Deshalb will Macron Umverteilung: Zeit kaufen mit noch mehr Schulden

Bekanntlich haben wir es mit einer Überschuldungskrise im Euroraum zu tun. Dies ist letztlich die Grundursache der noch immer nicht gelösten Eurokrise. Und nur wer das angeht, kann über eine geordnete Schuldenrestrukturierung und einen Umbau/Auflösung der Eurozone die Probleme in den Griff bekommen.

Wie groß die Aufgabe ist, sieht man unter anderem an einer Studie des Centrums für Europäische Politik (cep) zur Kreditwürdigkeit der Euroländer. Nicht, dass die Ergebnisse überraschen (erstmals im April an dieser Stelle):

  • „Der cepDefault-Index misst, wie sich die Fähigkeit eines Landes zur Rückzahlung der Auslandskredite und damit die Kreditfähigkeit entwickelt. Dies hängt nicht nur von der Verschuldung des Staates ab. Vielmehr ist die Solidität der gesamten Volkswirtschaft ausschlaggebend. Insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf den Weltmärkten beeinflusst die Kreditfähigkeit eines Landes. So führt eine Erosion der Wettbewerbsfähigkeit regelmäßig zu höheren Importen und geringeren Exporten und damit zu Leistungsbilanzdefiziten. Deren Kehrseite ist eine zunehmende Verschuldung der privaten Wirtschaftsakteure im Ausland. Der cepDefault-Index berücksichtigt daher neben den Staatshaushalten auch das Kreditverhalten der Banken, Unternehmen und Konsumenten und misst entsprechend die Entwicklung der Kreditfähigkeit des Landes insgesamt.“ – bto: Das ist ein guter Ansatz. Was natürlich fehlt, ist die Frage nach der Gesamthöhe der Verschuldung. So mag eine Verbesserung noch lange nicht bedeuten, dass das Land wirklich in der Lage sein wird, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
  • „Der Index setzt an zwei auf das Kalenderjahr bezogenen und in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gemessenen Größen an: (1) am Niveau der kapazitätssteigernden Investitionen (Ik) und (2) am Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssaldo (GFS). Von Bedeutung für den Index ist außerdem (3) die Summe aus beiden Größen.“ – bto: eine konsequente Delta-Betrachtung.
  • „Zu den kapazitätssteigernden Investitionen zählen die Nettowerte (nach Abschreibungen) der Anlageinvestitionen der Unternehmen sowie der öffentlichen Hand. Der Wohnungsbau zählt jedoch nicht dazu, da er zu keiner Ausweitung des Produktionspotenzials führt.“ – bto: Das ist absolut richtig. Ich würde sogar so weit gehen, dass hohe Wohnungsbauinvestitionen ein Signal für abnehmende Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit sind.
  • „Der Gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo bildet ab, wie viel Geldkapital eine Volkswirtschaft netto aus dem Ausland benötigt bzw. in das Ausland transferiert. Ein negativer GFS, also ein Nettokapitalimport, kann insbesondere folgende Ursachen haben: Erstens kann er durch – mangels Wettbewerbsfähigkeit auftretende – Leistungsbilanzdefizite des Inlands entstehen, die durch ausländische Kredite finanziert werden. Zweitens kann er entstehen, wenn Ausländer im Inland mehr (Direkt-)Investitionen tätigen als umgekehrt und dies mit den entsprechenden Geldtransfers finanziert wird. Drittens kann er entstehen, wenn Inländer in großem Umfang Kapital aus dem Ausland abziehen (Kapitalflucht) und ins Inland zurückholen.“ – bto: Er geht – bekanntlich – mit entsprechenden Handelsbilanzen einher. Kapitalimport = Defizit, Kapitalexport = Überschuss.

 Die Methodik des cepDefault-Indexes wird in der folgenden Übersicht zusammengefasst:

  Quelle: cep

Abb. 2: Tabelle

 Quelle: cep 

Dann gibt es noch ein paar Schmankerl in der Unterlage.

