Deutsche trauen sich nicht, zur Flüchtlingskrise offen zu reden

Meine Sicht auf das Thema Migration habe ich hier schon dargelegt. Es ist eine enorme finanzielle und soziale Herausforderung, bei der wir uns bezüglich des ökonomischen Nutzens nichts vormachen sollten. Weit weniger Flüchtlinge werden sich in den Arbeitsmarkt eingliedern (lassen) und wir müssen mit Kosten in Billionenhöhe rechnen. Vor allem, weil wir heute die erforderlichen Maßnahmen nicht ergreifen. Weiterhin lesenswert:

„Eine ehrliche Rechnung zu den Flüchtlingen“

„Lasst sie kommen? – Ich würde Fakten bevorzugen. David Folkerts-Landau vs. Daniel Stelter“

Hier das Ergebnis der neuesten Allensbach-Umfrage, die weniger durch die Aussagen zum Thema als wegen der Behandlung des Themas interessant ist:

  • „Im August waren 40 Prozent der Bürger außerordentlich besorgt, im September 44 Prozent, heute sind es 54 Prozent.“
  • „Kurzfristig bringt die Zuwanderung nach Einschätzung der überwältigenden Mehrheit überwiegend Risiken mit sich; lediglich sechs Prozent sehen überwiegend Chancen, weitere 16 Prozent ein ausgewogenes Verhältnis von Risiken und Chancen.“
  • „Die langfristigen Perspektiven werden zwar günstiger eingeschätzt, aber keineswegs gut: So gehen 46 Prozent der Bevölkerung davon aus, dass der Zustrom von Flüchtlingen auch langfristig überwiegend Risiken mit sich bringt, während nur 18 Prozent überwiegend Chancen sehen. Die meisten bezweifeln auch, ob die Qualifikation der Ankömmlinge Hoffnungen rechtfertigt, dass viele von ihnen rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Nur 14 Prozent der Bürger glauben, dass unter den Flüchtlingen viele eine gute Ausbildung mitbringen.“ – bto: Damit die Zuwanderung uns nutzt, müssen wir mit äußerst optimistischen Annahmen arbeiten, wie ich gezeigt habe.
  • „Zwei Drittel der Bürger gehen davon aus, dass die Flüchtlingswelle Deutschland stark verändern wird. 62 Prozent fürchten auch, dass terroristische Organisationen die Flüchtlingswelle nutzen, um Terroristen einzuschleusen.“

Doch jetzt kommt der weitaus interessantere Teil: wie die Menschen über das Thema kommunizieren bzw. wie offen sie sich noch trauen, ihre Meinung zu sagen:

  • „Schon vor einigen Wochen, als noch die Mehrheit die Position vertrat, ihre Region könne noch mehr Flüchtlinge verkraften, gaben die meisten zu Protokoll, dass in Gesprächen mit Verwandten, Freunden und Bekannten klar die Ablehnung überwiege. Mittlerweile ziehen 69 Prozent aus ihren persönlichen Gesprächen die Bilanz, dass die meisten die Aufnahme weiterer Flüchtlinge ablehnen; nur noch 17 Prozent erleben in ihren Gesprächen überwiegend Befürworter.“
  • „Vielmehr zeigen die Daten, dass zunächst viele nicht wagten, sich außerhalb des Kreises vertrauter Gesprächspartner mit ihren Bedenken zu exponieren. Auch jetzt haben noch 43 Prozent der gesamten erwachsenen Bevölkerung den Eindruck, dass man in Deutschland seine Meinung zu der Flüchtlingssituation nicht frei äußern darf und sehr vorsichtig sein muss, was man sagt. In Ostdeutschland ist dieser Eindruck noch weiter verbreitet, und in West wie Ost überdurchschnittlich unter denjenigen, die über die Entwicklung außerordentlich besorgt sind.“ – bto: Das ist äußerst bedenklich!
  • „Die große Mehrheit jener, die der anhaltende Flüchtlingsstrom besorgt stimmt, ist weder ausländerfeindlich noch dem rechten Rand zuzuordnen. Viele fürchten jedoch, dass sie in diesen Verdacht geraten, wenn sie öffentlich ihre Besorgnis äußern.
  • „Nur knapp ein Drittel der Bevölkerung empfindet die Berichterstattung der Medien über die Flüchtlingssituation als ausgewogen, 47 Prozent als einseitig. Von denjenigen, die sich große Sorgen über die Entwicklung machen, bewerten sogar 55 Prozent die Berichterstattung als einseitig. Das sind ganz ungewöhnliche Ergebnisse.“
  • Diesmal überwiegt der Eindruck selektiver Berichterstattung, bei der die Risiken und kritischen Entwicklungen und Stimmungen zu kurz kommen.
  • „Die von den Bürgern für dringlich gehaltene Diskussion, wie viele Flüchtlinge das Land verkraften kann und welche politischen Konsequenzen zu ziehen sind, wurde nicht geführt – zumindest nicht, dass sie öffentlich wahrgenommen wurde.“
  • „Anhänger der SPD sind genauso beunruhigt wie die der Unionsparteien, der FDP oder der Linken. Etwas weniger beunruhigt sind lediglich die Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen; auch unter ihnen sind indes mittlerweile 42 Prozent höchst alarmiert. Ebenso gibt es in der Bevölkerung parteiübergreifend Zweifel, ob Deutschland den Zustrom bewältigen kann. Nur jeder Fünfte ist noch zuversichtlich, 71 Prozent sind aufgrund der großen Zahl der Flüchtlinge und des nicht abreißenden Zustroms pessimistisch.“
  • „Die Mehrheit der Bürger diagnostiziert nicht nur einen Kontrollverlust, sondern nimmt die Politik als ratlos wahr. 57 Prozent der Bürger sind überzeugt, dass Deutschland jegliche Kontrolle darüber verloren hat, wie viele Flüchtlinge ins Land kommen. Ebenso viele haben den Eindruck, dass die Politik, gleich welcher Couleur, völlig ratlos ist, wie sie mit der Flüchtlingssituation umgehen soll. Jeder Zweite unterstellt der Politik auch Realitätsverlust. Knapp die Hälfte der Bevölkerung wirft der Politik vor, sie denke zu wenig an die Interessen der deutschen Bevölkerung.“
  • „So gehen 71 Prozent davon aus, dass die Probleme teilweise hausgemacht sind, etwa durch überzogene Anreize, mit denen Deutschland den Flüchtlingszustrom verstärkt. Auch hier stimmen die Anhänger sämtlicher im Bundestag vertretener Parteien mehrheitlich überein.

bto: So sieht das Rezept für eine Radikalisierung aus, wenn der „mainstream“ sich nicht schnell ändert. Denn „main“ ist er nicht.

→ F.A.Z.: „Deutsche trauen Politik keine Lösung der Flüchtlingskrise zu“, 21. Oktober 2015