Das Problem ist nicht der Reich­tum der Reichen, sondern das feh­lende Ver­mögen der Mitte

Bekanntlich ist das Vermögen der Deutschen deutlich geringer als in den meisten anderen Ländern Europas. Das zeigen auch die Daten der Credit Suisse, die in ihrem jährlich erscheinenden Global Wealth Report das Privatvermögen ermittelt. Relativ zum BIP belegen die deutschen Haushalte einen der hinteren Plätze. Hinter Ländern wie Italien, Frankreich und Spanien. Ein enttäuschender Befund, erwirtschaften wir doch seit Jahren ein höheres BIP pro Kopf und sind zudem sehr sparsam.

Dieser Befund hat zudem nichts mit der Verteilung der Vermögen zu tun. Selbst, wenn wir alle Vermögen in Deutschland umverteilen würden und jeder Bundesbürger gleich viel Vermögen besäße, wären wir immer noch deutlich ärmer als unsere großen Nachbarn. Überschlägig fehlen uns zwischen 1,2- bis 2,0-mal BIP an Vermögen, um zu Frankreich und Italien aufzuschließen, das wären also rund 4000 bis 6900 Milliarden Euro an zusätzlichem Privatvermögen. Pro Kopf beeindruckende 48.000 bis 84.000 Euro. Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit, entsprechend mehr dafür zu tun, um den Wohlstand im Lande zu erhöhen.

Leider dreht sich die Diskussion bei uns fast ausschließlich um die Verteilung der Vermögen. Denn so richtig es ist, dass die Vermögen tiefer sind als in den anderen Ländern, so zutreffend ist auch die Feststellung, dass die Vermögen in Deutschland deutlich ungleicher verteilt sind als in den anderen Ländern Europas. Dies zeigen auch die Daten der EZB:

Offensichtlich liegt das Median-Vermögen deutlich unter dem Eurozonen-Durchschnitt, was mit der Erkenntnis der zu geringen Vermögen hierzulande korrespondiert. Die Relation der Vermögen der oberen zehn Prozent zum Median ist umgekehrt in keinem anderen Land so ungleich wie bei uns. Andererseits kann man allerdings auch feststellen, dass unsere „Reichen“ mit einem Vermögen von 460.600 Euro keineswegs ungewöhnlich reich sind. Sie liegen etwas vor den Italienern und hinter den Franzosen.

Ganz anders bei den anderen Bevölkerungsgruppen. Auf die untere Hälfte entfallen in Deutschland nur 2,6 Prozent des Nettovermögens, etwas mehr als 12.000 Euro. Die ärmere Hälfte der Italiener hat dreieinhalbmal so viel Vermögen: 42.000 Euro (9,9 Prozent), in Frankreich liegt der Wert bei 28.000 Euro (5,8 Prozent).

Womit das Problem deutlich ist: Viele Deutsche haben zu wenig Vermögen, und dies gilt es zu steigern. Dabei zeigen Studien, dass höhere Vermögen auch mit einer größeren Zufriedenheit der Bürger einhergehen.

Interessanterweise scheint sich diese Erkenntnis zumindest teilweise auch in Deutschland durchzusetzen. So haben Forscher des DIW zwar mit viel Aufwand herausgefunden, dass die Ungleichheit der Vermögen noch höher ist als bislang angenommen, zugleich aber die richtige Schlussfolgerung daraus gezogen: Wir müssen mehr tun, um die Breite der Bevölkerung wohlhabender zu machen.

Nach Berechnungen des DIW besitzen demnach zehn Prozent der Erwachsenen rund 67 Prozent des Vermögens in Deutschland. Auf die Top ein Prozent entfallen demnach 35 Prozent. Umgekehrt besitzen die 50 Prozent der ärmeren Hälfte der Bevölkerung mit 1,4 Prozent des Vermögens praktisch nichts.