Griechenland

Das Land ist und bleibt auch für die Forscher vom cep pleite. Insofern nichts Neues. Ein interessanter Aspekt wird uns jedoch wieder in Erinnerung gerufen: Die Griechen konsumieren nun schon seit mehr als zehn Jahren mehr als sie verdienen. Finanziert zuerst von ausländischen Banken, seit der „Rettung“ von anderen Staaten. Weshalb sollten sie austreten? Das wäre doch dumm:

Abb. 3: Konsum in Griechenland:

 Quelle: cep  

Italien

Italien ist auch pleite, es ist aber schön, wie das CEP diese Analyse zusammenfasst:

  • „Kapazitätssteigernde Investitionen (Ik): Italien ist eines der fünf Euro-Länder, deren Kapitalstock schrumpft. Der Abbau setzte 2013 ein und beläuft sich jährlich auf etwa 1% des BIP. Ursächlich hierfür ist zum einen die hohe öffentliche Verschuldung des Staates. Sie schränkt den Spielraum für öffentliche Investitionen so stark ein, dass die öffentlichen Nettoinvestitionen seit 2012 negativ sind. Zum anderen führen die schlechten Rahmenbedingungen für Investitionen dazu, dass private Investoren nicht mit einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung rechnen.“ – bto: Das Land blutet aus.
  • „Gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo (GFS): Von 2002 bis 2012 hat Italien per saldo Auslandskapital benötigt, um seine Investitionen und später auch seinen Konsum zu finanzieren. Seit 2013 exportiert Italien per saldo Kapital. Da der Nettokapitalexport mit einem schrumpfenden Kapitalstock einhergeht, ist dies keine positive Entwicklung, sondern ein Zeichen für Kapitalflucht.“ – bto: was auch zeigt, dass es nicht genügt, zu sparen.

Quelle: cep

bto: Italien wird zu einem Fass ohne Boden für die Eurozone werden, das vor allem von uns befüllt wird. Dabei vergessen wir wieder, dass die Italiener deutlich vermögender sind als wir. → Vermögensungleichheit: lieber falsche Analyse, damit die Schlussfolgerung politisch passt

Portugal

Endlich mal jemand, der mit dem Mythos der gelungenen Rettung des Landes aufräumt. Bisher war ich wohl der einzige Rufer in der Wüste zu diesem Thema.

  • Kapazitätssteigernde Investitionen (Ik): Auch Portugal gehört zur Gruppe der Euro-Länder, deren Kapitalstock schrumpft. Diese Entwicklung hält nun bereits seit 2012 an. Im ersten Halbjahr 2016 ging er im Umfang von 1,7 % des BIP zurück. Lediglich in Lettland und Griechenland schrumpfte der Kapitalstock noch schneller. Ein Trend zu Besserung ist nicht erkennbar.“ – bto: Woher soll da das Wachstum kommen?
  • Gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo (GFS): Bis 2011 war Portugal per saldo Kapitalimporteur. Seit 2012 exportiert das Land Kapital. Da gleichzeitig der Kapitalstock schrumpft, ist dies keine positive Entwicklung. Vielmehr verlässt Kapital das Land, das zum Erhalt des Kapitalstocks dringend benötigt wird.“ – bto: weil die Vermögenden wissen – mit Blick auf die Überschuldung des Landes –, dass ihr Vermögen nicht sicher ist. Ich erinnere an die demografische Entwicklung. → „Das Märchen von der Sanierung Portugals“

 Quelle: cep

Spanien

Mit Blick auf Spanien kommt das cep zu einer positiven Einschätzung, der ich mich nicht ganz anschließen kann.

  • „Die Kreditfähigkeit Spaniens verbessert sich seit 2012 kontinuierlich. Diese Entwicklung hat sich im ersten Halbjahr 2016 weiter beschleunigt. Aufgrund des Platzens einer Immobilienblase benötigte Spanien zwischen 2012 und 2014 Finanzhilfen zur Stützung seiner Banken. Der cepDefault-Index bildet solche Risiken, die sich aus Immobilienblasen ergeben, bewusst nur so weit ab, wie sie zu negativen Nettoinvestitionen oder zu Kreditbedarf aus dem Ausland führen. Dies war in Spanien seit Ausbruch der Krise im Ergebnis nicht der Fall. Daher hat der Index in keinem Jahr eine eindeutig abnehmende Kreditfähigkeit angezeigt.“ – bto: was die Grenzen der Methodik verdeutlicht.
  • Kapazitätssteigernde Investitionen (Ik): Die kapazitätssteigernden Investitionen haben 2013 ihren Tiefpunkt erreicht. Seither steigen sie verhalten, aber stetig an. Dieser positive Trend setzte sich auch im ersten Halbjahr 2016 fort.“ – bto: Unstrittig befindet sich das Land auf dem Weg der Besserung.
  • Gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo (GFS): Nachdem Spanien bis 2011 per saldo Kapital importierte, exportiert es seit 2012 per saldo Kapital. Im ersten Halbjahr 2016 betrug der Überschuss 2,3 % des BIP.“ – bto: Es exportiert also mehr.

