass nun auch das Budget für den Schmuckkauf feststeht …

Da dachte ich mir nur: wenig echter Inhalt, dafür Mithilfe bei der Kampagne gegen das Bargeld, an der, wie dargelegt, sehr viele verschiedene Gruppen hohes Interesse haben.

Dann dachte ich mir, es kann nicht schlimmer kommen. So ging ich auf die Seite der ZEIT. Was ich dort fand, war dann doch noch schärfer als der Kommentar im Handelsblatt. Es geht um das Thema der Sicherheitsleistung, die Flüchtlinge erbringen müssen, wenn sie auf unsere Unterstützung angewiesen sind. Der Autor findet das „beschämend“ und mir blieb die Spucke weg:

  • „Wer Unterkunft und Verpflegung bezahlen kann, muss dafür gerechterweise erst einmal sein Vermögen aufbrauchen. Damit das auch geschieht, werde es sicherheitshalber einbehalten. Hartz-IV-Empfänger müssten schließlich auch ihre Konten leeren, bevor sie etwas erhalten.“ – bto: Ich muss gestehen, ich kann das nachvollziehen.
  • „ (…) so bedauernswert oder empörend die Lage derjenigen sein kann, die Hartz IV beziehen: Sie haben in der Regel ein soziales Umfeld, kennen sich aus im Land, sprechen seine Sprache und haben eine Wohnung. Flüchtlinge nicht. Ihr Fall ist anders. Daher auch anders zu behandeln.“ – bto: Und das Fehlen eines sozialen Umfelds (was ich bezweifle, da so viele gleichzeitig kommen), der Ortskenntnis (die beste Art eine Stadt kennenzulernen ist übrigens der ÖPNV, des Fahrrades und zu Fuß), deutscher Sprachkenntnisse und einer Wohnung (dafür werden sie vom Staat untergebracht) muss man also mit mehr finanziellen Leistungen kompensieren??
  • Dürften die Ankommenden arbeiten, und die meisten wollen es ja (Anmerkung bto: so hoffen wir), dann könnten sie die erhaltenen Leistungen wie Kost und Logis später von ihrem Einkommen zurückzahlen.“ – bto: Hier bin ich dabei. Wir sollten ein individuelles Konto je Flüchtling führen, das alle erhaltenen Leistungen dokumentiert und das beispielsweise bei Erlangen von Daueraufenthalt oder Einbürgerung wieder auf einen bestimmten Wert abgebaut wird. Letztlich haben auch viele Hartz-IV-Empfänger zuvor einbezahlt.
  • „Was also ist der wahre Sinn dieser beschämenden Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz? Blicken wir nach Dänemark, das seinen Behörden seit Kurzem ebenfalls das Ausplündern von Flüchtlingen erlaubt. Der Sprecher der dänischen Volkspartei, auf die sich die dortige Minderheitsregierung stützt, drückte es so aus: ‚Wir sagen den Flüchtlingen, wenn Sie nach Europa kommen wollen, machen Sie besser einen Bogen um Dänemark.‘ Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt sich’s gänzlich ungeniert. “ – bto: Das mag sein, ich denke aber, es ist eher das Verzerren deutlich unterschiedlicher Leistungsniveaus von staatlicher Seite, die zu der ungleichgewichtigen Verteilung der Flüchtlinge führt.

O. k., jetzt kann man sagen, es ist gut gemeint und mitfühlend und deshalb verständlich.

Oder es ist ein Ausdruck dafür, dass im Zuge der Flüchtlingskrise alles okay ist, solange es der guten Sache dient. Nur so konnte ich den Vorwurf verstehen, dass mein gestriger Kommentar zu der Verschwendung von Steuergeldern meine AfD-Gesinnung zeige (so zumindest ein Kommentator). Sind wir wirklich so weit, dass wir nicht mehr offen über Fehlentwicklungen sprechen können, ohne in Lager zu fallen? Es scheint leider so.

→ Handelsblatt: „Die Schein-Debatte“, 3. Februar 2016

DIE ZEIT: „Die deutschen Wegelagerer“, 3. Februar 2016

Kommentare (13) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Neun von zehn CDU-Wählern(!) halten die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für falsch! Merkel hätte dazu längst eine Rede zur Nation halten müssen:
    http://www.welt.de/politik/deutschland/article151292400/Neun-von-zehn-Unions-Waehlern-lehnen-Merkels-Asylkurs-ab.html
    In dem jetzigen Asylchaos wird aber nicht nur das Geld bei der Unterbringung der Flüchtlinge (Hotelanmietungen in Berlin etc.) sondern auch bei der normalen Integrationarbeit schlicht mit vollen Händen vom Staat verpulvert:
    http://www.welt.de/politik/deutschland/article151817158/400-Millionen-fuer-fragwuerdige-Sprachkurse.html
    Das Beste wäre deshalb vielleicht, wir würden alle Arabisch lernen – dann bekommt der Flüchtling aus dem Nahen Osten beim Grenzübertritt aus dem finsteren Österreich gleich richtige Heimatgefühle! Deutschland – ein Tollhaus:
    http://www.welt.de/politik/deutschland/article151819746/Arabisch-soll-in-Deutschland-zum-Pflichtfach-werden.html

