Die Pleite lässt sich mit billigem Geld nicht verhindern, nur verschieben

Immer wieder habe ich darauf hingewiesen, dass wir nirgendwo die Schulden unter Kontrolle gebracht haben. Stattdessen wächst die Verschuldung weltweit immer weiter an, angefeuert von billigem Geld und dem unbedingten Willen der Politiker, das Problem dem Nachfolger zu hinterlassen. Komme, was wolle.

Zunächst die schon bekannte Tatsache, dass die weltweite Verschuldung so hoch ist, wie noch nie zuvor. Komischerweise wird das erst jetzt in den Medien breiter aufgegriffen, bei bto hatten wir die Zahlen schon im Januar. Na egal. Also zu Erinnerung:

Quelle: The Telegraph

Dazu wird dann berichtet:

  • “Global debt has climbed at an eye-watering pace over the past decade, soaring to a fresh high of £170 trillion last year, (…) total debt levels, including household, government and corporate debt, climbed by more than $70 trillion over the last 10 years to a record high of $215 trillion (£173 trillion) in 2016 or the equivalent of 325pc of global gross domestic product (GDP).” bto: Wie gesagt, das alles ist schon länger bekannt.
  • Der IWF warnt: Sheer size of debt could set the stage for an unprecedented private deleveraging process that could thwart the fragile economic recovery.” bto: Und was ist die Antwort?
  • Outstanding government debt in the US and UK has more than doubled since 2006, data shows, while Japan and the eurozone have seen a 50pc increase. By contrast, households and businesses in advanced economies embarked on a period of substantial deleveraging in the decade after the crisis, compared with growth of $72 trillion in the ten years to 2016.”  bto: was aber zeigt, dass nur ein Schuldnertausch stattgefunden hat. Außerdem brauchen wir immer weiter steigende Schulden, um das Ponzi-Schema am Laufen zu halten. 

Ich habe mir die Zahlen mal genauer angeschaut, die öffentlich verfügbar sind und sie so zusammengefasst. Von “Deleveraging” kann nun wirklich keine Rede sein:

Quelle: beyond the obvious

Quelle: beyond the obvious

Damit nicht genug. Dahinter steht ein Bankensystem, was angesichts der Schuldenlast nur insolvent sein kann! Die FINANZ und WIRTSCHAFT wieder mal mit einer guten Zusammenfassung:

  • “Darüber hinaus ist ein zweiter Schuldenberg entstanden: die faulen Kredite in den Bilanzen vieler Banken in Europa. Wie der Chart zeigt, hat sich ihr Anteil (Non-performing loans, NPL) an den gesamten Ausleihungen von Banken in Griechenland, Italien und Portugal mehr als verdoppelt.”

    Quelle: Thomson Reuters, Weltbank, FuW

Dann die unübertroffen klare Zusammenfassung der Fakten durch die FuW:

  • “Die Summe der Not leidenden Kredite beläuft sich auf 900 Mrd. €. Davon konzentrieren sich mehr als 70 % in vier Ländern. Italiens Banken sind doppelt so exponiert wie die Institute in den restlichen drei Staaten: Auf sie entfallen 271 Mrd. € oder 30 % der europäischen NPL. Frankreich und Spanien bringen es auf je rund 136 Mrd. € (15 %) sowie Griechenland auf 114 Mrd. € (13 %).” bto: Tja, wen wundert es wirklich?
  • Sechs Länder sind wirklich gefährdet: Griechenland und Zypern, wo 47 % resp. 40 % der ausgeliehenen Kredite Not leidend sind. Ebenfalls in Gefahr sind Portugal, Irland, Slowenien und Italien, wo diese Anteile zwischen 20 und 16 % liegen.”  bto: Und wer soll den Schaden decken?
  • Das Risiko einer Explosion ist zwar allgegenwärtig, aber relevanter ist die alltägliche lähmende Wirkung. Die Überschuldung behindert das Wirtschaftswachstum der betroffenen Staaten. Sie ist verantwortlich dafür, dass dort die internationale Konjunkturerholung derzeit zu wenig mehr als einer Stagnation führt.” bto: Wir können uns eben aus der Pleite nicht heraus sparen.

