Die BIZ warnt vor der Eiszeit

Alle Jahre wieder warnt die BIZ. Alle Jahre wieder berichte ich darüber und es passiert kein Kurswechsel. Nun also erneut die glasklare Warnung vor einer gefährlichen Dreierkonstellation: Die Kombination aus Rekordverschuldung, niedrigem Wachstum und schwindendem Handlungsspielraum der die Welt in eine neue Krise führen könnte. Die Weltwirtschaft kann es sich nicht leisten, noch länger auf das schuldenfinanzierte Wachstumsmodell zu setzen, schreiben die BIZ-Ökonomen.

DIE WELT berichtet:

  • Für die Notenbanker kommt der Brexit zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Sie haben ihre Munition weitgehend verschossen, weitere unterstützende Maßnahmen wären wohl nur noch mit massiven Nebenwirkungen zu haben. bto: Eben, die berühmten Helikopter, die kommen, egal, ob die BIZ nun warnt oder nicht!
  • Die BIZ mahnt in ihrem 86. Jahresbericht eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung an, damit der Übergang zu einem robusteren und nachhaltigen globalen Wachstum gelingen und bestehende Schwachstellen behoben werden könnten. Im Rahmen dieser Neuausrichtung sollte der Aufsichts-, Fiskal- und Strukturpolitik eine größere Rolle zukommen. Es sind Maßnahmen erforderlich, die wir nicht wieder bereuen, wenn die Zukunft zur Gegenwart wird, betont die BIZ.
  • Den meisten Regierungen dürfte es daher kaum möglich sein, das konjunkturelle Füllhorn erneut auszuschütten. Andernfalls könnte es schnell zu einer neuen Staatsschuldenkrise kommen. Nichts dürfte die BIZ so sehr fürchten. bto: Mag sein, allerdings könnten die Notenbanken die Finanzierung übernehmen, dann wäre es doch gelöst?
  • Nach einer Analyse der Ratingagentur Standard & Poor’s haben Banken in Europa ihren Bestand an Staatsanleihen seit dem Tief im September 2008 von damals 355 Milliarden Dollar auf jetzt 791 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. bto: Es gehört zu den vielen Lügenmärchen, dass die gegenseitige Abhängigkeit reduziert wurde.
  • Aus Sicht der BIZ birgt das Trilemma drei große Gefahren. Zum einen werden die Volkswirtschaften anfälliger für Schocks. Zum anderen schwächen die ultraniedrigen oder sogar negativen Zinsen die ohnehin wacklige Finanzindustrie weiter. Darüber hinaus schwächen auch die überzogenen Erwartungen das Vertrauen in die Notenbanken – und damit deren wichtigste Geschäftsgrundlage. bto: was ziemlich genau der Beschreibung der Eiszeit entspricht. 

Die FINANZ und WIRTSCHAFT beschäftigt sich tiefergehender mit der Analyse der BIZ:

  • Da ist zunächst die auch hier immer wieder diskutierte Schwäche des Produktivitätswachstums. So heisst es in dem Bericht, die Forschung der BIZ habe nahegelegt, dass Finanzbooms das Wachstum der Produktivität einer Volkswirtschaft untergraben. Indizien dafür seien: Trotz Finanzkrise würden die Schulden weiter wachsen, die Produktivität der Arbeitnehmer dagegen immer langsamer steigen:Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
  • Die BIZ analysiert auch die Ursachen der abnehmenden Produktivität und klingt dabei zu Recht sehr nach österreichischer Schule: unproduktive Investitionen, fehlende Angebotsreformen, Abhängigkeit von der Droge des billigen Geldes. Das sieht man sehr schön an der Abweichung der Ist-Zinsen von denen nach der Taylor-Formel eigentlich erforderlichen: Die Taylor-Regel berücksichtigt die Inflation und die Lücke zum Potenzialwachstum – also wann die Wirtschaft voll ausgelastet ist.Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
  • Dabei zeigen die Analysen der BIZ, dass die Wirkung billigen Geldes immer schwächer wird. Am meisten wirkt es am Anfang. Diese Einsicht kann nun wirklich nicht erstaunen.
  • Versuchen es die Notenbanken trotzdem, hat das wenig realwirtschaftlichen Nutzen jedoch droht die Destabilisierung des gesamten Finanzsystems. Dies müssten die Notenbanken berücksichtigen und nicht wie früher ausblenden. Die BIZ arbeitet dabei mit dem sogenannten Finanzzyklus bei bto ebenfalls schon diskutiert den sie für weitaus aussagekräftiger hält bezüglich der künftigen Entwicklung. Diesen langfristigen Zyklus könnten die Zentralbanken in ihre Geldpolitik einfliessen lassen. Nach Schätzung der Basler Ökonomen könnteeine Geldpolitik, die Finanzentwicklungen systematisch berücksichtigt, den Finanzzyklus dämpfen und die Wirtschaftsleistung signifikant erhöhen. Um das zu erreichen, würde nicht nur Inflation oder die Lücke zum Potenzialwachstum berücksichtigt. Sondern auch, ob der Schuldendienst in einer Volkswirtschaft zu hoch ist.
  • Immerhin geht es nach dem Modell der BIZ wieder bergauf. bto: wobei ich mich frage, wie dies ohne Bereinigung der faulen Schulden gehen soll):

Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

  • Die BIZ berechnet auch, wie die Zinsen heute eigentlich sein müssten, um keine weiteren Finanzmarktprobleme zu verursachen. Die gelbe Linie in der untenstehenden Grafik ist der jetzige reale Zins. Die blaue Linie ist eine Schätzung des natürlichen Zinses anhand der Output-Lücke. Die rote Linie zeigt den natürlichen Zins, wenn man den Schuldendienst mit einrechnet.Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
  • O. k., da kann man natürlich nur sagen, dann ist die Schuldentragfähigkeit sicherlich hier und da gefährdet. Vorsichtig formuliert.
  • Dies sieht die BIZ anders. Sie hat simuliert, was passiert wäre, hätte die Fed nach den Regeln gehandelt: Die durchgehende rote Linie in der untenstehenden Grafik zeigt die US-Wirtschaftsleistung unter der neuen Geldpolitikregel. Die gestrichelte Linie bildet den tatsächlichen Verlauf ab. Die blauen Linien stellen den Leitzins dar – den tatsächlichen und den simulierten Verlauf.Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

    Gemäss diesem simulierten «Experiment» wäre der Leitzins unter der neuen Regel schon viel früher erhöht worden (ab 2003). Ab 2005 wäre er dann gesenkt worden. Ab 2011 wäre er dann wieder stark gestiegen.“  bto: Ergebnis: Es wäre besser verlaufen als im Ist.

Mit ihrem Jahresbericht hat die BIZ in Basel wieder einmal der geläufigen Meinung vieler Ökonomen deutlich widersprochen. Für die Basler Bank ist es notwendig, dass man nicht auf eine expansive Fiskal- und Geldpolitik für Wachstumseffekte setzt. Besonders den Zentralbanken sei zu viel aufgebürdet worden. Nicht das Fehlen von Nachfrage sei das grosse Problem. Auf der Angebotsseite hapere es, da die Schuldenbooms falsche Anreize gesetzt haben.

Staaten sollen investieren, statt ihre Transferzahlungen zu erhöhen. Und Strukturreformen sind das richtige Mittel, um das Wachstum anzukurbeln.“ 

bto: Ich frage mich nur, weshalb die jährliche Wiederholung der Mahnungen nicht zu einem Politikwechsel führt? These: Es wäre kurzfristig schmerzhaft und diesen Schmerz traut sich, niemand zu realisieren. Auch aus Angst vor der Wut der Bevölkerung.

Die Kollegen von Zero Hedge sind da viel zynischer: So you will please excuse us if we ignore this latest annual rant by the BIS against the policies implemented by the BIS’ very own board of directors. If anything, we would expect much more of the same failed policies; we certainly will expect even louder and more dire warnings from the BIS one year from today when everything else that central banks unveil between now and June 2017 is implemented, and fails to do anything but keep global equity markets propped up whatever it takes.

DIE WELT: Ein Trilemma bedroht die Weltwirtschaft, 26. Juni 2016

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: BIZ verlangt neues Wachstumsmodell, 26. Juni 2016

→ Zero Hedge: „‚The Global Economy Can No Longer Rely On Debt BIS Warns Central Bank Actions Have Started To Backfire, 26. Juni 2016

Kommentare (4) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. MFK
    MFK sagte:

    Erstaunlich, dass die BIZ ein Angebots- und weniger ein Nachfrageproblem sieht. Sie begründet das mit der niedrigen Arbeitslosenquote und der demographischen Entwicklung. Ältere Menschen geben allerdings weniger aus und die Arbeitslosenquote ist in vielen EU Ländern hoch und dort wo sie statistisch niedrig ist, geschönt. Auch werden die vielen prekären Beschäftigungsverhältnisse unberücksichtigt gelassen. Ob das also so richtig ist?

