Der Chef des Euro-Rettungsschirms: Steuerzahler statt Gläubiger sollen zahlen

Klaus Regling ist seit 2010 Chef des Euro-Rettungsfonds. Der mit 700 Milliarden Euro ausgestattete Fonds kann Staaten, die den Zugang zum Finanzmarkt verloren haben, Kredite unter Auflagen gewähren. Künftig sollen die Mittel des ESM auch als finanzielles Sicherheitsnetz für die Bankenabwicklung eingesetzt werden können. Die NZZ hat mit ihm gesprochen und wenig verwunderlich erklärt er den Sieg über die Eurokrise und macht sich über die Kritiker lustig, die den „Teufel an die Wand gemalt“ hätten und „Hyperinflation, Rechtsbrechung, riesige Verluste“. Zumindest Rechtsbruch war es bis jetzt schon, würde ich sagen. Aber egal, schauen wir uns das Interview mal an:

  • „NZZ: Herr Regling, ist die Europäische Währungsunion eine Schönwetterkonstruktion? Nein. Der Euro-Raum ist trotz Krise zusammengeblieben. Kein Land trat aus. (…) Die Staaten, die den Marktzugang verloren hatten, haben hart gearbeitet, um an den Markt zurückzukehren.“ – bto: Schon hier könnte man Zweifel anbringen. War es die Disziplin oder doch eher der Kollege Draghi, der im großen Stil aufgekauft hat und damit den Markt ersetzt?
  • „Schauen Sie nach Portugal. Das Land verlor in der Krise den Marktzugang und erhielt von uns einen Kredit über 26 Mrd. €. Das Land nahm harte Anpassungsmassnahmen vor mit Kürzung von Einkommen und Pensionen. Heute hat Portugal fast einen ausgeglichenen Haushalt, ein gutes Wachstum und eine Arbeitslosigkeit, die niedriger ist als vor der Krise.“ – bto: immer noch eine hohe private und staatliche Verschuldung und schwache Produktivität. Das Land hat keine nachhaltige Zukunft, wie ein Blick auf die Innovationsfähigkeit beweist. Es kann damit im starren Gerüst des Euro nicht auf Dauer funktionieren.
  • „Schauen Sie nach Griechenland. Dort sehen wir wieder Wachstum. Seit drei Jahren sehen wir auch einen Überschuss im Gesamthaushalt. Die Arbeitslosenquote ist mehr als zehn Prozentpunkte niedriger als zum Höhepunkt der Krise Ende 2013. Die Bevölkerung hat sogar eine populistische Regierung abgewählt und eine reformorientierte Regierung gewählt.“ – bto: Und der Staat zahlt weniger Zinsen als die USA. Ist das wirklich ein rationales Marktverhalten? Recht hat Regling, alles mit billigem Geld zu verdecken, weil wir heute im Unterschied von vor zehn Jahren Konsens haben. Deshalb ist das Europroblem vordergründig gelöst und man braucht auch den ESM nicht mehr, löst doch die EZB alle Probleme.
  • „Italien ist ein Sonderfall. Es war nie wirklich in der Krise und verlor nie den Marktzugang. Das Land hat einen Leistungsbilanzüberschuss. Dies bedeutet, es braucht kein ausländisches Kapital, um das Defizit zu finanzieren. Italien ist auch deshalb ein Sonderfall, weil es seit zwanzig Jahren nicht einmal halb so schnell wie der Euro-Raum wächst. Entsprechend schwierig ist es, den Schuldenstand abzubauen.“ – bto: Vor allem hat das Land immer mehr gespart als wir Deutschen. Das Problem ist, dass Italien im Gerüst des Euro nicht wirklich wieder wettbewerbsfähig werden kann. Und damit werden die Spannungen unweigerlich wieder zunehmen.