Die FuW lobt dann noch Spanien: “Die Aufstellung legt auch offen, wie die Situation in Spanien rechtzeitig entschärft wurde. Die Regierung hatte 2012/13 vom ESM 41 Mrd. € bezogen, um den heimischen Bankensektor zu rekapitalisieren. (…)  dass Spaniens Wirtschaft wieder wächst, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass die Banken des Landes ihre Kreditrisiken stark abbauten und wieder normale Geschäfte führen können.” bto: Das mag sein, dennoch ist das Land nicht über dem Berg, gerade auch angesichts der fatalen demografischen Entwicklung.

→ The Telegraph: “Global debt explodes at ‘eye-watering’ pace to hit £170 trillion”, 4. April 2017

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “900 Milliarden hoch: Europas zweiter Schuldenberg”, 13. April 2017

Kommentare (23) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ Michael Stöcker

    >Austerität ist keine generelle Folge von Haushaltskonsolidierung, sondern von einer Überkonsolidierung. Austerität beginnt bei einem ausgeglichenen Haushalt …>

    Selbst wenn man es so sieht oder definiert:

    Im Fall Griechenlands könnte demzufolge bis zum heutigen Tage von Austerität keine Rede sein.

    Das war die ganzen Jahre über richtig unabhängig davon, dass vom IWF und anderen nach falschen Einschätzungen den Griechen Maßnahmen abgetrotzt worden sind, zu schnell zu sehr belastet bzw. das Anpassungsvermögen überschätzt haben. Gerade mal jetzt scheinen die Griechen einen wie auch immer berechneten Haushaltsüberschuss erzielt zu haben.

    Und doch war die ganzen Jahre auch bei Ökonomen immer nur von Austerität die Rede und waren Blanchard & Co. diejenigen, die die griechische Bevölkerung aus Gläubigerinteressen heraus drangsaliert haben.

    Die damit verbundene Auffassung ist der Vorwurf, den ich an eingefleischte Keynesianer und auch Sie richte:

    Nicht hinreichende Nachfrage darf es auf keinen Fall geben, sondern sie muss um jeden Preis mit allen Mitteln verhindert werden.

    Es kann Situationen geben, da stimme ich diesem Credo zu. Aber das sind Ausnahmesituationen, in der Regel externe Schocks, auf die man nicht vorbereitet sein konnte, weil sie nicht vorstellbar waren.

    Da die Fixierung auf Nachfrage spätestens seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts so dominierend war und nicht nur in Griechenland zu enormen Verschuldungsproblemen geführt hat, sollte EINZUSEHEN sein, dass man für eine Bereinigung von diesem Credo abrücken MUSS.

    Habe ich etwas übersehen?

    Ich wünschte, es wäre so, vermute aber, dass ich leider recht habe.

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „Nicht hinreichende Nachfrage darf es auf keinen Fall geben, sondern sie muss um jeden Preis mit allen Mitteln verhindert werden.“

      Nein, nicht um jeden Preis und auch nur dann, wenn weder Vollbeschäftigung noch ein persistentes Leistungsbilanzdefizit vorhanden ist.

      „Es kann Situationen geben, da stimme ich diesem Credo zu. Aber das sind Ausnahmesituationen, in der Regel externe Schocks, auf die man nicht vorbereitet sein konnte, weil sie nicht vorstellbar waren.“

      Ich stimme Ihnen hier grundsätzlich zu. Im Falle GR scheint es mir aber so zu sein, dass als verspätete Überreaktion auf die jahrelangen schleichenden Fehlentwicklungen diese Schocktherapie (massive simultane Bilanzbereinigung im öffentlichen und privaten Sektor) das ökonomische und gesellschaftliche Desaster überhaupt erst in diesem Ausmaß herbeigeführt hat. Es ist im aristotelischen Sinne eine Reinigung von den Leidenschaften mittels der Intensivierung der Leiden (Katharsis als genitivus objectivus); eine ganz spezielle Form sadistischer Askese-Ökonomie aus dem Hause Schuknecht. Der Name scheint hier Programm zu sein. Ein längerfristiges Entzugsprogramm mit Methadon wäre für uns alle besser gewesen.

