Deutschlands Wirt­schaft hatte keinen Vor­teil durch billiges Gas

Der Ökonom Daniel Gros erläutert in einem Gastbeitrag, warum Deutschland die Drosselung der Gaslieferungen gut verkraften wird. Sehen wir uns die Argumentation mal an:

  • Die herkömmliche Ansicht über die aufgrund reduzierter Liefermengen aus Russland ausgelöste Gaskrise in Europa beruht zu einem Gutteil auf zwei Annahmen: dass nämlich die deutsche Wirtschaft auf billiges Gas aus Russland angewiesen ist und dass die Rechnung, damit verlässlich arbeiten zu können, in spektakulärer Weise nicht aufgegangen ist.“ – bto: Das ist auch die Geschichte, die der zuständige Minister immer wieder erzählt. Nach dem Motto, es war die dumme und gierige Industrie, die daran Schuld ist, nicht die Politik mit ihrer Gas-Brücke in die Zukunft.
  • Doch obwohl die deutsche Industrie stark ist und das Land viel Erdgas aus Russland importiert, spricht ein genauerer Blick auf die Zahlen und die wirtschaftlichen Zusammenhänge gegen diese vorherrschende Sichtweise. Zunächst einmal spielt Erdgas keine so große Rolle, dass es die treibende Kraft hinter einer Industriewirtschaft sein könnte. Im Jahr 2019 bezahlte Deutschland für die Gasimporte via Pipeline 30 Milliarden Dollar – das entspricht nur 0,75 Prozent seines BIP –, und der Gesamtwert des deutschen Gasverbrauchs lag unter zwei Prozent des BIP.“ – bto: Dies alleine genügt aber noch nicht, um zu sagen, dass es kein Problem ist, trifft der Gasmangel doch einzelne Unternehmen/Branchen durchaus hart.
  • Diese bescheidenen Anteile präsentieren sich in allen Industrieländern ähnlich und deuten darauf hin, dass billige Gasimporte höchstwahrscheinlich kein wesentlicher Wachstumsfaktor sind. Und obwohl der Gasverbrauch in Deutschland und den meisten westeuropäischen Ländern in den vergangenen 20 Jahren stagnierte, wuchs die Wirtschaft – wenn auch langsam.“ – bto: Letzteres hat andere Gründe.
  • Auch das Argument, Deutschland hätte von billigem russischen Gas möglicherweise stärker profitiert als andere Länder, wird durch die Zahlen nicht untermauert. Im Jahr 2019 entfielen lediglich etwa 2,3 Prozent des weltweiten Erdgasverbrauchs, aber 4,5 Prozent des weltweiten BIP auf Deutschland.“ – bto: Da könnte man natürlich auch sagen, dass es eine Frage der Verwendung ist. Vielleicht fließt bei uns ein besonders hoher Anteil in die Industrie.
  • Deutschlands Gasintensität pro BIP-Einheit beträgt etwa die Hälfte des weltweiten Durchschnitts und liegt deutlich unter dem entsprechenden Wert der USA und vieler anderer Industrieländer, darunter Japan und Südkorea.“ – bto: Auch das besagt natürlich nichts über die Folgen für die betroffenen Unternehmen.
  • Die europäischen Volkswirtschaften gehen mit Energie tendenziell sparsamer um als der Rest der Welt. Aber selbst innerhalb Europas schneidet Deutschland mit einem geringeren Gasverbrauch pro BIP-Einheit besser ab als andere große EU-Volkswirtschaften, beispielsweise Italien und Spanien.“ – bto: und schlechter als Frankreich, die konsequent auf Kernkraft setzen.
  • Ein ähnliches Bild ergibt sich aus Kennzahlen, die damit zusammenhängen, etwa dem Wert der Energieimporte als Prozentsatz des BIP oder dem Gasverbrauch für industrielle Zwecke als Anteil an der industriellen Wertschöpfung. Diese Indikatoren zeigen, dass die deutsche Wirtschaft Energie weniger intensiv nutzt als die meisten anderen.“ – bto: Das mag sein und zeigt einfach nur die konsequente Notwendigkeit, im globalen Wettbewerb auf Effizienz zu achten.
  • Die Vorstellung, wonach die deutsche Industrie durch den Zugang zu billigem Gas aus Russland einen Vorteil erlangt habe, lässt die Tatsache außer Acht, dass es einen europäischen Gasmarkt gibt, auf dem die Unterschiede zwischen den Großhandelspreisen der einzelnen Länder bisher nur gering sind.“ – bto: Das habe ich mir auch schon gedacht. Ich fand die Erzählung von Habeck schon immer komisch, wonach das Gas bei uns billiger war als in den Nachbarländern.
  • Man könnte natürlich anführen, dass Russland seine Energie billig an Deutschland verkauft hat, um das Land in die Abhängigkeit zu treiben. Allerdings widerlegen die Daten die gängige Wahrnehmung, dass Deutschland billiges Gas erhält: In den letzten zehn Jahren hat die deutsche Industrie etwa zehn Prozent mehr für Erdgas bezahlt als ihre Konkurrenz in den anderen großen EU-Ländern. Dank der Versorgung aus der Nordsee bezahlten britische Industrieunternehmen sogar noch weniger als ihre Konkurrenz auf dem Kontinent.“ – bto: So viel also zu dem billigen Gas, das uns einen unfairen Vorteil ermöglicht hat!
  • Implizit lässt das die Vermutung aufkommen, dass sich Russland fast ohne Kosten einen nicht wirtschaftlichen Vorteil verschafft hat (durch die deutsche Abhängigkeit von seinen Gaslieferungen). Im Umkehrschluss bedeutet es, Deutschland musste einen Verlust an Energieunabhängigkeit hinnehmen, ohne einen spürbaren wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen.“ – bto: Das muss man sich mal vor Augen führen!
  • Gasversorgung in der EU: „Deutschland befindet sich in einer denkbar schlechten Lage (…) obwohl Deutschland in dieser Hinsicht stärker gefährdet zu sein scheint, weil es einen großen Teil seines Gases aus Russland bezieht, kann sich das schnell ändern. Deutschland baut in Rekordzeit neue Kapazitäten im Bereich Regasifizierung auf, um Flüssiggas-Import in Mengen zu ermöglichen, die die reduzierten russischen Liefermengen kompensieren und die Inlandsnachfrage bedienen.“ – bto: Dies ist allerdings nicht billig!
  • „(…) aufgrund seiner unter dem EU-Durchschnitt liegenden Energieintensität sollte Deutschland in der Lage sein, die Belastung etwas besser zu verkraften als Italien, Spanien und einige osteuropäische Länder. Frankreich wird freilich weitaus weniger betroffen sein, zumindest wenn seine Kernreaktoren ihre volle Leistung wieder aufnehmen können.“ – bto: wie ohnehin Frankreich einen Kostenvorteil bei Energie haben wird und den ausbaut.
  • Auch das weltweite Gesamtbild sollte nicht aus den Augen verloren werden. Werden große Mengen an russischem Gas aus dem Verkehr gezogen, werden die weltweiten Gaspreise steigen. Das betrifft auch asiatische Länder, weil sie mit Europa um verflüssigtes Erdgas konkurrieren. Südkorea und Japan weisen eine höhere Energieintensität als Europa auf, und selbst China importiert große Mengen an verflüssigtem Erdgas, und zwar zu einem ähnlichen Preis wie die europäischen Länder.“ – bto: Das wäre in der Tat ein Vorteil für uns.
  • Teure Energie, insbesondere Erdgas, stellt für alle energieimportierenden Industrieländer eine schwierige wirtschaftliche und politische Herausforderung dar. Nur die USA und einige andere kleinere Energieerzeuger wie Norwegen, Kanada und Australien profitieren von dieser Situation. Die Daten deuten jedoch darauf hin, dass Deutschland besser in der Lage ist, diese Krise zu überstehen als die meisten seiner wichtigsten Konkurrenten.“ – bto: Das wäre uns allerdings zu wünschen, wobei unsere Regierung alles dafür tut, es besonders schwer für die hiesige Wirtschaft zu machen.

