Die EZB wird im Herbst Italien finanzieren wie noch nie

Eigentlich wollte ich das Thema EU-Wiederaufbausfonds und Schulden/Transferunion in die Sommer-Pause schicken und mich anderen Themen auf bto widmen. Diesen Kommentar im Telegraph fand ich jedoch so interessant, dass ich mir dachte, es lohnt sich, ihn hier kurz zu besprechen. Vor allem, weil er Aspekte enthält, die so nicht diskutiert werden und weil er eine Wahrnehmung der deutschen Position widerspiegelt, die ich für völlig abstrus halte.

  • “Celebrations over the EU’s €750bn Recovery Fund have been rudely interrupted. Italy is already warning that the money will not come soon enough to avert an autumn liquidity squeeze. Roberto Gualtieri, Italy’s technocrat finance minister, told leaders of the ruling coalition behind closed doors that the treasury will struggle to cover both a budget deficit near 12pc of GDP and to redeem a mountain of old debts coming due over coming months.” – bto: Das mag so sein, ich denke aber, es ist eine unbegründete Sorge, weil die EZB – entgegen dem, was gleich ausgeführt wird – kaufen wird.
  • “He urged a formal request to the EU’s reviled bail-out fund (ESM) to unlock €36bn of immediate pandemic loans, according to Il Sole. (…) Italian treasury data shows that €39bn of repayments fall due in September, a further €39bn in October, and €42bn in November. The combination of roll-overs and the fiscal shock of the pandemic may push Italy’s financing costs to almost half a trillion euros this year.” – bto: Was soll es? Wir machen weiter Schulden und spielen auf Zeit.
  • “The EU Recovery Fund was not designed for immediate liquidity problems. Brussels says the first tranche of grants will not be disbursed until next June, although a small advance might be possible. Cheap loans will not be available until 2024.” – bto: Letzten Punkt verstehe ich nicht, weil ich denke, das Gesamtpaket inklusive der Kredite kommt sofort.
  • “The European Central Bank is soaking up Italian debt under its ‘pandemic QE’ programme, deviating a long way from Italy’s share of eurozone GDP. But there are political, legal and technical limits to this fiscal absorption. Unlike the Bank of England, the ECB is not allowed to buy bonds directly in the primary market. It is restricted to securities already trading in the secondary market.” – bto: was ein wirklich nur theoretisches Problem ist! Eine Bank, die weiß, dass sie die Anleihen eine Sekunde später an einen anderen Käufer verkaufen kann, wird die italienischen Anleihen gerne kaufen.
  • “The ECB is navigating a treacherous course after the explosive judgement by Germany’s top court in May, which ruled that the central bank exceeded its mandate during earlier bond purchases and strayed into quasi-fiscal support for insolvent governments.” – bto: Das Gericht hat klar gesagt, es sieht keine verbotene Staatsfinanzierung. Folglich ist es auch kein Problem in diesem Herbst. Und wenn doch, dann dauert die Klage mehrere Jahre und bis dahin sieht die Welt wieder ganz anders aus.
  • Credits from the Bundesbank through the ECB’s Target2 payments nexus – mostly to the Bank of Italy – are likely to blow through €1 trillion in July and set off a media storm in Germany.” – bto: TARGET …, hier steht übrigens “Kredite”.
  • “Five Star’s adamant resistance to an ESM loan are in one sense absurd. The normal EU conditions for loan from this bail-out fund are being waved on this occasion because of the pandemic. By contrast, support from the new Recovery Fund comes with draconian strings attached. The instrument is a sort of EU-Gosplan with unprecedented levels of centralized control from Brussels.” – bto: Da bin ich schon fast vom Stuhl gefallen. Ich denke nicht, dass es da starke Auflagen geben wird. Schon gar nicht aus Brüssel. Die Kriterien wurden ja auch aufgeweicht, so haben die anderen Staaten kein Vetorecht, sondern können nur eine Überprüfung verlangen.
  • “(…) fiscal transfers under the Recovery Fund are modest. Although Italy receives a headline €87bn over three years, this has to be set against the country’s position as a net contributor to the EU budget. Goldman Sachs calculates that the net transfer is just €37bn, or 2pc of GDP. It amounts to around 0.7pc of GDP annually.” – bto: Aber der Nettobeitrag Italiens wird doch an anderer Stelle verbraten, weshalb die über 80 Milliarden dennoch einen Transfer darstellen.
  • “Five Star seem not to have understood what happened in Brussels. The sums of money are too little to make much difference given the scale of the pandemic shock. (…) Yet the Italian government has nevertheless signed up to what amounts to a Troika enforcement mechanism. The Kanzleramt in Berlin – working in tandem with Ursula von der Leyen in Brussels – has secured what it wanted. This is why hardliners on the German Council of Economic Experts have acquiesced.” – bto: Auch hier kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Frau von der Leyen vertritt nun sicherlich nicht deutsche Interessen in Brüssel. Unsere Politiker haben unsere Interessen nicht vertreten, sondern mit hiesigem Geld versucht, sich Freundschaft zu erkaufen.
  • “The package falls short of fiscal union. There is no joint and several issuance of debt and therefore no eurobonds. The EU’s constitutional structure reverts to the status quo ante later. Five Star has walked into a trap.(…) ‘reality’ will soon force the inexperienced Five Star movement to resile from its former pledges and accept an ESM loan as well.” – bto: Das denke ich nicht, die EZB wird kaufen. Und dass es keine gemeinsame Haftung gibt, sondern nur nach dem Anteil am EU-Haushalt ist auch Augenwischerei, weil ein Land ja austreten und die Schulden stehen lassen kann.

→ telegraph.co.uk (Anmeldung erforderlich): “Italy warns of autumn funding crisis as EU summit claims unravel”, 26. Juli 2020

Kommentare (45) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    bto: “Was soll es? Wir machen weiter Schulden und spielen auf Zeit.”

    Tja, das ist zwar richtig, aber das ist halt auch der versteckte Mehrheitswille in Deutschland. Nur wenige wollen die demographischen Probleme, die Migrationsprobleme, die Fiskalprobleme, die Infrastrukturprobleme und die Demokratiedefizite wirklich ernsthaft persönlich angehen, z.B. bei der Vorbereitung auf Wahlen, dem anschließenden Wahlverhalten, dem persönlichen politischen Engagement oder dem Konsumverhalten. Die meisten Leute denken: “Gut, dass ich nicht Politik machen muss, sondern mich meiner Gesundheit, meiner Familie, meinem Job und meinen Freizeitvergnügungen widmen kann, weil andere das machen.” Und das kommt dann halt bei einem Gemeinwesen hinten raus. Wie hat es der ansonsten von mir nicht besonder geschätzte Guido Westerwelle mal richtig schön formuliert?: Spätrömische Dekandenz. Das erleben wir gerade live und in Farbe.

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Wolfgang Selig

      So ist es.

      Konkret und aktuell:

      Millionen Menschen haben dieser Tage einen Rentenbescheid bekommen, der ihnen einen ordentlichen Zuschlag ankündigt.

      Der macht sie nicht reich, signalisiert aber:

      Es läuft gut, keine Aufregung.

      Wer will sich da noch damit befassen, dass der Verschuldungsprozess ungehemmt weiterläuft, dafür nun auch noch das große EU-Fass aufgemacht wird, und Altmaier erklärt, dass dies schon immer die Politik der Bundesregierung war?

      Es MUSS doch eine gute Politik sein, wenn die Rente erhöht wird.

      Antworten
      • markus
        markus sagte:

        @DT: So ist es. Und für > 50% der Bevölkerung ist das damit eine win-win-win Situation. Alles läuft gut.

    • Bakwahn
      Bakwahn sagte:

      @ Selig
      In aller Eile:
      Ich kenne diese fast schon defätistischen Einstellungen aus vielen Gesprächen; am Stammtisch, im Cafe, bei einer Gesprächsrunde bei Kaffee im Garten etc.