      „Habe ich etwas übersehen?“

      Aber ja. Eine Fixierung auf die Nachfrage gab es in den 70ern. Seit den 80ern kam es zu einer Gegenreaktion mit einer Fixierung auf das Angebot (Reaganomics/Thatcherismus/Geistig-moralische Wende/Neoliberalismus). Die überbordenden Staatsschulden sind insbesondere eine Folger der in diesem Kontext vollzogenen Steuersenkungen für die 1 %. Statt Trickle-down wirkte aber weiterhin Trickle-up; auch bekannt als Matthäus-Effekt.

      LG Michael Stöcker

      Antworten
  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ Michael Stöcker

    >„Praktisch nein, weil dieser Mechanismus, die REALWIRTSCHAFTLICHE Entwicklung lähmt“

    Lesen Sie noch einmal bei Menéndez nach (Link siehe oben). Monetäre Probleme bedürfen monetärer Lösungen; Austerität ist IMMER kontraproduktiv:>
    Meine Begründung, warum der Mechanismus fortschreibender Verschuldung die realwirtschaftliche Entwicklung lähmt:

    Durch diesen Mechanismus werden Unternehmen am Mark gehalten, die an sich nicht wettbewerbsfähig sind. Bleiben diese Zombie-Unternehmen im Markt, verzerren sie die Angebotsstrukturen derart, dass wettbewerbsfähige Unternehmen nicht die Gewinne erwirtschaften, die sie veranlassen würden, zu investieren. Sie investieren daher einfach nicht. Schwaches, wenn überhaupt Wachstum etc.

    Fazit:

    Wenn monetäre Probleme monetäre Lösungen verlangen, dann verlangen realwirtschaftliche Probleme realwirtschaftliche Lösungen, im vorliegenden Fall sind das Insolvenzen in erheblicher Zahl.

    Insolvenzen kann man nur durch monetäre VERWEIGERUNG lösen, aber nicht dadurch, dass man durch fortwährende Kreditgewährung hinreichend Nachfrage auch für die Angebote der Zombieunternehmen zu schaffen sucht.

    >Austerität ist IMMER kontraproduktiv>

    Das ist schlichtweg falsch.

    Griechenland hatte ein Staatsdefizit von mehr als 10%.

    Das musste selbstverständlich reduziert werden, weil die privaten Kreditgeber es nicht mehr finanzieren wollten.

    Die Folge war notwendigerweise Austerität.

    Hier der neo-liberale Ideologe Blanchard, der einfach nur recht hat:

    https://blogs.imf.org/2015/07/09/greece-past-critiques-and-the-path-forward/?hootPostID=8299b6670cea64b9daad8b21e9a85fe7

    Daraus:

    >Even if existing debt had been entirely eliminated, the primary deficit, which was very large at the start of the program, would have had to be reduced. Fiscal austerity was not a choice, but a necessity. There simply wasn’t an alternative to cutting spending and raising taxes.>

    Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      Es besteht kein Zweifel, dass das Haushaltsdefizit in GR viel zu hoch war und mittelfristig auf ein vernünftiges Maß von ca. 2 Prozent reduziert werden musste. Dabei sollte aber immer zugleich auf die gesamtwirtschaftliche Expansion geachtet werden: https://zinsfehler.com/2016/12/01/das-kollektive-versagen/.

      Austerität ist aber etwas anderes als Haushaltskonsolidierung. Austerität bedeutet einen ausgeglichenen Haushalt und/oder Schuldenreduktion. Insofern bleibe ich bei meiner Aussage, dass Austerität IMMER kontraproduktiv ist. Einzige Ausnahme: Man besteuert die Fluchtgelder (Stocks) der 1 %, die via BoG nach London, Zürich, Frankfurt & Co. geflossen sind.

      LG Michael Stöcker

      Antworten
    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      Zum IWF und Blanchard: Da war der IWF schon mal ehrlicher. So schrieb das Handelsblatt 2013:

      „Allerdings seien im Rückblick viele Fehler gemacht worden. Zwei Hauptvorwürfe richtet der IWF gegen sich selbst: So habe man einerseits unterschätzt, wie negativ sich das auferlegte Sparprogramm auf die griechische Wirtschaft ausgewirkt habe.“ http://www.handelsblatt.com/politik/international/griechenland-eigene-regeln-aufgeweicht/8306512-2.html

      LG Michael Stöcker

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        Was Griechenland anlangt, sind wir uns wahrscheinlich weitgehend einig.

