Die “unvermeidliche” Finanzmarktblase

Eigentlich ist der Beitrag von Jim O’Neill, ehemaliger Chairman von Goldman Sachs Asset Management, in der FINANZ und WIRTSCHAFT nicht sonderlich erwähnenswert. Er sagt nichts Neues. Wäre da nicht dieser entscheidende Satz, den man von einem (ehemaligen) Goldman nicht erwarten würde:

“Weil eine weitere Finanzmarktblase unvermeidlich ist, lohnt es sich zu fragen, wo sie platzen könnte.” Das ist doch mal eine Aussage! Ich hätte ja eher die Frage aufgeworfen, weshalb sie “unvermeidlich” ist und ob und wie man sie verhindern könnte.

Seine Argumentation:

  • Viele Ökonomen und Marktbeobachter behaupten, wir lebten nach wie vor mit den Folgen dieser Krise und mit den Kräften, die sie ausgelöst hatten. Das trifft zum Teil zu. In vielen entwickelten Volkswirtschaften ist immer noch eine unkonventionelle Geldpolitik in Kraft, wie etwa quantitative Lockerung, und sowohl die Produktivität wie auch das reale Lohnwachstum scheinen meist zu stagnieren.” – bto: Ich zähle mich ausdrücklich zu dieser Fraktion.
  • Viele Menschen stellen immer noch die Frage: Warum hat niemand das kommen sehen? In der Tat warnten etliche Marktbeobachter, dass die Hauspreise in den USA unhaltbar stiegen, besonders angesichts der geringen Ersparnisse der amerikanischen Verbraucher.”bto: Denen hat dann aber auch keiner zugehört.
  • “(…) 2007 erreichte das US-Leistungsbilanzdefizit 6 bis 7 % des BIP (…) Weil das keine offensichtlichen schädlichen Folgen hatte, setzte Nachlässigkeit ein, und die USA fuhren fort, mehr auszugeben als zu sparen. Dagegen (…) erreichte Chinas Leistungsbilanzüberschuss rund 10 % des BIP – spiegelbildlich zur amerikanischen Quote. Während die USA zu wenig sparten, sparte China zu viel.”bto: Und das genügt zur Erklärung der Krise? Die Chinesen haben zu wenig gespart?
  • Manche Beobachter hielten dieses Ungleichgewicht für die Ursache der Krise. In den Jahren vor dem Crash argumentierten sie, das globale Finanzsystem erfülle bloss seinen Zweck, indem es zunehmend gerissene Wege finde, die Überschüsse anzulegen.”bto: Ich denke, es ist ein Baustein der Erklärung, aber nicht der entscheidende.
  • Deutschlands Leistungsbilanz lässt darauf schließen, dass es tief liegende Ungleichgewichte gibt, die zu einer neuen Krise führen könnten, wenn die Politiken nicht gut aufeinander abgestimmt werden. Das Letzte, das Europa braucht, ist eine abrupte Umkehr, wie sie auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise zu beobachten war.”bto: Das ist ziemlich abstrakt. Was genau wäre denn zu tun?
  • Insgesamt ist die Weltwirtschaft heute viel gesünder als vor zehn Jahren. (…) seit 2009, dem schlimmsten Jahr der Rezession, ist die Weltwirtschaft im Durchschnitt 3,3 % gewachsen, genauso wie in den 1980er und 1990er-Jahren. Natürlich ist das grossteils China geschuldet (…).”bto: welches bekanntlich einen enormen Anstieg der Verschuldung aufzuweisen hat. Folgen unklar.
  • Weil eine weitere Finanzmarktblase unvermeidlich ist, lohnt es sich zu fragen, wo sie platzen könnte. Nach meiner Ansicht ist es unwahrscheinlich, dass sie direkt aus dem nun so stark regulierten Bankensektor hinaus entsteht. Die grössere Sorge ist die, dass sich viele führende Unternehmen über verschiedene Branchen hinweg stetig übertrieben auf Quartalsgewinne konzentrieren, denn diese bestimmen die Gehälter der Manager. Die Politiker sollten in diesem Zusammenhang ein strenges Auge auf die Rolle der Aktienrückkäufe.”bto: Das heißt, er sieht die Risiken, so wie der IWF, vor allem in der hohen Verschuldung der US-Unternehmen.

Sein Fazit: “Der Westen braucht reale Investitionen, Produktivität und Lohnwachstum – nicht noch mehr wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Profite.” bto: das – wie gesagt – aus dem Munde eines ehemaligen Goldman-Managers. Klare Warnung, ohne aber wirkliche Lösungen zu benennen.

FINANZ und WIRTSCHAFT: „Das Aufräumen nach der Krise“, 18. August 2017