      Die Älteren (Rentner, Pensionäre) – die mit einigermaßen Durchblick, sagen, die negativen Auswirkungen beträfen sie nicht mehr, sie seien dann zwischen Sirius und Wassermann unterwegs.
      Die anderen Äteren ohne Durchbilck halten Merkel für die beste Kanzlerin.
      Warum? Weil es in15 Jahren ihrer Kanzlerschaft gelungen ist, alle Probleme zu lösen und alles zum Guten zu wenden. Eurokrise gelöst, Wirtschaft läuft gut, Renten- und Gehaltserhöhungen, kaum Arbeitslosigkeit, alles stabil etc.

      Die Jüngeren haben durchweg keine Ahnung.
      Stattdessen: Uns geht es gut, kann ein bißchen Karriere machen, Einkommen stimmt etc.

      Noch lassen sich die meisten Deutschen blenden und wiegen sich in Sicherheit …
      Die Deutschen wollen es so.

      Ein Zusatz:
      Ein Großteil der deutschen Bevölkerung scheint mit dem eigenen Niedergang und der eigenen Auslöschung einverstanden zu sein. Ca. 2 Millionen Armutszuwanderer seit 2015, jedes kommende Jahr zwischen 200.000 bis 250.000 Neuzugänge. Fast ausschließlich Moslems, darunter 80% junge Männer, die allermeisten unqualifiziert, in der Nähe des Analphabetismus; die Masse mit einem IQ zwischen 85 – 95 (der Durchschnitt bei und Deutschen liegt bei 100).
      Das vorherrschende gesellschaftliche Bewußtsein kann folgendermaßen skizziert werden:
      Wir wissen, daß man Wohlstand nur mit „Brainpower“, also mit Intelligenz, mit Bildung und qualifizierter beruflicher Ausbildung erreichen kann, gepaart mit Fleiß, Leistungsbereitschaft und all den anderen Tugenden, die Individuen und Gesellschaften zu wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit befähigen. Es ist uns bewußt, daß wir im internationalen Wettbewerb nur mit höchster Leistung bestehen können.
      Jedoch:
      Wir haben die Pflicht, jeden der über unsere Grenze kommt, aufzunehmen, ihn willkommen zu heißen und ihn an unserem hart erarbeiteten Wohlfahrtsstaat teilhaben zu lassen.
      !Unsere Humanität ist uns viel wichtiger als unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit!
      UND DARAUF SIND WIR STOLZ!!!

      Ich ergänze:
      Wir tragen auch Verantwortung fur schwächere Länder der EU. Wir müssen bis zur Selbstaufgabe solidarisch sein… usw. und so fort …

      Antworten
      • ruby
        ruby sagte:

        @ Bakwahn
        Die Ostzonler hatten nichts eiligeres zu rufen als entweder kommt die DM zu uns oder wir zur DM. Naja und so ist es auch gekommen ab von der sowjetischen in die westallierte Besatzungszone und an die Geldtöpfe der Bank deutscher Länder.
        Die Menschen brauchen seit 1819 die Selbstverleugnung jeder eigenständigen Verantwortung, zumindest die Masse, nicht rühmliche Ausnahmeerscheinungen.
        Und so werden sie wieder nach Erlösung durch Heilsversprechungen gieren.

    • Felix
      Felix sagte:

      @ Herr Selig

      Das Bild halte ich für etwas schief. Die meisten Menschen sind schlicht überfordert, wenn die eigene Regierung soviel anstellt, und ziehen sich zurück. Hinzu kommt speziell in Deutschland ein besonders hohes maß an wirtschaftlichem Unverständnis. Die Leute reden nicht über Geld und die Wissenschaft sieht sich als Vorlagengeber für die Politik. Ich nenne keine Namen, Sie haben sicher dieselben Vögel vor dem inneren Auge.
      Wir haben einfach keine hinreichend große wohlhabende Schicht, die uns unabhängige Denker bescheren könnte. Bei uns müssen alle zusehen, dass sie Geld verdienen. Aus dem gleichen Grund haben wir auch keine großen Schachmeister mehr hervorgebracht, England dagegen schon.

      Antworten
  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ Richard Ott

    >Sie haben geschrieben, „Es wird höchste Zeit, sich von den auf Papier gedruckten ILLUSIONEN zu verabschieden“ – offensichtlich wollen Sie dafür werben, unsere Gesetze zu ignorieren um eine angeblich heraufziehende Krise abzuwenden.>

    Ihr OFFENSICHTLICH ist eine Schlussfolgerung, die mein Text nicht hergibt, da ich gesagt habe:

    >Diskussionen über juristische Restriktionen sind angebracht, …>

    Das ist das GEGENTEIL von ignorieren.

    Außerdem verweise ich noch einmal darauf, dass ich vor Jahren vor dem BVerfG mitgeklagt habe gegen die Geldpolitik der EZB; beim Herdentrieb (ZEIT-Blog) mit einem überragenden Ökonomen, der die unwiderlegbar Auffassung vertreten hat, dass man der EZB nicht die Geldpolitik aus der Hand schlagen könne, gegen seine Auffassung, dass daher die Karlsruher Richter Hanseln seien, so lange gestritten habe, bis er einsah, dass das Grundgesetz GÜLTIGES Recht sei und daher URTEILE gegen die Geldpolitik der EZB erlaube; das letzte Urteil des BVerfG hier am Blog entschieden verteidigt habe.

    All dies vor dem Hintergrund, dass ich RECHT als KONSTITUTIV für eine Gesellschaft betrachte, d. h. es nicht nur eines geben sollte, sondern es auch durchgesetzt werden MUSS.

    Mich daher mit der Nazis in Verbindung zu bringen, ist hanebüchener Unsinn.

    Um was geht:

    Ich sage nicht, dass das UNIONSRECHT Schall und Rauch ist und daher unbeachtlich sei.

    Ich habe vielmehr obiger Aussage zur Diskussion über juristische Restriktionen hinzugefügt:

    >… aber angesichts des italienischen Staatsdefizits und der italienischen Staatsschulden völlig IRRELEVANT für die Bestimmung von Handlungsoptionen.>

    Das sollte auch für Sie zu verstehen sein als:

    Gehandelt wird nicht mehr nach rechtlichen Erwägungen, sondern – ebenfalls gesagt – mit Blick auf die FOLGEN eines möglichen Staatsbankrotts Italiens.

    Heißt:

    Man solle sich von der Illusion verabschieden, dass mit RECHTLICHEN Erwägungen – also dem, was auf Papier gedruckt ist – irgendetwas geregelt wird, sondern sich mit der REALITÄT rechtlich nicht gedeckten Handelns befassen.

    Die argumentative Phase im Rechtsrahmen haben wir hinter uns – wir sind schließlich in einer Ausnahmesituation.

    Da nickt doch jeder – oder.

    So sehr, dass die Politik nicht einmal mehr Schamgrenzen einhalten muss, wenn sie – wie im letzten Podcast mit Altmaier belegt – die für jedermann erkennbare Schuldenvergemeinschaftung bestreitet.

    Zur Rechtsstaatlichkeit:

    Es sollten anhand von spezifizierten Regeln, die für demokratische Rechtsstaaten gelten, also Gewaltenteilung, keine Diskriminierung anderer politischer Auffassungen im Rahmen dieser demokratischen Rechtsstaatlichkeit etc., etc. geprüft werden können, ob Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen Ländern vorliegt oder nicht.

    Ein internationaler Gerichtshof kann das überprüfen.

    Das hat mit der POLITIK der EU-Kommission erst einmal nichts zu tun.

    Wenn diese Regeln nicht eingehalten werden, dann muss es selbstverständlich Sanktionen geben dürfen.

    Die EU ist schließlich keine Handelsunion, sondern ein Staatenbund, der sich mehr versprochen hat.

    Ansonsten bin ich strikt für das Subsidiaritätsprinzip.

