Die wahren Kosten zentral­bank­finanzierter Staats­ausgaben

MMT ist ja nicht die einzige Theorie, die davon ausgeht, dass Schulden des Staates keine Rolle spielen und es nur darum geht, Inflation nicht zu hoch werden zu lassen. Und da Inflation nirgends zu sehen ist, wo also liegt das Problem?

Doch ein Blick nach Japan, wo ja seit Jahren der Staat deutliche Defizite fährt, gibt zumindest Grund zum Nachdenken:

  • „Ein wichtigstes Argument für diese Politik ist, dass die Finanzierung von Staatsausgaben über den Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbank quasi kostenlos ist, weil die Konsumentenpreise nicht steigen (Ehnts 2017).“ – bto: Das Zitat weist hier auf Herrn Ehnts, mit dem ich über MMT in meinem Podcast vor einigen Monaten darüber diskutiert habe. Ich denke, es ist nicht sehr realistisch, dass die Politik zu einer Selbstbeschränkung findet.
  • „Vieles erinnert an Japan, wo (…) unter dem ‘Markennamen’ Abenomics hohe Haushaltsdefizite vom kooperativen Zentralbankpräsidenten Haruhiko Kuroda finanzieren ließ. (…) Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kosten der anhaltend und zunehmend lockeren Geldpolitik bei den japanischen Bürgern in Form eines sinkenden Wohlstands längst angekommen sind. Sie nehmen nur einen anderen Weg als über steigende Konsumentenpreise.“ – bto: Und genau in der Kategorie „Wohlstand“ sollte man hier rechnen!
  • „Das lange Leiden Japans unter dem billigen Geld geht auf das Jahr 1985 zurück. (…) Als der Yen innerhalb von zwei Jahren um 50 % an Wert gewann, wurde das exportabhängige Japan in eine tiefe Rezession gestürzt. Die Bank von Japan reagierte mit starken Zinssenkungen, was eine Spekulationsblase auf den japanischen Aktien- und Immobilienmärkten befeuerte, die im Dezember 1989 platzte.“ – bto: Wir erinnern uns, dass die Fläche des japanischen Kaiserpalastes in Tokyo damals so viel gekostet hätte wie ganz Kalifornien. Und wie immer führen platzende Blasen zur Überschuldung aller Beteiligten: den Käufern der Assets und der finanzierenden Banken.
  • „Zinssenkungen und noch mehr billiges Geld dämmten zwar die japanische Finanzmarktkrise ein, löste aber die Strukturkrise nicht. Immer wieder gab es staatliche Rettungspakete, das Land wurde mit einem dichten Netz von Autobahnen und Zugstrecken überzogen, an die Bürger wurden Konsumgutscheine verschickt.  Da die Steuereinnahmen stets weit hinter den Staatsausgaben zurückblieben, stieg die Staatsverschuldung von 64 % (1990) auf zuletzt über 240 % des Bruttoinlandsprodukts (Abb. 1).“ – bto: Das muss so sein, denn wenn ein Sektor deleveraged – in diesem Fall der Unternehmenssektor – muss ein anderer Sektor mehr Schulden machen. Oder aber man fährt noch größere Handelsüberschüsse. Richtiger wäre es, die Schulden bei der Notenbank zu bunkern.
  • „Durch die Konjunkturprogramme und die anhaltend lockere Geldpolitik wurde zwar Arbeitslosigkeit verhindert. Die Arbeitslosenquote lag 2019 bei 2,3 %. Dafür mussten aber die Zinsen auf Dauer niedrig gehalten und die Kreditbedingungen für die Unternehmen gelockert werden. Eine wachsende Anzahl von Klein- und Mittelunternehmen wurde von einer nachsichtigen Kreditvergabe abhängig, d. h. zombifiziert. Da damit wichtige Strukturanpassungen verhindert wurden, blieb das Wachstum anhaltend schwach.“ – bto: Ich denke, viele Unternehmen waren schon vorher Zombies und wurden am Leben erhalten, ebenso die Banken, die ebenfalls Zombies wurden.
  • „Die während der Blasenökonomie noch scheinbar übermächtigen Banken kamen in Bedrängnis, weil die nicht endende Niedrig-, Null- und Negativzinszinspolitik der Bank von Japan auf deren Zinsmargen drückte. Es entstand ein stetiger Druck Filialen zu schließen, Personal abzubauen und zu fusionieren. Das gilt insbesondere für die kleinen und mittleren Regional- und Genossenschaftsbanken abseits der wirtschaftlichen Zentren.“ – bto: eine Entwicklung, die auch kritisch gesehen wird. Ich erinnere an das Gespräch mit Professor Werner vor einigen Wochen in meinem Podcast.
