Die “Grenzen des Wachs­tums” be­gründen keine Schrumpfungs­politik

Bloß kein Wachstum! Schrumpfen sollen wir, damit das Weltklima gerettet wird. Abgesehen davon, dass das nichts bringt und einen Umfang annehmen müsste, der demokratisch nicht durchsetzbar wäre, ist es schlichtweg auch falsch. Das hat mein Gespräch mit Ulrike Herrmann gezeigt.

Der Ursprung liegt in den 1970er Jahren, als die „Grenzen des Wachstums“ propagiert wurden. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hat sich des Themas angenommen und kommt zum Schluss, dass die These viel zu lange zu falschen Schlussfolgerungen geführt hat:

  • „Ist dauerhaftes Wirtschaftswachstum möglich? Oder führt es nicht irgendwann zur Erschöpfung der Ressourcenvorkommen und zum Kollaps von ganzen Ökosystemen sowie von Teilen der Zivilisation? An dieser Frage scheiden sich die Geister.“ – bto: Und von einer Seite wird die Diskussion ziemlich voreingenommen geführt.
  • „Das wird an den Reaktionen auf ein berühmtes Buch, dessen Publikation sich Anfang März zum 50. Mal jährte, sehr deutlich. Der gefeierte Bestseller hat eklatante Schwächen. Dass diese von Teilen der Umweltbewegung ignoriert werden, steht heute einer pragmatischen Auseinandersetzung mit dem Klimaproblem im Weg.“ – bto: Das sehen wir ja auch mit Blick auf die Modelle zum Klimawandel.
  • „Basierend auf Computersimulationen postulierten die Wissenschafter Donella und Dennis Meadows, Jörgen Randers und William W. Behrens III, dass ein unbegrenztes Wirtschaftswachstum bis Ende des 21. Jahrhunderts zum Zusammenbruch der Zivilisation führen könnte, sofern keine geeigneten Gegenmassnahmen getroffen werden. Die Forscher schlugen zum Beispiel Massnahmen vor wie die Begrenzung und Stabilisierung der Bevölkerung sowie des Industriekapitals.“ – bto: Eine Begrenzung der Bevölkerung hätte sicherlich dazu beigetragen, heute mehr Wohlstand und weniger Konflikte in der Welt zu haben.
  • „Das Modell war zwar sehr komplex, aber nicht realistisch. Wichtige Wechselwirkungen fehlten. Dadurch produzierten die Autoren übermässig pessimistische Szenarien und gelangten zu extremen Schlussfolgerungen. Besonders deutlich werden die Mängel des Modells bei den Mineralienvorkommen, deren mögliche Erschöpfung die Autoren postulierten. Dass eine Knappheit eines Minerals einen höheren Preis nach sich zieht und ein höherer Preis eine grössere Aktivität bei der Suche nach diesem Mineral oder nach dessen Ersatz zur Folge hat – dieser Mechanismus war in ihrem Modell nicht wiedergegeben worden.“ – bto: Das passt zur heutigen Klimadiskussion, auch da wird angenommen, die intellektuelle Leistungsfähigkeit der Menschheit wäre erschöpft.
  • „Der britische Ökonom Thomas Robert Malthus sagte vor über 200 Jahren wegen des exponentiellen Wachstums der Bevölkerung einen Kollaps der Ernährungsversorgung voraus. Doch er lag komplett daneben – ebenfalls wegen verkehrter Annahmen. Die Produktivität der Landwirtschaft vervielfachte sich; der Hunger nahm mit der Zeit ab. Mit steigendem Wohlstand und Bildungsgrad sanken die Geburtenraten.“ – bto: Es ist ein Beispiel, aber dennoch würde ich dabei bleiben, dass es gut gewesen wäre, das Bevölkerungswachstum zu bremsen.
