Deutschland der große Eurogewinner? – Falsch gerechneter Vergleich mit Japan als Basis für die Transferunion?

Bekanntlich halte ich Deutschland nicht für den großen Gewinner des Euro. Im Gegenteil, wir sind die wahren Verlierer. So unter anderem vor einiger Zeit im ifo-Schnelldienst erläutert (und davor im manager magazin):

→ ifo-Schnelldienst: Zehn Gründe, warum die Deutschen nicht die Gewinner des Euros sind

Kein Wunder also, dass mich gleich mehrere Leser um die Kommentierung einer aktuellen Studie des CEP gebeten haben. Denn darin steht, dass kein Land so sehr profitiert hat wie Deutschland, was dann die Grundlage legen soll, für die Aussage, “ein reiches Land wie Deutschland, welches wie kein anderes vom Euro profitiert, das sollte doch … den Euro mit einer Transferunion retten.” Märchen also.

Ich würde das unterstützen, wenn es denn funktionieren würde, was es allerdings nicht tut. Es sind eben vor allem private Geldströme, die fehlen und die selbst in USA und Deutschland für Ausgleich sorgen. Das kann man durch staatliche Umverteilung niemals ausgleichen: → „Toward a fiscal Union for the Euro Area“.

Abgesehen davon wäre es ungerecht (die anderen sind reicher) und wenn man auch diesen Punkt zur Seite schiebt, bleibt nur die nüchterne Erkenntnis, dass wir es uns einfach angesichts der demografischen Entwicklung nicht leisten könnten. Da kommt dann unser Märchen wieder zum Tragen.

Doch schauen wir uns die Argumentation des CEP genauer an:

  • “Ein aussagekräftiges Maß für die Frage, ob der Euro für die einzelnen Euro-Staaten per saldo zu Wohlstandszuwächsen oder zu Wohlstandseinbußen geführt hat, ist die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf der Bevölkerung (BIP pro Kopf). Daher wird dieses der folgenden empirischen Untersuchung zugrunde gelegt. Hierbei wird mit Hilfe der synthetischen Kontrollmethode für ausgewählte Euro-Staaten ermittelt, wie sich das BIP-pro-Kopf entwickelt hätte, wenn sie der Euro-Zone nicht beigetreten wären. Ein Vergleich mit der tatsächlichen BIP-pro-Kopf-Entwicklung ermöglicht es dann, die Wohlstandswirkungen des Euro-Beitritts zu bestimmen.” – bto: Das leuchtet theoretisch ein. Probleme gibt es allerdings mit den Vergleichsländern, wie wir gleich sehen werden. Außerdem stellt sich mir die Frage, ob das BIP pro Kopf richtig ist oder ob es nicht besser das BIP pro Erwerbstätigen wäre. Dazu gleich noch mehr!
  • “Unsere Fragestellung lautet: Wie hoch wäre das Pro-Kopf-BIP eines bestimmten Euro-Staates, wenn er den Euro nicht eingeführt hätte? Diese Frage wird mit Hilfe der synthetischen Kontrollmethode beantwortet. Diese Methode ermöglicht es, die Auswirkungen einer politischen Maßnahme – hier der Euro- Einführung – auf eine bestimmte Größe – hier das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – zu quantifizieren. Mit der synthetischen Kontrollmethode kann die tatsächliche BIP-pro-Kopf-Entwicklung eines Euro-Staates mit der hypothetischen Entwicklung unter der Annahme verglichen werden, dass dieser Staat den Euro nicht eingeführt hätte (sog. kontrafaktisches Szenario).” – bto: ein zulässiges Vorgehen.
  • Das machen sie dann mit länderspezifischen Vergleichsgruppen was zu folgendem – schlagzeilenträchtigen!!! – Ergebnis führt:

Quelle: CEP

Wir wissen alle, was damit passiert. Es wird durch die Talkshows geistern und als Argument dienen, eine Transferunion zuzulassen. Komischerweise werden die über 12.000 Euro pro Kopf TARGET-Forderungen nicht gegengerechnet. Dann wäre der Nutzen nur halb so hoch.

So aber kommt es zunächst zu diesem beeindruckenden Bild:

Quelle: CEP

Dann schauen wir uns doch mal an, warum Deutschland so viel “gewonnen” hat und mit wem Deutschland verglichen wurde:

Quelle: CEP

Vergleichsländer waren also Japan, Bahrain, UK und die Schweiz. Wichtig ist: Bei den anderen Ländern taucht Japan gar nicht auf oder nur mit geringsten Prozentsätzen.

Doch was bedeutet es, Japan mit dabeizuhaben? Das Land hat ein ausgesprochen geringes BIP- Wachstum, wie allseits bekannt. In Dollar gerechnet ist das BIP zwischen 1999 und 2018 um rund sechs Prozent gewachsen. Nicht pro Jahr, sondern insgesamt! → “Japan GDP – Gross Domestic Product”

Wenn man Nullwachstum als Benchmark nimmt, dann sieht man schnell gut aus. Vor allem wenn man unterschlägt, dass das Nullwachstum die Folge der Demografie ist, die uns erst bevorsteht! Vermutlich haben die Autoren, damit das Ergebnis nicht ganz zu auffällig ist, Großbritannien hinzugenommen (BIP + 69 % zwischen 1999 und 2018) und Bahrain mit einer Verfünffachung.

Doch bleiben wir kurz bei Japan und dem Vergleichsmaßstab. Ist es wirklich richtig, auf das BIP pro Kopf zu blicken oder sollten wir nicht vielmehr – wenn es darum geht, den Nutzen des Euro zu quantifizieren! – auf das BIP pro Erwerbstätigen schauen? Das machen wir mal:

Deutschland: 1999: 80.545 US-Dollar (konstant 2011) und 91.770 US – Dollar 2018 macht ein Plus von 11.225 bzw. 14 Prozent.

Japan: 1999: 64.301 US-Dollar und 2018 77.261 US-Dollar, macht ein Plus von 12.960 bzw. 20 Prozent.

In Großbritannien stieg das BIP pro Erwerbstätigen von 68.475 auf 80.544 um 12.069 bzw. 17 Prozent!

Leider waren die Zahlen für Bahrain bei der Weltbank nicht zu finden. Hier der Link zur Quelle: → Weltbank GDP per person employed)

Wenn man also eine Aussage treffen kann, dann genau die gegenteilige! Deutschland hatte eine schlechtere Entwicklung des BIP pro Erwerbstätigen als die Vergleichsländer. Der Euro hat, so gesehen, den Wohlstand hierzulande gesenkt, nicht erhöht.

Das lässt sich auch erklären:

  • Die Krise nach Euroeinführung führte zu den Hartz-IV-Reformen, der internen Abwertung und damit zu einem geringeren Einkommen für viele Menschen.
  • Der schwache Euro reduziert den Wettbewerbsdruck und damit die Produktivitätsfortschritte. Hinzukommt, dass weniger produktive Sektoren auch im internationalen Wettbewerb bestehen, was zu einer Mixverschiebung in die schwächeren Bereiche führt und damit die Volkswirtschaft perspektivisch schwächt.
  • Das billige Geld der EZB zur “Rettung” des Euro befeuert zusätzlich die hiesige Konjunktur.

Fazit: Ich bin enttäuscht über diese Studie, die so offensichtlich vom gewünschten Ergebnis her gedacht wurde. Nimmt man Japan als Benchmark, muss man anders rechnen und die Wohlstandseffekte unbedingt pro Erwerbstätigen beziffern.

→ cep.eu: “20 Jahre Euro: Verlierer und Gewinner”, Februar 2019