    Es sollte eine starke rechtliche Basis in der EU haben.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Herr Tischer

      “Außerdem verweise ich noch einmal darauf, dass ich vor Jahren vor dem BVerfG mitgeklagt habe gegen die Geldpolitik der EZB (…) All dies vor dem Hintergrund, dass ich RECHT als KONSTITUTIV für eine Gesellschaft betrachte, d. h. es nicht nur eines geben sollte, sondern es auch durchgesetzt werden MUSS.”

      Genau deshalb begreife ich nicht, wieso Sie jetzt plötzlich Recht und Gesetz als “IRRELEVANT [sic] für die Bestimmung von Handlungsoptionen” ansehen. Recht und Gesetz schränken die Handlungsoptionen der Exekutive immer ein, weil sie sich nicht rechtswidrig verhalten darf – zumindest nicht in einem rechtsstaatlichen System.

      Sie lügen sich in die eigene Tasche und wollen das Rechtsstaatsprinzip selektiv anwenden, obwohl es universell ist:

      “Die argumentative Phase im Rechtsrahmen haben wir hinter uns – wir sind schließlich in einer Ausnahmesituation. Da nickt doch jeder – oder.”

      Ich nicht. Da hilft auch kein Hitlereskes Schwadronieren von einer angeblichen “Ausnahmesituation”, das ist der älteste Diktatoren-Trick der Welt.

      “Es sollten anhand von spezifizierten Regeln, die für demokratische Rechtsstaaten gelten, also Gewaltenteilung, keine Diskriminierung anderer politischer Auffassungen im Rahmen dieser demokratischen Rechtsstaatlichkeit etc., etc. geprüft werden können, ob Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen Ländern vorliegt oder nicht. ”

      Wie soll Gewaltenteilung funktionieren, wenn sich die Exekutive nicht mehr an Gesetze halten soll, was Sie mit Ihrer Argumentation von der angeblichen Ausnahmesituation ja herbeireden?

      PS: “Ein internationaler Gerichtshof kann das überprüfen.”
      Welcher kann das im Rahmen der angedachten EU-Rechtsstaalichkeitsmängel-Budgetsanktionen für Polen und Ungarn denn tun? Etwa unser toller EUGH? ;)

      Antworten
      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @R. Ott

        Ohne den Sachstand der Diskussion zu befruchten, weise ich mal darauf hin, dass Sie mit D. Tischers Kommentar das identische Problem haben wie mit vielen von mir zu einem anderen leidigen Thema:

        Sie unterstellen, die Kommentierenden würden dieses oder jenes WOLLEN.
        Nein!
        Er (wir) schreiben, dass dieses oder jenes sehr wahrscheinlich passieren WIRD. Weil es als Zwang empfundene Handlungsdrücke gibt.

        Wenn ich sehr gut begründen kann, wie ein Szenario sich entwickeln wird, heißt das doch nicht, dass ich diese Entwicklung will. Ich muss sie nicht mal gut heißen.

        Und dann treibt mich wie evtl. Herrn Tischer eine Frage um, die sicher auch das Handeln der Akteure bestimmt:

        Wenn der rechtliche Rahmen sich als kaum/gar nicht änderbar darstellt (bestimmte EU-Verträge), die strikte Anwendung dieses Rechts aber zwangsläufig in einen als Katastrophe empfundenen Zustand führen wird – WAS macht man dann eigentlich?
        a) Das Recht auf Kosten der Katastrophe exekutieren, oder
        b) versuchen, die Katastrophe auf Kosten des Rechts zu verhindern?

        In beiden Fällen stirbt man einen Tod.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Christian Anders

        “Ohne den Sachstand der Diskussion zu befruchten, weise ich mal darauf hin, dass Sie mit D. Tischers Kommentar das identische Problem haben wie mit vielen von mir zu einem anderen leidigen Thema”

        Ja, die Parallelen fallen mir auch auf – vielleicht ist es ja auch die gleiche Strategie: Panik vor dem angeblich drohenden Weltuntergang schüren um mit diktatorischen Methoden Maßnahmen durchzusetzen, für die es ansonsten keine Mehrheiten gäbe?

        Wenn jemand schreibt “Es wird höchste Zeit, sich von den auf Papier gedruckten ILLUSIONEN zu verabschieden und sich mit der REALITÄT zu befassen”, dann ist das eindeutig ein Appell und keine neutrale Beschreibung über irgendwelche angeblich bestehenden Handlungszwänge.

        “Wenn der rechtliche Rahmen sich als kaum/gar nicht änderbar darstellt (bestimmte EU-Verträge), die strikte Anwendung dieses Rechts aber zwangsläufig in einen als Katastrophe empfundenen Zustand führen wird – WAS macht man dann eigentlich?
        a) Das Recht auf Kosten der Katastrophe exekutieren, oder
        b) versuchen, die Katastrophe auf Kosten des Rechts zu verhindern?”

        Jetzt fangen Sie auch schon damit an, irgendwelche Ausnahmezustände herbeizufantasieren und daraus angebliche Handlungszwänge zu konstruieren um damit rechtswidriges Exekutivhandeln zu legitimieren.

        Die Antwort auf die Frage, was wir in so einer Situation machen sollten ist
        c) den rechtlichen Rahmen ändern
        oder
        d) *Sie* müssen sich damit abfinden, dass ein “als Katastrophe empfundener Zustand” (der deshalb noch längst nicht objektiv eine Katastrophe sein muss) eintreten wird.

        Die EU-Verträge lassen sich ändern – wie das genau geht, ergibt sich aus den EU-Verträgen selbst und den Ratifizierungsprozessen in den einzelnen EU-Mitgliedsländern, die sich wiederum aus den dortigen Verfassungsordnungen ergeben.

        Die Angst der Katastrophenheuler ist in Wirklichkeit, dass sich für solche Vertragsänderungen keine demokratische Mehrheit finden wird, und damit deren ganze Agenda demokratisch delegitimiert ist.

        “In beiden Fällen stirbt man einen Tod.”

        Sterben werden Sie eines Tages sowieso. Aber Ihre Todesursache wird sicherlich nicht sein, dass es den Euro nicht mehr gibt.

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @R. Ott

        Man muss es so lesen WOLLEN wie Sie. Ich lese es anders und wenn ich selbst so schreibe, MEINE ich es auch anders und würde wetten, Herr Tischer meint es auch anders.

        zu Ihrem c)und d): So lange kein Asteroid einschlägt, Supervulkan ausbricht oder Ebola die Welt flächendeckend infiziert, sind alle *Katastrophen* subjektiv. Was sonst? Ihr d) ist mein a)

        Bleibt c): Wenn man beim Ratifizieren festlegt, dass Änderungen mit enormen Hürden bis hin zur EINSTIMMIGKEIT versehen werden, ist in einem Gebilde wie der EU die Änderung nur noch theoretisch möglich, praktisch jedoch nicht realisierbar.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott

        >Genau deshalb begreife ich nicht, wieso Sie jetzt plötzlich Recht und Gesetz als „IRRELEVANT [sic] für die Bestimmung von Handlungsoptionen“ ansehen.>

        Sie begreifen es nicht, weil sie die REALITÄT ausblenden.

        Die Vergemeinschaftung der Schulden, die beschlossen wurde, ist etwas OFFENSICHTLICH ganz ANDERES als z. B. die „Dehnung“ der Statuten der EZB, wo lange darüber gestritten werden kann, ob noch nicht oder schon verbotene Staatsfinanzierung vorliegt.

        Das ist so etwas wie ein Quantensprung ERKENNBARER Rechtsmissachtung, der mit selektiver Rechtsanwendung und einer derart mir unterstellten nichts zu tun hat.

        An DIESER Realität ändert auch nichts, dass Sie keinen Ausnahmezustand sehen (wollen).

        Die Entscheider haben anhand IHRES Urteilvermögens einen erkannt und daraufhin GEHANDELT, wie sie gehandelt haben – und dadurch REALITÄT geschaffen.

        Daran gibt es nichts, aber auch gar nichts zu rütteln.

        Ich lasse es dabei.