  • „Die Autoren der ‚Grenzen des Wachstums‘ (…) unterschätzten nicht nur die Fähigkeit der Marktwirtschaft, flexibel auf Knappheit zu reagieren, sondern auch das Potenzial von Forschung und Technik, Lösungen für anstehende Probleme zu entwickeln. Zu diesem Fazit gelangten hochkarätige Ökonomen wie William Nordhaus von der Yale University, der 2018 den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, übrigens bereits vor Jahrzehnten.“ – bto: So ist es und leider dominiert in Deutschland diese Sicht.
  • „Schon bei dem Ökonomen Malthus, der auch eine Weile als anglikanischer Pfarrer wirkte, hatte das Grenzen-Leitmotiv einen religiösen Unterton. Im deutschen Sprachraum entwickelte die Naturromantik als Gegenbewegung zur Aufklärung eine besondere Form der Skepsis gegenüber der Technik, die bis heute anhält.“ – bto: … eine Erklärung für die Energiepolitik hierzulande?
  • „Linker Kulturpessimismus führt dazu, dass in Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes oft dirigistische, marktfeindliche Lösungen vorgeschlagen werden. Manche Umweltaktivisten – etwa die Vertreter der Degrowth-Bewegung – propagieren ein Nullwachstum oder sogar eine Schrumpfung der Wirtschaft. Damit, so argumentieren sie, würden auch die Umweltprobleme kleiner werden.“ – bto: Der Verdacht liegt nahe, dass es nicht um das Klima oder die Umwelt geht.
  • „Dabei ist das Wachstum einer Volkswirtschaft gar nicht gleichbedeutend mit einem Wachstum des Ressourcenverbrauchs. Während die Wirtschaft wächst, kann der Ressourcenverbrauch durchaus sinken. Die Handelsgüter wandeln sich ja permanent: Früher lag der Schwerpunkt der Wirtschaft auf der Warenherstellung, heute tragen zum Bruttosozialprodukt viel mehr Dienstleistungen bei als früher. Ausserdem erlauben es technische Fortschritte, Ressourcen effizienter auszunutzen als in der Vergangenheit.“ – bto: Das gilt sogar, wenn man das nach China „outgesourcte“ CO2 miteinrechnet.
  • „Ohne Wirtschaftswachstum ist es schwierig bis unmöglich, die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien zu finanzieren, von denen wir uns die Lösung gegenwärtiger und zukünftiger Umweltprobleme erhoffen.“ – bto: Und diese werden auch entwickelt, nur eben nicht hier.
  • „Radikale Klimaaktivisten wie Extinction Rebellion fordern auch heute noch, wir müssten unseren Lebensstandard einschränken, sonst drohe das Klima ‚ausser Kontrolle‘ zu geraten. Sehen wir einmal davon ab, dass die Menschheit das Klima noch nie unter Kontrolle hatte und dass man einen Staat fürchten müsste, der diese Macht innehätte, so erinnert die Rhetorik stark an die alte Leier von der Exponentialkurve, die ins Verderben führt.“ – bto: Ökodiktatur ist nicht zufällig ein Wort, das Verwendung findet.
  • „Wir sind prinzipiell durchaus in der Lage, uns an den Klimawandel anzupassen, selbst wenn es oft schmerzhafte Lektionen wie eine tödliche Überschwemmung oder Hitzewelle braucht. Dies ist auch dem Bericht zu entnehmen, den der Uno-Klimarat Ende Februar veröffentlichte.“ – bto: Wir müssen mehr investieren, um resilienter zu werden.
  • „Um den Klimawandel zu lindern und uns an ihn anzupassen, braucht es kein Stoppschild für das Wirtschaftswachstum, sondern klug gewählte politische Massnahmen, zum Beispiel eine irgendwie geartete Bepreisung von CO2-Emissionen sowie die rechtzeitige Anpassung an künftige Hitzewellen und andere Extremereignisse.“ – bto: Das ist natürlich für Politiker schlecht, die offensichtlich zwanghaft immer etwas tun müssen, um relevant zu bleiben.

nzz.ch (Anmeldung erforderlich): „Die ‘Grenzen des Wachstums’ sind von gestern – legen wir das betagte Leitmotiv des Umweltschutzes ad acta“, 15. März 2022