Einbruch im Außen­handel: Wohlstands­verlust, weil er auf hö­heren Preisen beruht

Im Podcast am 23. Oktober 2022 ist unter anderem Martin Braml, Ökonom und Mitgründer der Beratung Munich Economics zu Gast. Gemeinsam mit dem ebenfalls bei mir mehrfach zu Gast gewesenen Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Weltwirtschaftsforschung hat er im Auftrag der Bertelsmann Stiftung das Fokuspapier „Außenwirtschaftliches Gleichgewicht als Staatsziel im 21. Jahrhundert“ erstellt. Die Kernaussagen fassten die beiden im Handelsblatt zusammen.

Die Highlights:

  • Als der Saldo der deutschen Warenhandelsbilanz aufgrund teurer Energieimporte im Mai 2022 in eine rote Null drehte, stimmten viele den Abgesang Deutschlands als führende Handelsnation an. Dieser Schluss ist aber schon deshalb falsch, weil der Warenhandel nur einen Teil der viel aussagekräftigeren Leistungsbilanz bildet. (…) Außerdem werden in der Leistungsbilanz auch sogenannte Primäreinkommen erfasst – überwiegend im Ausland erzielte Gewinne von Unternehmen und Kapitaleinkommen. Im Jahr 2021 trugen diese mit 127 Milliarden Euro immerhin 48 Prozent des Leistungsbilanzüberschusses bei.“ – bto: und dies, obwohl wir das Geld im Ausland so schlecht anlegen.
  • Einiges deutet darauf hin, dass es eine Verschiebung hin zu dauerhaft geringeren Exportüberschüssen gibt.Dies ist kein Grund zu Besorgnis, denn Importe sind nicht per se nachteilig: Sie dienen der Befriedigung von Konsumbedürfnissen im Inland und sind daher für den Wohlstand eines Landes relevant. Durch Importe steigt die Zahl verfügbarer Produkte zu günstigeren Preisen. Exporte sind dagegen lediglich Mittel zum Zweck, denn sie finanzieren heutige oder zukünftige Importe.“ – bto: Das stimmt und wenn man Überschüsse gut anlegt, gilt das erst recht.
  • Die in Deutschland häufig vorzufindende merkantilistische Denke, nach der Exporte gut und Importe schlecht wären, ist ökonomischer Unfug.“ – bto: Das ist zutreffend, vor allem wenn man dadurch zu einem Gläubiger in einer viel zu hoch verschuldeten Welt wird.
  • Der derzeitige Importanstieg ist allerdings vor allem auf höhere Preise zurückzuführen. Es werden keine größeren importierten Mengen konsumiert, sondern die Ausgaben steigen aufgrund eines schwachen Euro-Wechselkurses und höherer Importpreise – die sogenannten „terms of trade“ verschlechtern sich. Dies bedeutet einen Wohlfahrtsverlust, der durch staatliche Maßnahmen umverteilt, aber nicht aufgehoben werden kann.“ – bto: Wir zahlen mehr für das Gleiche. Das ist ein Wohlstandsverlust!

Soweit dazu.

Dann geht es um die Folgen der Klimapolitik. Dazu halten die beiden fest:

  • Wenn die Treibhausgasemissionen des internationalen Transports nicht bepreist werden, findet zu viel Handel statt.“ – bto: Es darf also nicht zu billig sein, zu transportieren.
  • Dazu kommt das Problem des Carbon-Leakage: Die Produktion klimapolitisch ambitionierter Länder wird durch Importe ersetzt, sodass es lediglich zu einer Verlagerung der Emissionen ins Ausland kommt.Schlimmstenfalls steigen die globalen Emissionen sogar, wenn das Ausland mit inferioren Technologien produziert und zudem noch Transportemissionen anfallen.“ – bto: Auch das leuchtet ein. Wie Felbermeyr im Gespräch mit mir einräumte, dürfte der Klimazoll der EU nicht durchsetzbar sein.
  • Grundsätzlich schont der Freihandel dennoch die Ressourcen, weil sich diejenigen Anbieter am Markt durchsetzen, die mit dem geringsten Ressourceneinsatz pro Einheit Output operieren. Produktionsverlagerungen aufgrund unterschiedlicher Produktivität ist der Wesenskern von Wohlfahrtsgewinnen durch Handel. Sie grundsätzlich zu behindern wäre weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll.“ – bto: Auch das stimmt!
  • Die Empirie zeigt, dass der technische Fortschritt der größte Treiber der Emissionssenkungen der letzten Dekaden war. Politisches Handeln sollte diesen befördern.
    Ebenso zeigt sich, dass die Handelsgewinne die Umweltschäden selbst bei hohen angenommenen CO2-Schäden übersteigen.“ – bto: weshalb es ein Fehler wäre, in die protektionistische Falle zu tappen.  
  • Carbon-Leakage hingegen ist (derzeit noch) von geringerer praktischer Relevanz. Daher sollte die EU-Kommission ihren Vorschlag zum CO2-Grenzausgleich zurückstellen, wenn das angedachte Modell nicht kompatibel mit dem Welthandelsrecht ist. Ein Auseinanderbrechen des ohnehin gefährdeten WTO-Systems würde dem Klima einen Bärendienst erweisen, weil der technische Fortschritt dadurch ausgebremst und die globale Produktionseffizienz sinken würde.“ – bto: Auch das leuchtet ein.

Und sie empfehlen bei kritischen Gütern eine Diversifikation der Lieferanten:

  • Eine anderer externer Effekt ergibt sich bei der Beschaffung kritischer Güter von geopolitischen Rivalen, die bei Konflikten Lieferungen einstellen könnten. (…) In einer Marktwirtschaft fallen solche Entscheidungen unkoordiniert und dezentral. Wie wir derzeit erleben, bedeutet dies aber, dass Deutschlands außen- und sicherheitspolitische Souveränität eingeschränkt ist, weil auf die entsprechenden Mengen Gas nur zu sehr hohen volkswirtschaftlichen Kosten verzichtet werden kann.“ – bto: Das rationale Verhalten des Einzelnen führt hier also zu suboptimalen Ergebnissen.
  • Die Diversifizierung der Bezugsquellen kann über Importquoten administriert werden. Die Zuteilung der Quoten sollte sich an der Versorgungssicherheit im Krisenfall orientieren. Innerhalb der Länderquoten sollten Auktionen durchgeführt werden, bei denen Unternehmen bezahlen, um importieren zu dürfen. Dies minimiert die volkswirtschaftlichen Kosten der Mengenbeschränkung.“ – bto: Der Nutzen der höheren Sicherheit, so betonen es die Autoren, ist ebenfalls nicht zu vernachlässigen.