        Was den IWF angeht, hat der wie andere auch Fehler gemacht, wobei ihm positiv zuzurechnen ist, dass er sich auch dazu bekannt hat.

        Dass man unterschätzt hat, wie negativ sich das Sparprogramm auf die griechische Wirtschaft ausgewirkt hat, ist aber auch teilweise verständlich. Es waren und sind vermutlich immer noch nicht die Voraussetzungen in Griechenland vorhanden, die für eine einigermaßen realistische Einschätzung erforderlich sind. Ich meine insbesondere das staatliche Rechnungswesen und zum anderen eine funktionierende Steuerbehörde.

        Das alles nur nebenbei und Ihre Feststellungen relativierend.

        Der Punkt, auf den es mir ankommt:

        >Austerität ist aber etwas anderes als Haushaltskonsolidierung. Austerität bedeutet einen ausgeglichenen Haushalt und/oder Schuldenreduktion. Insofern bleibe ich bei meiner Aussage, dass Austerität IMMER kontraproduktiv ist.>

        Natürlich ist Austerität etwas anderes als Haushaltskosolidierung.

        Bei hoher Verschuldung ist Austerität aber die FOLGE notwendiger Haushaltskosolidierung.

        Das hieß im Falle Griechenlands:

        Es konnte keine gesamtwirtschaftliche EXPANSION geben.

        Wenn Sie schreiben, dass das Haushaltsdefizit viel zu hoch war in GR und mittelfristig auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden musste,

        dann ist es FALSCH im gleichen Atemzug zu sagen:

        >Dabei sollte aber immer zugleich auf die gesamtwirtschaftliche Expansion geachtet werden>

        Haushaltskonsolidierung (in dem Umfang, in dem sie in GR erforderlich war) und gesamtwirtschaftliche Expansion sind NICHT VEREINBAR.

        Sie sollten sich fragen, ob hier nicht Blanchard, sondern Sie „kognitiver Dissonanz“ unterliegen.

        Natürlich muss man AUCH darauf achten, dass durch Strukturänderung nicht nur derer, die mit der Haushaltskonsolidierung und Kontraktion der Wirtschaft verbunden sind, es auch wieder zu einer gesamtwirtschaftlichen Expansion kommt – auf, UNVERMEIDBAR nach Lage der Dinge, niedrigerem Niveau.

        Das ist aber etwas anderes.

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        „Ich meine insbesondere das staatliche Rechnungswesen und zum anderen eine funktionierende Steuerbehörde.
        Das alles nur nebenbei und Ihre Feststellungen relativierend.“

        Sie nennen hier die Punkte, die ich weiter unten bereits „relativierend“ aufgeführt hatte.

        „Bei hoher Verschuldung ist Austerität aber die FOLGE notwendiger Haushaltskosolidierung.“

        Austerität ist keine generelle Folge von Haushaltskonsolidierung, sondern von einer Überkonsolidierung. Austerität beginnt bei einem ausgeglichenen Haushalt bzw. bei hoher Auslandsverschuldung bei der Erzielung von Primärüberschüssen und nicht schon bei einer Reduktion der Budgetdefizite. Auch bei einer Reduktion der Haushaltsüberschüsse kommt/kam es selbstverständlich zu einem Rückgang der Wachstumsraten, die zuvor künstlich aufgepumpt waren.

        „Das hieß im Falle Griechenlands:

        Es konnte keine gesamtwirtschaftliche EXPANSION geben.“

        Insbesondere keine, wie seit den Kreditexzessen ab 2002: https://www.google.de/publicdata/explore?ds=d5bncppjof8f9_&met_y=ny_gdp_mktp_cd&idim=country:GRC:PRT&hl=de&dl=de#!ctype=l&strail=false&bcs=d&nselm=h&met_y=ny_gdp_mktp_cd&scale_y=lin&ind_y=false&rdim=region&idim=country:GRC&ifdim=region&hl=de&dl=de&ind=false

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        Allerdings ist nicht nur in Griechenland die anschießenden Kontraktion bei der Kreditvergabe (private und öffentliche) viel zu hoch gewesen als unmittelbare Konsequenz der Austeritätspolitik: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2013/2013_07_geldmengenkreditwachstum.pdf?__blob=publicationFile. Siehe insbesondere Seite 13 bzw. 61.