  • In drei Jahren Recherche haben die Ökonominnen und Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) die Vermögensverhältnisse am oberen Rand der Bevölkerung zusammengetragen. Es ist die erste Untersuchung der Vermögensmillionäre in Deutschland, die auf einer Zufallsstichprobe basiert – und nicht wie bisher auf Schätzungen oder journalistisch recherchierten Reichenlisten von Forbes oder dem manager magazin.“ – bto: Das Problem, dass die Reichen statistisch unzureichend erfasst werden, besteht in den anderen Ländern natürlich auch, weshalb diese Erkenntnisse nichts an der Grundaussage der Daten der EZB ändern dürfte.
  • Der Befund, zu dem die Forscher auf Basis der neuen Daten kommen, dürfte die Debatte um die Beteiligung der Reichen an den Kosten der aktuellen Krise weiter befeuern. Das international gängige Maß für Ungleichheit ist der sogenannte Gini-Koeffizient. Beträgt er Null, herrscht keine Ungleichheit (die Vermögen sind völlig gleich verteilt). Erreicht er eins, ist die Ungleichheit maximal (ein Einzelner besitzt alles). Schon vor der neuen Erhebung lag der Wert bei 0,78. Jetzt beträgt er 0,81. Bezieht man die Reichenliste mit ein, sogar 0,83. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland damit schlecht ab.“ – bto: Wie gezeigt, liegt das an der Tatsache, dass bei uns die unteren 50 Prozent der Bevölkerung zu wenig haben.
  • Das hat nach Ansicht der DIW-Forscher mehrere Ursachen. Zum einen gibt es in Deutschland ein vergleichsweise gut ausgebautes Sozialsystem. Die Notwendigkeit privat vorzusorgen ist deshalb geringer als in anderen Ländern. Die Forscher zählen Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung in ihrer Betrachtung nicht zum Vermögen. Täten sie es, würde die Ungleichheit geringer ausfallen.“ – bto: Die Wirkung ist erheblich, wie das ifo-Institut vorrechnete.  
  • Zum anderen ist Deutschland traditionell ein Land der Mieter, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung wohnt in einer eigenen Immobilie. Das Geld, das in die Miete fließt, fehlt den ärmeren Haushalten zum Sparen. Vor allem in osteuropäischen Ländern, in denen Immobilienbesitz stärker verbreitet ist, fällt die Vermögensungleichheit geringer aus.“ – bto: Warum schreibt die ZEIT hier „osteuropäische Länder“, wo wir doch wissen, dass dies vor allem auf Italien und Spanien zutrifft. Will man hier sicherstellen, dass die Deutschen nicht hinterfragen, weshalb sie als ärmeres Mietervolk den reicheren Immobilieneigentümern helfen sollen?
  • Doch auch die Politik hat die ungleiche Entwicklung beeinflusst. Die Senkung des Spitzensteuersatzes durch die frühere rot-grüne Bundesregierung habe dazu geführt, dass die Bezieher hoher Einkommen mehr Geld zur Verfügung hatten, um zu sparen, sagt der DIW-Ökonom Carsten Schröder. Dadurch sind die Vermögen am oberen Rand absolut zuletzt schneller gewachsen.’ Seit Ende der Neunzigerjahre fällt außerdem die Vermögensteuer weg, die die ungleiche Entwicklung gebremst hatte.“ – bto: Das ist doch interessant. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass a) das billige Geld Vermögenspreise treibt, b) der IWF die deutschen Handelsüberschüsse für ein Reichtumsprogramm der Familienunternehmen sieht, hinter dem nichts anderes steht als die Schwäche des Euro. Diese Punkte nicht zu nennen, ist schon problematisch.