  • „Wir sind nicht die Vereinigten Staaten von Europa. Zentralisiert ist die Geldpolitik, nicht aber die Fiskalpolitik. Das kann funktionieren, aber man muss koordinieren. Diese Koordination klappt nicht immer hundertprozentig, aber sie klappt einigermassen. Im vergangenen Jahr hatte der Euro-Raum ein Haushaltdefizit von 0,5% des BIP, die USA eines von rund 6%. Kommt es zu einer Krise­, kann der Euro-Raum finanzpolitisch reagieren.“ – bto: Frankreich hatte ein Defizit von über drei Prozent, Deutschland einen Überschuss. Natürlich können die Deutschen, obwohl sie deutlich ärmer sind und in einem Land mit deutlich schlechterer öffentlicher Infrastruktur als die Franzosen leben, dann mal locker die Schulden Frankreichs mitübernehmen. Erschließt sich nicht schon aus diesem Umstand die Erkenntnis, dass das mit der gelungenen Rettung nicht so ganz stimmt?
  • „Ob Sanktionen verhängt wurden, kann nicht der Massstab dafür sein, dass etwas funktioniert. Es gibt ja auch Sanktionen im Strassenverkehr, wenn man zu schnell fährt. Nur weil jemand noch nie eine Busse erhalten hat, kann man nicht sagen, die Sanktionen beeinflussten sein Verhalten im Strassenverkehr nicht.“ – bto: Da sitzt also ein Vertreter der Exekutive und sagt allen Ernstes, dass es kein Problem ist, wenn Regeln nicht durchgesetzt werden? Knapper kann man nicht zeigen, dass die EU und vor allem der Euroraum nicht regelbasiert funktionieren.
  • „Die Klausel wurde nie verletzt. Das belegen fünf Urteile des Deutschen Bundesverfassungsgerichts und drei Urteile des Europäischen Gerichtshofes. Wie gesagt, in Deutschland wurde während der Krise exzessive Kritik geäussert. Man hat den Teufel an die Wand gemalt: Hyperinflation, Rechtsbrechung, riesige Verluste – was alles nicht eintraf. Dadurch haben diese Fundamentalkritiker an Glaubwürdigkeit verloren.“ – bto: Ich habe immer wieder geschrieben, dass Gerichte die falsche Instanz sind. Deshalb kann man auch nicht erwarten, dass sie einseitig den Stecker am Europrojekt ziehen. Ich denke, das politisch besetzte Verfassungsgericht war sich dieses Dilemmas durchaus bewusst.
  • „Der Euro ist die zweitwichtigste Währung im internationalen Währungssystem. Seine Bedeutung steigt. Das ist aber ein gradueller und langsamer Prozess, der früher eingesetzt hätte, wenn wir die Euro-Krise nicht gehabt hätten. Doch das Interesse am Euro nimmt zu.“ – bto: Kleiner Faktenhinweis, der Euro hat einen Anteil an den Weltwährungsreserven wie die D-Mark früher. Franc, Lira und Peseten hatten den auch mal. Folglich hat das Gewicht des Euro abgenommen, nicht zugenommen!
  • „Es gibt heute keine massiven makroökonomischen Ungleichgewichte in irgendeinem Land der Währungsunion. Vor zehn Jahren hatten wir ein halbes Dutzend Staaten mit Haushalts- und Leistungsbilanzdefiziten von über 10% des BIP.“ – bto: O. k., wer wirklich wissen will, wie es um die Eurozone steht, der schaut sich mehr Indikatoren an. Den Service biete ich hier:

    Best-of bto 2018: IWF zeigt, dass Eurozone nicht funktioniert
    Eurozone: Fakten statt Ökonomen-Träume
    Selbst der Ex-Chefvolkswirt des IWF erkennt, dass eine Fiskalunion den Euro nicht retten kann
    Sieben (gute) Thesen zur Eurozone
    Die EU darf kein Elitenprojekt bleiben
    Eurokrise: Die GroKo folgt den falschen Rezepten
    ifo-Schnelldienst: Zehn Gründe, warum die Deutschen nicht die Gewinner des Euros sind
    Die Illusion der Eurorettung

