Derweil geht es im Euro nicht voran

Die Finanz und Wirtschaft erinnert an ein Thema, das wir an dieser Stelle schon mehrfach besprochen haben – die fehlende Konvergenz im Euroraum:

  • „Als sich die Mehrheit der EU-Mitglieder vor 25 Jahren darauf einigte, eine gemeinsame Währung einzuführen, verfolgte sie damit auch das Ziel, dass sich die beteiligten Staaten wirtschaftlich annäherten. (…) Das Ziel der wirtschaftlichen Konvergenz wurde hingegen verfehlt. Die Länder der Währungsunion haben sich wirtschaftlich teilweise deutlich auseinanderentwickelt.“ – bto: Das wissen wir. Es gab zunächst eine schuldenfinanzierte Annäherung. Damit ist aber seit der Eurokrise endgültig Schluss.
  • „Leistungsbilanzen bilden die aussenwirtschaftliche Position von Ländern ab. Sie bestimmen, ob ein Land zur Finanzierung seiner laufenden Rechnung auf Kapital aus dem Ausland angewiesen ist, ob es überwiegend exportiert oder importiert und vieles mehr. Das Ziel sollten ausgeglichene Salden sein, um übermässige Verwerfungen zu vermeiden. Innerhalb der Währungsunion fahren einige Länder hingegen hohe Überschüsse und andere hohe Defizite ein. Die Problematik ist bekannt und ruft Erinnerungen an die Eurostaatsschuldenkrise ab 2010 in Erinnerung.“ – bto: Und das wird dann kompensiert durch Transfers und gemeinsame Schulden…
  • „Das CEPII geht den Gründen für diese Divergenzen nach, gemessen an der Abweichung der nationalen Leistungsbilanzsalden vom aggregierten Saldo der Eurozone (LB-Lücke). Es kommt zum Schluss, dass ein Fünftel der Abweichungen darauf zurückzuführen ist, dass einige rückständige Eurostaaten wirtschaftlich nicht zu den anderen aufgeholt haben. Die verpasste Chance bei der ökonomischen Entwicklung sei damit der schwerwiegendste Faktor für die verpasste reale Konvergenz, argumentieren die Forscher.“ – bto: … weil zu Konsumzwecken Schulden gemacht wurden, nicht für produktive Zwecke.
  • „Auf der einen Seite stechen hier Deutschland (vgl. Grafik) und die Niederlande heraus. Beide traten mit einem überdurchschnittlichen Entwicklungsniveau – jeweils gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – der Währungsunion bei. Der Vorsprung von anfangs 1,2 resp. 2,4% des jeweiligen BIP nahm über die Zeit sogar noch zu. Das zeigt sich besonders gegenüber Italien, das seit der Eurokrise wirtschaftlich mehr oder weniger stagniert. Aber auch in Portugal, wo der negative Beitrag mehr als 5% des BIP pro Jahr ausmacht.“ – bto: Das hat strukturelle Gründe.

Quelle: Finanz und Wirtschaft

  • „Die zweitwichtigste Ursache für die reale Divergenz im Euroraum sind die Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit der Mitglieder. Hier weist Italien zusammen mit Griechenland und Portugal das grösste Manko auf (vgl. Grafik). Schuld sind in erster Linie Defizite bei der Produktivität, die vor allem im vergangenen Jahrzehnt auftraten. Im Falle Griechenlands halten sie sich hartnäckig seit Beginn der Union, unter anderem, weil es mit einem viel zu hohen Wechselkurs dem Euro beitrat.“ – bto: Auch das hat strukturelle Gründe und kann nicht so einfach korrigiert werden.
  • „Ausserdem weist das CEPII nach, wie sehr die Sparpolitik, die die Troika aus IWF, EU-Kommission und EZB zur Behebung der Schuldenkrise ab 2010 dem Land verschrieb, der realen Entwicklung des Landes schadete. Man habe zwar das Symptom eines zu hohen Leistungsbilanzdefizits bekämpft, aber dafür die Ursachen nochmals stimuliert. Griechenland büsste an Wettbewerbsfähigkeit massiv ein, anders als die multilateralen Kreditgeber aus Washington, Brüssel und Frankfurt vorausgesagt hatten (vgl. Grafik).“ – bto: Das ist interessant und bedarf einer Begründung.
  • „Zu einem beachtlichen Teil ist auch die demografische Entwicklung mitverantwortlich daran, dass das Ziel der realen Konvergenz im Euroraum verfehlt wird. Die gegenläufigen Entwicklungen sind zum Teil beachtlich. Deutschland erlebte in den Neunzigerjahren beispielsweise einen Geburtenknick. Erst ab 2013 wuchs die Bevölkerung wieder mehr als im Durchschnitt der Eurozone. In Spanien verlief die Entwicklung genau umgekehrt: Bis 2010 wuchs die Bevölkerung so stark wie kaum woanders. Das lag vor allem an der Einwanderung. Von 1999 bis 2008 nahm der Anteil der zugewanderten Ausländer an der Gesamtbevölkerung von 2 auf 12% zu. Nach der Weltfinanzkrise schwang das Pendel in das andere Extrem. Die Bevölkerung wächst seither kaum, und die Überalterung nimmt schneller zu als in den meisten übrigen Staaten.“ – bto: Es waren vor allem Arbeiter, die vom Bau-Boom angelockt wurden. Es war ein Schein-Boom. Bei uns auch, aber eben ein Boom aus der Zuwanderung Geringqualifizierter.
  • „Die CEPII-Studie weist nach, dass realwirtschaftliche Faktoren vor allem für die ungenügende ökonomische Annäherung im Euroraum verantwortlich sind. Die Haushaltspolitik der Regierungen spielt im Vergleich dazu eine untergeordnete Rolle. (…) Aus dem Blickwinkel der Konvergenz orientiert sich die Europäische Kommission mit ihren Investitionsplänen im Rahmen des NextGeneraton EU und der ökologischen Umstellung in die richtige Richtung. Denn Ziel dieser Massnahmen ist es, die Wettbewerbsfähigkeit in den Mitgliedsländern der EU zu erhöhen und Nachzüglern bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen.“ – bto: Wer allen Ernstes glaubt, die EU-Bürokratie wüsste, wie man die Länder voranbringt, dem ist nicht mehr zu helfen.

fuw.ch (Anmeldung erforderlich): „Der Mythos von der Konvergenz im Euroraum“, 14. März 2023