  • „Die konsequente Umsetzung von Strukturreformen ab 2012, u. a. zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, zeigt nun ihre Wirkung. Die spanische Regierung sollte das nach wie vor hohe öffentliche Defizit zügig senken. Zudem sollte der eingeschlagene Reformkurs weiterverfolgt werden.“ – bto: Ich denke jedoch, es genügt nicht. Auch hier werden die fatalen Folgen der demografischen Entwicklung unterschätzt. Was wir derzeit erleben, ist eine Zwischenerholung in einem langfristig negativen Trend.  → Spanien: von wegen Musterschüler

Die vollständige Studie finden Sie hier:
→ cepStudie: cepDefault-Index_2017

 

Kommentare (12) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Das noch als tagesaktueller Nachtrag – jetzt pilgern sie alle zu Macron nach Paris! Aber die CDU ist europafreundlich, die Grünen auch – ja was kann denn dann die FDP hier für eigenständige Akzente setzen? Lindner wird freilich in jedem Falle seine FDP-Sektierer klein halten müssen (die zT. auch im Bundestag mit sitzen) und die zwischen 2009 und 2013 sogar eine Privatisierung des Geldes(!) a la Hayek als Reaktion auf die Finanzkrise gefordert hatten!

    Besuch in Paris – Schäuble verspricht Macron „europafreundliche Regierung“

    er scheidende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat Frankreich versichert, dass Deutschland eine europafreundliche Regierung bekommen wird. Die Bildung einer Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen werde „ein bisschen Zeit brauchen“, sagte der CDU-Politiker am Montag in Paris nach einem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. „Aber es wird eine sehr gute und auch proeuropäische Regierung sein, da habe ich keinen Zweifel.“ Das habe er auch Macron gesagt. Der 75-Jährige soll neuer Bundestagspräsident werden.

    Macron (39) hatte vor einer Woche in einer vielbeachteten Rede ein effizienteres und stärkeres Europa gefordert und viele Reformen angemahnt. Für die Eurozone plädiert Macron für einen eigenen Haushalt und einen Finanzminister. Vor allem CSU und FDP befürchten, dass diese Pläne für Deutschland teuer werden könnten.

    Schäuble lobte hingegen Macrons Vorstoß als „richtigen Ansatz“. Er fügte hinzu: „Ich gehöre ja auch zu denen, die in Europa immer darauf drängen, dass wir schneller vorangehen.“ Deutschland und Frankreich seien verantwortlich, Europa voranzubringen.
    Macron habe sich erkundigt, wie die Lage nach der Bundestagswahl sei, sagte Schäuble deutschen Medienvertretern. „Natürlich hat er mich auch gefragt, warum ich nicht mehr Finanzminister sein möchte, und ich habe ihm erklärt, dass acht Jahre eine lange Zeit sind, dass ich aber in der deutschen Politik bleibe.“ Schäuble sagte weiter: „Ich habe mich schon vor der Wahl entschieden, es nicht mehr zu machen. Weil, acht Jahre sind genug.“
    https://www.welt.de/politik/deutschland/live169108302/Schaeuble-verspricht-Macron-europafreundliche-Regierung.html

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  2. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    Sehr geehrter Herr Tischer – vielleicht bin ich bezüglich der FDP ein bisschen zu optimistisch; Sie sind hier aber in jedem Falle zu pessimistisch! Im übrigen weiß ich dazu bestimmt ein bisschen mehr wie Sie – aber hier, in diesem Forum, plappere ich nicht darüber! – Im übrigen wäre die Republik ganz sicher eine andere, wenn die AfD bundesweit mehr wie 25% der Wählerstimmen erhalten würde – denn dann stände sie genau eine Bundestagswahl vor der Regierungsbeteiligung (in einigen Bundesländern wohl noch früher)! Weil die AfD dann die Politagenda von CDU/CSU massiv mitbestimmen würde (Flüchtlingspolitik, innere Sicherheit, Euro-Rettungspolitik etc.). Macht die AfD im übrigen schon seit drei Jahren – seit den Landtagswahlen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom Jahr 2014! – Ein Politprofi wie Gauland hat das des öfteren öffentlich auch gesagt: Vorerst wollen wir gar nicht mitregieren – wir wollen nur eine andere Politik von CDU/CSUI! Hat er doch zu weiten Teilen geschafft oder?

