Der Stress im Finanzsystem nimmt zu

Unstrittig nehmen die Turbulenzen an den Finanzmärkten zu. Das liegt an verschiedenen Faktoren. Zum einen haben wir den einmaligen Mix aus guter Konjunktur, einem zusätzlichen Konjunkturprogramm der US-Regierung, einem neuen Notenbankchef in den USA und zunehmenden politischen Unsicherheiten – Stichwort: „Handelskrieg“. Zum anderen haben wir es mit hohen Bewertungen und dem Versuch der Notenbanken zu tun, die Geldpolitik etwas weniger aggressiv zu machen.

In der Folge wächst der Stress im System. Ich zitiere hier Ambroise Evans-Pritchard, der es gut zusammenfasst. Dabei spare ich mir – wie üblich – eine Übersetzung. Ich finde bei einem kosten- und werbefreien Angebot wie bto es ist, sollten die Leser das akzeptieren.

  • “The stress signals of the global credit system are flashing amber. (…) The three-month rate for dollar Libor (London Interbank Offered Rate) used to price a vast nexus of financial contracts around the world has spiked to a 10-year high of 2pc this week. A third of all US business loans are linked to Libor, as are most student loans, and 90pc of the leverage loan market.” bto: Das ist so etwas wie der Spareckzins des Weltfinanzsystems.

Quelle: The Telegraph

  • “The US can doubtless handle the sixfold rise in Libor costs over the last two years since it is a reflection of economic recovery itself. (…) Whether the rest of the world can handle it is less clear. The Libor spike is transmitted almost instantly through global finance. The Bank for International Settlements says any rise in short-term borrowing costs on dollar markets resets rates on $5 trillion of dollar banks loans. It tightens the whole credit structure in Asia and emerging markets regardless of what currency it is in.”bto: was angesichts der hohen Verschuldung rasch zu einem Thema werden kann.
  • “(…) US companies are starting to repatriate their vast cash holdings abroad to comply with president Trump’s tax changes. This (…) is reducing offshore liquidity. US entities have little incentive to lend that money back out internationally because of risk weightings and capital charges (…). The problem is that it vanishes from the dollar-based funding markets in the City or hubs such as Singapore. It rations credit for Asia, Latin America, Russia, and the Middle East. Borrowers can suddenly find it harder to roll over three-month dollar loans. This is what happened in 2007 and 2008 when offshore markets seized up and threatened to bring down the European banking system.” bto: was interessant ist. Wir haben also keinen Wechselkurseffekt, weil es vielleicht schon in Dollar war, aber einen Liquiditätseffekt. Denn Banken können schlecht eine Währung schaffen, die nicht von ihrer eigenen Notenbank geschaffen werden kann.
  • “The scale is epic. BIS data show that offshore dollar credit has ballooned from $2 trillion to $11.6 trillion in fifteen years, turbo-charged by leakage from the Fed’s QE. The BIS has identified a further $13 to $14 trillion in disguised lending through derivatives contracts that are functionally equivalent. Dollar liabilities on this scale are unprecedented and leave the world financial system more vulnerable than ever before to rising US rates.This is the sharp edge of a bigger problem: the $70 trillion edifice of global bonds is built on the assumption of a deflationary global liquidity trap lasting deep into the 21st century. Almost $10 trillion is still trading at negative yields. The structure cannot withstand a sudden shift to a reflation psychology.” bto: Ich bin zwar immer noch skeptisch, dass wir wirklich ein Ende des Eiszeit-Szenarios haben. Dennoch ist es eine Möglichkeit und letztlich ist relevant, was die Märkte denken, nicht was wirklich kommt.
  • “This should give rise to pause since the US Treasury’s own watchdog (OFR) warns that broker margin debt is dangerously high and that Wall Street pricing is at  its “97th percentile relative to the last 130 years“. Bank of America says the profits cycle for US equities has peaked. Its “Bull & Bear” indicator is at extreme levels of investor optimism, still issuing a sell alert despite the mini-crash in early February.” bto: was in der Tat bedenklich stimmt. Wir haben ein hoch geleveragtes System, in dem zudem auf Kredit spekuliert wird.
  • “Veteran value investor Warren Buffet is rare in standing coolly on the sidelines, keeping his powder dry, accumulating $116bn in short-term Treasury notes and cash assets in order to better survive what he calls ‘economic discontinuities’. He has displaced China and Japan as the chief buyer at Treasury sales.” bto: Wenn das kein Warnsignal ist!
  • “The buyer of last resort for this debt is currently adding to supply instead. The Fed will be selling down its $4.4 trillion stockpile of bonds at a pace of $50bn a month by the end of the year. In parallel, the European Central Bank will have tapered its asset purchases to zero by September. A vast shift in the balance of the global bond supply and demand is underway. It is this that lies behind the wild ructions across global bourses this year. My own view is that rising US rates will hit just as the China and Europe come off the boil later this year, creating an unpredictable scissor action through currency and credit markets.” bto: Und das könnte ein globaler Liquidity-Squeeze sein, der dann den US-Dollar nach oben drückt.
  • “(…) a key measure of money growth – six-month real M1 – has dropped to the lowest level since the Great Recession in the biggest G7 and E7 economies combined. This is chiefly driven by China and the Eurozone, including France and Spain. The data leads the real economy by six to nine months. Asia and Europe are likely to look very different in late 2018. Far from seeing synchronized global growth in all regions – as the markets expect – we could instead see major tectonic plates moving against each other. In that context, surging dollar Libor rates and a hawkish Fed could prove inflammatory.” bto: eben der globale Margin Call. Wie der abläuft, habe ich hier erklärt: → „Margin Call für die Weltwirtschaft“

