„Die Bären sind hysterisch geworden“

Jeremy Grantham habe ich an dieser Stelle immer wieder zitiert. Er gehört zu den besten Beobachtern der Kapitalmärkte. Er hat die Technologieblase und die Katastrophe im US-Immobilienmarkt vorhergesagt. Im März 2009, als die Börsen ihr Tiefs erreichten, riet er zum Kauf von Aktien. Hier äußert er sich bei der FINANZ und WIRTSCHAFT:

  • „Seit zwei Jahren sage ich, die Hausse geht erst dann zu Ende, wenn wir eine Spekulationsblase erlebt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies vor den Präsidentschaftswahlen geschehen würde, schien gering.”
  • „Normalerweise bin ich der Bär. Aber in diesem Fall, nach eingängiger Analyse der US-Wirtschaft, kam ich zum Schluss, dass noch beträchtliche Kapazitäten brachliegen. Versteckt hinter der offiziellen Arbeitslosenstatistik gibt es vielleicht zusätzliche 2 % der Bevölkerung, die in den Arbeitsprozess zurückgeholt werden können.” – bto: Die Kapazitäten wurden in den USA erst mit dem Zweiten Weltkrieg wieder ausgelastet. Könnte es nicht sein, dass wir einen Crash bekommen, eben, weil es zu dieser Auslastung nicht kommt?
  • „2016 dürfte die US-Konjunktur durchaus 2 bis 2,5 % zulegen. Wie viele Börsenbaissen hat es weltweit gegeben, wenn die USA über 2 % wuchsen? Keine einzige! Die US-Wirtschaft ist so gross, dass eine solche Wachstumsrate praktisch garantiert, dass der Börsentrend intakt bleibt.”
  • „Wir befinden uns in der langsamsten je verzeichneten Erholung der Geschichte, aber der Aufschwung stirbt nicht einfach an Altersschwäche. Die Dynamik kippt, wenn sich der Konjunkturmotor überhitzt und am Ende des Zyklus klar wird, dass die Produktion viel zu stark ausgeweitet wurde. Das liess sich vor dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 beobachten. Vergleichbares geschah während der Technologieblase zur Jahrtausendwende und in Japan 1989. Damals wurde produziert wie verrückt. Solches lässt sich heute nicht beobachten.” – bto: Hmm, in China ist das aber der Fall. 1929 und 1989 waren andere Umstände als heute.
  • „In der US-Industrie gibt es nach wie vor ungenutzte Kapazitäten – die Produktionsfaktoren werden zu nur 77 % ausgelastet. Gleichzeitig herrscht ein Überschuss an Arbeitern. Ebenso wenig lässt sich bei den Unternehmensinvestitionen ein Boom erkennen. Die Rohstoffpreise sind sehr niedrig.” – bto: Das spricht gegen die Inflationsthese von Ambrose Evans-Pritchard.
  • „Korrekt, aber von 2000 auf 2300 Punkte ist immer noch eine schöne Rally – eine Aufwärtsbewegung von weiteren 15 % vom jetzigen Niveau aus. Zudem warte ich darauf, dass die Privatanleger euphorisch werden. Zuletzt haben sie Dividendentitel abgestossen. Der Aufwärtstrend an den Aktienmärkten wurde einzig von der US-Notenbank Fed und den Aktienrückkäufen der Unternehmen getrieben. Das ist keine Blase.” – bto: Wiederum könnte es sein, dass es diesmal anders ist, weil es keine normale Erholung nach keiner normalen Rezession war.
  • „Was mich beschäftigt, ist ein Kurseinbruch von 50 % und mehr. Auch ein solcher ist möglich, und mit grosser Wahrscheinlichkeit werden wir in der näheren Zukunft einen Rückschlag dieser Grössenordnung erleben. Das gehört zur Natur des Notenbanksystems, das permanent die Vermögenswerte in die Höhe treibt – bis zum unvermeidlichen Absturz.” – bto: Da hat er recht. Die Frage ist: Wie viele Zyklen machen wir das noch mit?
  • “Es braucht eine weitere grosse Welle an Unternehmenszusammenschlüssen sowie Privatanleger, die in Erwartung steigender Kurse zurück an die Märkte strömen. Kurz: mehr Euphorie, ein gestärktes Anlegervertrauen und eine prominentere Börsenberichterstattung in den Medien. Mit diesen Zutaten dürften wir nach den Wahlen die erwartete Blase – und ihr Platzen – sehen.”

Das wäre dann der finale Crash, da er mit einem Scheitern der Notenbanken verbunden wäre.

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “Die Bären sind hysterisch geworden”, 18. März 2016