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      Ich vermute, dass Ihr „optimistisch/pessimistisch“ sich speziell darauf bezieht, wie sich die FDP zur avisierten Transferpolitik von Macron verhält.

      Ich stelle dazu fest, dass das Wahlprogramm der FDP ganz EINDEUTIG gegen eine Ausweitung der Transfers ausspricht, speziell gegen eine Ausweitung des ESM, und dass Lindner nicht erst in der Elefantenrunde diesbezüglich eine ROTE LINIE gezogen hat – er, der weiß, dass rote Linien zu ziehen kontraproduktiv vor Koalitionsverhandlungen ist.

      Lindner mag dies oder das wollen, ganz sicher wird aber Macron eines nicht wollen, nämlich sich bezüglich DIESES Themas mit Lindner zu treffen. Er wird es mit Frau Merkel verhandeln, so diese Kanzlerin bleibt. Sie vertritt die Verhandlungsposition für Deutschland wie er es für Frankreich tut und nicht Herr Lindner – da kann dieser so viele Arbeitsgruppen einsetzen wie er will oder sogar Finanzminister sein.

      Ich glaube Ihnen gern, dass Sie mehr als ich wissen und vermutlich ringt die FDP auf der Führungsebene noch mit sich bei diesem Thema. Vor allem wird es wohl so sein, wenn es ernst damit wird, sei es im Koalitionsvertrag oder wenn Merkel mit einem Verhandlungsmandat ausgestattet werden muss.

      Vor kurzem hab ich mit einem wirtschafts- bzw. finanzpolitisch einflussreichen Mitglied des Bundesvorstands der FDP über seine Sicht der Dinge gesprochen und er hat mir gesagt, dass er persönlich eine andere Auffassung zum Thema Euro hat als das, was im Wahlprogramm dazu gesagt wird.

      Warten wir es doch einfach mal ab.

      Irgendwann muss die FDP Farbe bekennen.

      Frau Merkel hat dies jahrelang getan und Bestrebungen, die bereits existierende Transferunion durch INSTITUTIONALISIERUNG zu verstärken, erfolgreich blockiert.

      Ich sehe nicht, warum es jetzt anders sein sollte.

      Im Gegenteil:

      Sie mögen die Euro(zone)-Politik der nun geschwächten Frau Merkel für infantil und fantasielos halten, sollten aber davon ausgehen, dass diejenigen in der Union, die finanzpolitische Vorschläge wie die eines Macron ablehnen, sich durch die Wahl – gerade auch durch den Zuspruch für die AfD – gestärkt fühlen und sich mit deutliche Erwartungen an die Kanzlerin richten werden.

      Was die AfD betrifft:

      Gäbe es Neuwahlen und käme die AfD dabei auf 25%, was ich sehr bezweifeln, aber nicht gänzlich ausschließen würde, dann riefe dies keine Panik im Bundestag hervor, jedenfalls so lange nicht, wie rechnerische Mehrheiten für eine Regierungsbildung ohne sie und DIE LINKE möglich wären.

      Womit Sie allerdings recht haben:

      In den dann folgenden Landtagswahlen müsste man in einem solchen Fall mit einer sehr, sehr starken AfD rechnen und mit wahrscheinlich mit der einen oder anderen Landesregierung, der die AfD angehören würde. In Sachsen und Sachsen-Anhalt läuten schon jetzt die Alarmglocken bei der CDU, was deren Ministerpräsidenten zu deutlichen Worten veranlasst.

      Das wäre der GAU, weil man dann auch in Berlin (Bund) MIT der AfD regieren würde, nämlich bei Abstimmungen im Bundesrat.