  • Die DIW-Forscher nennen aber noch einen anderen, entscheidenden Faktor: Den Menschen am unteren Rand war es bisher kaum möglich, nennenswerte Vermögen aufzubauen. ‘Viele Fördermaßnahmen wie das Baukindergeld oder die Eigenheimzulage waren Geschenke an die Mittelschicht’, sagt Markus Grabka, Mitautor der Studie. ‘Den Menschen am unteren Rand hat diese Förderpolitik wenig geholfen.’ Die Folgen zeigen sich heute: Die Hälfte der Bevölkerung hat kein oder nur ein geringes Vermögen von bis zu 22.800 Euro. Im Schnitt beträgt das Nettovermögen dieser Gruppe rund 3.700 Euro.“ – bto: Jetzt müssen wir in Erinnerung behalten, dass die Zuwanderung mittelloser Menschen mit unterdurchschnittlicher Bildung sich nicht nur im BIP pro Kopf und den Einkommen niederschlägt, sondern auch bei den Vermögen.
  • “Doch wer sind im Gegensatz dazu die reichsten 1,5 Prozent, die mehr als eine Million Euro besitzen? Auch darüber gibt die Studie Auskunft und räumt zugleich mit Vorurteilen auf.  ‘Die Vorstellung, dass reiche Menschen Privatiers sind, die nicht arbeiten und ihr Geld verkonsumieren, lässt sich in unseren Daten nicht bestätigen, sagt der Ökonom Carsten Schröder.“ – bto: Es ist gut, dass er das sagt, und es ist auch gut, dass es die ZEIT druckt, obwohl es der Linie des Blattes nicht gefallen kann und schon gar nicht dem DIW-Chef Marcel Fratzscher, der keine Möglichkeit auslässt, die Ungleichheit zu beklagen und nach mehr Umverteilung zu rufen.
  • Rund drei Viertel der Millionäre in Deutschland sind selbstständig oder unternehmerisch tätig. Häufig arbeiten sie in leitender Funktion. Anders als im Rest der Bevölkerung ist kaum ein Millionär angestellt. Rund ein Drittel ist in Rente, nur fünf Prozent arbeiten gar nicht. Vor allem aber legen Millionäre ihr Vermögen anders an als der Rest der Bevölkerung. Während die Mittelschicht ein Großteil ihres Vermögens in Immobilien oder Geldanlagen hält, steckt rund 40 Prozent des Vermögens der Millionäre in Firmenanteilen. Ihr Vermögen ist Betriebsvermögen, an dem Arbeitsplätze, Gehälter und Steuereinnahmen hängen.“ – bto: Und es steht im Risiko, etwas, was die verbeamteten Politiker nicht kennen und scheuen.
  • Millionäre in Deutschland sind zudem (…) überdurchschnittlich gut ausgebildet und leben überdurchschnittlich häufig in Westdeutschland. Sie sind mit im Schnitt 56 Jahren älter als der Durchschnitt der Bevölkerung. Und sie verdienen mit mehr als 7.600 Euro netto im Monat mehr als dreimal so viel wie der Durchschnitt. Nur 14 Prozent haben einen Migrationshintergrund, im Rest der Bevölkerung gilt das für jede vierte Person.“ – bto: Und jetzt würde ich gerne noch wissen, woher diese Migranten kamen. Denn wir wissen, dass Einkommensarmut in Deutschland von Migranten aus bestimmten Regionen definiert wird.
  • In der DIW-Befragung zeigten sich die Millionäre in nahezu allen Lebensbereichen deutlich zufriedener als der Rest der Bevölkerung. Die Reichen waren nicht nur glücklicher mit ihrem Einkommen, ihrer Gesundheit, ihrer Familiensituation und ihrem Wohnumfeld, sondern auch mit dem Leben insgesamt. Nur hinsichtlich der Freizeit war die Zufriedenheit geringer. Das führen die Autoren auf die deutlich höheren Arbeitszeiten zurück. Den Befragungsdaten zufolge arbeiten die Millionäre im Schnitt 47 Wochenstunden – rund zehn Stunden mehr als der Rest der Bevölkerung.“ – bto: Es ist doch so ärgerlich: Sie arbeiten mehr, zahlen mehr Steuern und sind auch noch reicher. Aber egal: Es lohnt sich, politisch gegen sie zu polemisieren, weil es eben populär ist.