Und das Original:

project-syndicate.org: „Russian Gas Cuts Will Not Kill the German Economy“, 9. August 2022

Kommentare (35) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. AHM
    AHM sagte:

    Deutschland hatte keinen Vorteil durch billiges Gas, heißt doch dann: Wir haben/
    Deutschland hat aufs fossile Pferd gesetzt, der Zerstörung der Welt Vorschub geleistet, ohne daß dabei für sich, die (dritte) Welt etwas Gutes rausgesprungen ist. 2 x Pfui, mindestens.
    Hätte Deutschlands Industrie sich umgekehrt auf Sonne und Wind verlassen, wäre das ohne (große) wirtschaftliche Nachteile geblieben, aber D hätte die Welt (ein bißchen) besser gemacht (CO2 Vermeidung).
    Das ist die Botschaft dieses Beitrags?

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  2. Nordlicht
    Nordlicht sagte:

    Der Tagesspiegel-Artikel passt zu deren unbeirrten Verteidigung des konfusen Wirtschaftsministers: Right or wrong, my Greenie.

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  3. Alexander
    Alexander sagte:

    Während Gros seine Expertise ruiniert leidet Robert Höllenqualen, weil die BRD nicht Russland sanktioniert sondern die Ukraine / Polen / UK / USA umgekehrt die Bundesrepublik.

    Warum?

    Die Pipelines durch Ukie und Polen wurden ebendort abgedichtet und Nordstream 1 hängt am guten Willen von UK, was vertraglich vereinbarte Handlungsunfähigkeit bedeutet. Nordstream 2 sanktioniert creepy Joe.

    Sauron dazu auf dem Wirtschaftskongreß in St. Petersburg
    https://www.bitchute.com/video/Q84wvW2xGXdt/

    Der BRD Wohlstand endet genau wo er begann, bei den Siegermächten –
    und Politik / Medien haben ein existentielles Interesse ihre Finanziers / Konsumenten darüber nicht zu wecken.

    Frank-Walter Steinmeier: „Ja wir leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“ …
    youtu.be/3u57jrO1uRM

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    • Tom96
      Tom96 sagte:

      Zum “warum” die Herleitung aus dem Westen / der Neuen Welt :

      F. William Engdahl erklärt die lange installierten Mechanismen und Strategien
      https://tapnewswire.com/2022/09/europes-energy-armageddon-from-berlin-and-brussels-not-moscow-f-william-engdahl/
      Übersetzung uncutnews:

      “Am 22. August lag der börsengehandelte Marktpreis für Erdgas am deutschen Gashub THE (Trading Hub Europe) um mehr als 1000% höher als vor einem Jahr. Den meisten Bürgern wird von der Scholz-Regierung gesagt, dass der Grund dafür Putin und Russlands Krieg in der Ukraine ist. Die Wahrheit ist aber ganz anders. EU-Politiker und große Finanzinteressen benutzen Russland, um eine Energiekrise Made in Germany und Brüssel zu vertuschen. Die Folgen sind nicht zufällig.

      Es liegt nicht daran, dass Politiker wie Scholz oder der deutsche grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck oder der Vizepräsident der EU-Kommission für grüne Energie, Frans Timmermans, dumm oder ahnungslos sind. Korrupt und unehrlich, vielleicht ja. Aber sie wissen genau, was sie tun. Sie lesen ein Drehbuch ab. Es ist alles Teil des EU-Plans zur Deindustrialisierung einer der energieeffizientesten Industriekonzentrationen auf dem Planeten. Dies ist die Grüne Agenda 2030 der UN, auch bekannt als Klaus Schwabs Great Reset.

      EU-Gasmarkt dereguliert

      Was die EU-Kommission und die Minister in Deutschland und in der gesamten EU sorgfältig verbergen, ist die von ihnen herbeigeführte Veränderung in der Art und Weise, wie der Erdgaspreis heute bestimmt wird. Fast zwei Jahrzehnte lang begann die EU-Kommission, unterstützt von Megabanken wie JP MorganChase oder großen spekulativen Hedge-Fonds, die Grundlagen für die heutige vollständige Deregulierung des Erdgasmarktes zu schaffen. Sie wurde als „Liberalisierung“ des Erdgasmarktes in der Europäischen Union beworben. Statt langfristiger Verträge werden die Preise nun durch unregulierten Echtzeithandel auf dem freien Markt festgelegt.

      Etwa ab 2010 begann die EU, eine radikale Änderung der Regeln für die Preisbildung bei Erdgas voranzutreiben. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die meisten Gaspreise in langfristigen Verträgen für Pipelinelieferungen festgeschrieben. Der größte Lieferant, die russische Gazprom, lieferte Gas in die EU, insbesondere nach Deutschland, in langfristigen Verträgen, die an den Ölpreis gekoppelt waren. Bis vor einigen Jahren wurde fast kein Gas mit LNG-Schiffen importiert. Mit einer Änderung der US-Gesetze, die 2016 den Export von LNG aus der riesigen Schiefergasproduktion erlaubte, begannen die US-Gasproduzenten mit dem Bau von LNG-Exportterminals in großem Umfang. Der Bau dieser Terminals dauert durchschnittlich 3 bis 5 Jahre. Gleichzeitig begannen Polen, die Niederlande und andere EU-Länder mit dem Bau von LNG-Importterminals, um das LNG aus dem Ausland aufzunehmen.

