“Die portugiesischen Zombies”

Ich bin immer öfter überrascht, was Ökonomen überrascht. Dabei möchte ich die Autorinnen der Studie, die ich gleich diskutiere, überhaupt nicht kritisieren. Im Gegenteil, es ist gute Arbeit und ich bin beeindruckt von der großartigen Karriere der jungen Wissenschaftlerin, die wohl auch ihr Leben lang in den USA wirken wird. Ein weiteres Beispiel für den Verlust an Intelligenzija bei uns.

Kritisch sehe ich die Studie, weil sie zu einer Erkenntnis führt, die jeder nüchtern denkende – und vor allem Unternehmen kennende – Beobachter auch ohne Studie wusste: Kapitalknappheit bei Banken fördert die Zombifizierung einer Wirtschaft. Sie können nämlich die Verluste nicht tragen. Erhöht die Politik in einer solchen Situation dann auch noch die Kapitalanforderungen (was sie lieber vor der Krise getan hätte), dann verstärkt sie diese Tendenz zur Zombifizierung. Simpel und einleuchtend.

Nun aber zur Studie, die beweist, was zu beweisen war. Die F.A.Z. berichtet:

  • „Eine junge Generation von Forschern arbeitet sich an sehr aktuellen Fragestellungen ab, die auch das wirtschaftspolitische Instrumentarium prägen. Auch das ist ein Anspruch, den gute Ökonomen seit jeher zu erfüllen versuchen. Laura Blattner ist Teil dieser jüngeren Generation.“ – bto: Nach Studium in Oxford promoviert die Deutsche gerade in Harvard und wird dann an eine der Top-Unis in den USA gehen.
  • „Überzeugt hat sie in jüngerer Vergangenheit mit einer Untersuchung, die Erklärungen dafür gefunden hat, dass die portugiesische Wirtschaft im Jahr 2012 an Produktivität verloren hat, nachdem die Europäische Bankenaufsicht (Eba) im Herbst 2011 neue Eigenkapitalanforderungen an die Institute gestellt hatte.“ – bto: eben, weil dies die Zombifizierung gefördert hatte.
  • „Ausgangspunkt der Untersuchung war ein Gespräch mit einem Berater des portugiesischen Finanzministers. Darin wies er auf portugiesische Banken hin, die regelmäßig Kredite nicht abschrieben, die von Ausfällen bedroht waren. (…) Die drei Autorinnen ordnen ihre Arbeit in die Debatte über „Zombie“-Unternehmen ein. Diese wurden in den neunziger Jahren in Japan von Banken weiterhin mit Krediten versorgt, obwohl sie kurz vor der Insolvenz standen.“ – bto: weil die Banken dann selber insolvent wären. So einfach ist das.
  • „Die Untersuchung von Blattner und ihren Mitautorinnen zeigt (…), dass die Schwäche der Banken, unterstützt durch höhere Kapitalanforderungen, zu einer Schwächung der Produktivität beigetragen hat. Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Wirtschaft gerade die schlimmsten Folgen der Euro-Krise zu verkraften hatte und in der zusätzliches Eigenkapital die Kreditinstitute eigentlich stabilisieren sollte.“ – bto: Und das dürfte – dazu brauche ich keine große Analyse – nicht nur in Portugal so sein. Ich denke, dass das weltweit billige Geld zur Zombifizierung der Weltwirtschaft geführt hat.
  • „(…) die Annahme hatte sich als plausibel herausgestellt, dass Banken ihre höheren Kapitalanforderungen erreichten, indem sie Kredite an produktive Unternehmen zurückfuhren – es somit also zu einer partiellen Kreditklemme kam. Die unproduktiven Unternehmen aber, denen die Banken ausfallgefährdete Kredite ausgegeben hatten, wurden weiterhin versorgt.“ – bto: und haben so nicht nur den Banken Abschreibungen erspart. Viel schwerer wiegt, dass diese Unternehmen auch ihre Mittbewerber schwächen.
  • „Die Institute wollten gegenüber der Aufsicht vertuschen, dass die Unternehmen vor der Insolvenz standen. So kamen die unproduktiven Unternehmen weiterhin an Kredite, die mehrversprechenden Investitionen dagegen konnten nicht getätigt werden. (…) Statt aber einen Kredit komplett abzuschreiben, vertuschten die Institute lieber ihre Falschmeldung und gaben den Unternehmen weiterhin Geld.“ – bto: Die Banken wollten die eigene Insolvenz vertuschen.
  • „Wir zeigen, dass die Eba-Intervention mehr als 50 Prozent des Produktivitäts-Rückgangs 2012 bewirkt hat. 40 Prozent dieses Effekts wurden durch die Reallokation von Krediten an geplagte, gegen Berichtspflichten verstoßende Unternehmen begründet (…“). – bto: Sie quantifizieren das, was man als Unternehmer erwarten konnte. Es war die politisch abgesegnete Insolvenzverschleierung der Banken.
  • „Die Ergebnisse legen nahe, dass die europäischen Volkswirtschaften, zumindest in der Peripherie, von einem raschen Rekapitalisierungsprogramm wie Tarp in den Vereinigten Staaten profitiert hätten (…) Erhöhe man nur die Kapitalanforderungen, könne das zu unerwünschten Anreizen beim Verleihen führen.“ – bto: Eben weil die Banken und die Politik das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern aufspielen wollten (und mussten), haben sich die Banken völlig rational verhalten.
  • „Der gesamtwirtschaftliche Produktivitätsverlust von mehr als 4 Prozent in Portugal in einer schwierigen Phase wäre vermeidbar gewesen. Bei der Erhöhung von Kapitalanforderungen müsse die Aufsicht dafür sorgen, dass die Banken tatsächlich Eigenkapital erhöhten.“ – bto: Das bedeutet in der Praxis Verstaatlichung, weil kein Privater in einen sicheren Verlust investiert. Das wäre auch richtig gewesen. Verstaatlichung mit Bail-in von Aktionären und Kreditgebern. Aber das setzt entsprechenden politischen Mut voraus und einen Staat, der sich das glaubhaft leisten kann …

faz.net: “Die portugiesischen Zombies”, vom 09.03.2018