Die Gefahr eines globalen Währungskriegs

William White sah die Finanzkrise kommen und ist keineswegs ein Crash-Guru, sondern ein anerkannte Ökonom, lange im Dienst der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Hier mit wichtigen Beiträgen zitiert:

→ Wir wollen es nicht wahrhaben: „Das Geld ist weg“
→ Ultra Easy Monetary policy and the law of unintended consequences
→ William White sah es damals kommen – und warnt weiterhin

Nun warnt er in einem Beitrag vor den chaotischen Folgen eines möglichen Währungskrieges:

  • “Der Ausdruck ‘Währungskrieg’ beschwört ein beängstigendes Bild von kompetitiven Abwertungen aus den Dreissigerjahren des 20. Jahrhunderts. Mit einer Abwertung ihrer Währung gegen den Goldpreis versuchten einzelne Staaten damals, einen grösseren Teil der weltweit stagnierenden Nachfrage auf Kosten anderer Länder zu ergattern. Damals – genau wie heute – wurden solche Ängste durch die Aussicht auf ‘Handelskriege’ noch verschärft.” bto: also das, was die EZB seit Jahren macht.
  • “(…) Länder ausserhalb der USA (…)  haben sie sich an den Dollar gebunden – ein Phänomen, das schon mehrere Jahre vor 2008 zu beobachten war. Als Folge davon hat die lockere Geldpolitik in den USA zu einer lockeren Geldpolitik in anderen Staaten geführt. Es überrascht daher nicht, dass die einst auf die Vereinigten Staaten beschränkten Ungleichgewichte und Übertreibungen – boomende Immobilienpreise und hohe Schulden in den Bilanzen von Haushalten und Unternehmen – heute in Teilen Europas, in China und vielen Schwellenländern auftreten.” bto: Die Amerikaner haben uns fast gezwungen, den gleichen Weg der Schulden zu gehen.
  • Es kam im Nachgang der Finanzkrise von 2008 also nicht zu einer kompetitiven Abwertungsspirale, sondern lediglich zu einer Angleichung der Geldpolitik nach dem Vorbild des Fed.” bto: Jeder, der nicht mitgemacht hätte, wäre durch Aufwertung bestraft worden.
  • “Die meisten der anderen Länder litten, erstens, an ähnlichen Problemen wie die USA, also an einer unzureichenden Inlandsnachfrage und einem zu niedrigen Inflationsniveau. Offensichtlich hätte eine Aufwertung ihrer Währung diese Probleme nur noch verschärft. Zweitens bedrohten stärkere Währungen die exportorientierten Wachstumsstrategien, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland und Japan entwickelt und anschließend von China und vielen anderen Volkswirtschaften in Asien übernommen wurden.” bto: Durch die Politik des billigen Geldes in den USA wurden aber auch diese Länder in eine solche Politik gezwungen, was die weltweite Verschuldung angeheizt hat.
  • “Als Reaktion auf diese währungsbezogenen Bedenken wandten einige Staaten – meist aus den Rängen der Schwellenländer – Interventionen am Devisenmarkt und Kapitalverkehrskontrollen an. Andere – meist aus den Rängen der Industriestaaten – lockerten ihre Geldpolitik mehr oder weniger im Gleichschritt mit dem Federal Reserve. (…)  Man kann daher durchaus sagen, dass die Zentralbanken in Europa und Japan in den vergangenen Jahren nicht bloss die Preisstabilität, sondern auch den Wechselkurs ihrer Währung im Auge hatten.” bto: Und die EZB war recht erfolgreich in der Schwächung der eigenen Währung zur “Eurorettung”.
  • “Die Trump-Regierung lässt keinen Zweifel daran, dass sie die Stärke des Dollars nicht goutiert und sie bekämpfen will. (…) Innerhalb der Regierung gab es bereits Vorschläge, Fälle von «unzureichenden Währungsaufwertungen» anderer Staaten als anfechtbare Subvention zu behandeln und die Wechselkurse einer Streitbeilegung zu unterwerfen. Schliesslich wurde China kürzlich vom US-Finanzministerium offiziell als ‘Währungsmanipulator’ bezeichnet, was im Einklang mit dem Fokus der Trump-Regierung auf bilaterale Handelsbeziehungen steht.” bto: Und die Eurozone steht ähnlich in der Kritik.
  • “Das US-Finanzministerium könnte seine Absichten signalisieren, indem es den Exchange Stabilization Fund nutzt, um Dollar zu verkaufen. Darüber hinaus könnte die Regierung auch die Notenbank auffordern, die Geldpolitik weiter zu lockern, um den Greenback zu schwächen. Wer glaubt, das Federal Reserve sei von politischer Einflussnahme völlig unabhängig, sollte sich die beispiellosen Angriffe von Präsident Trump gegen das Fed vor Augen führen.” – bto: Die sogenannte Unabhängigkeit der Notenbanken dürfte schon bald der Geschichte angehören. Überall.
  • “Es gibt viele überzeugende Argumente, die darauf hindeuten, dass ein einseitiges Handeln Washingtons zur Abwertung des Dollars unklug wäre. Erstens gibt es keine eindeutigen Hinweise darauf, dass der Dollar heute deutlich überbewertet ist. In der Tat ist das Leistungsbilanzdefizit der USA in den letzten Jahren, gemessen in Prozent des Bruttoinlandprodukts, zurückgegangen. Zweitens würde eine einseitige, kompetitive Abwertung andere Staaten zu Vergeltungsmassnahmen aufrufen, was bedeutet, dass der gewünschte Effekt, nämlich ein weiterer Abbau des Leistungsbilanzdefizits in den USA, nicht erreicht würde. Drittens könnten leicht andere, sinnvollere Massnahmen zum Abbau des US-Leistungsbilanzdefizits vorgeschlagen werden, nicht zuletzt eine stärkere fiskalpolitische Expansion in anderen Länder, die hohe Leistungsbilanzüberschüsse erwirtschaften.” – bto: So ist es sicherlich in der Theorie. Das Problem ist aber Europa, wo nur wenige Länder das wirklich könnten und welches in hohem Maße von der Welt abhängt.
  • “Sollten die USA trotzdem einseitig handeln, um den Dollar zu schwächen, und sollten andere Länder Gegenmassnahmen ergreifen, würde dies eine tiefgreifende Veränderung der internationalen Währungsordnung bedeuten. (…) Es ist denkbar, dass dies zu einem ungeordneten Ende des derzeitigen, auf dem Dollar basierenden Weltwährungssystems führen könnte, das bereits aus einer Vielzahl von wirtschaftlichen und geopolitischen Gründen unter Druck steht. Die Zerstörung eines alten – zugegebenermassen suboptimalen – Regimes, ohne einen Ersatz vorbereitet zu haben, könnte sich als sehr kostspielig für Handel und Wachstum in der Weltwirtschaft erweisen.” bto: Das wäre das Szenario eines echten Währungshüter- und Wirtschaftskrieges, der zu einer schweren Krise führen könnte.
  • “Sollte dies zu einem wachsenden Misstrauen gegenüber allen Papierwährungen führen, insbesondere gegenüber denjenigen, die von Ländern mit hohen Staatsschulden ausgegeben werden, könnte ein starker Anstieg der Inflationserwartungen und der Zinsen folgen. Was dies mit den rekordhohen öffentlichen und privaten Schulden, die wir heute in der Welt sehen, anstellen könnte, ist unschwer vorstellbar.” bto: was stimmt. Aber das Schuldenproblem kommt so oder so bitter auf uns zu in den 2020er-Jahren.

→ NZZ: “Die Gefahr eines globalen Währungskriegs”, 5. November 2018