      Die anglo-amerikanischen Ölgiganten, die damals als „Seven Sisters“ (Sieben Schwestern) bezeichnet wurden, waren aus dem Zweiten Weltkrieg als weltweit führender Öllieferant hervorgegangen und hatten ein globales Ölpreismonopol geschaffen. Wie Henry Kissinger während der Ölschocks der 1970er-Jahre bemerkte: „Kontrolliere das Öl und du kontrollierst ganze Nationen.“ Seit den 1980er-Jahren schufen die Wall Street-Banken unter der Führung von Goldman Sachs einen neuen Markt für „Papieröl“, d. h. den Handel mit Termingeschäften und Derivaten auf künftige Ölfässer. Es entstand ein riesiges Casino für Spekulationsgewinne, das von einer Handvoll riesiger Banken in New York und London kontrolliert wurde.

      Dieselben mächtigen Finanzinteressen arbeiten seit Jahren an der Schaffung eines ähnlichen globalisierten „Papiergas“-Marktes für Termingeschäfte, den sie kontrollieren könnten. Die EU-Kommission und ihre Green-Deal-Agenda zur „Dekarbonisierung“ der Wirtschaft bis 2050, bei der Öl-, Gas- und Kohletreibstoffe abgeschafft werden sollen, stellten die ideale Falle dar, die zu dem explosionsartigen Anstieg der EU-Gaspreise seit 2021 geführt hat. Um diese „einheitliche“ Marktkontrolle zu schaffen, wurde die EU von den globalistischen Interessen gedrängt, Gazprom drakonische und de facto illegale Regeländerungen aufzuerlegen, um den russischen Eigentümer verschiedener Gasverteilungsnetze in der EU zu zwingen, diese für konkurrierendes Gas zu öffnen.

      Die Großbanken und Energieinteressen, die die EU-Politik in Brüssel kontrollieren, hatten ein neues, unabhängiges Preissystem geschaffen, das parallel zu den langfristigen, stabilen Preisen für russisches Pipelinegas verläuft, das sie nicht kontrollieren.

      Bis 2019 erlaubte die Reihe bürokratischer Energierichtlinien der Brüsseler EU-Kommission, dass der vollständig deregulierte Gashandel de facto die Preise für Erdgas in der EU festlegte, obwohl Russland immer noch die bei Weitem größte Gasimportquelle war. In mehreren EU-Ländern wurde eine Reihe von virtuellen Handelsplätzen“ für den Handel mit Gas-Terminkontrakten eingerichtet. Bis 2020 war das niederländische TTF (Title Transfer Facility) der dominierende Handelsplatz für EU-Gas, die sogenannte EU-Gas-Benchmark. TTF ist eine virtuelle Plattform für den Handel mit Gas-Terminkontrakten zwischen Banken und anderen Finanzinvestoren, also „Over-The-Counter“. Das bedeutet, dass sie de facto unreguliert ist, außerhalb jeder regulierten Börse. Dies ist entscheidend für das Verständnis des Spiels, das heute in der EU betrieben wird.

      Im Jahr 2021 waren nur 20 % aller Erdgasimporte in die EU LNG-Gas, dessen Preise größtenteils durch Termingeschäfte am TTF-Hub bestimmt wurden, dem De-facto-Gasbenchmark der EU, der der niederländischen Regierung gehört, derselben Regierung, die ihre landwirtschaftlichen Betriebe wegen einer betrügerischen Klage wegen Stickstoffverschmutzung vernichtet hat. Der größte Anteil der europäischen Gasimporte kam von der russischen Gazprom, die 2021 mehr als 40 % der EU-Importe lieferte. Dieses Gas wurde über langfristige Pipelineverträge bezogen, deren Preis weit unter dem heutigen TTF-Spekulationspreis lag. Im Jahr 2021 zahlten die EU-Staaten schätzungsweise 30 Milliarden Dollar mehr für Erdgas, als wenn sie bei der ölindexierten Preisgestaltung von Gazprom geblieben wären. Die Banken waren begeistert. Die US-Industrie und die Verbraucher nicht. Nur durch die Zerstörung des russischen Gasmarktes in der EU konnten Finanzinteressen und die Befürworter des Green Deal ihre Kontrolle über den LNG-Markt erlangen.

      Schließung der EU-Gas-Pipeline

      Mit der vollen Rückendeckung der EU für den neuen Gasgroßhandelsmarkt begannen Brüssel, Deutschland und die NATO systematisch damit, stabile, langfristige Gaspipelines in die EU zu schließen.

      Nachdem Algerien im August 2021 die diplomatischen Beziehungen zu Marokko wegen umstrittener Gebiete abgebrochen hatte, kündigte es an, dass die 1996 in Betrieb genommene Gaspipeline Maghreb-Europa (MGE) am 31. Oktober 2021 ihren Betrieb einstellen würde, wenn das entsprechende Abkommen ausläuft.

      Im September 2021 stellte Gazprom seine milliardenschwere Unterwasser-Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Norddeutschland fertig. Sie würde die Kapazität von Nord Stream 1 auf 110 Milliarden Kubikmeter jährlich verdoppeln und Gazprom unabhängig von Störungen der Gaslieferungen über seine Sojus-Pipeline durch die Ukraine machen. Die EU-Kommission, unterstützt von der Biden-Administration, blockierte die Eröffnung der Pipeline mit bürokratischer Sabotage, und schließlich verhängte Bundeskanzler Scholz am 22. Februar Sanktionen gegen die Pipeline wegen der russischen Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Angesichts der sich seitdem verschärfenden Gaskrise hat sich die deutsche Regierung geweigert, Nord Stream 2 zu eröffnen, obwohl die Pipeline fertiggestellt ist.

      Am 12. Mai 2022 schloss das NATO-kontrollierte Zelenskyy-Regime in Kiew eine wichtige russische Pipeline durch Lugansk, die russisches Gas sowohl in die Ukraine als auch in die EU-Staaten leitete, und erklärte, sie bleibe geschlossen, bis Kiew die vollständige Kontrolle über sein Pipelinesystem erhalte, das durch die beiden Donbass-Republiken verläuft. Durch diesen Abschnitt der ukrainischen Sojus-Leitung wurde ein Drittel des Gases, das über die Sojus-Leitung in die EU gelangt, abgeschnitten. Das hat der EU-Wirtschaft sicherlich nicht geholfen, als Kiew um mehr Waffen von denselben NATO-Ländern bettelte. Die Sojus-Leitung wurde 1980 unter der Sowjetunion eröffnet und brachte Gas aus dem Orenburg-Gasfeld.

      Danach folgte die russische Gaspipeline Jamal durch Weißrussland und Polen nach Deutschland. Im Dezember 2021, zwei Monate vor dem Ukraine-Konflikt, schloss die polnische Regierung den polnischen Teil der Pipeline und unterbrach damit die Gaslieferungen von Gazprom zu niedrigen Preisen sowohl nach Deutschland als auch nach Polen. Stattdessen kauften polnische Gasunternehmen russisches Gas in den Speichern deutscher Gasunternehmen über den polnisch-deutschen Abschnitt der Jamal-Pipeline zu einem höheren Preis im Gegenstromverfahren. Die deutschen Gasunternehmen bekamen ihr russisches Gas über langfristige Verträge zu einem sehr niedrigen Vertragspreis und verkauften es mit einem riesigen Gewinn an Polen weiter. Dieser Irrsinn wurde von dem grünen Wirtschaftsminister Habeck und Bundeskanzler Scholz und den deutschen Medien bewusst heruntergespielt, obwohl er die deutschen Gaspreise noch weiter in die Höhe trieb und die deutsche Gaskrise verschärfte. Die polnische Regierung weigerte sich, ihren Gasvertrag mit Russland zu verlängern, und kauft stattdessen Gas auf dem freien Markt zu weitaus höheren Preisen ein. Infolgedessen fließt kein russisches Gas mehr über Jamal nach Deutschland.