    • „NZZ: Worauf führen Sie die Stabilisierung zurück? Wir haben eine Bankenunion geschaffen, mit einer europäischen Aufsicht für die fast 120 systemisch wichtigsten Banken. Das Kapital der Banken ist heute doppelt so hoch wie vor zehn Jahren, das sind fast 500 Mrd. € mehr. Und wir haben den Euro-Rettungsschirm ESM kreiert.“ – bto: Der Markt traut den Banken jedenfalls nicht und auch Studien wie die des ZEW zeigen, dass es wohl eher Hoffnung als Realität ist.
    • „Zur Stabilisierung haben wir im Krisenfall derzeit nur die nationalen fiskalischen Puffer. Diese sollten ergänzt werden durch einen europäischen Fiskal-Puffer. Die Hilfen müssten über den Konjunkturzyklus zurückbezahlt werden.“ – bto: Frankreich jubelt, denn wir haben oben ja gesehen, dass man Regeln nicht durchsetzen muss. Dies bedeutet kassieren, ohne zurückzuzahlen.
    • „NZZ: Wäre ein staatlicher Insolvenzmechanismus verbunden mit der Drohung, dass ein Land aus der Währungsunion ausscheidet, wenn es zahlungsunfähig ist, keine Alternative zum ESM? – Beides wären massive Eingriffe in die Eigentumsrechte und in die Märkte. Zu meinen, das machte in einer Krise die Dinge einfacher als das, was wir jetzt aufgebaut haben, ist sehr verwegen.“ – bto: Da ist es doch besser, in die Eigentumsrechte der Steuerzahler einzugreifen – oder? Ich finde die Argumentation schon intellektuell schwach.
    • „Für ein gutes Funktionieren der Währungsunion ist diese Unumkehrbarkeit notwendig. (…) Deshalb gibt es auch nur Geld gegen Auflagen für die Finanz- und Wirtschaftspolitik. Diese Konditionalität ist ein massiver Eingriff in die Souveränität der Staaten.“ – bto: Aber wenn man sie nicht durchsetzt?
    • „Wir versorgen Griechenland fünfzig Jahre lang mit sehr günstigen Krediten. Letztlich wirken diese Erleichterungen für Griechenland wie ein Schuldenschnitt. Aber dieses Vorgehen ist innerhalb der Währungsunion eben zulässig und führt zu keinen Kosten in den anderen Mitgliedstaaten.“ – bto: Wie kann ein Schnitt nicht zu Kosten führen? Das ist die Fortsetzung der Lügenpolitik der Bundesregierung. Ich erinnere daran, dass die große Lüge eine deutsche ist:

    Griechenland: die Lüge der gewinnbringenden „Rettung“

    • „NZZ: Allerdings gibt es den Vorwurf, dass man das Problem mit so langen Tilgungsfristen einfach schönrechnet. Es ist kein Schönrechnen. Griechenlands Schulden sind tragfähig, weil dem Land eine massive Entlastung gewährt wird. Im letzten Jahr betrug diese Haushaltsentlastung 13 Mrd. €. Das sind 7% des BIP. Und diese Entlastung, kombiniert mit einer vernünftigen Wirtschaftspolitik, bringt das Wachstum zurück, womit die Schuldentragfähigkeit erreichbar ist. Aber es dauert einige Jahrzehnte.“ – bto: Deutsche Steuerzahler subventionieren Griechenland, nachdem sie dort französische Banken rausgehauen haben.
    • „NZZ: Griechenland bezahlt derzeit für zehnjährige Staatsschulden einen Zins von nur 1,17%. Sind die Anleger schon wieder leichtsinnig? Nein, es ist vielmehr ein Zeichen, dass Griechenland eine glaubwürdige Politik macht. Deshalb schwimmt Griechenland wieder mit an den Finanzmärkten. Es zahlt ja eine Prämie, die Zinsen sind 156 Basispunkte höher als in Deutschland. Diese niedrige Prämie zeigt, dass Griechenland an den Märkten wieder als wettbewerbsfähig wahrgenommen wird.“ – bto: weniger als die USA?? Hm.