  • Die Beobachtung, dass ein höheres Einkommen irgendwann nicht mehr glücklicher macht, scheint also einen wesentlichen Faktor zu vernachlässigen: das dahinter liegende Vermögen. Bezieht man das mit ein, lässt sich zeigen, dass auch Menschen mit geringem Einkommen zufriedener sind, solange sie ein Vermögen haben. ‘Vermögen hat eine zentrale Sicherungsfunktion’, sagt der DIW-Ökonom Grabka. Es kann wegbrechende Einnahmen – wie etwa jetzt in der Corona-Pandemie – auffangen. ‘Vermögen gibt aber auch Freiheit. Man kann zum Beispiel den Job wechseln, wenn man damit unglücklich ist.’“ – bto: So ist es. Deshalb muss es Ziel der Politik sein, den Bürgern die Rahmenbedingungen zu geben, vermögend zu werden!
  • “Die DIW-Ökonomen plädieren dennoch dafür, die neuen Ergebnisse nicht für Neiddebatten zu nutzen. Wichtiger sei eine politische Diskussion darüber, wie auch ärmere Menschen ein Vermögen aufbauen könnten. Bislang besitzt die untere Hälfte nicht nur kaum Vermögen, sie spart auch kaum für die Zukunft. Reiche hingegen sparen größere Anteile ihres Einkommens. Die Folge: Ihr Reichtum vermehrt sich, während das geringe Vermögen der anderen stagniert.“ – bto: Liebe ZEIT, warum „dennoch“? Das ist doch die logische Konsequenz aus dem zuvor Gesagten!
  • Der Ökonom Markus Grabka hält auch die Diskussion um eine Wiederbelebung der Vermögensteuer für verfehlt. Selbst wenn diese großzügig bemessen wäre, würde sie an der hohen Vermögenskonzentration wenig ändern. ‘Die Vermögensteuer ist nicht die Lösung des Problems’, sagt Grabka. ‘Dem Großteil der Bevölkerung würde es erheblich mehr dienen, wenn wir den Fokus umschwenken auf eine bessere Vermögensakkumulation.’“ – bto: BINGO!
  • Statt die Reichen zu besteuern, sollte die Regierung sich stärker um Modelle des Vermögensaufbaus für breite Teile der Bevölkerung kümmern, argumentieren die DIW-Forscher. Ein Beispiel sei Schweden, wo die bürokratischen Hürden für den privaten Vermögensaufbau geringer seien und die staatlich geförderten Renditen höher.“ – bto: Und die Schweden sind nach allen Studien auch deutlich glücklicher als die Deutschen!
  • Denkbar wäre auch eine veränderte Immobilienförderung für ärmere Menschen. Der Staat könnte etwa die Grunderwerbssteuer für Erstkäufe von Immobilien abschaffen und dafür weitere Immobilienkäufe stärker besteuern. Das würde jenen nützen, die wenig Immobilienvermögen haben, und jene härter treffen, die im großen Stile in Immobilien investieren.“ – bto: Ja, wobei dies wiederum nicht so sehr das Gesamtvermögen steigert.
  • Der DIW-Forscher Johannes König hält auch direkte Finanzhilfen des Staates für denkbar, um dem ärmeren Teil der Bevölkerung beim Vermögensaufbau zu helfen. ‘Wenn man am unteren Ende drehen möchte, muss man die Leute dort gezielt fördern’, sagt König. ‘Vergangene Studien zur Riesterförderung zeigen, dass man den Leuten das Geld auf ihr Sparkonto legen muss.’“ – bto: siehe meinen Vorschlag, dass der Staat jedem Bürger 25.000 Euro schenken sollte.
  • Das könnte zum Beispiel auf persönlichen Vermögenskonten geschehen. Der Staat würde darauf einzahlen, das Geld wäre ab einem bestimmten Alter verfügbar. Noch weiter geht der US-Bundesstaat Alaska mit seinem Alaska Permanent Fund. Der Staat zahlt dort die Hälfte des jährlichen Fondsgewinns aus Öleinnahmen jedem Einwohner zur freien Verfügung aus – pro Kopf umgerechnet einige Tausend Euro.“ – bto: So ist es richtig! Wenn wir unser Auslandsvermögen seit 2009 wie Norwegen und Kanada angelegt hätten, hätten wir pro Kopf circa 30.000 mehr. Wenn wir die 25.000 Euro pro Kopf nach meinem Vorschlag zu fünf Prozent per anno anlegen, was angesichts Volumen, Zeithorizont und damit Risikoprofil möglich ist, wären schon nach zehn Jahren aus den 25.000 über 40.000 geworden.

zeit.de: “Das obere Prozent”, 14. Juli 2020