  • „Mit der anhaltenden Stagnation sind die realen Löhne seit 1998 im Trend gefallen, um durchschnittlich 0,5 % pro Jahr. Das betraf insbesondere geringer Qualifizierte und Frauen, die oft Teilzeit arbeiten, um den Lebensstandard der Familie aufzubessern. Auch mehr ältere Menschen bleiben nach Eintritt des Rentenalters – meist in schlecht bezahlten Anstellungen – tätig. Die Zahl der Erwerbstätigen hat trotz schnell alternder Bevölkerung von 44 Millionen 1990 auf 57 Millionen im Jahr 2019 zugenommen (Abb. 2).“ – bto: Der letzte Punkt ist positiv zu sehen, ebenso die gute Entwicklung des BIP pro Erwerbstätigen. Dies ist ein Indikator für die steigende Produktivität trotz dieser Beschäftigungszunahme. Dies würde ich positiv sehen. Allerdings ist eine solche – in meinen Augen positive – Entwicklung in Deutschland und Europa nicht zu erhoffen.
  • „Viele junge Menschen, die sich keine eigne Wohnung leisten können, bleiben als „Parasitensingles“ bei den Eltern wohnen. Da sie keine Familien gründen, ist die Geburtenrate niedrig. Das Rentensystem kommt weiter in Schieflage, was zusätzliche (zentralbankfinanzierte) Subventionen des Staates notwendig macht.“ – bto: Bei uns wird das Problem durch Zahlungen an Familien gefördert, die allerdings falsche Anreize setzen können.
  • „Auf regionaler Ebene fokussiert sich die wirtschaftliche Aktivität immer mehr auf den Großraum Tokio, weil sich dort die großen exportorientierten Unternehmen konzentrieren. Diese profitieren stärker von der ultralockeren Geldpolitik, weil sie die Finanzierungskosten senkt und den Yen abwertet. Zudem kauft die Bank von Japan deren Aktien, während die kleinen und mittleren Unternehmen in der Peripherie mehr von der anhaltend schwachen Binnenwirtschaft abhängig sind.“ – bto: Auch dies ist eine Parallele zu Deutschland, zwar ohne den Aktienmarktbezug, weil es hierzulande viele große Exportunternehmen gibt, die nicht an der Börse sind. Aber generell kann man sagen, dass der Euro für Deutschland genauso wirkt.
  • „Weil die Steuereinnahmen schleichend wegbrechen, wächst die Staatsverschuldung weiter. Denn die regierende LDP kann es sich politisch nicht leisten, die kostspieligen Subventionen für das Rentensystem und den regionalen Finanzausgleich zu reduzieren.“ – bto: Das kommt natürlich bei uns auch. Denn wie sonst soll die Nachhaltigkeitslücke geschlossen werden?
  • „Derweil folgen die europäischen Regierungen mit dem Rückhalt der EZB dem japanischen Modell. Während es im südlichen Euroraum schon seit Ausbruch der europäischen Finanz- und Schuldenkrise Anzeichen für eine um sich greifende Zombifizierung von Unternehmen gibt, dürften die sehr umfangreichen Hilfskredite nun auch für Deutschland in diese Richtung weisen. Restrukturierungen werden verhindert, Arbeitslosigkeit durch Kurzarbeit versteckt.“ – bto: Und schon vor Corona wurde der Anteil der Zombies auch hierzulande auf über zehn Prozent geschätzt.
  • „(…) Japan zeigt, dass die Kosten einer zunehmenden monetären Staatsfinanzierung bei den Bürgern ankommen. Fallende Reallöhne dürften nun auch für Europa noch wahrscheinlicher geworden sein. Wenn in Europa die Inflation anders gemessen würde, wäre der Rückgang der realen Löhne in Deutschland und der EU schon länger sichtbar. Ob die Europäer auf Dauer den schleichenden Verlust des Wohlstands so geduldig hinnehmen werden wie die Japaner, wird sich zeigen. In Frankreich und Italien regt sich bereits breiter, farbig gekleideter Widerstand.“ – bto: Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Europa wird diesen Weg nicht überstehen. Doch was sind die Alternativen? Gibt es diese überhaupt? Und natürlich bauen wir keine Autobahnen wie Japan, sondern retten das Klima.

wirtschaftlichefreiheit.de: “Zentralbankfinanzierte Staatsausgaben kosten nichts?”, 30. November 2020