        Denken Sie über das nach, was Christian Anders Ihnen geschrieben hat.

        JEDER Satz ist richtig.

        Und kapieren Sie endlich einmal, dass der Blick auf die Realität – sei er klar oder getrübt – NICHTS damit zu tun hat, was der Blickende WILL.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Christian Anders

        “So lange kein Asteroid einschlägt, Supervulkan ausbricht oder Ebola die Welt flächendeckend infiziert, sind alle *Katastrophen* subjektiv. Was sonst?”

        Hehe, Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie hier die wissenschaftliche Methode gegen unwissenschaftliche Weltbilder verteidigen wollen oder ob Sie auf Berufsopfer-Niveau zurückfallen und Ihre persönlichen Gefühle zum Maßstab für die Beurteilung der Realität machen wollen. Beides gleichzeitig ist sehr schwierig.

        Schön, dass wir wenigstens darin übereinstimmen, dass ein Auseinanderbrechen des Euro weniger schlimm wäre als ein Supervulkan-Ausbruch oder ein großer Asteroideneinschlag.

        “Wenn man beim Ratifizieren festlegt, dass Änderungen mit enormen Hürden bis hin zur EINSTIMMIGKEIT versehen werden, ist in einem Gebilde wie der EU die Änderung nur noch theoretisch möglich, praktisch jedoch nicht realisierbar.”

        Das ist ein ausgesprochen erbärmliches Argument für eine Diktatur: “Der Gesetzgebungsprozess ist sooo anstrengend und soooo kompliziert!”

        Die Regeln sind so, wie sie sind. Auch diejenigen zur Änderung der EU-Verträge. Finden Sie sich damit ab. Oder sind Sie etwa Antidemokrat?

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @R. Ott

        Es gibt wenige rein objektive menschliche Katastrophen. Subjektive aber jede Menge. Gibt es eine Mehrheit an Subjekten, die Dasselbe als katastrophal EMPFINDEN (und wie auch immer man es objektiv bewerten könnte, ist dafür völlig egal, das GEFÜHL reicht), werden sie in einer Demokratie dafür zu sorgen versuchen, dass Realitäten so geändert werden, dass ihrer Empfindung Rechnung getragen wird.

        Sollten dem Gesetze entgegenstehen, ist denen das herzlich egal. Sie werden, wenn Sie demokratisch handeln wollen und denken, sie hätten auch genug Zeit dazu, den anstrengenden Weg der Gesetzesänderung zu gehen versuchen.

        Ist dieser Weg unbegehbar oder wird als zu lang empfunden oder der empfundene Zeithorizont zu nah – und wieder reicht das GEFÜHLTE völlig aus – dann werden Sie Realitätsschaffung entgegen bestehender Regelungen fordern und durchzusetzen versuchen. Mit Mitteln jenseits des Rechtsstaatlichen, wenn sie sich nicht gehört fühlen.

        Das ist so – ob Sie oder ich oder Hr. Tischer das WOLLEN oder GUT FINDEN oder gemeinsam ABLEHNEN oder uns UNEINS darüber sind, spielt dafür einfach keine Geige.

        Genau das versucht Hr. Tischer Ihnen mit den Worten “Illusionen auf Papier” zu vermitteln. Ein Recht, dass dem GEFÜHL der Mehrheit widerspricht, wird in einer Mehrheitsgesellschaft auch dann irgendwann keine Anwendung mehr finden, wenn es nicht geändert wurde oder werden konnte.

        Wenn Sie darüber diskutieren wollen, WER mit welchen GRÜNDEN die gefühlte Wirklichkeit der Menschen beeinflusst (das schwingt bei Ihnen ja immer mit), kann man das machen. Das wäre aber eine andere Diskussion. Und ja, natürlich passiert das dauernd und überall von vielerlei Seite aus.

        Sie können oder wollen das einfach nicht verstehen, sondern pflegen anhand eines aktiven Missverstehens ihre Neurose, die überall heraufziehende Diktaturen wittert und überall Leute sieht, die das auch noch angeblich wollen.

        Was das angeht, ist die Diskussion mit ihnen wie mit einem Kind.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Christian Anders

        “Gibt es eine Mehrheit an Subjekten, die Dasselbe als katastrophal EMPFINDEN (und wie auch immer man es objektiv bewerten könnte, ist dafür völlig egal, das GEFÜHL reicht), werden sie in einer Demokratie dafür zu sorgen versuchen, dass Realitäten so geändert werden, dass ihrer Empfindung Rechnung getragen wird.”

        Dann sollte es für diese angeblich bestehende Mehrheit ja ein Leichtes sein, die Gesetze so zu ändern, und zwar auf die verfassungsmäßig vorgeschriebene Weise, so dass die gefühlt heraufziehende Katastrophe abgewendet werden kann.

        “Ein Recht, dass dem GEFÜHL der Mehrheit widerspricht, wird in einer Mehrheitsgesellschaft auch dann irgendwann keine Anwendung mehr finden, wenn es nicht geändert wurde oder werden konnte.”

        Was ist in diesem Zusammenhang eine “Mehrheitsgesellschaft”? Etwa ein neuer Typus einer Gesellschaftsform, in der die *Gefühle* der Mehrheit bestimmen, was Recht ist und was Unrecht? Eine grauenhafte Vorstellung! (Bonusfrage: Was ist eigentlich, wenn diese angebliche “Mehrheit” nur das Gefühl hat, tatsächlich die Mehrheit zu sein? Muss man dann trotzdem alle ihre Forderungen erfüllen?)

        “Ist dieser Weg unbegehbar oder wird als zu lang empfunden oder der empfundene Zeithorizont zu nah – und wieder reicht das GEFÜHLTE völlig aus – dann werden Sie Realitätsschaffung entgegen bestehender Regelungen fordern und durchzusetzen versuchen. Mit Mitteln jenseits des Rechtsstaatlichen, wenn sie sich nicht gehört fühlen. Das ist so”

        Viel zu simpel. Sie blenden aus, dass die Gruppe der subjektiven Katastrophenfühler die Gesellschaft in Chaos und Bürgerkrieg führt, wenn sie ihre Forderungen mit Mitteln jenseits des Rechtsstaatlichen durchzusetzen versucht.

        “Sie können oder wollen das einfach nicht verstehen, sondern pflegen anhand eines aktiven Missverstehens ihre Neurose, die überall heraufziehende Diktaturen wittert und überall Leute sieht, die das auch noch angeblich wollen. Was das angeht, ist die Diskussion mit ihnen wie mit einem Kind.”

        Sie kommen mir vor wie ein schüchterner Linksradikaler, der sich schon so eine schöne Notstandstheorie zum Aushebeln der Demokratie zurechtgelegt hat – und dann im letzten Moment doch wieder zurück zieht.

        Sie haben mir lange genug erzählt, wie Ihrer Meinung nach die Gesellschaft angeblich funktioniert.

        Mich interessiert jetzt etwas anderes: Was wollen Sie?

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @R. Ott

        Was ich will? Etwas verständlich ERKLÄREN. Wenn die dazu minimal mögliche Verständnisfähigkeit der anderen Seite fehlt, werde ich meinen Willen nicht bekommen.

        Auch meinen letzten Kommentar haben Sie in einer geradezu absurden Art nicht verstanden. Das gipfelt darin, dass sie – bloß in anderer Formulierung – wiederholen, was ich geschrieben habe und wirklich glauben, Sie hätten einen Widerspruch aufgezeigt:

        “Viel zu simpel. Sie blenden aus, dass die Gruppe der subjektiven Katastrophenfühler die Gesellschaft in Chaos und Bürgerkrieg führt, […]”

        Das blende ich nicht aus, genau das steckt dahinter, dass es dazu führen kann. DESHALB schrieb ich das.

        “Was ist in diesem Zusammenhang eine „Mehrheitsgesellschaft“? Etwa ein neuer Typus einer Gesellschaftsform, in der die *Gefühle* der Mehrheit bestimmen, was Recht ist und was Unrecht?”