        „Haushaltskonsolidierung (in dem Umfang, in dem sie in GR erforderlich war) und gesamtwirtschaftliche Expansion sind NICHT VEREINBAR.“

        Korrekt! Ein Blick auf die monetäre Gesamtexpansion hätte aber sehr schnell verdeutlicht, dass es nicht ausreicht ALLEIN auf das Haushaltsdefizit zu schielen sondern zugleich auch auf die privaten Kreditaggregate (siehe Link zur Bundesbank). Wenn beide Sektoren simultan konsolidieren, kommt es sehr schnell zu einer Überkonsolidierung mit der Folge, dass es zu einer gesamtwirtschaftlichen Schrumpfung kommt, die die relativen Schuldenstände weiter in die Höhe treibt. In diesem Prozess werden wegen des radikalen Nachfrageeinbruchs auch Unternehmen weggespült, die kein grundsätzliches Wettbewerbsproblem haben. Die automatischen Stabilisatoren durften nicht greifen und als Folge sind die Forderungen noch unsicherer als zuvor. Wir haben uns letztlich ein zweites Mal ins eigene Knie geschossen.

        LG Michael Stöcker

    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      Interessant ist in diesem Kontext auch die Reaktion von Obstfeld und Thomsen: https://www.imf.org/external/lang/german/np/blog/2016/121216g.pdf. Sie ist wohl insbesondere an unsere Hardcore-Nullen für schwäbische Haushaltspolitik gerichtet.

      Griechenland hat noch einen langen Weg vor sich. Ohne ein Grundbuch (Voraussetzung für erfolgreiche Vollstreckungen) sowie eine effektive Steuerbehörde können Forderungen nicht auf gewohntem rechtsstaatlichem Wege geltend gemacht werden. Insofern mangelte es in Griechenland schon immer an den elementarsten rechtsstaatlichen Voraussetzungen für eine gemeinsame Währung; Goldman Sachs Derivateschwindel hin oder her.

      LG Michael Stöcker

      Antworten
  3. brunch68
    brunch68 sagte:

    Mir fehlt hier ganz klar der Hinweis (der in dem FUW Artikel vorhanden ist) , dass von den rd. 900 Mrd. ausfallgefährdeten Krediten immerhin bereits rd. 400 Mrd. abgeschrieben wurden. Natürlich sind die verbleibenden € 500 Mrd. immer noch eine riesige Summe, aber am gesamten Kreditportfolio der Banken beträgt die Netto NPL somit nur noch 3,6% statt 6,6%. Das ist schon ein beachtenswerter Unterschied! Insofern ist in diesem Bereich der Bankensektor auf dem richtigen Weg.
    Natürlich gibt es auch noch weitere Risiken im Bankensystem, unabhängig von den NPL’s. Hier sind die Level 2 + 3 Assets sicherlich ein ganz wesentlicher Risikofaktor, deren Höhe man sich in der von FUW verlinkten.EZB Präsentation ansehen kann.
    https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/speeches/date/2017/html/ssm.se170331_slides.en.pdf

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      >„Die Pleite lässt sich mit billigem Geld nicht verhindern, nur verschieben“
      So ist es. Und zwar ad infinitum.>

      Theoretisch ja, wenn man davon ausgeht, dass sich Verschuldung immer wieder mit erneuter Verschuldung prolongieren lässt. Das ist funktional möglich. Man muss nur die Regeln neu interpretieren, dehnen, sie übergehen oder neue Vereinbarungen treffen. Die Gläubiger, die das mitmachen, sind die Notenbanken.

      Praktisch nein, weil dieser Mechanismus, die REALWIRTSCHAFTLICHE Entwicklung lähmt.

      Das ist ganz klar in der südlichen Peripherie der Eurozone der Fall.

