“Die Welt ertrinkt in Schulden”

Letzte Woche hat der IWF vermeldet, dass die Welt noch nie so viele Schulden hatte: 152 Billionen Dollar. So hoch war Ende 2015 gemäß einer neuen Studie das globale Volumen aller ausstehenden Schulden von privaten Haushalten, Unternehmen (ohne Banken und Versicherungen) und Staaten.

Viele Zeitungen haben dazu berichtet, die Kollegen der FINANZ und WIRTSCHAFT haben die Essenz inklusive der relevanten Abbildungen gut zusammengefasst:

  • “Das sind, stark vereinfacht gesagt, gut 20’000 Dollar für jeden Menschen auf dem Planeten. Das ist ein historischer Rekord. Nie zuvor in der Historie, auch nicht nach den Weltkriegen, lastete auf der Weltwirtschaft ein höherer Schuldenberg als heute. Er entspricht derzeit gut 225 Prozent des Weltbruttoinlandprodukts.”

 

  • “Nach der Finanzkrise von 2008 kam es zu einer kurzen Phase des Schuldenabbaus, doch ab 2011 stiegen die Schulden wieder ungebremst weiter auf das aktuelle Rekordniveau.” bto: Und diese kurze Phase ging mit einer schweren Rezession einher!
  • “(…) im Vergleich mit den privaten Schulden sind die Staatsschulden gar nicht so hoch. In der aggregierten Betrachtung entfallen zwei Drittel aller Schulden, also gut 100 Billionen Dollar, auf die privaten Haushalte und die Unternehmen. Nurrund ein Drittel entfällt auf Schulden der öffentlichen Hand.”

 

 

  • “Die privaten Schulden in den Industrieländern sind mit gegen 200 Prozent des BIP also massiv höher als die Staatsschulden mit rund 80 Prozent des BIP.”

 

“Die blaue Kurve zeigt das Gesamtvolumen der Schulden, die gelbe Kurve den Privatsektor und die rote Kurve die Staatsschulden.”  bto: Die grünen Kurven können Sie für diese Betrachtung ignorieren.

  • “Die erste Grafik für die Industrieländer zeigt eindrücklich: In der Zeit vor der Finanzkrise von 2008/09 entwickelten sich die Staatsschulden (rote Kurve) stabil bis rückläufig. Der Privatsektor (gelbe Kurve) baute seine Schulden dagegen deutlich auf: von unter 150 auf gut 180 Prozent des BIP. Ein wichtiger Treiber dieser Entwicklung waren die schuldenfinanzierten Immobilienblasen in den USA, Grossbritannien, Spanien oder Irland.”
  • Im Nachgang der Finanzkrise, also ab 2009, entwickelten sich die privaten Schulden in den Industrieländern stabil bis leicht rückläufig, während die Staatsschulden anstiegen. Diese beiden Effekte haben sich teilweise kompensiert, mit dem Resultat, dass die Gesamtschulden (blaue Kurve) seit 2011 nicht mehr kräftig gestiegen sind.”
  • Extremer ist das Bild in den Schwellenländern: Auch dort stiegen die privaten Schulden (gelbe Kurve) in den Jahren vor der Finanzkrise deutlich, während die Staatsschulden (rote Kurve) markant sanken. Im Nachgang der Finanzkrise haben aber beide Sektoren ihre Schulden deutlich erhöht, mit dem Resultat, dass die Gesamtschulden (blaue Kurve) kräftig steigen.” bto: und haben uns mit ihrer Nachfrage geholfen!
  • “Nicht das Niveau der Staatsschulden sollte primär Anlass zu Sorgen geben, sondern ein rascher, starker Anstieg der Schulden im Privatsektor. Denn steigen die Schulden der privaten Haushalte und/oder Unternehmen kräftig an, kann das ein Warnsignal für eine bevorstehende Finanzkrise sein.
  • Hier zunächst die Industrieländer:”

“Die blauen Balken zeigen kumulativen Anstieg der Schulden des Privatsektors, in Prozenten des BIP, in der Zeit zwischen 2008 und 2015. Der rote Punkt zeigt dasselbe für die Jahre zwischen 2013 und 2015.”

  • “In einigen Staaten hat ein Deleveraging-Prozess stattgefunden, die privaten Haushalte und Unternehmen haben Schulden abgebaut: Grossbritannien, Spanien, Slowenien, Irland, die USA, Dänemark, auch Deutschland und Japan.”
  • “In anderen Staaten haben die privaten Schulden dagegen stark zugenommen: Hongkong, Zypern, Singapur, Kanada. Auch in der Schweiz (Abkürzung: CHE) sind die privaten Schulden um fast 40 Prozent des BIP gestiegen.”