    Regling verkauft die Eurorettungspolitik gut. Er hat natürlich auch recht, dass vordergründig die Eurozone viel besser dasteht als in den Zeiten der akuten Krise. Andererseits unterschlägt die entscheidende Rolle der EZB, die Tatsache, dass die Genesung des Euro, wenn man auf die Divergenz der Mitgliedsländer blickt, nicht fortgeschritten ist und feiert den Sieg zu früh. Ernsthaft die Zinsen von griechischen Staatsanleihen als Beweis dafür anzusehen, dass alles wieder in Butter ist, ist zumindest heroisch.

    nzz.ch (Anmeldung erforderlich): “Der Chef des Euro-Rettungsschirms: ‘Man hat den Teufel an die Wand gemalt: Hyperinflation, Rechtsbrechung, riesige Verluste’”, 6. November 2019

    Kommentare (23) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
    1. ruby
      ruby sagte:

      Herr Tischer
      IWF + Eurozone wären dritte und vierte Vertragspartner, finde das geht garnicht etwas neues on top.

      Ein realignment im Stress wird von den Bilanzierungsgrundlagen bestimmt, IFRS9 und IAS39.
      https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1042443118303688
      Bei den Greece Verhandlungen hatte Ackermann ja das beiliegende Hotelzimmer gebucht.
      Wie heißt der Ökonom der in der FT Deutschland 2011 so akurat rechnete, was der Schuldenschnitt für Folgen hätte, André Kühnlenz. Lang ist es her. Aber gestern hat Frau Schnabel EZB via Bundesbank ja “Unser Interesse” in der Zeit erklärt bezüglich Einlagensicherung. Jetzt geht es daran das gesamt Kapital zu verhaftet, um safe assets zu konstruieren, wie Kühnlenz dazu tzwitschert, ansonsten gibt es Stresstoxikologie.
      Ach ja und die Target II Salden, die werden gebraucht am besten für die Ewigkeit und ohne viel Aufsehen – im Handstreich sozusagen.

      Antworten
    2. ruby
      ruby sagte:

      Stadtluft atmet Freiheit halte es durch die Lande der Leibeigenschaften (Hansemuseum Lübeck). Mit den Kreditgeldfürsten in den Towers of Money wandelt sich diese Struktur der Gesellschaftsspiegelung und die Könnenden verabschieden sich abermals Richtung “Free Will” in einem R U S H.

      Die echten Grünen setzten auf Multifunktionsöfen die zu Mehrfachkosten die Forsthäuser mit Öl, Gas, Holz+Planets versorgen. Kreislaufwirtschaft heißt der Titel im Bundesgestzblatt. Der Finanzaktivismus ist als Abspaltung der Geldsekte implementiert und von Nachhaltigkeit Welten entfernt.
      https://www.annpettifor.com/

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    3. Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      Regling ist ein SCHÖNREDNER, weil er die ERZWUNGENE Stabilisierung der Eurozone durch Rettungsschirme, Kreditsubventionen, Transfers und Risikoverlagerung als Erfolg verkauft.

      Regling ist darüber hinaus ein ILLUSIONIST, weil er glaubt, dass die UNUMKEHRBARKEIT institutionell administrierter Regelungen den Fortbestand der Eurozone gewährleiste.

      Beides ist auf diesem Niveau DEMAGOGIE.

      Die POLITISCHEN „Sonderfälle“, wie etwas in Italien (Regierung ideologisch Unversöhnlicher), Spanien (unregierbar auch nach mehrfach wiederholten Wahlen), Frankreich (bei jeder einschneidenden Reform vor Massenunruhen) und Deutschland (zunehmende Spaltung mit Tendenzen zu Unregierbarkeit) werden dafür sorgen, dass die Eurozone in dieser Form keinen Bestand hat.

      Es ist nur eine Frage der Zeit.

      Es ist nicht ausgeschlossen, dass nicht einkalkulierbare externe Schocks ganz schnell dafür sorgen könnten, dass die Milch quasi über Nacht sauer wird.