      Antworten
      • Dieter Krause
        Dieter Krause sagte:

        Ich will meine Antwort kurz halten: Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat sich zu Macrons Vorschlägen ja schon mal geäußert – bis hin zu einem europäischen Bundesstaat(!), den Macron in seiner Rede gar nicht gefordert hatte: Der Prozess der europäischen Einigung muss mit dem Ziel fortgesetzt werden, eine dezentrale und bundesstaatlich verfasste Europäische Union zu schaffen(https://www.freiheit.org/europa-braucht-einen-neuen-anlauf). Also diese FDP wird Macron ganz sicher keine roten Linien ziehen! Und wenn Lindner sich mal mit Maron träfe (wohl nur dann, wenn man in Paris die FDP in einer Jamaika-Koalition – kurz vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages – sähe), dann würde er bestimmt sehr
        europafreundlich argumentieren. Die AfD sitzt ja auch weniger der FDP – eher CDU/CSU im Nacken oder?

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Dieter Krause

        Meine kurze Erwiderung:

        Wenn es ans Geld geht, genauer: um die Institutionalisierung von Haftungsrisiken und Dauertransfers geht, waren Merkel und Schäuble immer ziemlich hartleibig.

        Wir werden ja sehen, wie sich Lindner da einreiht.

        Ich wiederhole mich:

        Er hat diesbezüglich EINDEUTIG eine rote Linie gezogen und diese auch so genannt.

        Sein Problem und das der FDP:

        Sie müssen GLAUBWÜRDIG bleiben.

        Sie sagen selbst, dass es „Sektierer“ in der FDP gibt, einige davon auch im Bundestag.

        Und die Zahl derjenigen, die mehr oder weniger zu den Sektierern gezählt werden können, dürfte in der CDU eher zu- als abgenommen haben.

        Außerdem:

        Die Zahl der „Zahlungsverweigerer“ hat im Bundestag ERHEBLICH zugenommen mit der AfD, wenn auch nicht in Regierungsverantwortung. Die AfD wird den Finger in die Kostenwunde legen und möglicherweise damit dafür sorgen, dass die Stimmung im Lande kippt.

        Ja, im Augenblick sitzt die AfD mehr der CDU/CSU im Nacken.

        Ich würde aber nicht ausschließen, dass sie in absehbarer Zeit auch der FDP im Nacken sitzen wird.