      Schließlich wurde die Gaslieferung über die Unterwasserpipeline Nord Stream 1 unterbrochen, weil eine von Siemens hergestellte Gasturbine repariert werden musste. Die Turbine wurde an eine spezielle Siemens-Einrichtung in Kanada geschickt, wo das antirussische Trudeau-Regime sie monatelang festhielt, bevor es sie schließlich auf Anfrage der deutschen Regierung freigab. Die deutsche Regierung weigerte sich jedoch absichtlich, die Turbine an ihren russischen Eigentümer zu liefern, sondern an Siemens Deutschland, wo sie sich befindet, da die deutsche und die kanadische Regierung sich weigern, eine rechtsverbindliche Sanktionsausnahme für die Übergabe an Russland zu gewähren. Auf diese Weise wird auch das Gas von Gazprom über Nord Stream 1 drastisch auf 20 % der normalen Menge reduziert.

      Im Januar 2020 begann Gazprom damit, Gas aus seiner TurkStream-Pipeline durch die Türkei und weiter nach Bulgarien und Ungarn zu leiten. Im März 2022 kappte Bulgarien mit Unterstützung der NATO einseitig seine Gaslieferungen aus TurkStream. Ungarns Viktor Orban hingegen sicherte sich die Fortsetzung der TurkStream-Gaslieferungen mit Russland. Infolgedessen hat Ungarn heute keine Energiekrise und importiert russisches Pipeline-Gas zu vertraglich sehr niedrigen Festpreisen.

      Durch die systematische Sanktionierung oder Schließung von Gaslieferungen aus langfristigen, kostengünstigen Pipelines in die EU konnten die Gasspekulanten über die niederländische TTP jede Störung oder jeden Energieschock in der Welt, ob eine Rekorddürre in China oder der Konflikt in der Ukraine, bis zu Exportbeschränkungen in den USA, nutzen, um die EU-Großhandelspreise für Gas in alle Richtungen zu treiben. Mitte August lag der Terminpreis bei TTP um 1.000 % höher als vor einem Jahr und steigt täglich weiter.

      Deutscher Höchstpreiswahn

      Die vorsätzliche Energie- und Strompreissabotage wird noch absurder. Am 28. August deckte Bundesfinanzminister Christian Lindner, das einzige Kabinettsmitglied der FDP, auf, dass nach den undurchsichtigen Bestimmungen der komplexen EU-Strommarktreform die Erzeuger von Strom aus Sonnen- oder Windenergie automatisch den gleichen Preis für ihren „erneuerbaren“ Strom erhalten, den sie an die Energieversorgungsunternehmen für das Netz verkaufen, wie den des teuersten Energieträgers, d. h. des Erdgases!

      Lindner forderte eine „dringende“ Änderung des deutschen Energierechts, um die verschiedenen Märkte zu entkoppeln. Der fanatische grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck entgegnete sofort: „Wir arbeiten mit Hochdruck an einem neuen Marktmodell“, mahnte aber, dass die Regierung darauf achten müsse, nicht zu sehr einzugreifen: „Wir benötigen funktionierende Märkte und müssen gleichzeitig die richtigen Regeln setzen, damit die Positionen im Markt nicht missbraucht werden.“

      Habeck setzt in der Tat alles daran, die Grüne Agenda zu verwirklichen und auf Gas, Öl und Atomkraft, die derzeit einzigen zuverlässigen Energiequellen, zu verzichten. Er weigert sich, die Wiederinbetriebnahme von drei vor einem Jahr stillgelegten Kernkraftwerken in Betracht zu ziehen oder die Schließung der übrigen drei im Dezember zu überdenken. Während er in einem Bloomberg-Interview erklärte, dass „ich diese Frage nicht ideologisch angehen werde“, erklärte er im nächsten Atemzug: „Atomkraft ist nicht die Lösung, sie ist das Problem.“ Sowohl Habeck als auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben wiederholt erklärt, dass mehr Investitionen in unzuverlässige Wind- und Solarenergie die Antwort auf eine Gaspreiskrise seien, die sie mit ihrer Politik bewusst herbeigeführt haben. Die selbstmörderische Energiekrise in Europa ist in jeder Hinsicht „Made in Germany“, nicht in Russland.”

      Antworten
  4. MFK
    MFK sagte:

    1) Wir haben eine globale geopolitische Krise. Der Lieferstopp für Gas ist nur ein kleiner Aspekt dieser Krise.
    2) Credit Suisse sieht in einem research paper 2 Billionen USD an Wertschöpfung abhängig von russischem Gas in Höhe von USD 20 Milliarden. Nicht alles an dieser Wertschöpfung wird ausfallen. Die Kaskade ist aber lang. Wer z.B. € 1000 an Nebenkosten für Gas nachzahlen muss, kauft auch keine Schuhe mehr. Nicht alles ist absehbar. Im Derivatemarkt werden wir noch einige Überraschungen erleben.
    3) Abzuwarten bleibt, wie die Energieversorgung in Deutschland neu aufgestellt wird. Hiervon wird vieles abhängen.
    4) Die spin doktoren werden auch weiter ihr Unwesen treiben. Man sollte sie nicht allzu ernst nehmen.

    Antworten
  5. Beobachter
    Beobachter sagte:

    Tagesspiegel: Gehört zu Holtzbrinck, wie auch Handelsblatt, Wirtschaftswoche und 50% der ZEIT.
    Die geballte deutsche Wirtschaftskompetenz. Kein Wunder wo wir stehen.

    Antworten
  6. Zweifler
    Zweifler sagte:

    “…sollte Deutschland in der Lage sein, die Belastung etwas besser zu verkraften als Italien…”

    Italien wird sehr wahrscheinlich eines der wenigen EU-Länder sein, das kaum Probleme mit der Gasversorgung haben wird. Italien hat mehrere Entry-Points. Algerien, Aserbaidschan, Libyen und andere. Sogar russisches Gas fließt noch.

    Antworten
  7. Stoertebekker
    Stoertebekker sagte:

    Na, heute sind sich alle Kommentatoren ja mal einig. Noch zwei, drei Gedanken aus meiner Welt.