      Antworten
      • Seuchenvogel
        Seuchenvogel sagte:

        @ Dietmar Tischler

        Er muss es schönreden. Immerhin hängt sein sicher fürstliches Gehalt und weitere Annehmlichkeiten davon ab

        Antworten
    4. Susanne Finke-Röpke
      Susanne Finke-Röpke sagte:

      Ich rege mich über diese Propaganda nicht mehr auf. Die aus der Geldpolitik resultierende Fehlallokation von Kapital im Euroraum wird die Bonität aller €-Länder schwächen. Das wird sich bei einem Vertrauensverlust in die Bundesrepublik zügig erledigen.

      Antworten
    5. asisi1
      asisi1 sagte:

      Ich kann es einfach nicht glauben , dass solche Verräter zu Wort kommen!
      Diese Posten wurden “STRAFFREI” gestellt. Warum wohl, weil sie einfach im höchsten Maße kriminell und volksschädlich sind!

      Antworten
    6. Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      „bto: Frankreich hatte ein Defizit von über drei Prozent, Deutschland einen Überschuss. Natürlich können die Deutschen, obwohl sie deutlich ärmer sind und in einem Land mit deutlich schlechterer öffentlicher Infrastruktur als die Franzosen leben, dann mal locker die Schulden Frankreichs mitübernehmen. Erschließt sich nicht schon aus diesem Umstand die Erkenntnis, dass das mit der gelungenen Rettung nicht so ganz stimmt?“

      Hätte Deutschland die letzten 20 Jahre in Bildung und Infrastruktur investiert, dann wären auch wir jetzt reicher und die „Rettung“ hätte u. U. gar nicht stattfinden müssen. Die schwarze Null war und ist ein Desaster.

      „Es gibt heute keine massiven makroökonomischen Ungleichgewichte in irgendeinem Land der Währungsunion.“

      So ein Unsinn, den Regling hier von sich gibt: Die LB von Deutschland weist noch immer einen massiven Überschuss aus.

      „bto: Wie kann ein Schnitt nicht zu Kosten führen? Das ist die Fortsetzung der Lügenpolitik der Bundesregierung. Ich erinnere daran, dass die große Lüge eine deutsche ist:“

      Jetzt werden also schon geringere Erträge einem orwellschen Neusprech unterzogen und als Kosten benamst? Nein, Herr Dr. Stelter, in diesem Punkt folge ich Ihnen nicht. Die niedrigen Zinsen sind der Tatsache geschuldet, dass die EZB/Draghi seinerzeit sehr erfolgreich den Spekulanten das Handwerk gelegt hat. Man kann nicht beides haben: Hohe Zinsen und Ausfallsicherheit. Da das Ausfallrisiko bei null liegt, ist im aktuellen Zinsumfeld auch 1 % noch eine gute Verzinsung.

      Wer höhere Zinsen möchte, der MUSS für höhere Staatsschulden plädieren: https://blogs.faz.net/fazit/2012/07/24/oekonomen-im-gespraech-3-carl-christian-von-weizsaecker-ueber-den-nutzen-der-staatsverschuldung-fuer-die-schwaebische-haushfrau-und-die-logik-niedriger-anleiherenditen-503/

      LG Michael Stöcker

      Antworten
      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Stöcker

        “Jetzt werden also schon geringere Erträge einem orwellschen Neusprech unterzogen und als Kosten benamst?”

        Na hier regt sich ja genau der richtige über orwellsches Neusprech auf. Nennen Sie Verluste doch konsequent “Negativgewinne”, dann wird jedes Rettungspaket zum wirtschaftlichen Mega-Erfolg…

        Antworten
        • Alexander
          Alexander sagte:

          @Richard Ott

          “Die Umwerthung aller Werthe” ist in vollem Gange.
          (Nietzsche, Antichrist)

          “Schulden sind Bankguthaben” (… M.Stöcker)
          Bankguthaben sind Konsumschulden….

          Wenn die ZB den Markt ersetzt, damit die Preisfindung durch Spekulanten beendet, gibt es keine Risikoaufschläge mehr. Ohne Aufschläge kauft WER? WARUM? Anleihen außer der ZB?