    Antworten
    • Gregor_H
      Gregor_H sagte:

      Hallo Herr Krause,
      ich bin, vermutlich wie auch Sie, der Meinung, daß dieses “Projekt” der Kanzlerin so schnell wie irgendmöglich beendet werden muß.
      Nur: Durch Schreiben und Diskutieren, in welchen Foren auch immer, wir dieses Projekt nicht beendet werden. Es wird, im Gegenteil, immer weiter gehen.

      Bevor nicht 100.000 besorgte, zivilisierte Bürger vor dem Kanzleramt stehen, ist noch nicht mal der Anfang für eine Beendigung dieses Projekts gemacht.
      Sorry, an alle Kommentatoren und auch an den Blog-Herren: Wozu schreiben wir uns hier den Mund fusselig? ES NÜTZT NIX!

      Antworten
      • Dieter Krause
        Dieter Krause sagte:

        Tja, Herr Gregor H. – ich arbeite deshalb jetzt auch bei der AfD mit, die nicht halb so schlimm ist, wie Sie immer in den Zeitungen lesen können: Rassisten, Faschisten, Nazis etc.! Dort kann man innovative politische Ideen immer noch mit in den Diskussionsprozeß einspeisen. Zur Bundestagswahl 2017 könnte die Partei gar mit 20% in den Bundestag einziehen – weil Frau Merkel ihr politisches Ansehen in der Flüchtlingskrise fundamental ruiniert hat! Die AfD wird dann in Berlin nicht mitregieren – klar, aber die anderen durch sinnvolle Vorschläge vor sich hertreiben können! Auch mit endlicher Rückführung der abgelehnten Asylanten in ihre Heimatländer. Schweden will ab sofort 80.000 Asylanten abschieben (von 160.000, die 2015 ins Land kamen), Finnland 20.000 – Deutschland hat 2015 18.000 abgeschoben, von 1,1 Millionen! Macht genau 1,6% oder?
        http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-01/schweden-asylbewerber-ausweisung
        http://www.zeit.de/politik/2016-01/finnland-abschiebung-asylbewerber-asyl

  2. Ewald Kroiss, LL.M.
    Ewald Kroiss, LL.M. sagte:

    Bei vielen Artikeln zur Fluechtlingskrise ist zu vermuten, dass grundlegende Kenntnisse des Staatswesens nicht mehr vorhanden sind. Der Praesident des BVerfG hat ausdruecklich auch zur Asylfrage in einem Interview darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz nicht nur aus einem Artikel besteht. Es gilt auch das Gebot der schwarzen Null (Art. 109 GG). Daher muss ueber Kosten geredet werden. Ganz klar ist international geregelt, dass in einem solchen Fall die Lasten auf die Weltgemeinschaft zu verteilen sind.
    Die Weiterleitung von Fluechtlingen ohne Reisedokument ist bereits entgegen internationaler Vertraege. Unabhaengig davon ist die Diskussion der Fluechtlingsfrage nicht neu und Europa insgesamt wird vorgeworfen, in der Vergangenheit das Problem weitgehend ignoriert zu haben.

    Was die Abschaffung des Bargeldes betrifft, ist nur zu fragen, wer davon profitiert. Dann kann man die Interessenlagen klar einordnen. Es gibt dann zentrale, perfekte Datensaetze.

    mfg
    EK

    Antworten
  3. Bernd Brickner
    Bernd Brickner sagte:

    Ich habe mich schon lange gewundert, warum es in Deutschland, anders als in Resteuropa, keine Bargeldgrenze gibt. Schon seit 2011 lese ich in Büchern zum Thema von Szenarien, die ich lange nicht glauben wollte, jetzt aber Realität werden. Auch Sie warnen immer wieder vor Enteignung (wie zuletzt in “Schulden im 21.Jahrhundert”) und jetzt glaube ich es auch. Es wird nicht mehr ohne Vermögensabgaben oder Währungsreform gehen. Wie Sie selbst schreiben: “Es soll keiner sagen, er sei nicht gewarnt gewesen.”
    Grüße
    Bernd Brickner

    Antworten
  4. Schrödingers Katze
    Schrödingers Katze sagte:

    Wir leben im Zeitalter des Verdachts, Herr Stelter. Und schon alleine der Umstand, daß Sie wieder und wieder auf die kriminelle Schuldenorgie hinweisen, macht Sie verdächtig. Denn Schulden machen für eine gute Sache kann nicht Sünde sein. So einfach ist das. Verantwortungsvolles Handeln wurde ersetzt durch Pussy-Moralismus, gerade von den Journalunkinnen in diesem verwesenden Staat. Und rechnen Sie damit, demnächst als der Akif Pirincci der Wirtschaftsjournalistik geschmäht zu werden :-)

    Antworten
  5. Johannes
    Johannes sagte:

    Lieber Herr Stelter,

    für immer mehr Menschen (zu denen Sie und ich zählen) wird die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung Deutschland´s und Europas in vielerlei Hinsicht immer untragbarer – hierzu ist auf diesen Seiten und an anderer Stelle schon viel richtiges geschrieben worden.