        Willkommen im echten Leben. Die Gefühle der Mehrheit bestimmen in Demokratien überwiegend, in welche Richtung sich Recht und Gesetz entwickeln. Und ich finde das in Ordnung so, denn bekannte Alternativen dazu sind schlechter.

        “(Bonusfrage: Was ist eigentlich, wenn diese angebliche „Mehrheit“ nur das Gefühl hat, tatsächlich die Mehrheit zu sein? Muss man dann trotzdem alle ihre Forderungen erfüllen?)”

        Man muss niemals irgendwas. Zählungen (v. a. bei Wahlen) geben begrenzte Möglichkeiten, hier was zu quantifizieren. Nur gefühlte Mehrheiten gibt es überall. Kann man durch Volksentscheide entlarven (die will ich übrigens deshalb, wo wir dabei waren, was ich alles will).

        “eine schöne Notstandstheorie zum Aushebeln der Demokratie zurechtgelegt hat ”

        Und was Sie nicht verstehen: Die Demokratie hat die Möglichkeit, sich ganz ohne Notstandsgesetz selbst auszuhebeln, wenn sie nicht die Möglichkeit hat, gewisse Regularien rechtskonform zu ändern.

        Wenn ein Gesetz zur Änderung eine Einstimmigkeit bräuchte, ist es in unserer heutigen Welt damit der Änderung de facto entzogen – völlig unabhängig von der theoretisch doch vorhandenen Möglichkeit. Sollten die Konsequenzen desjenigen Gesetzes für genug Leute gefühlt inakzeptabel sein (oder über die Zeit erst werden), rollt eine Welle dagegen an, die schlimmstenfalls bis zu Aufständen führt. In einer Demokratie, mit demokratisch verfassten Gesetzen, trotz demokratischer Strukturen.

        Das will ich übrigens: Nicht!

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Christian Anders

        “Die Gefühle der Mehrheit bestimmen in Demokratien überwiegend, in welche Richtung sich Recht und Gesetz entwickeln. Und ich finde das in Ordnung so, denn bekannte Alternativen dazu sind schlechter.”

        Nein. Bestimmend ist in Demokratien die Wahlentscheidung der Mehrheit. Das ist etwas anderes als “Gefühle” – hoffentlich kennen Sie den Unterschied.

        “Und was Sie nicht verstehen: Die Demokratie hat die Möglichkeit, sich ganz ohne Notstandsgesetz selbst auszuhebeln, wenn sie nicht die Möglichkeit hat, gewisse Regularien rechtskonform zu ändern.”

        Das ist eine Betrachtung ohne jegliche praktische Relevanz. Ich kenne überhaupt keine Regularien in irgendeiner Demokratie, zu deren rechtskonformer Änderung keine Möglichkeiten bestehen.

        “Wenn ein Gesetz zur Änderung eine Einstimmigkeit bräuchte, ist es in unserer heutigen Welt damit der Änderung de facto entzogen – völlig unabhängig von der theoretisch doch vorhandenen Möglichkeit.”

        Sie meinen die Situation in der EU? Die Anforderung der Einstimmigkeit bezieht sich darauf, dass jedes Land zustimmen muss, um zum Beispiel eine Veränderung der EU-Verträge rechtswirksam zu machen. Das bedeutet nicht, dass jeder Wahlberechtigte in dem jeweiligen Land zustimmen muss, da reicht eine einfache beziehungsweise eine qualifizierte Mehrheit. Die Anforderung der Zustimmung jedes EU-Mitgliedslandes ergibt sich daraus, dass alle diese Staaten souverän sind. Ihr Geraune über drohende Notstände wird das nicht ändern, und mir irgendwelche Neurosen zu unterstellen hilft Ihnen dabei auch nicht weiter.

        Falls Sie das für eine zu verfahrene Situation halten, müssen Sie die EU neu gründen – und zum Beispiel hier bei uns in Deutschland das Grundgesetz nach Artikel 146 durch eine neue Verfassung für Deutschland ersetzen, in der wir unsere nationale Souveränität an die EU übertragen sodass auch ohne Mehrheit in Deutschland rechtsverbindlich über die Verwendung unserer Steuergelder, unsere Außen- und Verteidigungspolitik und so weiter bestimmt werden kann.

        Damit eine solche neue Verfassung angenommen ist, brauchen Sie die Zustimmung der Mehrheit der Deutschen in einer Volksabstimmung.

        Wenn Sie das für den richtigen Weg halten und dafür werben wollen – nur zu. Mich werden Sie als Gegner haben, falls es eines Tages zur öffentlichen Debatte über die Einführung so einer neuen Verfassung kommt.

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @R. Ott

        “Nein. Bestimmend ist in Demokratien die Wahlentscheidung der Mehrheit. Das ist etwas anderes als „Gefühle“ – hoffentlich kennen Sie den Unterschied.”

        Sie sind doch älter als ich Langsam-gen-End-Dreißiger. Wie viele Wahlen haben Sie erlebt, an der die Teilnehmer NICHT nach ihrem Bauch gewählt haben – oder sogar GEGEN ihren Bauch, weil sie sich rational selbst reflektiert hatten? Also, mehrheitlich?

        Natürlich wählen die Menschen nach Gefühl, nach was denn sonst? Sogar die Echt-Rationalen unter den Wählern haben noch so viel Dominanz des Bauchhirns, dass es kracht.

        Dazu gibt es nun an der Schnittstelle Psychologie/Ökonomik so viele Studien und Daten über die Jahrzehnte und Sammlungen aller möglichen völlig gängigen Denkfehler, bei denen der Bauch den Kopf sogar beim gewollten Nachdenken überlistet, dass die Annahme, Wahlen würden über Gefühle entschieden, nicht mal empirisch fragwürdig ist.

        Lesen Sie doch mal D. Kahnemanns Klassiker “Schnelles Denken, Langsames Denken”. Das hat nicht direkt mit Wahlen zu tun, macht aber im Grundsatz klar, was ich hier sage und bietet ausreichend empirische Quellen, sich dran lang zu hangeln, wenn Interesse vorhanden ist.

      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        @Hr. Ott und Hr. Anders: Zur Präzisierung, bevor Sie sich hierzu (unnötig) streiten. Mit einfachem logischem Denken kann man ohnehin keine Wahlentscheidung treffen. Es laufen bewusste und unbewusste kognitive Prozesse ab. Dazu gehören unter anderem Abgleich der Einstellungen/Werte der Partei und meiner selbst, Bewertung der ausgesprochenen oder vermuteten Gesetzesänderungen (ganz praktisch erfasst: z.B. muss ich mehr oder weniger zahlen, krieg ich Kohle, werde ich mehr oder weniger gegängelt) und natürlich auch die Nase der Kandidaten. Das ist dann umgangssprachlich das “Bauchgefühl”. Wichtig ist aber, dass hier *Bewertungen* stattgefunden haben und die gehen dann mit teils recht starken Emotionen einher.

        Und das bringt mich zu Ihrem Disput: Ich stelle einmal die These auf, dass Hr. Ott verärgert ist, dass Hr. Anders anscheinend (scheinbar?) den Modus “Wenn möglich gesetzeskonform, wenn nötig gesetzesbrechend” zur Vermeidung von großen negativen Konsequenzen akzeptabel findet.

        Ich persönlich denke, dass das Konstrukt EU-Euro solch schwerwiegende Konstruktionsfehler hat, dass es irgendwann von innen heraus zerbrechen wird. Man kann dies beobachten und analysieren, aber die Einflussnahme *auf das Konstrukt* ist für den Einzelnen fast =0 und alles Rumdoktern wird auf Dauer nichts nutzen. Allerdings wäre ich nicht überrascht, wenn’s noch viele Jahrzehnte hält. Das ist ggf. so wie bei alten und zerstrittenen Ehen, wo die Scheidung den Ruin für beide bedeutet und man sich daher zusammenreißt und es erträglich wird, wenn man in unterschiedlichen Zimmern schläft und getrennte Freundeskreise hat ;)

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @Thomas M.