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      >Erstaunlich, dass die BIZ ein Angebots- und weniger ein Nachfrageproblem sieht.>

      Ich habe den Bericht der BIZ nicht gelesen und würde es so sagen, vermutlich in Übereinstimmung mit der BIZ:

      Die realwirtschaftlichen Probleme, insbesondere Unterbeschäftigung werden seit Keynes bis heute als Nachfrageprobleme gesehen, d. h. es wurde sowohl durch die Zinspolitik wie auch durch die Fiskalpolitik auf Nachfragewachstum gesetzt – naturgemäß auf zunehmender Verschuldung beruhend.

      Das hat zu einer nicht mehr tragfähigen Allokation von Ressourcen geführt, z. B. zu einem Aufbau von Fertigungskapazitäten in der Automobilindustrie, die nur deshalb ausgelastet sind, weil die Fahrzeugkäufer sich für das zweite und dritte Automobil relativ kostengünstig verschulden können.

      Eine alternde Bevölkerung will aber nicht mehr Automobile besitzen, sondern verlangt nach mehr Gesundheits-, Betreuungs- und Pflegeleistungen.

      Das meint die folgende der BIZ zugeschriebene Auffassung.

      „Nicht das Fehlen von Nachfrage sei das grosse Problem. Auf der Angebotsseite hapere es, da die Schuldenbooms falsche Anreize gesetzt haben.“

      Warum hat man denn die Probleme auf der Nachfrageseite zu lösen gesucht und sucht sie IMMER NOCH auf der Nachfrage- und nicht auf der Angebotsseite zu lösen?

      Antwort:

      Es ist einfacher die Probleme auf der Nachfrageseite zu lösen, weil die Konsequenzen nicht so dramatisch zu sein scheinen wie die Lösung über die Angebotsseite.

      Lösung über die Nachfrageseite siehe oben zweites und drittes Automobil.

      Lösung über die Angebotsseite am Beispiel Schließung des Werks Sindelfingen von Daimler Benz:

      Man markiere ein imaginäres Dreieck durch eine Linie von Sindelfingen zum Bodensee und eine andere quer durch den Schwarzwald zum Rhein. Wenn die Beschäftigung in diesem Werk entfiele und damit verbunden auch im Dienstleistungscluster drum herum, würden dies eine große Zahl von nicht bedienter Immobilienkredite, Versteigerungen mit Wertverlusten und in Bedrängnis geratene Banken bedeuten. Kettenreaktionen über das Dreieck hinaus nicht ausgeschlossen.

      Wo die BIZ meiner Ansicht nach falsch liegt mit dieser pauschalen Aussage:

      > … könnte‚ eine Geldpolitik, die Finanzentwicklungen systematisch berücksichtigt, den Finanzzyklus dämpfen und die Wirtschaftsleistung signifikant erhöhen>

      Ja, den Finanzzyklus könnte sie dämpfen. Aber die Wirtschaftsleistung würde sich KURZFRISTIG nicht signifkant erhöhen. Ganz im Gegenteil, kurzfristig hätten wir in der Vergangenheit eine fallende Wirtschaftsleistung mit deutlich höherer Arbeitslosigkeit gehabt und heute wäre das genauso. Langfristig gesehen, haben die Ökonomen der BIZ m. A. n. Recht. Wir hätten nicht die heutige Krise.

      Antworten
  2. Johannes
    Johannes sagte:

    Überwiegend tatsachenbasierte Entscheidungen werden meiner Erfahrung nach in der Politik max. noch auf kommunaler Ebene getroffen. Ab Land- bzw. Bundestag werden überwiegend politische (= machtbasierte) Entscheidungen getroffen. Das ist das Dilemma, in das wir uns in über 70 Jahren Frieden, Freiheit und auch Wohlstand hinein manöveriert haben. Es ist leider so, dass “die Politik” über diese lange Zeitspanne an die Stelle des Treibers Idealismus (Handeln zum Wohle des Ganzen) den Treiber Pragmatismus (Handelnd zum eigenen Wohle) gestellt hat. Dies erklärt – mir zumindest – die Mehrzahl der politischen Entscheidungen.

    So erkläre ich mir übrigens auch die Verduztheit viele prominenter europäischer Politiker, die schlicht nicht erkennen können, was da gerade vor ihren Augen in GB passiert ist. Denn pragmatisch haben die Briten nicht entschieden, sondern idealistisch getrieben.

    Und diese “Sorte” von Politikern, die pragmatisch getrieben handeln, sollen mit einem Mal idealistisch getriebene Entscheidungen fällen, die sie womöglich das Mandat kostet, aber auf mittlere Sicht zum Wohl der Bevölerung wäre? Das wird leider nicht passieren.

    Und so wird es zunehmend kälter werden – in Politik, Wirtschaft und schließlich im Miteinander.

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