Die Mär vom solventen US-Konsumenten

Es ist nichts Neues, was die FINANZ und WIRTSCHAFT hier präsentiert. Die Schulden der US-Konsumenten sind in den letzten Jahren absolut gestiegen und haben sich relativ zum BIP leicht gesenkt. Wir wissen auch, dass die Belastung durch den Schuldendienst deutlich abgenommen hat, was an den gesunkenen Zinsen liegt und dass die Schulden zunehmend dazu dienen, fehlende Einkommenszuwächse zu kaschieren. Dennoch gut, es nochmals zu lesen:

  • Die Verschuldung der Haushalte sei insgesamt auf einem gesunden Niveau, wiederholte Fed-Chef Jerome Powell an der letzten Anhörung im Kongress. (…) Tatsächlich sind die US-Haushalte nicht mehr so hoch verschuldet wie vor der Finanzkrise. Seit 2008 sind die Schulden der Privathaushalte im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) von 100 auf 80% gesunken. Damit liegt die Verschuldung der US-Konsumenten international im Mittelfeld. Zudem ist die Schuldendienstquote gemessen am verfügbaren Einkommen auf ein historisches Tief gesunken.” – bto: Das überrascht nicht wirklich.
  • “Es wäre allerdings falsch, daraus zu schliessen, dass die US-Haushalte in bester finanzieller Verfassung sind und eine Konjunkturverlangsamung locker wegstecken – geschweige denn mit neuen Krediten zu einer Erholung beitragen können. (…) Der Schuldenabbau habe nur am Wohnungsmarkt stattgefunden, argumentieren sie, wo die Hypothekarschulden 5% unter dem Niveau von 2008 liegen. Alle anderen Formen von Kredit haben in den vergangenen Jahren zugenommen, auch relativ zum BIP. Besonders stark gestiegen sind Studentendarlehen und Autokredite. Das Volumen der Studentenkredite hat sich seit 2007 auf 1500 Mrd. $ verdreifacht. Die Autokredite haben 50% zugenommen.” – bto: Das verwundert nicht. Es war das Ziel der Fed, über mehr Schulden die Wirtschaft zu beleben.

Quelle: FINANZ und WIRTSCHAFT

  • “Hinzu kommt, dass über die letzten sechzig Jahre betrachtet die Schuldenquote von 30 auf 80% gestiegen ist, aber die Lohnsumme gemessen am BIP, die für die Bedienung der Schulden zentral ist, von 51 auf 43% gesunken ist. Nachhaltig ist diese Entwicklung nicht.” – bto: Die Schulden sind ja auch deshalb gestiegen, weil man so über die stagnierenden Einkommen hinwegtäuschen wollte. Die Frage ist eher, wie man aus dieser Lage wieder herauskommt. Nicht schmerzlos und deshalb macht man lieber weiter!

Quelle: FINANZ und WIRTSCHAFT

  • “(Zudem) zeigt der Grad der Fremdfinanzierung (…) nur die halbe Wahrheit über die finanzielle Situation des Durchschnittsamerikaners. Entscheidend sei der «Operating Leverage», und der sei viel höher. Diese aus der Unternehmensrechnung entlehnte Grösse berücksichtigt auch Fixkosten wie Mieten oder Leasinggebühren, die nicht zu den Schulden zählen. Beide Ausgabeposten haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die meisten Hypothekarschuldner, die in der Krise ihre Bleibe verloren haben, sind Mieter geworden. (…) 85% der Neuwagen in den USA werden nicht aus der eigenen Tasche bezahlt. (…)  Wie Mieten sind Leasinggebühren keine Schulden, belasten aber dennoch das Portemonnaie und reduzieren die Fähigkeit, andere Kredite zu bedienen und Schocks zu absorbieren.” – bto: Mieten werden bei Unternehmen wie Schulden behandelt, eine völlig richtige Beobachtung. Viele Konsumenten – auch hierzulande – rechnen in monatlicher Belastung. Hier laufen sie Gefahr, durch das tiefe Zinsniveau, das auf alle Preise durchschlägt, getäuscht zu werden. Andererseits führt der hohe Leverage dazu, dass man die Zinsen eben doch nicht erhöhen kann.
  • “Die aggregierten Daten verschleiern einen weiteren Aspekt: die Ungleichverteilung der Schulden. Am stärksten verschuldet sind Haushalte mit tiefem Einkommen und Vermögen. Ihre Schuldensituation hat sich in den letzten Jahren verschlechtert, während obere Einkommensschichten Schulden abgebaut haben.” – bto: Auch dies erhöht natürlich den sozialen und politischen Sprengstoff. Nicht zu vergessen die Bedeutung des US-Konsumenten für die Weltwirtschaft:

Quelle: FINANZ und WIRTSCHAFT

  • “Solange der Arbeitsmarkt aber weiter brummt, geht von den US-Konsumenten kaum Gefahr aus. Auf die Probe gestellt wird ihre Tragfähigkeit erst, wenn eine Lohnerhöhung ausbleibt oder Entlassungen an der Tagesordnung sind. Bedrohlich wäre auch ein Anstieg des Zinsniveaus. Dieses Szenario hat in den vergangenen Monaten an Brisanz verloren. Angesichts der konjunkturellen Verlangsamung dürfte die US-Notenbank dieses Jahr die Leitzinsen, wenn überhaupt, nur sehr behutsam anheben.” – bto: Sie kann es nicht und bleibt Gefangene ihrer eigenen Politik.

→ fuw.ch: “Die Mär vom solventen US-Konsumenten”, 13. März 2019