    – BASF allein verbraucht 1% des gesamten deutschen (elektr.) Energieverbrauchs (der Gasverbrauch am Stammsitz Ludwigshafen entspricht dem der gesamten Schweiz)
    – die Produkte der BASF sind in aller Regel Vorprodukte für nahezu alle anderen Produktwertschöpfungsketten und viele Dienstleistungswertschöpfungsketten, so dass ein Problem bei der BASF durch die gesamte Wirtschaft wandert
    – Nicht umsonst hat die BASF daher über Rückwärtsintegration nachgedacht und mit der Wintershall eine Tochtergesellschaft (ehemals 100%ig, heute 67%ig), die sich um Erdöl-/Erdgasproduktion kümmert.
    – Wintershall hat sich an russischer Erdgasförderung und auch an Erdgasfeldern beteiligt (deutsche Gasspeicher wurden 2014 gegen Erdgasfeld-Beteiligungen in Russland getauscht – insofern hat die Industrie schon eine Mitschuld an der jetzigen Lage)
    – Aller Voraussicht nach lagen damit die Erdgaskosten unter denen der europ. Großhandelspreise (und wenn es auch nur indirekt über die der BASF zugeflossenen Gewinne der Wintershall ist)

    Wie gestern und früher schon geschrieben, diese ganzen Elfenbeinturmgrößen sollten sich mehr um das Verständnis der Realwirtschaft als statistischer oder sonstiger Analyseverfahren kümmern.

    Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Stoertebekker

        RICHTIG – Realität !

        Es kann auch ein CHINESISCHER Name am Schornstein stehen – und vermutlich WIRD es auch ein chinesischer Name sein.

      • Beobachter
        Beobachter sagte:

        Mag aus der Sicht von BASF und seinen internationalen Aktionären richtig sein. Das Problem ist nur, dass es dann kaum noch zum deutschen BSP und Steueraufkommen beitragen wird. Wenn man das auf die DAX und MDAX Industrie ausdehnt wird’s eng. Die lokale Deindustrialisierung ist eben keine Lösung.

      • Stoertebekker
        Stoertebekker sagte:

        @Beobachter

        Ungemütlich wird‘s in jedem Fall. ABER

        a) solange die Anlagen in D betrieben werden, ist erstmal egal, welcher Name am Schornstein steht. Jedenfalls für die Beschäftigten und die lokalen Folgecluster (Bäcker, Einzelhandel usw.)

        b) Die Frage der Gewinnsteuern müsste wegen Rechtsform/Stammsitz auch nicht zwangsläufig desaströs enden. Siehe amerikanische Konzerne in Europa.

  8. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Zuerst einmal: Daniel Gros ist ein ANERKANNTER Ökonom.

    Dann dieser Satz, der zu Recht mit ungläubigem Kopfschütteln bedacht wird:

    >Zunächst einmal spielt Erdgas keine so große Rolle, dass es die treibende Kraft hinter einer Industriewirtschaft sein könnte. Im Jahr 2019 bezahlte Deutschland für die Gasimporte via Pipeline 30 Milliarden Dollar – das entspricht nur 0,75 Prozent seines BIP –, und der Gesamtwert des deutschen Gasverbrauchs lag unter zwei Prozent des BIP.“

    Beurteilung:

    >bto: Dies alleine genügt aber noch nicht, um zu sagen, dass es kein Problem ist, …>

    Zu sagen „genügt noch nicht“, heißt:

    Ist ZIELFÜHREND, wenn auch nicht hinreichend, die Problematik darzulegen.

    Dr. Stelter, ich bitte Sie!

    Die Aussage von Gros ist zwar RICHTIG, aber IRREFÜHREND, um die BEDEUTUNG von Gas für die deutsche Wirtschaft darzulegen.

    Sie sind ÖKONOM und sollten KLARTEXT reden.

    Und dies nicht nur punktuell, wie Sie es auch tun, sondern RIGOROS.

    Sorry, dass ich das so unverblümt sage, aber wir leben in Zeiten, in denen mangelhafte Differenzierung – gewollt oder aus Unfähigkeit − längst zum Kennzeichen unheilvollen TAKTIERENS geworden ist.

    Bei dem, was auf dem Spiel steht, sollten wir uns das nicht leisten.

    Dort jedenfalls nicht, wo wir uns ERNSTHAFT um Verständnis bemühen.

    Antworten
  9. Lele Castello
    Lele Castello sagte:

    Bei Energieimporten für Länder die Nettoenergieimporteure sind geht es erstmal darum keinen Nachteil zu haben. Dazu gehören hauptsächlich 2 Punkte:
    1. Eine langfristige stabile Energieversorgung. (planbar für Investitionen)
    2. Ein Land zu finden das die eigene Währung (im Falle von D – Euro) gegen Energie nimmt. Das erlaubt dem Land ein weiches Asset (Geld zu drucken) gegen ein hartes Asset (Rohstoffe) zu tauschen.

    Antworten
  10. Gnomae
    Gnomae sagte:

    Der Artikel beweist:

    Eine makroökonomische Betrachtung von Sachverhalten kann zu absolut falschen Schlussfolgerungen führen.

    Es bleiben zwei Fakten: Wenn Gas für die Schaffung von Vorprodukten benötigt wird, muss es vorhanden sein. Wenn der Gasinput ausfällt gibt es kein Vorprodukt, ergo auch der Rest der Produktionskette fällt aus, damit einhergehend im besten Falle: Einstellung der Produktion, Kurzarbeit Null etc., im schlechtesten Falle: Totalschaden an der Industrieanlage.

    Wenn man Gasknappheit hat, kann gespart werden, dies ist unbenommen. Aber man sollte dann die Folgen auch klar darstellen und die Industrie auch darauf vorbereiten. Sicherlich können Anlagen, wenn guter Vorlauf vorliegt, abgeschaltet oder teilabgeschaltet werden. Man soll aber sich nicht vor den Folgen verstecken: Kurzarbeit oder Teilstillegung von Produktionen mit Kündigungen der Arbeitsverhältnisse.

    Das Verbot von fossilen Brennstoffen ist die eigentliche Katastrophe, weil man nicht einsehen will, dass auch Filter etc. eingesetzt werden können.

    Im Grunde geht es ideologisch um den Umbau der Gesellschaft, eine Utopie, da eine grüne Hochtechnologie (alles strombasiert) den Verbrauch vervielfacht. Also steigen auch die Kosten überproportional, wenn man die Physik beachtet.

    Keiner verbietet Deutschland, sich aus der Welt zu verabschieden.

    Antworten
  11. Vater Thiel
    Vater Thiel sagte:

    In welchem Maße ist Wirtschaft Psychologie und lebt von äußeren und inneren Bildern ?

    Herbst 2022.
    Irgendwo in Niedersachsen.
    Landtagswahlen im Zeichen des Klimawandels.
    Du stehst in der Wahlkabine.
    Du hättest die Chance.
    Aber Du nutzt sie nicht.
    Du machst Dein Kreuz bei den Schwurblern.