      Ist das zu lange mit zu hohen negativen Konsequenzen der Fall, u. a. hoher Jugendarbeitslosigkeit, einkommensbedingten Hürden für Familiengründung etc., dann wird der Mechanismus prolongierter Verschuldung irgendwann ausgehebelt – und zwar POLITISCH.

      Man sehe sich die Entwicklung seit der Euro-Rettung (Griechenland, 2010) an.

      Ökonomisch funktioniert das System zwar noch einigermaßen insoweit es die Institutionen und die Märkte etc. anlangt, aber politisch treibt es immer mehr auf die Klippen zu.

      Ich verstehe zwar, dass die Leute nach der gestrigen Wahl in Frankreich aufatmen, aber zu Jubeln besteht nicht der geringste Anlass.

      Antworten
      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        „Praktisch nein, weil dieser Mechanismus, die REALWIRTSCHAFTLICHE Entwicklung lähmt“

        Lesen Sie noch einmal bei Menéndez nach (Link siehe oben). Monetäre Probleme bedürfen monetärer Lösungen; Austerität ist IMMER kontraproduktiv: https://soffisticated.wordpress.com/2015/04/15/griechische-austeritat-das-deutsche-muster/. Nicht umsonst lautete das Buch von Mark Blyth: „Austerity: The History of a Dangerous Idea“.

        „Ich verstehe zwar, dass die Leute nach der gestrigen Wahl in Frankreich aufatmen, aber zu Jubeln besteht nicht der geringste Anlass.“

        Sehe ich genauso.

        LG Michael Stöcker

  4. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    bto: “Damit nicht genug. Dahinter steht ein Bankensystem, was angesichts der Schuldenlast nur insolvent sein kann!”
    Also, ich finde, ganz so krass kann man das nicht formulieren. Wenn man sich die vorletzte Grafik ansieht, stellt man fest, dass zumindest das unbegrenzte Schuldenwachstum inzwischen wohl auf Asien (hier: Japan und China) beschränkt ist und die USA und Europa wenigstens schon mal zu einem Stopp des Schuldenwachstum in Relation zum BIP gekommen sind. Wenn das so bleibt, ist das schon einmal Fortschritt gegenüber früher. Echtes Deleveraging im Sinne eines Rückgangs der Quote können Sie von einem gewählten Politiker eh nicht erwarten. Warum soll er ohne Leidensdruck für die Fehler früherer Politiker haften bzw. seinem Nachfolger Spielräume verschaffen? Er hat doch die Notenbank, die ihn rausdruckt, äh, raushaut…
    Aber auf dem aktuellen Niveau kann das in Europa m.E. noch Jahrzehnte funktionieren, wenn kein “Schwarzer Schwan” im Sinnen von Nassim Taleb daher kommt. Große Wachstumsraten sind damit natürlich nicht möglich und ein hoher Realzins schon gar nicht. Aber japanische Verhältnisse wie seit 1990 m.E. schon. Ob allerdings Japan noch lange japanische Verhältnisse durchhält bei 379 % ist eine ganz andere Frage…

    Antworten
    • Johannes
      Johannes sagte:

      “… und die USA und Europa wenigstens schon mal zu einem Stopp des Schuldenwachstum in Relation zum BIP gekommen sind.”

      Sie unverbesserlicher Optimist, Sie :-)

      Die USA stehen immer noch auf der Startrampe zu einem ein 1000 Mrd. US Doller schweren Infrastrukturprogramm (übrigens deutsche Billionen) und in in Europa ist es i.w. Deutschland, dass zu einem Stopp in der Schuldenaufnahme geführt hat.

      “Echtes Deleveraging im Sinne eines Rückgangs der Quote können Sie von einem gewählten Politiker eh nicht erwarten.”

