Die Gefahr der ver­deck­ten Schul­den für das Fi­nanz­system

Ich beschäftige mich in dieser Woche mit den Risiken, die steigende Zinsen für das Finanzsystem mit sich bringen. Eine Sorge, die auch von führenden Akteuren geteilt wird, wie die FINANCIAL TIMES (FT) berichtet:

  • „Vincent Mortier, chief investment officer at Amundi, which has €1.9tn in assets, said in an interview that the recent turmoil unleashed by the UK government’s ‚mini‘ Budget was ‚a reminder that shadow banking is a reality.‘“ bto: Was daran liegt, dass dort mit hohem Leverage – also Schulden – gearbeitet wird und deshalb die Anfälligkeit für Schocks und steigende Zinsen erheblich ist.
  • Und auch die Pensionsfonds haben da mitgespielt: „The strategies, known as liability-driven investing, have leverage embedded within them because they use a variety of derivatives that allow pension schemes to increase their exposure to gilts, without necessarily holding the bonds outright. The drop in gilt prices led to a rush of margin calls as counterparties demanded more cash as collateral to keep the hedging arrangement in place. Funds were forced to sell assets, including gilts, to meet the calls, depressing prices further in a vicious circle that eventually led to an intervention from the Bank of England.“ – bto: Ohne die Intervention wäre es zum Crash gekommen. Es zeigt aber die Fragilität des Systems.
  • „(…) experts estimate that LDI leverage turned £500bn of underlying assets into £1.5tn of invested money.“ – bto: Wow.
  • „Increased capital requirements imposed on banks (…) have moved risk off their balance sheets to less heavily regulated parts of the financial system, namely asset managers, insurance companies and pension funds. Investors have fuelled the shift by pouring money into alternative strategies such as private credit as they searched for yield in a low interest rate environment. In 2000, non-banks held $51tn of financial assets, compared with banks’ $58tn, according to the Financial Stability Board. Its latest data showed non-banks hold $227tn in financial assets at the end of 2020, outstripping banks at $180tn.“ – bto: Alles eine Folge der Politik des billigen Geldes, was natürlich bei einem Trendbruch nicht mehr funktioniert!
  • „Mortier singled out several areas where hidden leverage might be a concern: over-the-counter derivatives, which are negotiated privately, away from exchanges; real estate, and parts of the private credit market including leveraged loans.“ – bto: Alle arbeiten mit mehr Kredit, um so die Rendite zu steigern.
  • „The BoE’s Financial Policy Committee recently warned of risks lurking in the US private credit markets. It noted that leveraged lending increased from about $2tn in 2017 to $3tn at the end of last year, and said that companies with such debt ‚were likely to be particularly vulnerable to the tightening in financial conditions and the weaker growth outlook‘.“ – bto: Ein Leveraged Loan ist eine Art von Darlehen, das Unternehmen oder Einzelpersonen gewährt wird, die bereits erhebliche Schulden oder eine schlechte Kredithistorie haben. Es ist also riskanter.
  • „Mortier also highlighted collapsed family office Archegos Capital Management as an example of how leverage can build up under the radar. (…) By using derivatives, where the bank it traded with bought or sold stocks on Archegos’s behalf, the firm left no visible footprint of its activity to the investing public. Archegos’s collapse caused billions of dollars of losses for investment banks including Credit Suisse, UBS, Nomura and Morgan Stanley after it defaulted on margin calls, with more than $100bn wiped from the valuations of nearly a dozen companies as Archegos’s positions were unwound.“ – bto: Solche Krisen können sich ausweiten.

ft.com (Anmeldung erforderlich): „Amundi warns on hidden leverage in the financial system“, 25. Oktober 2022

Kommentare (26) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Lothar
    Lothar sagte:

    Ganz verstehe ich das jetzt nicht. Laut Sachverständigenrat steigt die Verschuldung nur nominal, im Verhältnis zum BIP sinkt die Schuldenquote sogar und Hans-Werner Sinn erläuterte, dass es für den Schuldner ein gutes Geschäft ist, wenn die Zinshöhe unter der Höhe der Inflation liegt. Ich denke, dass diese Sachverhalte oft nicht mit einkalkuliert und übersehen werden.
    Die ganzen Gewinne der Schuldner zahlen die Guthabenbesitzer, auch die welche Mieteinkünfte und Lohneinkünfte haben, weil diese nie so schnell steigen, wie die Inflation. Heute habe ich erst die Meldung gelesen, dass die Realeinkünfte in Deutschland so stark gefallen sind, wie seit den 50er-Jahren nicht mehr. Darin liegt die politische Sprengkraft, in der Enteignung der Mittelschicht.