    Acht Monate später.
    Irgendwo in der Lüneburger Heide.
    Die Sonne. Sechzig Grad.
    Du hast seit zwei Tagen nichts mehr getrunken.
    Da ! Am Horizont !
    Palmen, und ein See.
    Das ist die Rettung.
    Noch ein paar Hundert Meter und Du springst ins Wasser …

    Du weinst !
    Spürst den trockenen, staubigen Sand in Deinem Mund und Deinen Händen.
    Eine Fata Morgana.
    Du hast es nicht geglaubt.
    Das ist der Klimawandel.
    Niedersachsen ist jetzt die Mojave Wüste.
    Du bist schuld !
    Du hättest es verhindern können !
    Warum hast Du vor acht Monaten nicht das Richtige gewählt ?

    Könnte es so im Inneren manch gequälter Wählerseele aussehen ?

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Vater Thiel

      “Könnte es so im Inneren manch gequälter Wählerseele aussehen ?”

      Na klar. Stellen Sie sich einen richtig durchschnittlichen Durchschnittsdeutschen vor. Durchschnittlich intelligent, durchschnittlich hysterieanfällig, mit durchschnittlichem Medienkonsum, und so weiter.

      Jetzt kommts: 50% der Deutschen sind dümmer, hysterischer und gucken mehr öffentlich-rechtliches Propagandafernsehen als der.

      Und die dürfen alle wählen, genau wie Sie und ich.

      Antworten
  12. Felix
    Felix sagte:

    Dieser Beitrag ist so dumm und wirklichkeitsverfälschend, dass er, würde er in den Massenmedien so verbreitet, für meinen Geschmack die Qualität “kriminell” verdient.

    Ich werde das nicht weiter kommentieren.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Felix

      “würde er in den Massenmedien so verbreitet, für meinen Geschmack die Qualität ‘kriminell’ verdient”

      Wird er doch. Der Artikel war offenbar eine Auftragsarbeit für “Project Syndicate” und hat es dadurch zum Beispiel in den Tagesspiegel geschafft.

      Antworten
  13. Thomas M.
    Thomas M. sagte:

    >Im Jahr 2019 bezahlte Deutschland für die Gasimporte via Pipeline 30 Milliarden Dollar – das entspricht nur 0,75 Prozent seines BIP –, und der Gesamtwert des deutschen Gasverbrauchs lag unter zwei Prozent des BIP. […] Diese bescheidenen Anteile präsentieren sich in allen Industrieländern ähnlich und deuten darauf hin, dass billige Gasimporte höchstwahrscheinlich kein wesentlicher Wachstumsfaktor sind.

    Ist da noch mehr zu erklärt oder ist das einfach so kurz und falsch, daraus die Relevanz abzuleiten? Für den Sauerstoff bezahlen die Unternehmen gar nichts, also spielt er keine Rolle für deren Produktion und Wertschöpfung, oder? Man kann von den Kosten odes des Umfangs eines einzelnen Input-Faktors überhaupt nicht auf dessen Relevanz für die Wertschöpfung schließen.

    >Werden große Mengen an russischem Gas aus dem Verkehr gezogen, werden die weltweiten Gaspreise steigen.

    Aus dem Verkehr gezogen? Das renkt sich schon wieder ein mit / dank Indien und China. Gas ist Gas und Öl ist Öl.

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Thomas M.

      >Für den Sauerstoff bezahlen die Unternehmen gar nichts, also spielt er keine Rolle für deren Produktion und Wertschöpfung, oder?>

      WIEVIELE Jahre muss man Ökonomie studieren, um diese Feststellung treffen zu können?

      Null.

      Es genügt, für einige Momente den GESUNDEN Menschenverstand zu bemühen.

      Aber klar, da noch nicht mal der bemüht wird, kann man prima Stimmung im Lande machen, so wie hier beispielhaft der tagesspiegel.

      Und das auch noch nahezu anstandslos, wenn man sich auf einen ÖKONOMEN berufen kann.

      Antworten
      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        @Hr. Tischer

        Mir gefällt in dem Zusammenhang das Zitat aus dem anderen Thread vom Herrn Ott:

        ““Some ideas are so stupid that only intellectuals believe them.”
        – George Orwell

        Vielleicht muss man lange studieren, um das Offensichtliche nicht mehr erkennen zu können? Es ist aber auch ein Ärgernis, dass die komplexe Realität immer wieder nicht zur den schönen und griffigen Kopfmodellen passt ;)

      • Beobachter
        Beobachter sagte:

        “Vielleicht muss man lange studieren, um das Offensichtliche nicht mehr erkennen zu können?”

        Genau, man muss nur lange genug Soziologie, Politologie und Genderwissenschaften studieren.
        Bei BWL/VWL bin ich mir nicht ganz sicher.
        MINT-Fächer braucht ja keiner mehr.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Thomas M.

        Ich stelle folge These zur Diskussion:

        Das MEINUNGSANGEBOT von akademisch gebildeten Menschen generell und Spitzenpersonal wie Professoren speziell ist so GROSS, dass man bessere Preise = MEHR AUFMERKSAMKEIT offensichtlich nur NOCH erzielen kann, wenn man aus dem MAINSTREAM-Rahmen fällt.

        Da es SEHR schwierig und dazu auch VIEL Arbeit verlangt, dies mit FUNDIERTER, d. h. ERNSTHAFT diskussionswürdiger Leistung zu erbringen, sind vermehrt WILDE These in der Diskussion.

        Das reicht wie hier bei Gros bis ins anspruchsvolle akademische Niveau.

        Kennzeichen dafür ist oft eine UNANGEBRACHTE, auch REISSERISCHE Begriffswahl, wie hier:

        >project-syndicate.org: „Russian Gas Cuts Will Not Kill the German Economy“, 9. August 2022>

        “To KILL” ist im Rahmen ökonomischer Diskussion UNSINN.

        Da ist sogar der tagesspiegel noch besser mit:

        >Deutschlands Wirtschaft wird Putins Gasdrosselungen verkraften“, 15. August 2022>

      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        @Hr. Tischer

        >Das MEINUNGSANGEBOT von akademisch gebildeten Menschen generell und Spitzenpersonal wie Professoren speziell ist so GROSS, dass man bessere Preise = MEHR AUFMERKSAMKEIT offensichtlich nur NOCH erzielen kann, wenn man aus dem MAINSTREAM-Rahmen fällt.

        Ergänzung: Die Menschen suchen bevorzugt neue Informationen. (Der englische Begriff “News” ist daher sehr passend vs. “Nachrichten”.) Wenn der Mainstream schon bekannt ist, klickt man bevorzugt auf Abweichendes. (Beobachte ich bei mir selbst.) Hinzu kommt, wie Sie schreiben, dass es heute ein extrem breites und oft kostenloses Angebot gibt. Auch deswegen muss man möglichst über die Headline schon herausstechen.

        Hinzu kommt, dass sich einige doch sehr erkennbar in der Rolle des Querkopfes, Enfant terrible etc. gefallen.