  3. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    “Deshalb will Macron Umverteilung: Zeit kaufen mit noch mehr Schulden” – Sehr geehrter Herr Stelter, ich glaube nicht, dass das die simple Intension der Europa-Rede von Macron vorgestern an der Sorbonne war. Dazu denkt der Mann politisch viel zu komplex. Ein bisschen hält er sich natürlich auch für einen europapolitischen Messias – aber hat er nicht mit einer dezidiert positiven europäischen Ausrichtung erst die französischen Präsidentschaftswahlen und dann auch die dortigen Parlamentswahlen gewonnen? Hätte es in Frankreich eine Stichwahl zwischen dem Linksradikalen Melenchon und Frau Le Pen gegeben, gäbe es die Europäische Union in ihrer heutigen Form wohl schon gar nicht mehr, da dann die Sezessionbestrebungen weiterer Länder aus der Euro-Zone und der EU heraus massiv zugenommen hätten. Wenn Europa allerdings an Merkels infantilen und fantasielosen Austeritätskurs festhält – dann ist der Zerfall der Euro-Zone wohl nicht mehr sehr weit! Was ihr in diesem Jahr in Lindau wieder – so wie nach 2014 – einige Wirtschaftsnobelpreisträger bestätigt haben, obwohl die natürlich auch irren können, weil ihre Modelle die komplexe Wirklichkeit niemals vollständig abzubilden vermögen:
    https://www.welt.de/wirtschaft/article167927465/Die-deprimierenden-Prognosen-der-Nobelpreistraeger.html
    Aber Frau Merkel ist hier wahrscheinlich auch ein bisschen lernunwillig oder? Und versteht von Wirtschaft wohl wirklich nur soviel wie eine schwäbische Hausfrau. Zumindest kann sie komplexe makroökonomische Zusammenhänge nicht kommunizieren – im Bundestagswahlkampf habe ich dazu jedenfalls nicht einen tieferschürfenden Satz von ihr gehört! Auch deshalb ist übrigens die AfD in Sachsen letzten Sonntag jetzt stärkste Partei geworden – allerdings ist jetzt die CDU-Basis hier im hellen Aufruhr und will den CDU-Finanzminister Unland, diesen rigiden Sparkommissar, am liebsten loswerden! Der wird durch von der CDU-Basis persönlich für die Personalreduzierung bei der Polizei und im Bildungswesen verantwortlich gemacht. Die AfD hat davon jetzt massiv politisch profitiert (mit drei Direktmandaten in Sachsen – Frau Petry hat hier mit 37% in ihrem Wahlkreis im Osterzgebirge gar das beste Wahlergebnis aller Direktkandidaten in Sachsen eingefahren!). – Der CEP-Default-Index ist im übrigen auch keine objektive Einschätzung der Kreditwürdigkeit der Euroländer. Mit ein paar kleinen Änderungen (Euro-Bonds, aber so wie sie z.B. Markus Brunnermeier vorschlägt, könnte das alles schon wieder völlig anders aussehen: https://scholar.princeton.edu/sites/default/files/markus/files/ESBies_Safety_in_the_Tranches_10e.pdf). Ein wirkliches Problem ist allerdings die schlechte Demografie in Europa – vor allem auch in den Baltikrepubliken (die jungen Hochqualifizierten wandern dort doch in Massen ab), aber wohl auch in fast allen ländlichen Gebieten in Osteuropa (auch Ostdeutschland – Leipzig wächst und wächst und hat in zehn Jahren vielleicht schon 700.000 Einwohner – saugt aber vor allem die junge Bevölkerung aus dem Umland ab, das zunehemnd vergreist). Den Trend – nur etwas schwächer – hat man aber auch in den ländlichen Gebieten in Westeuropa. Macron hat im übrigen in seiner Europa-Rede auch einige sehr gute Vorschläge in anderen Politikbereichen mit gemacht (die Schaffung von 20 Europa-Universitäten, gemeinsame Verteidigungspolitik etc.), die nicht unbedingt viel kosten dürfte, manchmal sogar Geld einsparen könnte (militärisches Beschaffungswesen)) – auf die er aber aus Deutschland vorerst keine Antwort erhalten wird, weil die Kanzlerin aus der Bundestagswahl stark geschwächt hervorgegangen ist. Es herrscht ab jetzt hier eben wirklich Kanzlerinnendämmerung! Aber vielleicht kann der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sich dazu mal mit Macron treffen und zumindest in seiner Partei zu den europapolitischen Vorschlägen des französischen Präsidenten eine Arbeitsgruppe einsetzen. Die dann aber eine wirklich kreative Erwiderung aus Deutschland – verbunden mit genügend wirtschaftspolitischen Sachverstand – sein sollte. Das sollte meiner Meinung nach eine gestärkte FDP doch wohl noch hinbekommen oder? Sie können da ja gern auch mittarbeiten, Herr Stelter! Aber mit der Politik haben Sie es nicht so oder? Lieber aus der zweiten Reihe kritisieren. Ich halte es da etwas anders und bin mir sicher, dass sich einige meiner Vorschläge im zukünftigen Koalitionsvertrag von CDU/FDP/Grünen wiederfinden werden (welche das sind, sage ich hier nicht). CDU, FDP und Grüne werden sich dazu im übrigen ganz sicher zusammenraufen, da sonst bei Neuwahlen die AfD auf über 20% springen wird! Oder gar 25%. Und dann würde im Bundestag wirklich die große Panik bei den anderen Parteien ausbrechen!

    Antworten
    • Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      Ich gebe Ihnen recht, dass die AFD bei Neuwahlen noch viel stärker werden würde, bin aber nicht sicher, ob die CSU (Stichwort Obergrenze als muss) und die Grünen (Stichwort keine Obergrenze als muss) das schon alle begriffen haben, da das ja auch noch durch Parteigremien muss. Die grüne Basis kann sich m.E. mehrheitlich noch nicht im Ansatz vorstellen, wie sich die parteipolitischen Gewichte im Bundestag noch verschieben könnten, wenn sich die Probleme noch weitere Jahre akkumulieren.

      Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      >Aber vielleicht kann der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sich dazu mal mit Macron treffen und zumindest in seiner Partei zu den europapolitischen Vorschlägen des französischen Präsidenten eine Arbeitsgruppe einsetzen. Die dann aber eine wirklich kreative Erwiderung aus Deutschland…>

      Sie sind sehr kreativ, um es mal positiv auszudrücken.

      Vergessen Sie es aber, denn es ist reines Wunschdenken.