        Genau darum geht es. Die Einflussnahme durch Demokratie auf die Demokratie innerhalb der EU ist theoretisch möglich, geht in manchen wichtigen Fällen praktikabel aber gegen Null. Wenn Herr Ott bemängelt, dass niemand den “schweren Gang” gehen will muss ich sagen, es gibt einen Unterschied zwischen schwer und unerreichbar.

        Das heißt, wenn ein Vertrag eingehalten werden MUSS, weil er sich nicht ändern lässt, die Einhaltung aber (empfunden oder objektiv ist egal) für ausreichend viele EU-Bürger katastrophal ist, gibt es Unruhen, die entweder bis zu Aufständen führen oder die Politiker dazu bewegen, den Rechtsbruch zu begehen.

        Wer hier darüber entschieden hat, was “nötig” ist, ist dabei völlig offen. Juristen bewerten Gesetze nicht nach ihrer Funktionalität, alle anderen tuen das aber. Und diese Bewertungslücke lässt sich nicht beliebig breit machen.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Thomas M. , Christian Anders

        Sie haben vollkommen Recht.

        Die Rationalität des Einzelnen, das Recht der Gesellschaft, die Verträge zwischen Staaten haben ihre Bedeutung, sind daher beachtlich, nützlich und letztlich auch unentbehrlich, nicht zuletzt als Maßstab, um zu erkennen, ob und wo der Unterschied zwischen GEWOLLT und GETAN liegt.

        Was notwendiges Handeln bzw. notwendige Unterlassung ist, kann mitunter zwar OBJEKTIV festgestellt werden, wird aber nach „Befindlichkeit“ und „Reaktion“ ENTSCHIEDEN.

        Das ist zwar in vielen Fällen bedauerlich, weil die Folgen erkennbar keine wünschenswerten sind.

        In gewisser Weise ist das Verfahren aber auch KONSISTENT, da die Rationalität des Einzelnen, Recht der Gesellschaft und die Verträge zwischen Staaten letztendlich BEFINDLICHKEITEN geschuldet sind.

        Das ist die “Logik” einer “höheren” Ordnung.

  3. Zweifler
    Zweifler sagte:

    Wäre interessant, wenn einer der Experten hier ein Szenario beschreiben könnte (falls das überhaupt möglich ist), welches wahrscheinlich eintreten würde, wenn die EZB Italien NICHT finanzieren würde und/oder die EU das Land sich selbst überlassen würde. Danke.

    Antworten
    • Felix
      Felix sagte:

      Experten: Im Rudel sind sie mörderisch.

      Nun Ihre Frage ist teilweise einfach zu beantworten. Ohne Rückendeckung geht Italien instant Pleite.

      Was genau dann passiert, hängt von vielen Einzelentscheidungen in Italien und im Rest der Welt ab. Das kann man nicht vorhersagen. Mit Sicherheit anzunehmender Wahrscheinlichkeit stürzt aber die Weltwirtschaft in eine Krise, wie wir sie noch nicht gesehen haben.

      Meiner Meinung nach kommt diese Krise auf jeden Fall. Die Frage ist nur wann? Wenn das so kommt, ist es besser, man bereitet sich darauf vor und es ist besser, wenn sie früher kommt, weil die Probleme immer größer werden. Z.B. steigt die Anzahl der zu erwartenden Pleiten auf allen Ebenen mit Zeitablauf. Und um so mehr Pleiten eintreten, umso mehr gesunde Unternehmen werden mitgerissen.

      Die Alternative ist, weitermachen und hoffen. Aber auf was? Das Außerirdische landen und uns in ein neues Goldenes Zeitalter bugsieren?

      Meine Gegenfrage ist, wodurch sollen die bestehenden Problematiken denn gelöst werden?

      Antworten
  4. Zweifler
    Zweifler sagte:

    @Richard Ott

    Eine Währungskrise ist eine existenzielle Krise. Falls Sie ein Superreicher sind, dann gilt das für Sie nicht, aber für die meisten anderen.

    Antworten
    • Felix
      Felix sagte:

      In der Tat. Deswegen fände ich es ratsam, das Format des kommenden Zusammenbruchs nicht immer noch schlimmer zu machen, sondern Maßnahmen zu ergreifen, um ihn besser managen zu können, wenn er da ist.

      Antworten
      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Felix

        Wenn Sie den “kommenden Zusammenbruch” für unausweichlich halten, dann sollten Sie hoffen, dass er möglichst schnell kommt. Mit funktionierender Infrastruktur und in einer abbezahlten Immobilie wohnend (Besonders herzliche Grüße an dieser Stelle nach Italien!) pleite zu gehen, ist wesentlich angenehmer als wenn die Substanz schon komplett verrottet ist.

        PS @ Zweifler: Ein Superreicher bin ich nun wirklich nicht, aber ich habe trotzdem eine andere Meinung als Sie.

      • Felix
        Felix sagte:

        @ Richard Ott:

        Ja, ich halte den Zusammenbruch nur für eine Frage der Zeit. Im Moment denke ich, dass es nicht mehr lange dauern kann. Und ich habe auch das Gefühl, dass jeder Patzer von den wichtigsten Akteuren das Potential hat, direkt alles in den Orkus zu reißen. Das einzige was mich beruhigt ist, dass wir da ausschließlich internationales Spitzenpersonal in Amt und würden haben.

        “Hoffnung” ist für mich hierein Wort, dass hier irgendwie gar nicht paßt. Früher wäre besser gewesen, keine Frage, nun kann man vielleicht hinter den Kulissen noch etwas machen, damit es kein SuperGau wird. Also z.B. würde ich die Sache mindestens über den Winter retten, damit wir nicht noch zusätzlich das Risiko eines Blackouts fahren, den die Welt noch nicht gesehen hat. (Denn eine grundlegende Änderung will ja niemand freiwillig einleiten.)

  5. Felix
    Felix sagte:

    Medien schreiben immer in alle Richtungen, sogar aus dem gleichen Hause gegeneinander. Das ist das Geschäftsmodell.
    Es könnte sein, dass es bei diesem Text darum geht, schon mal die Schuldfrage zu Lasten Deutschland anzuteasern. Das hat sich sehr bewährt.

    Antworten
  6. weico
    weico sagte:

    >Die EZB wird im Herbst Italien finanzieren wie noch nie>

    “Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.”

    Unter DIESER deutschen und französischen Regierung sicherlich Es soll aber bitte niemand jammern, wenn es zu “Kirchenaustritten” oder “Kirchenspaltung” kommt und die Schuld auf ….CORONA schieben.

    Solche Szenen wird es , in den 20er Jahren,wohl noch ÖFFTERS GEBEN.
    https://youtu.be/RBMvZRf9Scs

    Antworten
    • ruby
      ruby sagte:

      Dort (in der Rede) taucht ein grundlegendes Prinzip/Verständnis auf, Reziprozität, die mit der EuroEU zunehmend verloren ging und durch Herrschaft von Oben/Institutionen (Zentralisierung) ersetzt wird.
      Die Phasen, persönlich und bewußt miterlebt zu haben, bewirkte einen Wandel zu Klarheit, Einfachheit, Überschaubarkeit, Beherrschbarkeit, sei es in einem Zahlungsvorgang oder einer Staatsverfassung.
      Der Einwand, die Globalisierung diktiert Komplexität und Netzwerketten, ist ein klassisches Scheinargument, denn es gibt keinen globalen Menschen oder einen europäischen, das sind Konstruktionen, die künstlich, theoretisch, verknüpft geschaffen wurden, um den Schöpfereliten höchsten ausschliesslichen Gewinn zu garantieren – nicht weniger lautet das ultimative Diktat.
      Diese EU bringt nicht mehr das geringste Empfinden und Befürworten also aktives Handeln hervor – letzte Zeilen.
      Der Vorhang noch nicht gefallen, der Platz lange verlassen.