        >Da es SEHR schwierig und dazu auch VIEL Arbeit verlangt, dies mit FUNDIERTER, d. h. ERNSTHAFT diskussionswürdiger Leistung zu erbringen, sind vermehrt WILDE These in der Diskussion.

        Mein Eindruck ist – und das wird auch in Online-Marketing-Beiträgen gelehrt – dass ein konstanter News-Flow lebenswichtig ist. Also lieber 10x ein einfacher Beitrag, den man in sagen wir 4h geschrieben hat, als 1x ein 40h-Artikel. Das passt auch besser zu breiten Zielgruppe, denn im einen Falle bespiele ich 10x sagen wir 100 Personen, im anderen 1x 10 Personen. Wenn ich werbefinanziert arbeite, ist die Rechnung klar, wo mehr Geld fließt Ich denke, dass alleine erklärt einen Teil der fehlenden Tiefe.

        Hinzu kommt ihr Punkt: Es wird gerne wild, denn…
        – man braucht eine möglichst wilde Kernbotschaft für die Aufmerksamkeit
        – man konstruiert ausgehend von der Botschaft *zurück* eine Geschichte, statt von den Fakten abzuleiten; das in Kombination mit fehlender Zeit führt automatisch zu wilden Konstrukten

        >Kennzeichen dafür ist oft eine UNANGEBRACHTE, auch REISSERISCHE Begriffswahl, wie hier:
        >project-syndicate.org: „Russian Gas Cuts Will Not Kill the German Economy“, 9. August 2022>

        Bei den Titeln können die Autoren allerdings oft nichts dazu, da diese von den Portalen gebaut werden. (Hr. Stelter wies ja auch ab und an drauf hin “Titel ist nicht von mir…”) Über ihre Tracking-Tools sehen die Portalbetreiber, was zieht und werden on-the-job geschult, aufmerksamkeitsstarke Titel zu finden. (Bei E-Mail-Marketing-Software finden Sie z.B. Features, wo man in einer Kampagne unterschiedliche Texte ausprobieren kann. Dann schaut man sich an, wo mehr geklickt wird, und nimmt den Text / Titel für das Gesamtmailing. Wer weiß, wenn KI irgendwann fortgeschritten ist, passt sie vielleicht Titel und Inhalt sprachlich automatisch an den Empfänger an. Das wäre noch einmal ein Quantensprung.)

        Findet man diese reißerische und – meine Ergänzung – sehr selbstbewusste Aufmachung auch im Haupttext, ist das allerdings das Warnsignal schlechthin. Gute Artikel erkennt man m.E. regelmäßig daran, dass sie pro/contra oder abwägend geschrieben sind und sich unsicher in der Ableitung sind. Aber das ist natürlich nichts, was der Orientierungssuchende schätzt.

        Mein Eindruck ist übrigens, dass Online-Zeitungen / Portale zu gesellschaftlichen / politischen Themen es perfektioniert haben, den politisch auf gleicher Linie Befindlichen das zu liefern, was sie hören wollen, und gleichzeitig dabei einen Ton zu treffen, dass auch die politischen Gegner den Beitrag lesen, um sich aufregen zu können.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Thomas M.

        Danke für Ihren ergänzenden Kommentar.

        Und richtig, ganz wichtig:

        Nicht nur das von mir thematisierte Angebot, sondern auch die NACHFRAGE muss einbezogen werden.

        Was Sie dazu sagen, kann ich nur unterstreichen.

        Verglichen mit den Kommunikationsgewohnheiten von früher sind wir – natürlich auch technologisch durch das Internet bedingt – in einem ganz anderen Modus.

        Wir PRODUZIEREN weniger Güter, KONSUMIEREN mehr Informationen.

        Das macht uns in einer gewissen Weise zu ganz ANDEREN Menschen.

        Ich glaube, dass dies in letzter Konsequenz vielleicht überhaupt nicht zu begreifen ist in einer Welt, die sich auf dieser Schiene kontinuierlich weiter verändert.

        Gut 30 Jahre Internet sind erst der ANFANG …

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer, Thomas M.

        “Das MEINUNGSANGEBOT von akademisch gebildeten Menschen generell und Spitzenpersonal wie Professoren speziell ist so GROSS, dass man bessere Preise = MEHR AUFMERKSAMKEIT offensichtlich nur NOCH erzielen kann, wenn man aus dem MAINSTREAM-Rahmen fällt.”

        Das ist eine zutreffende Beschreibung der medialen Mechanismen – aber hat es ausgerechnet ein Daniel Gros nötig, mit möglichst verrückten Thesen um Aufmerksamkeit für sich zu werben?

        Hier seine Biografie:

        “Daniel Gros is a Member of the Board and Distinguished Fellow at the Centre for European Policy Studies (CEPS). He joined CEPS in 1986 and has been the Director of CEPS from 2000 to 2020.

        Prior to joining CEPS, Daniel worked at the IMF and at the European Commission as economic adviser to the Delors Committee that developed the plans for the euro.

        Over the last decades, he has been a member of high-level advisory bodies to the French and Belgian governments and has provided advice to numerous central banks and governments, including Greece, the UK, and the US, at the highest political level.

        Daniel is currently also an adviser to the European Parliament and was a member of the Advisory Scientific Council (ASC) of the European Systemic Risk Board (ESRB) until June 2020. He held a Fulbright fellowship and was a visiting professor at the University of California at Berkeley in 2020.”
        https://www.ceps.eu/ceps-staff/daniel-gros/

        Mein Eindruck ist eher, dass der Zweck seines Artikels Durchhaltepropaganda ist.

  14. Bauer
    Bauer sagte:

    Das klingt nach Pfeifen im Walde.

    >> “Deutschlands Gasintensität pro BIP-Einheit beträgt etwa die Hälfte des weltweiten Durchschnitts und …
    … Aber selbst innerhalb Europas schneidet Deutschland mit einem geringeren Gasverbrauch pro BIP-Einheit besser ab.”

    Das mag schon so stimmen. Aber D hat dafür seine Braunkohle, die andere nicht haben (wie lange noch?) und schaltet seine restlichen AKW mitten im Winter ab.

    Der Lakmustest wird nicht lange auf sich warten lassen. Wohl bekomm’s!

    Antworten
  15. Hansjörg Pfister
    Hansjörg Pfister sagte:

    Der Artikel dieses Herrn Gros ist ein ziemlicher Blödsinn. Der Anteil des BIP, den wir für Erdgas aufwenden müssen, ist nicht maßgeblich für seine Relevanz. Meine Stromkosten, die ich für die Ausübung meines Berufes (Softwareentwickler) ausgeben muss, ist auch verschwindend gering gegenüber meinem Einkommen. Trotzdem ist ohne Strom mein Einkommen == 0. Habe ich Strom, ist es nicht so wichtig wie viel er kostet, da hat er recht. Wäre ich ein Alu – Werk, sähe die Sache aber wieder ganz anders aus. Kleines Beispiel: Es machen inzwischen wegen der hohen Preise Betriebe dicht, die AddBlue oder Vorprodukte dafür produzieren (Ammoniak). Ohne AddBlue fährt kein moderner LKW. Und was ohne LKWs los ist, brauche ich hier wohl nicht zu beschreiben. Herr Gros denkt deutlich unterkomplex, er versteht eben nur etwas von theoretischer Ökonomie. Die ganzen Zusammenhänge überdenkt er nicht.