          Negative Zinsen beenden privates Sparen. Wer nicht zu sparen braucht, darf weniger und langsamer arbeiten – was die Produktivität senkt

          Wer weniger arbeitet, wird weniger besteuert und konsumiert weniger, was i.d.F. zum Arbeitszwang von Fachleuten führen muss, um Preispläne nicht zu vereiteln…

          Was konsumiert wird, erklären uns die Bezugskarten auf jene Waren die der Inflation dienlich sind…

          Im übrigen sind Frauen eigentlich Männer & Männer => Frauen,
          Analphabeten => Fachkräfte,
          Abkühlung => Klimaerwärmung,
          Krieg => Frieden und Frieden => Krieg,
          Ökonomische Freiheit => Sklaverei und Sklaverei => Freiheit…

          In einer solchen Gesellschaft ist es mir um Innovation nicht bange.

        • Richard Ott
          Richard Ott sagte:

          @Alexander

          „wen hassen sie [die Gutmenschen] am meisten?“

          Den Schaffenden hassen sie am meisten: den,
          der Tafeln bricht und alte Werthe, den Brecher —
          den heissen sie Verbrecher.

          Die Guten nämlich — die können nicht schaffen:
          die sind immer der Anfang vom Ende: —

          — sie kreuzigen Den, der neue Werthe auf neue
          Tafeln schreibt, sie opfern sich die Zukunft, — sie
          kreuzigen alle Menschen-Zukunft!

          Die Guten — die waren immer der Anfang vom
          Ende.

          Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz (eindeutiger Nazi-Beleg…), 1884.
          http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/nietzsche_zarathustra03_1884?p=97

        • Horst
          Horst sagte:

          “Negative Zinsen beenden privates Sparen. Wer nicht zu sparen braucht, darf weniger und langsamer arbeiten – was die Produktivität senkt.”

          Gut so, denn ein Kreditgeldsystem IST (KANN SEIN) kein Spargeldsystem (nicht dauerhaft). Deutschland weist eine der höchsten Geld-Sparquoten auf. Daher werden sich die Präferenzen in Bezug auf Geldsparen verändern (müssen). Da Bedürfnisse immer vorhanden sein werden, sollten Sorgen um Produktivität und Nachfrage auszuklammern sein.

          “Wer weniger arbeitet, wird weniger besteuert und konsumiert weniger, was i.d.F. zum Arbeitszwang von Fachleuten führen muss, um Preispläne nicht zu vereiteln…”

          Ihrer Schlußfolgerung ist daher nicht zu folgen.

        • Alexander
          Alexander sagte:

          @Horst

          “Gut so, denn ein Kreditgeldsystem KANN kein Spargeldsystem SEIN”

          Würde man faule Kredite abschreiben, wie es den Grundsätzen der Eigentumsökonomie entspricht, gäbe es keine faulen Ersparnisse=Vermögen und auch keine negativen Zinsen.

          Menschliche Grundbedürnisse wird es immer geben, aber nicht überall werden solche Märkte zugelassen, die geeignet sind diese Bedürfnisse zu befriedigen. Wirtschaften um Gewinn zu erzielen ist existentieller Bestandteil.

          Bisher mangelt es nur an bezahlbarem Wohnraum, das wird sich ändern.
          #die schaffen das.

        • Horst
          Horst sagte:

          “Würde man faule Kredite abschreiben, wie es den Grundsätzen der Eigentumsökonomie entspricht, gäbe es keine faulen Ersparnisse=Vermögen und auch keine negativen Zinsen.”

          Gerade das passiert meiner Beobachtung nach zurzeit, nur eben über eine längere Periode. Niemandem ist mit einem haircut nach tabula rasa-Manier geholfen. Sie sehen, die Grundsätze der Eigentumsökonomie werden durchaus beachtet – niemand möchte 1929 II – außer Ihnen, warum auch immer.

          Ich habe die Hoffnung, dass sich die zukünftigen Bedürfnisse (auch der Grundbedürfnisse) auf hochqualitative Produkte (die Zeiten des Massenkonsums und der ungehemmten Ausnutzung von Ressourcen nähern sich dem Ende) konzentrieren werden (Lebensmittel, Kleidung, Wohnen, techn. Ausstattungen) die überwiegend im Inland produziert werden und sich daher wiederum ihre eigene Nachfrage in einem Kreislaufmodell schaffen unter Zurückfindung einer ausgeglichenen LB.