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    • Felix
      Felix sagte:

      Grundsätzlich ja.

      Aber der Staat schädigt sich heute auch selbst, weil er zuvor schon dafür gesorgt hat, dass die Inflation deutlich zu niedrig gemessen wird.
      Das war z.B. in den 1940ern, als die USA ihre Kriegsschulden entwertet haben, noch nicht der Fall.

      Dadurch erhöht sich natürlich auch die Gefahr, dass die Inflation außer Kontrolle gerät und die Währung vernichtet wird.

      Und in diesem Fall wird auch der private Schuldner geschädigt, weil er in einem neuen Währungssystem wahrscheinlich nicht nur seine Schulden in neuer Währung behält, sondern sogar proportional höhere Schulden im Verhältnis zum neuen Einkommen haben wird.

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    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Lothar

      “Laut Sachverständigenrat steigt die Verschuldung nur nominal, im Verhältnis zum BIP sinkt die Schuldenquote sogar und Hans-Werner Sinn erläuterte, dass es für den Schuldner ein gutes Geschäft ist, wenn die Zinshöhe unter der Höhe der Inflation liegt.”

      Das stimmt schon, aber wenn Sie irgendwelche Finanzgeschäfte mit hohem Kreditfinanzierungsanteil getätigt haben, dann kann es kurzfristig ein anderes, viel schwerwiegenderes Problem geben:

      Wenn der Wert des jeweiligen Anlagegegenstandes deutlich sinkt, zum Beispiel durch Kursverluste an der Börse bei Anleihen oder Aktien oder durch eine Marktkrise bei Immobilien, dann ist meistens vereinbart, dass die Kreditgeber sofort ihr Geld zurückfordern können oder Sie Eigenkapital nachschießen müssen. Wenn Sie keines haben, müssen Sie zwangsweise mit Verlust verkaufen, auch wenn die Marktpreise gerade richtig schlecht sind, was eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale auslösen kann.

      Das ist das Problem, um das es hier geht.

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  2. Tom96
    Tom96 sagte:

    “Verdeckte Schulden”:
    Dazu der BRH mit Stellungnahme:

    “Schuldenberg des Bundes wächst und wächst
    Besonders künftige Generationen würden in ihren finanziellen Handlungsspielräumen extrem eingeschränkt, mahnte der Rechnungshof-Präsident. „Es verbaut ihnen die Möglichkeit, selbst politisch zu gestalten.“ Er verwies darauf, daß allein zwischen 2020 und 2022 der Schuldenberg des Bundes um 800 Milliarden Euro auf über zwei Billionen angestiegen sei. Ein „Herauswachsen“ aus den Schulden, wie bei der weltweiten Finanzkrise 2008, sei nicht mehr möglich.
    Der Ampelkoalition warf Scheller vor, nicht mit „offenen Karten zu spielen“ und die Lage zu verschleiern. „Viele Nebenhaushalte und eine immer kreativere Buchführung sorgen für Intransparenz.“ So werde auch die Schuldenbremse unterlaufen. „Die Regierung bevorratet sich bereits jetzt mit Geld, obwohl sie es noch nicht braucht.“ Dies würde allen Haushaltsregeln widersprechen. (ho)”

    https://jungefreiheit.de/wirtschaft/2022/rechnungshof-ampel/
    Welch ein Hohn in dieser DDR Schmonzette dieses Titels 🤡

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  3. jobi
    jobi sagte:

    “Die Gefahr der verdeckten Schulden ..”

    .. für das Finanzsystem, und offenbar auch für die (nicht nur) angelsächsischen Pensionskassen.

    Beim 100-Mrd-Verlust der “Ontario Teachers Pension Funds” durch Crypto-Investments handelt es sich wohl nur die Spitze des Eisberges.

    US Pensionsfonds haben sich in den vergangenen Jahren offenbar massiv mit “Alternativen Investments” versorgt, die sonst nur Family-Offices und vermögenden Privatpersonen als Portfolio Beimischung dienen.

    Ein Insider berichtet:
    https://youtu.be/LdFq1aEITl4

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      • jobi
        jobi sagte:

        @ troodon

        “Geht m.E. “nur” um rd. 100 Mio”

        Stimmt – Mio ist richtig. War halt nur das, was es in die Schlagzeilen geschafft hat.