      Sie sagen:

      >CDU, FDP und Grüne werden sich dazu im übrigen ganz sicher zusammenraufen, da sonst bei Neuwahlen die AfD auf über 20% springen wird! Oder gar 25%. Und dann würde im Bundestag wirklich die große Panik bei den anderen Parteien ausbrechen!>

      Ich mach es mal kurz:

      Erstens müsste es auch bei einem Scheitern derartiger Koalitionsverhandlungen nicht notwendigerweise Neuwahlen geben. Schulz hat nämlich die Hintertür offen gelassen. Er würde möglicherweise schon in eine von CDU/CSU geführte Koalition eintreten, wenn nicht Frau Merkel Kanzlerin würde.

      Das Problem bei einem Platzen der anstehenden Jamaika-Verhandlungen ist daher folgendes:

      Die angekratzte Kanzlerin Merkel wäre BESCHÄDIGT, weil sie die Regierungsbildung nicht hingekriegt hat.

      Eine wirklich vorzeigbare Alternative hat die CDU nicht, noch nicht einmal für eine Übergangszeit nachdem Schäuble Bundestagspräsident werden soll.

      Das ist das PROBLEM und speziell Merkels Problem, weil sie bei einem Scheitern – AUFTRAG zur Regierungsbildung – am meisten zu verlieren hat.

      Die AfD ist nicht das Problem, solange ohne sie und ohne die LINKE eine Regierung gebildet werden kann.

      Das wäre auch dann noch der Fall, wenn die AfD 25% erhielte.

      Antworten
  4. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Natürlich will Macron Zeit kaufen, Herr Dr. Stelter! Was soll er denn sonst in diesem Land tun? Tun das aber nicht gerade so ziemlich alle Politiker in der EU? Die Bundesregierung kauft doch auch Zeit, indem sie darauf hofft, dass sich die Targetsalden nicht in echte Probleme verwandeln, wenn ein Schuldnerland aus dem € austritt. Ich finde das wirklich problematisch, da die Salden mit zunehmender Größe immer mehr Reaktionen hervorrufen werden.
    Als Herr Lucke und Herr Henkel von der AFD vor der BTW 2013 auf die Probleme und Rechtsbrüche hingewiesen haben, hätten eigentlich große Teile der Bevölkerung sie wählen müssen. Haben aber nicht mal ganz 5 %. Aus Desinteresse.
    So, jetzt wo der europäische Karren noch tiefer im Dreck steckt, schafft eine nach rechts abgedriftete AFD schon 12,6 %. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie radikal Deutschland wählt, wenn der margin call kommt, und nach einem Zerfall des Euro die Aufwertung unserer neuen Währung und die Abschreibung der Targetsalden wirtschaftliche Turbulenzen, Exporteinbrüche, hohe Arbeitslosigkeit, Vertrauensverlust in Institutionen und allgemeine Krisenstimmung hervorrufen. Dann werden die Wähler, die sich aktuell immer noch lieber auf Kultur- oder Sportthemen beschränken, hoffentlich nicht politisch extremen Personen zuneigen. Leider bin ich hier eher pessimistisch, denn sonst müssten die breitenwirksamen Themen Ihres Blogs vom Privatfernsehen bis zur Bildzeitung längst thematisiert werden. Werden sie wohl auch irgendwann, aber dann, wenn es zu spät ist. Und Haurucklösungen funktionieren dann ganz sicher nicht bzw. nicht spannungsfrei. Und das alles nur, weil unsere geldpolitischen Eliten mit Unterstützung der Regierenden geltendes Recht (vielleicht nicht juristisch, aber gemäß der wirtschaftlich-faktischen Wirkung) brechen und die deutsche Bevölkerung lethargisch dabei zuschaut.

    Antworten
    • Johannes
      Johannes sagte:

      Meine vollste Zustimmung Herr Selig! Es ist wirklich keine große Überraschung, dass auf Zeit gespielt wird. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

      Ähnlich wie Sie, bin ich auch sehr pessimistisch, was die Auswirkungen des “margin calls” für die Politiklandschaft in Deutschland bedeutet. Etwas Hoffnung habe ich aber auch seit Sonntag, nämlich dass Merkel eine Regierung (wie auch immer) hinbekommt und im Anschluss im Bundestag in der Sache harte Debatten geführt werden und wieder um Lösungen tatsächlich gerungen wird. Dies wiederum kann dazu beitragen, dass die harten Fakten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden (müssen). Und dass in der Folge die Auswirkungen der verfehlten Politik der letzten Jahre (in vielen Bereichen; nicht nur “Euro-Rettung”) gemildert werden können. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt…

      Antworten

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