      Antworten
  7. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Sieht trübe aus diesseits des Atlantiks, daher zur Aufhellung des Gemüts, was kein Geringerer als Dalio zur Lage jenseits zu sagen hat, wo es möglicherweise noch düsterer aussieht:

    Hier:

    https://www.marketwatch.com/story/billionaire-investor-ray-dalio-warns-us-china-conflict-could-become-a-capital-war-that-hits-the-dollar-2020-07-27?siteid=yhoof2&yptr=yahoo

    Daraus:

    >“There’s a trade war, there’s a technology war, there’s a geopolitical war and there could be a capital war — that’s the reality,” Dalio said on Fox’s “Sunday Morning Futures.” “If you say by law, don’t invest in China or even possibly withholding the payment of bonds that the United States owes payment on in China, these things are possibilities and they have big implications, such as for the value of the dollar because premarket investors are not used to having those things dictated by the government,” he said. The Bridgewater Associates founder added that these difficult questions had to be “well-addressed” and it was a challenge for the government to get the policy right.>

    The hedge fund firm laid off several dozen employees across the company this month.>

    “Well-addressed” – an WHEN?

    Bei der US-Regierung sind diese schwierigen Fragen bzw. Entscheidungen gut aufgehoben, denn sie weiß GENAU, wie damit umzugehen ist:

    Zur Fed SCHIEBEN.

    Antworten
  8. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >Die EZB wird im Herbst Italien finanzieren wie noch nie>

    Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Es kann gar NICHT anders sein, wenn die Lage so wie hier beschrieben ist:

    >Roberto Gualtieri, Italy’s technocrat finance minister, told leaders of the ruling coalition behind closed doors that the treasury will struggle to cover both a budget deficit near 12pc of GDP and to redeem a mountain of old debts coming due over coming months.“>

    Ein Budget-Defizit von nahe 12% vom GDP ist eine Größenordnung, die die griechische Regierung nicht mehr stemmen konnte und in die Insolvenz getrieben hatte.

    Retter damals:

    Die EZB.

    Diskussionen über juristische Restriktionen sind angebracht, aber angesichts des italienischen Staatsdefizits und der italienischen Staatsschulden völlig IRRELEVANT für die Bestimmung von Handlungsoptionen.

    Wenn Italien seine Schulden nicht mehr bedienen kann, also ein DE FACTO dokumentierter Staatsbankrott vorliegt, sind die FOLGEN für die gesamte Eurozone/EU ein Desaster ohnegleichen.

    Es wird ALLES getan werden, damit es dazu nicht kommt.

    Keiner, aber auch keiner, wird in den Papieren wühlen und nach Paragraphen suchen, die eine „Rettung“ legitimieren.

    Gleiches gilt für die Auszahlungsmodalitäten der aufzunehmenden 750 Mrd. Euro.

    Es wäre ebenfalls ein Desaster, wenn auch nur ein Parlament den Beschlüssen, die noch vom EU-Parlament gemangelt werden, nicht zustimmte – ein neues „Gütesiegel“ für den Zusammenhalt der EU.

    Aber es würde nicht das Geringste daran ändern, dass die EZB den Staatsbankrott Italiens und jeden anderen Landes verhindern würde.

    Es wird höchste Zeit, sich von den auf Papier gedruckten ILLUSIONEN zu verabschieden und sich mit der REALITÄT zu befassen.

    Es geht um Sein oder Nichtsein.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Herr Tischer

      Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Dieser Kommentar von Ihnen ist ja regelrecht erschreckend.

      “Keiner, aber auch keiner, wird in den Papieren wühlen und nach Paragraphen suchen, die eine „Rettung“ legitimieren.”

      Ich möchte Ihnen die Vorfreude nicht verderben, aber noch haben wir in der EU zumindest pro Forma eine rechtsstaatliche Ordnung.

      Das bedeutet, dass jegliches Handeln der Organe des Staates rechtlich legitimiert sein muss.

      “Es wäre ebenfalls ein Desaster, wenn auch nur ein Parlament den Beschlüssen, die noch vom EU-Parlament gemangelt werden, nicht zustimmte – ein neues „Gütesiegel“ für den Zusammenhalt der EU.”

      Nein, das wäre die souveräne Entscheidung der Parlamente der jeweiligen Staaten.

      “Aber es würde nicht das Geringste daran ändern, dass die EZB den Staatsbankrott Italiens und jeden anderen Landes verhindern würde.”

      Auch ohne jegliche rechtliche Grundlage? Dann hätten wir hier in Europa ein Desaster – nämlich eine Diktatur der EZB.

      “Es wird höchste Zeit, sich von den auf Papier gedruckten ILLUSIONEN zu verabschieden und sich mit der REALITÄT zu befassen. Es geht um Sein oder Nichtsein.”

      Sie halten Gesetze also für “auf Papier gedruckte Illusionen”, von denen man sich verabschieden muss, wenn Sie das Heraufziehen einer angeblich existenziellen Krise herbeifantasieren? Das lässt ja tief blicken…

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott

        Wenn Sie sich Sorgen um mich machen, ist sicher noch alles in Ordnung mit mir. ;)

        Abgesehen davon:

        Richtig lesen.

        >Sie halten Gesetze also für „auf Papier gedruckte Illusionen“, von denen man sich verabschieden muss, wenn Sie das Heraufziehen einer angeblich existenziellen Krise herbeifantasieren?>

        Ich habe nichts von MUSS gesagt, sondern von WIRD – und das mit PRAGMATISCHEN Überlegungen der Entscheider in der Politik und bei der EZB begründet.

        Man kann nicht darüber streiten, ob ich eine existenzielle Krise herbeifantasiere oder nicht, wenn die Aussage des italienischen Finanzministers richtig ist.

        Die Lage ist ernst, sehr ernst.

        Ohne die EZB und ihre nachweislich erfolgreiche „Rettungs-Politik“ des „what ever it takes …“ hätten wir LÄNGST eine EXISTENZIELLE Krise.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        Ich habe Ihren Text schon richtig gelesen, und mit so einfachen Umdeutungstricks kommen Sie aus der Nummer nicht raus.

        “Ich habe nichts von MUSS gesagt, sondern von WIRD – und das mit PRAGMATISCHEN Überlegungen der Entscheider in der Politik und bei der EZB begründet. ”

        Sie haben geschrieben, “Es wird höchste Zeit, sich von den auf Papier gedruckten ILLUSIONEN zu verabschieden” – offensichtlich wollen Sie dafür werben, unsere Gesetze zu ignorieren um eine angeblich heraufziehende Krise abzuwenden. Kann man vorschlagen, aber Sie müssen sich dann von mir anhören, dass die Nazis 1933 exakt die gleiche politische Agenda hatten.

        “Ohne die EZB und ihre nachweislich erfolgreiche „Rettungs-Politik“ des „what ever it takes …“ hätten wir LÄNGST eine EXISTENZIELLE Krise.”

        Wir hätten eine Währungskrise, aber keine “existenzielle Krise”. Naja, gehirngewaschene und in der Brüsseler Blase lebende EU-Beamte und deren Propagandisten im deutschen Staatsfunk hätten vielleicht eine existenzielle Krise, weil sie plötzlich feststellen müssten, dass ihre Ideologie an der Realität zerbricht. Aber das haben die SED-Funktionäre 1989 auch überlebt, und ein Blick in die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts zeigt uns, dass solche “existenziellen Krisen” für die Beamten- und Funktionärskasten gar keine so seltenen Ereignisse sind.

        Staaten gehen andauernd pleite, in manchen Staaten wie Argentinien ist das sogar der Normalzustand. Das ist noch lange keine Rechtfertigung dafür, über die Hintertür eine EU-Diktatur einzuführen.

      • Bauer
        Bauer sagte:

        @ R. Ott, @ D. Tischer

        Come on, come on! Ich schätze Sie als rechtlich denkende Zeitgenossen. Aber der eiserne deutsche Glaube an den Rechtsweg hat Grenzen. In diesem Fall gibt es Um- und Auswege für beide Seiten, die Ja-Sager und die Opponenten.