    Ein “Phänomen” für mich persönlich ist die Ignoranz von Fakten und das angestrengte Schönreden von Ereignissen und Tatsachen; beides leider auch weit verbreitet. Ein bekannter Volkswirt hat´s nun “getan” und sich politisch positioniert – Prof. Ulrich van Suntum

    Auf seine bekannt nette und lockere Art legt er die Gründe seiner Entscheidung dar.

    https://www.youtube.com/watch?v=KfVcTu8MVRo

    Ein Blick lohnt und ich gestehe, dass ich dieses Video verlinke in der Hoffnung, dass die Hoffnung in Deutschland bei vielen wieder eine politische Heimat bekommt.

    Mit Politik geht es nicht und ohne auch nicht – ein Dilemma.

    In dem Sinne,
    beste Grüße,
    Johannes

    Antworten
    • Gregor_H
      Gregor_H sagte:

      Hallo Herr Stelter,
      ich schätze Ihre fachliche Meinung und Ihr unabhängiges Engagement (Website inkl. Diskussionsforum) sehr.
      Wahlwerbung für eine politische Partei, verpackt in einem Kommentar (siehe Kommentar von “Johannes”) schätze ich gar nicht.
      Beste Grüße
      Gregor_H

      Antworten
      • Johannes
        Johannes sagte:

        Nichts für Ungut – habe zur spät gesehen, dass ich Herrn Stelter über das Kontaktformular eine persönliche Nachricht hätte zukommen lassen. Auch mir gefällt der Stil hier in dem Blog. Bitte verzeihen Sie.

      • Daniel Stelter
        Daniel Stelter sagte:

        Ich lasse es damit bewenden und lösche den anderen Kommentar nicht. In der Tat sollten wir in Zukunft darauf verzichten, da gerade in der Neutralität von bto ein Wert liegt, den wir gemeinsam – ich durch meine Beiträge, Sie durch Ihre Kommentare – bewahren wollen. Neutral heißt dabei nicht politisch korrekt. Aber das wissen Sie ja :-)

  6. Daniel Stelter
    Daniel Stelter sagte:

    Man schreibt mir:

    “Lieber Herr Stelter,
    ich konnte aus irgendwelchen Gründen keinen Kommentar zu Ihrem letzten Post (3 Dinge, die mich gestern gewundert haben) anbringen – von daher jetzt auf diesem Wege.

    Sie haben Recht. Ich habe ähnliche Erfahrungen mit Bekannten gemacht. Meist sind dies relativ plumpe Stigmatisierungen, bei denen sich oft nicht mal die Mühe gemacht wird zu begründen bzw. sich vorab wirklich zu informieren. Schade das ganze. Ich habe aber die Erfahrungen gemacht, dass diese Personen insgeheim ähnlich denken bzw. spüren, dass die Einschläge immer näher kommen. Man will dies oft nur noch nicht wahrhaben bzw. seine Wohlfühlblase nicht verlassen. Ein irgendwie ungutes Gefühl das ganze momentan.
    Viele Grüsse und machen Sie weiter so!”

    Antworten
    • MFK
      MFK sagte:

      Ich weiß nicht, ob es hier nur um Stigmatisierung geht. Tatsache ist, dass sich die Parteien krakenhaft große Teile des gesellschaftlichen Lebens angeeignet haben. Die Medien sind ein Musterbeispiel hierfür. Viele der Menschen, die über diese Schiene ihre Existenz gesichert haben, fühlen sich berufen, ihren parteipolitischen Standpunkt offensiv zu vertreten. Vielfach fehlt dann die Distanz, gesellschaftliche Probleme noch neutral zu bewerten. “Widersacher” werden vorschnell in dem anderen politischen Lager lokalisiert. Dabei hat das Grundgesetz, diese großartige gesetzgeberische Leistung, der bis heute Verfassungsrang vorenthalten wird, auch hierfür eine Lösung: Die Parteien wirken an der Willensbildung des Volkes mit. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn es uns nicht gelingt, die Parteien in ihre Schranken zu weisen, werden diese angesichts von 40 bis über 50% Nichtwählern großen Schaden anrichten. Sie werden die Gesellschaft spalten und dadurch ein Miteinander unterschiedlicher Auffassungen unmöglich machen.

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