        • Alexander
          Alexander sagte:

          @Horst

          1929 ist die VermögenspreisInflation geplatzt, d.h, Scheinvermögen aus Kreditgeldschöpfung völlig losgelöst von Realwirtschaft. Scheinvermögen ganz im keynesianischen Sinn von dem gewonnen Weltkrieg, samt dimensionsloser Reparationszahlungen – vorfinanziert aus dem Nichts….

          Mein Wollen bleibt völlig außen vor, nur die Folgen aktueller Entscheidungen zwängen sich dem interessierten Zeitgenossen auf.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Michael Stöcker

        >Jetzt werden also schon geringere Erträge einem orwellschen Neusprech unterzogen und als Kosten benamst? Nein, Herr Dr. Stelter, in diesem Punkt folge ich Ihnen nicht. Die niedrigen Zinsen sind der Tatsache geschuldet, dass die EZB/Draghi seinerzeit sehr erfolgreich den Spekulanten das Handwerk gelegt hat>

        Sie büchsen wieder einmal aus, weil Sie nicht die Aussage von Regling beachten und daraufhin neben der Sache argumentieren.

        Regling sagt:

        „Wir versorgen Griechenland fünfzig Jahre lang mit sehr günstigen Krediten. Letztlich wirken diese Erleichterungen für Griechenland wie ein Schuldenschnitt. Aber dieses Vorgehen ist innerhalb der Währungsunion eben zulässig und führt zu keinen Kosten in den anderen Mitgliedstaaten.“

        Wenn Griechenland – UNABHÄNGIG von den Zinsen, die von den Märkten gefordert werden – FÜNFZIG Jahre lang mit sehr günstigen Krediten VERSORGT wird, um einen Staatsbankrott zu vermeiden, muss diese Versorgungsleistung einen Preis haben, d. h. zu LASTEN anderer gehen.

        Der Preis ist für Deutschland, dass es mit seiner BONITÄT für die ESM-Kredite HAFTET.

        Das erhöht tendenziell die Kosten unserer Verschuldung.

        Dass diese nicht im Haushalt ausgewiesen werden und ersichtlich sind, weil sie im Umfeld schlechter Staatsschuldner nicht einmal in Erscheinung treten – Negativzinsen für deutsche Staatsanleihen! – ändert nichts daran.

        Wollen Sie das ernsthaft abstreiten?

        Die richtige Argumentation bezüglich Griechenlands müsste lauten:

        Wir verzichten de facto auf die Rückzahlung der Kredite, die Griechenland in der Vergangenheit gewährt worden waren, indem wir den Rückzahlungszeitpunkt und teilweise die Zinszahlungen in die Zukunft verschieben.

        Dieser Schuldenschnitt, der keiner de jure ist und daher die Folgen betreffend in den Staatshaushalten der Eurozone nicht ausgewiesen werden muss, ist kein REALER Verlust, weil das Land bei regulärer Bedienung dieser Schulden pleite wäre und damit die Kredite sowieso abgeschrieben werden müssten.

        (Bitte beachten: Ich sage DIESER Schuldenschnitt; ich sage NICHT, dass die NICHTBEDIENUNG dieser Schulden kein Verlust ist).

        Wir haften mit für die EMS-Kredite, die dem bankrotten Staat Griechenland geben wurden, um sich zu restrukturieren.

        Das ist NICHT kostenfrei, aber GÜNSTIGER, als wenn Griechenland aus der Eurozone ausgetreten wäre und wir zusammen mit anderen Staaten der Eurozone den europäischen Finanzsektor hätten sanieren müssen mit weit höheren Kosten als in der Vergangenheit geschehen.

        Im Übrigen:

        Griechenland kommt unter den dem Land von der Troika diktierten Bedingungen voran, vor allem auch weil China investiert, um einen starken Brückenkopf für die Seidenstraße in Europa aufzubauen.

