Die Höhe der Verschuldung sagt überhaupt nichts aus

Ein gängiges Gegenargument zur Kritik an zu hohen Schulden lautet, die Schulden seien nicht zu hoch, weil doch die Vermögenswerte weitaus stärker gestiegen seien. Das stimmt, liegt aber an dem Leverage-Effekt der Schulden, die zu einem immer stärkeren Anstieg der Vermögenswerte führt, bis zu dem Punkt, an dem die Pyramide platzt. Siehe auch meine diesbezügliche Kritik an Piketty.

Ein anderes Argument lautet, dass Schulden egal sind, solange es a) genug Ersparnisse gibt und/oder b) eine Notenbank, die alles finanziert. Da ist schon etwas dran, wobei ich auch hier wie bei dem Vermögenswert-Thema sagen würde, dass das lange, aber nicht ewig geht.

Die F.A.Z. berichtet von einem Gespräch mit Chen Zhao, Leiter der Abteilung Makroökonomie, der zur Fondsgesellschaft Legg Mason gehörenden Vermögensverwalter Brandywine:

  • Trumps Politik ist eine Mischung aus Reagonomics und Protektionismus. Das wird kurzfristig positive, aber langfristig viel schwerwiegendere negative Folgen haben. Derzeit konzentrieren sich die Märkte einzig auf die positiven Aspekte, sagt Zhao und listet sie auf: Steuersenkungen und Infrastruktur-Investitionen und eine Deregulierung, vor allem der Banken. Das hören die Märkte gern und lässt die Aktienkurse steigen. Kurzfristig könne das der amerikanischen Wirtschaft auch bis zu zwei Prozentpunkten mehr Wachstum bringen.” bto: soweit Konsens. Das ist ja derzeit auch die gängige Sichtweise. 
  • Es gab seit 1950 in Amerika zehn Rezessionen. Neun davon ereigneten sich unter republikanischen Präsidenten. Die Wirtschaft expandiert seit acht Jahren moderat. Was zuletzt fehlte, war der letzte Wachstumsschub. Der könnte jetzt kommen – und danach die Trump-Rezession. bto: Das ist unfair. Es wäre sonst die Clinton-Rezession gewesen. Die Zinsen steigen schon länger, wie auch die Löhne. Damit kommt die Rezession ohnehin wegen der verschlechterten Finanzierungsbedingungen.
  • Das Problem mit der Globalisierung sei nie der Verlust von Arbeitsplätzen gewesen, sondern stets ein Verteilungsproblem. Die Globalisierung habe sogar dafür gesorgt, dass mehr besser bezahlte und qualifiziertere Arbeitsplätze entstanden seien. Dafür seien aber einfachere Tätigkeiten in der Produktion verloren gegangen, und das habe wieder für eine große Zahl von Menschen stagnierende oder sinkende Einkommen bedeutet.” bto: was nun? Verlust der Arbeitsplätze kein Problem oder doch? Natürlich geht es weltweit viel mehr Menschen besser, dennoch ist es ein Problem für die Verlierer in den Industriestaaten. 
  • Für Zhao ist der Protektionismus auch die Wurzel einer kommenden Rezession. Was würde passieren, wenn Trump das Nafta-Abkommen kündigt und auf chinesische Waren Zölle von 45 Prozent erhebt?, fragt er rhetorisch und liefert die Antwort gleich mit. Die Inflationsrate würde auf fünf bis sechs Prozent steigen, die Anleiherenditen auf sieben bis acht Prozent, die Unternehmensgewinne würden einbrechen und die Aktienkurse ebenso.‘” bto: Das Risiko besteht. Allerdings denke ich immer noch, es wird nicht in diese Richtung gehen. 
  • Den Einwand, dass eine niedrigere Verschuldung doch erstrebenswert sei, lässt Zhao gar nicht gelten. Ja, das ist das deutsche Weltbild, sagt der Chinese. Aber die Höhe der Verschuldung sagt überhaupt nichts aus.”  bto: Nun könnte man mit Blick auf Griechenland, Portugal, Irland, Italien, Frankreich auch zu einem anderen Schluss kommen. 
  • Und hier Beispiele: “Wieso finanziere sich Japan trotz exorbitanter Staatsverschuldung seit Jahrzehnten zu minimalen Zinsen? Und was würde eigentlich passieren, wenn die amerikanische Notenbank den Vereinigten Staaten die Schulden erließe? Nichts – sagt Zhao. Obwohl doch die Höhe der Staatsverschuldung deutlich gesunken sei.” – bto: Das ist ja unsere Diskussion zur Monetarisierung. Ist sie nun schädlich oder nicht? → Monetarisierung: Rettung oder Desaster? Ich denke, wenn das Vertrauen in Geld schwindet, ist es nicht folgenlos.
  • Der große Fehler der Inflationsprediger sei, zu übersehen, dass Staats- und Notenbankverschuldung austauschbar seien. Für eine Hyperinflation bedürfe es immer einer massiven Zerstörung des Produktionspotentials. Davon könne aber nun wirklich keine Rede sein.” – bto: ein wichtiger und auch richtiger Punkt. Wir hatten das schon mal ausführlich diskutiert  → Staatsschulden – wirklich so schlecht?
  • Der Kapitalismus sei immer deflationär, weil niemand mehr bezahle als das, was derjenige produziere. Deswegen erzeuge er auch per se niemals einen Nachfrageüberhang.” bto: Das passt ja zur Debitismus-Diskussion, die wir hier immer wieder haben und für die ich im neuen Jahr etwas vorbereiten werde. Er sagt hier, es könne niemals mehr Nachfrage als Angebot geben. Deshalb deflationärer Druck. Das stimmt. Auf der anderen Seite geht die Gleichung aufgrund der Vorfinanzierung nicht auf, denn wir haben ein Zeitproblem. Deshalb muss die Schuld auch in Höhe der Zinsen auf den ausstehenden Schulden weitersteigen. Dies wiederum bedingt mehr Schulden. 
  • Wenn ein Unternehmen oder ein Haushalt sich überschuldet, haben diese ein Problem. Für den Staat aber ist das System dank der Zentralbank offen. Solange genügend Ersparnisse vorhanden sind und man sich nicht im Ausland verschulden muss, so lange hat man kein Schuldenproblem. bto: einfach deshalb, weil die Inländer immer mehr Vermögen aufbauen. Ein Problem hat man deshalb nicht, weil man die Forderungen und die Schulden gegeneinander verrechnen kann.

bto: Wenn man allerdings, wie wir Deutschen, lieber dem Ausland Kredit gibt, hat man ein Problem. Unabhängig davon denke ich dennoch, dass Schulden eine negative Wirkung haben, weil die Realwirtschaft belastet wird durch den Zwang zum Schuldendienst.

→ F.A.Z.: „Die Märkte schätzen Trump falsch ein“, 1. Dezember 2016