The Telegraph: “Libor surge is nearing danger level for debt-drenched world”, 28. Februar 2018

Kommentare (9) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Thorsten Schuppenhauer
    Thorsten Schuppenhauer sagte:

    Ich empfehle die Lektüre des Buches: “the road to ruin” von James Rickards.
    Man muss nicht alles auf die Goldwaage legen, was Herr Rickards schreibt, aber die großen Linien sind nachvollziehbar.
    Mit freundlichen Grüßen
    Thorsten Schuppenhauer
    k3 mapa GmbH
    Wiesbaden

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  2. bst
    bst sagte:

    Zunächst möchte ich mich bei Dr. Stelter für seinen hervorragenden Blog und die Arbeit, die er hineinsteckt, bedanken.
    Bezüglich der englischen Sprache sehe ich es genauso, wie meine Vorredner.
    Allerdings wäre für jemanden wie mich (ein wirtschaftlich interessierter ITler) ein Glossar, das die wichtigsten Begriffe übersetzt oder beschreibt, hilfreich. Da diese immer wiederkehren, sollte sich die zusätzliche Arbeit in Grenzen halten.

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  3. bondholder
    bondholder sagte:

    Ein guter Indikator für “Streß im Finanzsystem” ist die Kursentwicklung von Pflichtwandelanleihen systemrelevanter Banken, sog. “Coco – Bonds”.

    Kurs steigt = Streß nimmt ab, Kurs fällt = Streß nimmt zu

    Z. B.: DB7XHP, A1ZEL9

    Wichtig: nur die Kurse von Pflichtwandelanleihen von systemrelevanten Banken ansehen, weil diese einer besonderen Kontrolle durch die EZB unterliegen, d. h. keine kleinen und mittleren Banken, vor allen Dingen auch keine südeuropäischen Banken mit spezifischen, eigenen Problemen!

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  4. MFK
    MFK sagte:

    It rations credit for Asia, Latin America, Russia, and the Middle East. Borrowers can suddenly find it harder to roll over three-month dollar loans.

    Dies sind in der Regel Handelsfinanzierungen EM insbesondere im Rohstoffbereich. Werden diese nicht gerollt, könnte das auch Probleme in den Industrienationen auslösen.

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  5. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Die o.g. Graphik der FED zum 3-Monats-Libor ist nicht schlecht, aber zur Beurteilung der Risikosituation im Vergleich zur Situation vor der Finanzkrise finde ich etwas längere LIBOR-Zeitreihen ganz hilfreich. Manche Quellen sind leider zugangsbeschränkt, aber das hier ist schon mal ein Anfang ab kurz nach der Jahrtausendwende:
    https://de.wikipedia.org/wiki/London_Interbank_Offered_Rate
    Die Werte aus dem 20. Jahrhundert halte ich wegen der allgemein geringeren Verschuldung für weniger hilfreich, sind aber natürlich auch interessant.

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  6. Thomas
    Thomas sagte:

    >”Dabei spare ich mir – wie üblich – eine Übersetzung. Ich finde bei einem kosten- und werbefreien Angebot wie bto es ist, sollten die Leser das akzeptieren.”

    Ach, der eine verstreute Besucher. Dem kann man kurz sagen: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul…

    Sie haben eine der “cleansten” Websites mit freien Infos. Bei allen anderen wird getrackt und beworben, was das Zeug hält – was auch okay ist, denn irgendwie muss man sich ja finanzieren.

    Von mir aus können Sie auch Französisch, Spanisch und Japanisch hier posten. Dann bin ich zwar sprachlich raus, aber bei den Themen dieses Blog und den englischen Quellen darf man sich nun wirklich nicht beklagen. Englisch ist nun einmal die globale Lingua franca.

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  7. troodon
    troodon sagte:

    Weiter steigende US Zinsen und deutlich steigender US$ sind m.E. tatsächlich DER Risikofaktor aktuell für die Finanzmärkte. Nicht die NPL Thematik in Europa. Offshore $ Kredite + Derivate bei rd. 25 Bio bei Welt BIP ohne USA i.H.v. 60 Bio ist mal eine Hausnummer. Da kann ein deutlich steigender US$ + weiter steigende Zinsen schnell den K.O. bedeuten… Inkl. der hier im Blog schon angeführten Problematik, dass die FED nicht mehr außerhalb der USA unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellen darf.
    Und das Wachstum der Geldmenge in den USA ist auch alles andere als unterstützend und wichtig zu beachten.
    Dazu auch: https://mises.org/wire/true-money-supply-flashing-red

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