        Antworten
        • ruby
          ruby sagte:

          Herr Tischer,
          die Änderung einer Annuität ist rechtlich ein Schuldenschnitt: Zins und Tilgung sind einheitlicher Kreditvertragsbestandteil. Daran ändert kein nachträgliches Symposium mit Vertagsänderungen oder Austausch der Rechtsprechung irgendwas.

        • Dietmar Tischer
          Dietmar Tischer sagte:

          @ ruby

          Ich bin mir nicht sicher, ob richtig ist, was Sie sagen, aber auch nicht, dass es falsch ist.

          Ich bemerke nur, dass es meines Wissens in den Verträgen zwischen der Eurozone/IWF sowie Griechenland zu einer VERTRAGLICHEN Einigung gekommen ist, in der die Schulden Griechenlands NICHT dauerhaft zum ERLÖSCHEN gekommen sind.

          Wenn das richtig ist, liegt kein sogenannter Erlassvertrag bzw. ein negatives Schuldanerkenntnis nach § 397 BGB vor.

          Das ist mein Verständnis.

          Dass bei der hier vorliegenden Thematik das BGB nicht zur Anwendung kommt, ist klar, besagt aber nicht, dass die für eine Beurteilung relevante supranationale Gesetzgebung nicht die gleichen Kriterien beinhaltet.

          Überlegung:

          Wenn, wie Sie sagen, die ÄNDERUNG einer Annuität rechtlich ein Schuldenschnitt ist, weil Zins und Tilgung ein einheitlicher Kreditvertragsbestandteil sind, dann wäre auch eine – theoretisch mögliche – ERHÖHUNG der Zinsen als Schuldenschnitt zu werten.

          Denn es wäre auch eine Änderung.

          Das ist zumindest begrifflich nicht nachzuvollziehen, weil hier nichts abgeschnitten würde, sondern vielmehr etwas dazu käme.

          Wie auch immer, am Kern meiner Argumentation ändert sich nichts.

      • troodon
        troodon sagte:

        @ Michael Stöcker
        “Da das Ausfallrisiko bei null liegt, ist im aktuellen Zinsumfeld auch 1 % noch eine gute Verzinsung.”

        Selbst wenn das Ausfallrisiko tatsächlich Null wäre, was es aus meiner Sicht nicht ist, dann wären 1% Verzinsung immer noch keine “gute Verzinsung”, wenn gleichzeitig die Inflationsrate über 1% liegt. Sie mag weniger schlecht sein, als bei -0,4%, aber “gut” ist im normalen Sprachgebrauch etwas anderes, als ein garantierter, realer Verlust .

        Antworten
      • Seuchenvogel
        Seuchenvogel sagte:

        @ Michael Stöckler

        Wie hat denn die EZB den Spekulanten das Handwerk gelegt?

        Und niedrigere Erträge können schon Kosten sein. Nämlich Opportunitätskosten.

        Antworten
    7. Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      Oh, ein Interview im publizistischen Westfernsehen, wo Regling sogar mal auf kritische Fragen antworten muss. Und die Antworten sind entlarvend:

      “Nein, es ist vielmehr ein Zeichen, dass Griechenland eine glaubwürdige Politik macht. Deshalb schwimmt Griechenland wieder mit an den Finanzmärkten. Es zahlt ja eine Prämie, die Zinsen sind 156 Basispunkte höher als in Deutschland. Diese niedrige Prämie zeigt, dass Griechenland an den Märkten wieder als wettbewerbsfähig wahrgenommen wird.”

      Lächerlich. Griechenland hat im Frühjahr 2019 zum ersten Mal seit 10 Jahren überhaupt wieder 10-jährige Staatsanleihen begeben und am Kapitalmarkt verkauft: https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2019-04-15/greek-debt-is-a-favorite-of-bond-investors
      Gesamtvolumen dieser Anleihen: 2,5 Mrd. €
      Gesamthöhe griechische Staatsverschuldung 340 Mrd. €

      Ohne die langfristig laufenden ESM-Rettungskredite (geplante Rückzahlung der letzten Tranche 2059) könnte sich Griechenland garantiert nicht für 1,17% verschulden.

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