Das Rohstoff­problem der Energie­wende

Bekanntlich sollen „Freiheitsenergien“ den Standort Deutschland retten. Das wirft viele Fragezeichen auf, aber konzentrieren wir uns auf eines: die Verfügbarkeit von Rohstoffen.

In SPEKTRUM erschien dazu vor einigen Wochen ein interessanter Beitrag. Hier sind die Highlights:

  • Anlagen für erneuerbare Energien erfordern eine neue Rohstoffbasis – und die hat es in sich: Für eine moderne Fotovoltaikanlage werden nach einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) mehr als doppelt so viele metallische Rohstoffe benötigt wie für ein Kohlekraftwerk der gleichen Leistung. Bei Onshore-Windrädern sind es fast fünfmal so viele Metalle, bei Offshore-Windrädern mehr als siebenmal so viele. Zwar brauchen fossile Kraftwerke dafür zusätzlich enorme Mengen an Brennstoff, doch Anlagen für erneuerbare Energien aufzubauen, ist im Vergleich deutlich ressourcenintensiver.“ – bto: Das bedeutet, wer Zugriff auf diese Rohstoffe hat, ist im Vorteil. Es bedeutet auch, dass es keineswegs so sicher ist, dass die Erneuerbaren Energien immer günstiger werden. Hier der Chart der IEA:

Quelle: IEA

  • „Die Deutsche Rohstoffagentur (…) prüfte im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, welchen Metallbedarf der beschleunigte Ausbau von Wind- oder Solarenergie verursacht. Dabei ging es beispielsweise um das Seltenerdmetall Neodym für Permanentmagnete, das moderne Windräder weniger wartungsintensiv macht und dessen globaler Bedarf sich bis zum Jahr 2040 versechsfachen könnte. Der Bericht listet zusätzlich über 20 kritische Metalle auf, deren Bedarf sich in vielen Fällen in kaum zwei Jahrzehnten vervielfachen dürfte, wenn die Energiewende in vollem Umfang umgesetzt wird.“ – bto: Und die Produzenten dieser Anlagen sichern sie sich und damit ihr Monopol. China ist besonders gut aufgestellt, siehe diesen Chart der IEA:

Quelle: IEA

  • „(Auch) viele andere neue Technologien, die für eine erfolgreiche Energiewende wichtig sind (treiben die Nachfrage). Dazu gehören Elektrofahrzeuge, stationäre Stromspeicher, aber ebenso Großanlagen für Wasserelektrolyse zur Herstellung von grünem Wasserstoff, für deren Membranen die seltenen Metalle Iridium und Scandium in zunehmendem Maße gebraucht werden dürften. Hinzu kommt der Metallbedarf anderer Hightechtechnologien, von traditionellen Rechenzentren über Quantencomputer und Radiofrequenz-Mikrochips für 5G- und 6G-Funkmasten bis zu Meerwasserentsalzungsanlagen. All diese Bereiche entwickeln sich derzeit schnell und dürften schon in einigen Jahren nicht nur nennenswerte Teile des globalen Rohstoffmarktes für strategische Metalle einfordern, sondern auch um sie konkurrieren.“ – bto: Was zur Frage führt, ob nicht allein der deutlich geringere Rohstoff- und Platzbedarf der Kernenergie weltweit zur Renaissance verhilft.
  • Der wachsende Bedarf an metallischen Rohstoffen wird dabei zu einem Risiko für die deutsche und europäische Energiewende. Denn während sich Volkswirtschaften in den nächsten Jahren von Erdgas-, Erdöl- und Kohlelieferanten abwenden, werden sie sich in neue Abhängigkeiten von Metallen begeben. Diese sind häufig sogar noch konzentrierter als bei den fossilen Energieträgern: Während Erdöl, Kohle und mittels Flüssiggascontainern auch Erdgas von einem Dutzend großer Förderländer geordert werden können, sind Abbau und Verarbeitung etlicher Metalle momentan auf wenige oder sogar einzelne Länder begrenzt.“ – bto: Und die Förderländer werden mit Sicherheit auf die eigenen Interessen achten.
  • Mit der Wiedervereinigung hat sich Deutschland aus dem Metallbergbau zurückgezogen. Bergwerke in Ost und West wurden geschlossen, entweder weil Vorkommen erschöpft waren oder weil die Bergbaupraxis unter neu geltenden Umweltgesetzen unrentabel wurde. Ein plötzlich weit geöffneter Weltmarkt tat sein Übriges: In Ost und West wurden strategische Reserven kritischer Rohstoffe aufgelöst, während Länder mit niedrigem Lohnniveau eine kaum zu unterbietende Konkurrenz darstellten. Heute, in Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen, schließt sich aber möglicherweise das Fenster für günstige Rohstoffeinfuhren.“ – bto: Wie auch beim Gas verzichten wir auf heimische Förderung, um „grün“ auszusehen.
  • Schon lange vor dem Ukraine-Feldzug Russlands forderten Wirtschaftsverbände, dass Deutschland die Versorgung mit metallischen Rohstoffen wieder in die eigene Hand nehmen und finanziell stützen sollte. Auf europäischer Ebene ist ein Strategiewechsel nun langsam erkennbar. (…) All das komme aber reichlich spät, sagt Jens Gutzmer. Der Geologe leitet seit zehn Jahren das Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie in Freiberg. »Ich würde vermuten, dass das Bundeswirtschaftsministerium weiß, dass es für die Energiewende entsprechende Mengen an Kupfer, Indium oder Seltenerdmetallen braucht«, sagt Gutzmer. »Sie haben wohl die Hoffnung, dass der Weltmarkt für uns offen bleibt“ – bto: Das ist nicht das einzige Gebiet, auf dem unsere Politiker nach dem Prinzip Hoffnung verfahren.
  • Die deutsche Politik hält das für eine Aufgabe der Wirtschaft, während China schon seit den 1990er Jahren den Abbau von Rohstoffen mit staatlichen Subventionen stützt. Das Land dominiert heute Abbau und Verarbeitung bei allen Seltenerdmetallen, aber auch bei Gallium, Vanadium oder Indium. (…) Im Jahr 2013 suchte die serbische Regierung nach Investoren für die Kupfermine und -hütte nahe der Kleinstadt Bor (…) Die serbische Regierung entschied sich schließlich 2018 für das Unternehmen Zijin aus China. Mittlerweile werden in Bor wieder über 27 000 Tonnen Kupferkonzentrat pro Jahr gefördert. ‘Aber das geht jetzt wohl eher zur neuen chinesischen Seidenstraße, statt die Energiewende in Europa zu stützen’, sagt Jens Gutzmer.“ – bto: Ich meine, wenn man sich schon eine Energiewende vornimmt, dann muss man auch die Voraussetzungen dafür schaffen!
  • In der Extremadura in Spanien gibt es nennenswerte Lithiumvorkommen im Untergrund, aber das geplante Bergwerk wird von vielen Anwohnern naher Gemeinden abgelehnt. Das größte Lithiumvorkommen Europas wird in Portugal vermutet, dessen Präsident sich kürzlich jedoch gegen ein Bergwerk im Nordwesten des Landes ausgesprochen hat.“ – bto: Tja, was soll man dazu sagen? Außer, dass nicht nur wir von Leuten regiert werden, die nicht alles ganz durchdenken?
  • Während die Energiewende momentan den Bedarf an Metallen und damit mehr Bergbau wachsen lässt, gibt es immerhin eine positive Aussicht: Es ist der Weg zu einer echten Kreislaufwirtschaft, wenn etwa der Bedarf an Neodym und Kupfer für neue Windräder durch das Recycling ausgedienter Anlagen gedeckt werden kann. Dieser Zeitpunkt ist aber heute längst noch nicht erreicht: ‘Gerade bauen wir ja kaum etwas ab, sondern vor allem auf’, sagt Jens Gutzmer.“ – bto: Es ist reine Zukunftsmusik.
  • Kurzfristig aber könnte der Energiewende und den immer ehrgeizigeren Ausbauzielen für erneuerbare Energien vieler Länder ein Dämpfer drohen, wenn sich Lieferengpässe zunehmend auf kritische Rohstoffe ausdehnen. (…) Ein neues Bergwerk benötigt vom Planungsbeginn bis zur Produktion laut IEA im Durchschnitt 16 Jahre, während zudem wissenschaftliche Innovation erst aufwändig bis zur Marktreife gebracht werden muss.
  • Der Marktwert heute gehandelter fossiler Energien ist um ein Vielfaches größer als der aller kritischen metallischen Rohstoffen. Die IEA erwartet aber, dass bis 2040 zumindest der Wert gehandelter Kohle übertroffen wird. Die geopolitische Abhängigkeit von metallischen Rohstoffen dürfte jedoch schon lange davor spürbar werden.“ – bto: Es ist ein Desaster, welches hier von der Politik betrieben wird.

spektrum.de: „Die Energiewende bekommt ein Rohstoffproblem“, 3. April 2022