      Und hier benennen Sie eines der Kernprobleme aller “hochenrwickelten” Demokratien. Sie verfügen mehrheitlich nicht über hochentwickelte und in der Sache kompetente Persönlichkeiten. Denen gelingt es schlicht nicht, ihre persönlichen Interessen und die ihres Landes in eine hinreichende Balance zu bringen. Die wenigen hochentwicklen und kompetenten Politiker (und ja, diese gibt es auch) erreichen nicht die erforderliche kritische Masse – leider. Mit DIESEM Problem müssen wir leider dauerhaft leben und das Beste hoffen…

      Antworten
      • Wolfgang Selig
        Wolfgang Selig sagte:

        Ich lasse mich gerne als Optimisten bezeichnen / beschimpfen / loben…^^
        Im Ernst, ausnahmsweise tendiere ich hier zu 100 % zu Hr. Michael Stöcker. Die Insolvenz lässt sich zwar nur verschieben, aber das “ad infinitum”, also unendlich. Solange man die Notenbank im Griff hat, und de facto ist das in den großen Währungsräumen so, gibt es keine Insolvenz. Faktisch eine permanente Insolvenzverschleppung, was aber für den Gläubiger den vollkommenen Schutz vor echter Insolvenz bedeutet.

  5. Alexander
    Alexander sagte:

    Erübrigt sich die Frage, wer der Hauptgläubiger der 900Mrd.€ fauler Darlehen ist? Sind wir BRDeutschen nicht auch als Gesellschafter der EZB entsprechend unserer “Stärke” gebührend beteiligt, abgesehen von den target2 Salden? Warum sich Europa noch als Einwanderungsland betrachtet, wenn solche Probleme durch Sozialmagnetismus kaum Lösung erfahren, verstehe wer will.

    Antworten
  6. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Man kann die Malaise in einem Satz benennen:

    Seit dem Beginn der Eurokrise 2010 ist der Anteil notleidender Kredite in der Peripherie mit Ausnahme Irlands gestiegen und in der Eurozone insgesamt liegt er nahezu so hoch wie zu Krisenbeginn.

    Was ist also erreicht worden in den 7Jahren der Krisenbekämpfung und des Rettens?

    Nichts, was einen stabileren Zustand der Realwirtschaft ausweist.

    Allerdings gab es keinen Zerfall der Währungsunion, immerhin.

    Antworten
    • Horst
      Horst sagte:

      Hinzu kommen – ganz abgesehen von der provokatorischen Überschrift des Artikels – die von Paul Mason immer wieder mit einem Sprung in die Gegenwart benannten und beschriebenen Tendenzen:

      http://www.deutschlandfunk.de/re-das-kapital-4-6-der-niedergang-des-kapitalismus.1184.de.html?dram:article_id=370390

      “Allerdings gab es keinen Zerfall der Währungsunion, immerhin.”

      Ich wage die Prognose, dass es einen solchen auch nicht geben wird, selbst dann nicht, sollte sich Madame Le Pen in der Stichwahl wider Erwarten durchsetzen. Denn die Währungsunion ist primär eine politische Union. Über die positiven und negativen Aspekte dieser kann an anderer Stelle diskutiert werden.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        Wir sind auf den Weg zu fundamentalen Veränderungen.

        Der Kapitalismus wird daher nicht mehr der Kapitalismus sein, den wir in der Vergangenheit hatten und heute noch haben.

        Das kann man durchaus als Niedergang des Kapitalismus bezeichnen.

        Dies nach dem Muster von oder auch nur mit Rückgriff auf Marx zu erklären, führt in die Irre, auch wenn Marx zweifelsohne so etwas wie der „Theoretiker der Veränderungen“ war.

        Der Mann hat aber falsch gelegen, mit einer falschen Theorie Falsches vorausgesagt.

        Es ist ganz anders gekommen als er sich hat träumen lassen.

        Maus nimmt das nicht zur Kenntnis, sondern ist auf dem gleichen Pfad (wenn auch viel unsystematischer als Marx), wenn er assoziativ rumspekuliert mit Aussagen wie „Technologisch sind wir auf dem Weg zu kostenlosen Gütern, nichtmessbarer Arbeit, exponentiellen Produktivitätszuwächsen und der umfassenden Automatisierung physikalischer Prozesse.“

        Kostenlose Güter und nichtmessbare Arbeit sind Projektionen, weiter nichts.

        Wir wissen nicht, auf welches ZIEL hin sich die Dinge entwickeln.

        Wir haben nicht einmal eine Theorie dafür.

        Marx hatte wenigsten eine, wenn auch eine falsche.

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