    “kann sich das schnell ändern. Deutschland baut in Rekordzeit neue Kapazitäten im Bereich Regasifizierung auf, um Flüssiggas-Import in Mengen zu ermöglichen, die die reduzierten russischen Liefermengen kompensieren und die Inlandsnachfrage bedienen.”

    Was für ein Blödsinn. Wo sind die Zahlen? Das geplante LNG Terminal kann, wenn’s gut läuft, vielleicht 8 Milliarden Kubikmeter über’s Jahr liefern. Das sind nicht mal 10% des Bedarfs, wobei der weitaus größte Bedarf im Winter anfällt, im Sommer bekommen wir auch so genug Gas. Werden die beiden LNG – Terminals rechtzeitig fertig, gibt es überhaupt genug Kapazitäten diese zu bedienen (Tanker usw.)?

    Antworten
    • Thomas M.
      Thomas M. sagte:

      >Wo sind die Zahlen?

      Hierzu fällt mir auf, dass man diese in “politischen” Artikel selten findet. Ich hatte vor drei Jahren und noch einmal vor einigen Monaten eine Investment-Analyse gelesen, die zum Ergebnis kam, dass LNG keine Konkurrenz zum Gazprom-Gas sei (fehlende Infrastruktur-Alternative und Preis) bzw. dass die bestehende LNG-Terminals in Europa schon fast komplett ausgelastet sind und es Jahre dauert, Infrastruktur aufzubauen, um das zu kompensieren.

      Da ich mir sicher bin, dass die erdgasheizenden Bürger (so wie wir als Mieter im MFH) nicht eben mal zwischendurch Wärmepumpen installieren können, für die dann vermutlich nicht mal genug Strom im Winter da ist, ist die Frage schon berechtigt: Und jetzt?

      Antworten
      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Thomas M.

        ” Ich hatte vor drei Jahren und noch einmal vor einigen Monaten eine Investment-Analyse gelesen, die zum Ergebnis kam, dass LNG keine Konkurrenz zum Gazprom-Gas sei (fehlende Infrastruktur-Alternative und Preis) bzw. dass die bestehende LNG-Terminals in Europa schon fast komplett ausgelastet sind und es Jahre dauert, Infrastruktur aufzubauen, um das zu kompensieren.”

        Ja, das ist auch meine Schlussfolgerung aus den mir bekannten Statistiken. Allerdings ist die LNG-Infrastruktur (also Entladen und Verteilen) nicht das einzige Problem, die Verfügbarkeit von genügend LNG-Tankern ist auch nicht gegeben – und kurzfristig können die LNG-Lieferanten uns nicht genug liefern um die jetzt ausfallenden 85 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr aus Russland alleine an Deutschland zu kompensieren.

        Da führt an Energierationierung kein Weg vorbei.

        “ist die Frage schon berechtigt: Und jetzt?”

        Einfach mal eine Zeit lang die Heiztätigkeit einstellen. Haben Sie in dieser Woche gar nichts von Habeck gelernt? ;)

      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        @Hr. Ott

        Stimmt die Tanker waren auch noch so eine Lücke für den LNG-Quick-Win…

        Anders als vermutlich Habeck bin ich übrigens die ersten Jahre ohne Zentralheizung aufgewachsen und war beim Bund im Winter im Wald. Ich weiß also tatsächlich, wie sich das ohne Heizung anfühlt. Ich weiß daher auch, dass man lieber mit den Kameraden marschiert, weil einem da warm wird, als in der Kälte zu hocken. Das werden vielleicht noch mehr Deutsche im Winter für sich entdecken :>

  16. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    Oh je. Der Artikel ist so haarsträubend schlecht, dass es mich gar nicht überrascht, dass er noch von “Project Syndicate” weiterverbreitet wird, mit freundlicher Finanzierung von :

    Our Network of Support
    Open Society Foundations [George Soros], Bill & Melinda Gates Foundation, MasterCard Foundation, European Climate Foundation, European Journalism Centre, Children’s Investment Fund Foundation, Mohammed bin Rashid Al Maktoum Knowledge Foundation [das ist übrigens die Stiftung vom Scheich von Dubai…], the Heinrich Böll Stiftung [die Grünen-Parteistiftung], the Friedrich-Ebert-Stiftung [die superlinke SPD-Parteistiftung], GAM, Google Digital News Initiative, McKinsey Global Institute, Nature Conservancy, Sustainable Development Solutions Network.
    https://www.project-syndicate.org/about

    Mein Lieblingsteil:

    „Auch das weltweite Gesamtbild sollte nicht aus den Augen verloren werden. Werden große Mengen an russischem Gas aus dem Verkehr gezogen, werden die weltweiten Gaspreise steigen. Das betrifft auch asiatische Länder, weil sie mit Europa um verflüssigtes Erdgas konkurrieren. Südkorea und Japan weisen eine höhere Energieintensität als Europa auf, und selbst China importiert große Mengen an verflüssigtem Erdgas, und zwar zu einem ähnlichen Preis wie die europäischen Länder.“

    Tja, wie werden sich die Gaspreise wohl zwischen verschiedenen Staaen ausdifferenzieren, wenn Europa, Südkorea und Japan das böse Russengas boykottieren währen die Chinesen ihre Importe aus Russland deutlich ausweiten? Wer könnte dadurch auf wessen Kosten einen Wettbewerbsvorteil bekommen?

    Wenn solcher naiv-gesundbeterischer Unsinn in deutschen Medien verbreitet wird, dann wundert es mich nicht, dass wir andauernd politische Entscheidungen treffen, die unseren eigenen wirtschaftlichen Interessen komplett entgegenlaufen.

    Antworten
  17. Gerald Baumann
    Gerald Baumann sagte:

    Ganz offensichtlich hat Daniel Gros eine völlg unterkomplexe Sicht auf die Wirtschaft. Was interessieren Anteile am BIP beim Gasverbrauch? Die einzig relevante Frage ist, was wird konkret mit dem Gas gemacht und kann man es unter wettbewerbsfähigen Kosten substituieren? Da ist es völlig egal ob ich für Gas 0,2%, 8% oder 20% des BIP ausgebe. Gas steht bei vielen Dingen am Anfang der Lieferketten, z.B. als Dünger in der Landwirtschaft. Wenn das dort ausfällt oder die Kosten explodieren, zieht sich das bis zum Endverbraucher durch. Der Konsum muss reduziert werden. Die Rezession ist angekommen. Ach, das BIP sinkt. Da ist es ja doch wieder.

    Antworten

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