“Und hier das Bild in den Emerging Markets, dargestellt über den gleichen Zeitraum:”

  • “Hier ist das Bild eindrücklich: In einigen wenigen Staaten wie Kasachstan, Pakistan und Ungarn hat der Privatsektor in der Zeit nach 2008 Schulden abgebaut.
  • Grösstenteils haben die privaten Haushalte und/oder Unternehmen in den Schwellenländern in den vergangenen Jahren aber massiv ihre Schulden aufgebaut.”
  • “Der Gorilla im Raum: China. Dort sind die Schulden des Privatsektors innerhalb weniger Jahre um fast 75 Prozent des BIP in die Höhe geschossen.”
  • “Werden hoch verschuldete private Haushalte und Unternehmen von einer Rezession getroffen, brechen oft ihre Einnahmen weg. Ihr Einkommen reicht nicht mehr aus, die Schulden zu bedienen. Die Wirtschaft leidet dann unter einem Schuldenübergang, und wenn die Haushalte und Unternehmen alle gleichzeitig beginnen, ihre Bilanzen zu sanieren und Schulden abzubauen (Deleveraging), bricht die aggregierte Nachfrage in der betreffenden Volkswirtschaft weg. Der Ökonom Richard Koo vom Nomura Research Institute in Tokio hat für diesen Prozess den Begriff Bilanzrezession geprägt (hier mehr dazu).”

“Wie dieser Prozess abläuft, zeigt die folgende Grafik am Beispiel der USA, Grossbritanniens und der Eurozone:”

“Die rote Kurve zeigt die Entwicklung in den USA, die gelbe Kurve steht für Grossbritannien und die blaue Kurve für die Eurozone.”

  • “Die obere Grafik zeigt die Entwicklung im Privatsektor: Hier ist deutlich zu sehen, wie die private Verschuldung vor dem Ausbruch der Finanzkrise (schwarze, vertikale Linie) stark steigt. Danach fiel der Privatsektor in den USA und Grossbritannien in einen Deleveraging-Prozess und baute seine Schulden ab. In Europa ging der Schuldenaufbau noch weiter und kam erst mit dem Ausbruch der Eurokrise im Jahr 2010 zum Erliegen.”
  • “Die untere Grafik zeigt, was während dieser Zeit des privaten Deleveragings mit den Staatsschulden geschah: Sie stiegen in allen drei Wirtschaftsräumen markant an. Das erklärt sich mit den Folgen der Finanzkrise: der Rezession, Bankenrettungen sowie erhöhten Ausgaben für Konjunkturstützungsprogramme und Arbeitslosenvergütungen.”

FuW: “Nicht hohe Staatsschulden waren das Problem oder gar der Auslöser der Krise, sondern stark gestiegene Privatschulden. Die hohen Staatsschulden waren bloss die Folge der Krise. Und wer weiss: Vielleicht werden wir im Verlauf der kommenden Jahre das gleiche Muster in China wieder sehen.”

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “Die Welt ertrinkt in Schulden”, 6. Oktober 2016

Kommentare (6) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Christian Müller
    Christian Müller sagte:

    Wer von Schulden redet, müsste immer auch von den Guthaben reden. Wer sind die Gläubiger? Die Gesamtschulden addieren sich ja mit den Gesamtguthaben zu Null. Wenn alle Schuldner zugleich auch Gläubiger in ähnlicher Höhe wären (z.B. Hypothekarschuldner für ein Haus und zugleich Gläubiger von Pensionskassen und Staatspapieren) wäre es ja nur eine Frage der Verrechnung und allenfalls, weshalb die Leute so blöd sind, einen parasitären Bankensektor über die Zinsen und Gebühren zu allimentieren, statt ihre Schulden mit ihren Guthaben zurückzuzahlen.
    Anders sieht es aus, wenn ein Teil der Gesellschaft immer mehr Schulden anhäuft und ein anderer Teil die Guthaben. Also: wem gehören die Guthaben?

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  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >FuW: „Nicht hohe Staatsschulden waren das Problem oder gar der Auslöser der Krise, sondern stark gestiegene Privatschulden. Die hohen Staatsschulden waren bloss die Folge der Krise.>

    Es ist schon wichtig, die ursächlichen Zusammenhänge richtig darzustellen.

    Insofern eine gelungene, sehr informative Darstellung.

    Man muss aber weiterdenken:

    Wenn die Privatwirtschaft zu hoch verschuldet ist, dann hat das negative Auswirkungen auf die BEWERTUNG der Staatsschulden auch dann, wenn diese nicht oder weniger gestiegen sind als die Schulden der Privatwirtschaft.

    Denn hohe private Verschuldung heißt ja auch weniger Neuverschuldung und damit weniger Wachstum mit der Folge für den Staat, dass seine Steuereinnahmen zurückgehen.

    Das führt in aller Regel dazu, dass die Ratingagenturen die Bonität der betreffenden Staaten runterstufen, damit deren Refinanzierung teurer wird und sie sich vermehrt verschulden müssen.

    Es gibt somit zwar eine sinnvolle analytischen Unterscheidung von Privat- und Staatsverschuldung, aber in aller Regel keine realwirtschaftliche Entkopplung von Privat- und Staatsschulden.

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