        Für die ersteren (die EU und wahrscheinlich eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten) gibt es kein Problem. Die Regeln wurden bereits so oft gebogen oder umgangen, dass nun genug Routine herrscht, um es auch diesesmal zu tun. Der EuGH zählt sowieso nicht als professioneller Ja-Sager.

        Für letztere gibt es einige Möglichkeiten, ohne mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Um nur ein Beispiel zu nennen, eine Regierung könnte das Vertragspaket ganz einfach nicht ihrem Parlament zur Abstimmung vorlegen, weil sie befürchten muss, damit Harakiri zu begehen. Das könnte man ihr nicht verdenken.
        … oder es vor Abstimmung seinen obersten Gerichten zur Beurteilung vorzulegen, und dann zu warten, was sich eher ereignet, der Schiedsspruch oder die Explosion an anderer Stelle in der EU. usw.

      • Zweifler
        Zweifler sagte:

        @Richard Ott

        „ …nämlich eine Diktatur der EZB…“

        Haben wir die nicht schon längst?

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        Wie ist eigentlich im Zusammenhang damit Ihre Meinung zur aktuellen Diskussion darüber, ob Polen und Ungarn die Auszahlung von EU-Geldern wegen angeblichen Mängeln bei der “Rechtsstaatlichkeit” verwehrt werden soll?

        Oder ist “Rechtsstaatlichkeit” neuerdings eine Chiffre dafür, dass es Ziel jeglichen staatlichen Handelns sein soll, Rechtfertigungen für die von der EU-Kommission gewollte Politik zu finden, egal ob die gesetzeskonform oder gesetzwidrig ist?

  9. weico
    weico sagte:

    “…..Unlike the Bank of England, the ECB is not allowed to buy bonds directly in the primary market. It is restricted to securities already trading in the secondary market.“ – bto: was ein wirklich nur theoretisches Problem ist! Eine Bank, die weiß, dass sie die Anleihen eine Sekunde später an einen anderen Käufer verkaufen kann, wird die italienischen Anleihen gerne kaufen.”

    In der kürzlichen Diskussion ,von Herr Sinn mit Herr Bofinger,kam dieses theoretische Problem ebenfalls zur Sprache:

    Bofinger: Wenn wir hier schon juristisch argumentieren: Die Verträge verbieten der EZB den »unmittelbaren« Erwerb von Schuldtiteln der Euro-Staaten. Das macht sie auch nicht. Sie kauft die Papiere den Banken ab.

    Sinn: Und die Banken haben die Papiere zehn Tage zuvor von den Staaten gekauft. Das ist ein Umgehungstatbestand.

    https://www.hanswernersinn.de/de/willst-du-das-hans-werner-zeit-04062020

    Das Verdikt von Herr Sinn ist,meiner Meinung nach,absolut ZUTREFFEND !

    Antworten
    • Horst
      Horst sagte:

      Die EZB erwirbt nicht unmittelbar Anleihen der Staaten, qua Vertrag ist ihr das untersagt.

      Ob es sich, wie Sinn formuliert, um einen Umgehungstatbestand handelt, sollen die zuständigen Gerichte klären; Sinn hingegen sollte sich nicht auf das Feld der Jurisprudenz begeben, um seine Sicht auf Sachverhalte zu fundamentieren.

      Antworten
      • ruby
        ruby sagte:

        @Horst
        Für das Zustandekommen des EU Vertrags gibt es kein Gericht.
        Meine Bewertung, der Artikel ist eindeutig und schliesst ebenfalls Öffentliche “Einrichtungen” ein, wobei vor Vertragsgültigkeit die verschiedensten Rechtsformen in den Mitgliedsstaaten geklärt werden müssen, ganz ohne Gericht.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Horst

        “Ob es sich, wie Sinn formuliert, um einen Umgehungstatbestand handelt, sollen die zuständigen Gerichte klären”

        Haha, etwa die hoch kompetenten und unabhängigen Richter vom EUGH?

      • weico
        weico sagte:

        Hans-Werner Sinn: Es ist natürlich schwer auszusteigen. Der ganze Vorgang ist für meine Begriffe unrechtmäßig. Aber der EuGH sieht das anders, und das Bundesverfassungsgericht hat sich dem EuGH unterworfen, obwohl es vor 2 Jahren genau das Gegenteil gesagt hat. Da hat es gesagt, die EZB darf diese Papiere gar nicht kaufen, weil Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eine Monetisierung der Staatsschuld verbietet. In dem langen Text steht eine lange Liste von Krediten der Zentralbank, die verboten sind. Und dann ganz am Ende steht unscheinbar noch da: Auch der direkte Erwerb von Staatspapieren sei verboten. Als Laie ist man beruhigt, doch der Jurist schließt daraus, dass indirekte Käufe erlaubt sind. Darauf basiert die ganze europäische EZB-Politik. Das kann doch nicht sein! Das ist ein Umgehungstatbestand. Doch der EuGH sieht das anders, und Karlsruhe hat sich nicht getraut, eine Gegenposition aufrechtzuerhalten.

        https://www.egonzehnder.com/de/wie-geht-es-weiter-hans-werner-sinn-und-ulrich-deppendorf

        Kommt RECHTLICH eben ganz darauf an ,welches Gericht man anruft.

        Die deutsche Regierung kann sich natürlich ja auch gerne selber bescheissen und zudem,über den Umweg der Banken,mehr bezahlen als einige ANDERE Mitglieder ….und dafür sogar noch (EU)RECHT bekommen.

      • Felix
        Felix sagte:

        Ich würde die Banken hier als “Strohmänner” bezeichnen. Gerichte können das nicht klären. Was aber möglich wäre: die EZB stellt die Käufe und dann sehen wir, ob sich z.B. italienische Staatsanleihen immer noch so großer Beliebtheit erfreuen. Tun sie es nicht (das wäre mein Tip), liegt illegale Staatsfinanzierung vor.

  10. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    In der Tat eine merkwürdige Sichtweise; die politischen Beobachter erwarten eher, dass der ESM und die Europäische Investitionsbank (EIB) die Brückenfinanzierung übernehmen werden, bis die Beschlüsse ratifiziert sind, was vielleicht sogar bis Anfang 2021 dauern wird, und schlimmstenfalls (für die EU) wird das Thema in die nächsten holländischen Parlamentswahlen hinein gezogen:

    “For the MFF [multi-annual financial framework, also das neue EU-Budget für 2021-2027] and recovery fund to come into effect, the European parliament should agree on the package and national parliaments would have to ratify. The working assumption in Brussels is that the ratification process will only be completed at the beginning of 2021. With every country more or less pleased with the result, ratification will probably not cause any issues, but there is a risk involved since the ratification requires unanimity. The Dutch elections for example could spur the debate regarding the fund on a national level.

    Once the European Commission has raised the capital it will take a while for the funds to be distributed. The majority of the funds will most likely be distributed in 2021/2022. If it turns out to be the case that these funds are not distributed timely, countries can tap into the EUR 100bn SURE facility and if necessary apply for bridge loans from the ESM/EIB.

    Because it takes a while for the funds to be distributed, we do not expect a large economic impulse. Rather, the fund decreases the risk of further divergence between member states. A risk that has serious consequences, as we argued earlier.

    Two major topics are left out in the open. First, the conditions regarding the rule of law as mentioned earlier. Second, the exact distribution key which was a major topic to begin with. For now we assume that no major changes have taken place there. And even though the final distribution key is unknown at present, a senior Italian official expects Italy to receive about EUR 82bn in grants and EUR 127bn in loans according to initial estimates . If this proves to be correct, the money has found its way to the countries mostly in need of extra funding (and as a side effect, to the Visegrad countries)”
    https://www.zerohedge.com/markets/european-summit-concludes-full-summary

    Der spätestmögliche Wahltermin für die anstehenden Parlamentswahlen in den Niederlanden ist übrigens der 17. März 2021.

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