        Erschreckend ist, dass viele Pensionsfonds wegen fehlender Expertise ofensichtlich nicht wissen, in was sie investiert sind.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        Für die Pensionsfonds, die schon ordentlich in Crypto-Tokens investiert sind, würde ich noch eine weitere Diversifizierung durch Pferdewetten und Besuche im Spielcasino vorschlagen…

        100 Millionen zu verzocken ist doch für einen großen Fonds immer verkraftbar, oder? ;)

  4. troodon
    troodon sagte:

    Die reale Geldmenge M2 in den USA geht seit Anfang 2022 zurück. Dies ist nach dem extremen Anstieg seit Anfang 2020 auch notwendig, wird sich bei weiter steigenden Kurzfristzinsen auch noch fortsetzen. Dieser Prozess wird kaum ohne Friktionen an den Märkten bleiben.

    Gleichwohl gab es in den USA Zeiten, da stieg die reale Geldmenge M2 NICHT (1986-1995) und trotzdem ging es an den Aktienmärkten aufwärts. Da hatten wir aber auch den Fall des eisernen Vorhangs und die Marktöffnung Chinas. Eine Wiederholung von 10 Jahren fallender realer Geldmenge und DEUTLICH steigenden Aktienkurse dürfte somit unwahrscheinlich sein.

    Wenn alles gut geht, was logischerweise unsicher ist, gelingt ein “beautiful deleveraging” an den Finanzmärkten ohne echten, langanhaltenden Crash, hieße seitwärts oder leicht aufwärts an den Aktienmärkten.
    Wenn die USA Geldmenge real schon bald wieder DEUTLICH wächst, würde nur die nächste Blase entstehen und die Themen weiter in die Zukunft verschoben.

    Entwicklung der REALEN Geldmenge M2 in den USA:
    https://fred.stlouisfed.org/series/M2REAL

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    • Vater Thiel
      Vater Thiel sagte:

      @trodoon

      “Gleichwohl gab es in den USA Zeiten, da stieg die reale Geldmenge M2 NICHT (1986-1995) und trotzdem ging es an den Aktienmärkten aufwärts.”

      Dass die reale Geldmenge sinkt, liegt jetzt wohl vor allem an der Inflation, so wie einst 1973-1975 und 1978-1980.
      M2 nominal ist aktuell ungefähr am Stand vom Jahresbeginn, das gestiegene Preisniveau verringert die reale Geldmenge.

      1986 – 1995 war die Inflation moderat, da gab es keinen Grund für grosse Zinserhöhungsängste.

      “Wenn alles gut geht, was logischerweise unsicher ist, gelingt ein “beautiful deleveraging” an den Finanzmärkten ”

      Wenn sich die Siebziger wiederholen, ist das finanziell immer noch bedauerlich.
      Meine grösste Sorge ist, dass das Grüne Reich als Venezuela light endet …

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  5. foxxly
    foxxly sagte:

    bto
    unser schuldgeldsystem wird am ende von der eigenen schuldenlast erdrückt.
    dies ist systemisch bedingt und ein ende ist ausweglos.

    theoretische modelle in diesen schuldgeldsystem zur erhaltung und funktionsbestättigung laufen ins leere und nicht praxistauglich.

    zinsen sind immer nachgelagert.
    wenn diese vorher schon einkalkuliert werden, dann ergibt sich ein weiterer zineszinseffekt und wachstumszwang.

    wir können das “kind” drehen und wenden, ein schuldgeldsystem ist ein modernes ausbeutesystem im täglichen leben, arbeit und konsum. und am ende wird sämtliche arbeitsleistung auch noch durch inflation und währungsreform vernichtet.

    die ursachen erkennen und dann nach lösungen suchen:
    ein erster weg könnte sein, die wirtschaft auf eine genossenschaftsbasis umzustellen.

    gerade in unserer zukünftigen not wird uns die gegenseitige hilfe und unterstützung (auch eine art genossenschaft) über diese zeit bringen.

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  6. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    “experts estimate that LDI leverage turned £500bn of underlying assets into £1.5tn of invested money.”

    Dreifach gehebelte Pensionsfonds – was könnte dabei schon schiefgehen? ;)

    Erstaunlich, dass sowas überhaupt legal ist. Mich würde sehr interessieren, wer da wen geschmiert hat oder ob wir es mit naturdoofen Beamten zu tun haben, die bei der Aufsicht der Fonds komplett versagt haben.

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