Das politische Pro­gramm der Ver­armung

Im Podcast vom 30. April 2023 habe ich unter anderem Christof Schürmann, Senior Research Analyst beim Flossbach von Storch Institut, zitiert. Er hat einen ausführlichen Kommentar zur Lage am deutschen Immobilienmarkt geschrieben. Einige Highlights:

  • „Der Markt für Immobilien ist zentral. Er absorbiert viel Kapital, angesparte und fremde Mittel; die Quote aus Wohnkosten zu Einkommen lag zuletzt bei 23,3 Prozent. Mietern entzieht das Wohnen hierzulande sogar durchschnittlich 27,6 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens – Tendenz steigend. Auf Seiten der Banken schlagen sich Immobilienkredite in Höhe von knapp 1,8 Billionen Euro nieder. Die Bauwirtschaft ist mit rund zwölf Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt ein gewichtiger Konjunkturfaktor, große Immobiliengesellschaften mit ihren Aktien spielen eine beachtenswerte Rolle an der Börse.“ – bto: Damit ist es eine der wichtigsten Vermögenspositionen der Deutschen!
  • „Wohl dem, der Eigentum hat, so dachten bis vor Kurzem viele. Doch angesichts vervielfachter Zinsen und einem Stau an Investitionen, vor allem gemessen an dem, was energetisch gefordert sein könnte, ist der über mehr als ein Jahrzehnt boomende Wohnimmobilienmarkt geradezu schockartig abgestützt – abzulesen an der Nachfrage nach Hypothekendarlehen.“ – bto: Die Preise machen das, was man aus Cartoons kennt. Sie rennen in der Luft über der Schlucht.
  • „Das von der Politik formulierte Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen errichten zu wollen, dürfte jedenfalls 2023 erneut deutlich verfehlt werden, wie schon in der Vergangenheit. Als ausgeschlossen darf gelten, dass die wegen der zahlreichen Flüchtlinge eigentlich 500.000 bis 600.000 jährlich benötigten Neubau-Wohnungen absehbar auch gebaut werden.“ – bto: Natürlich. Angesichts der Baukosten, Auflagen, Regulierung und Zinsentwicklung – wer kann, investiert außerhalb Deutschlands.
  • „Kein Wunder, dass der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) als Spitzenverband der Immobilienwirtschaft jüngst vor einem ‚Wohnungsbau-Debakel‘ im Jahr 2025 warnte. Dann könnten 700.000 Wohnungen fehlen.“ – bto: … regional natürlich sehr unterschiedlich.
  • „(…) Deutschlands größter Wohnungskonzern (…) müsste (…) ‚völlig unrealistische‘ Mieten nehmen, um die gestiegenen Kosten zu decken. (…) ‚Bei Objekten, die wir früher für zwölf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter anbieten konnten, müssten wir jetzt eher Richtung 20 Euro gehen, um unsere Kosten von 5.000 Euro pro Quadratmeter hereinzuholen.‘“ – bto: Ein wichtiger Kostentreiber ist die Politik.
  • „Über 20 Jahre sind die reinen Baukosten um 47 Prozent gestiegen (bis 2021 einschließlich, ohne Grundstück und Finanzierung)“:

 Quelle: Flossbarch von Storch Research Institute

  • „Die Wohneigentumsquote liegt zwischen Flensburg und Passau nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes bei nur 46,5 Prozent. In Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Hamburg und München (den sogenannten Top-7-Metropolen) lag die Quote bei sogar nur gut 22 Prozent.“ – bto: … ein wichtiger Grund für die ungleiche Vermögensverteilung.
  • „(…) Sanierungskosten, ob energetisch oder nicht, sind (auf dem Land) relativ zum Wert der Gebäude deutlich teurer als in den Großstädten. Ein neues Dach in der Gemeinde Eickeloh in der Lüneburger Heide kostet genauso viel wie in der nächsten Großstadt Hannover. (…) Die Kaufkraft auf dem Land ist eben regelmäßig spürbar niedriger als in der Großstadt (…) – Sanierungskosten schlagen deshalb stärker ins Kontor der Eigentümer. Dies könnte dazu führen, dass Eigentum besonders im ländlichen Raum nicht mehr zu halten sein wird.“ – bto: Es sollen ja auch alle in Plattenwohnungen hausen, um so den CO2-Ausstoß zu senken.
  • „So möchte die EU nach bisher bekannten vorläufigen Plänen Gebäude auf bestimmte Energieklassen hochsanieren. Wobei jedes Land möglicherweise seine Eigenarten behalten darf. Das könnte ironischerweise dazu führen, dass einige Länder, die einen größeren Sanierungsstau als etwa Deutschland haben, weniger tun müssten, um formal den Anforderungen zu genügen. Denn die Verbesserungen könnten länderspezifisch relativ zum Status quo gestaltet werden, nicht absolut auf Stufe X.“ – bto: Das bedeutet auch, dass es besonders teuer ist.
  • „Mitte März erst verschärfte jedenfalls das EU-Parlament die Sanierungspflicht für Hausbesitzer. Bestandsimmobilien sollen Eigentümer demnach bis 2030 auf den sogenannten ‚Energieeffizienzstandard E‘ bringen und bis 2033 auf den ‚Standard D‘. (…)“
  • „Etwas konkreter, wenn auch ebenfalls noch vorläufig, sind die deutschen Pläne, was Heizungsmodule betrifft. Nach Plänen aus dem Wirtschafts- und dem Bauministerium soll der Einbau von Gas- und Ölheizungen vom kommenden Januar an Geschichte sein. Jede neu eingebaute Heizung solle dann im Betrieb zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie arbeiten – ‚möglichst‘, wie es heißt.“ – bto: Wie immer bei diesem Thema, wird es bei uns besonders über das Knie gebrochen.
  • „Das trifft früher oder später rund drei Viertel der gut 41 Millionen Haushalte in Deutschland. Denn Gas machte laut dem 2021er Datenreport Wohnen des Statistischen Bundesamtes im Bestand noch 52,1 Prozent aus, Heizöl 23,5 Prozent und Fernwärme gut 14 Prozent. Stromdirektheizungen und Elektro-Wärmepumpen machen jeweils nicht einmal drei Prozent aus. Die übrigen rund sechs Prozent entfallen auf Feuerungsanlagen für feste Brennstoffe wie Holz, Holzpellets, sonstige Biomasse oder Kohle.“ – bto: Es ist eine gigantische Investition erforderlich.
  • „Bei einem bisher völlig unsanierten Haus älteren Jahrgangs können Sanierungskosten leicht 1000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche betragen. Für Wärmepumpe und Solar etwa kommen schnell 50.000 Euro zusammen – eine Summe, die für ein Einfamilienhaus als Untergrenze angesehen werden darf. Außenwände mit einer angenommenen Fläche von 300 Quadratmetern mit Wärmedämmziegeln zu verbessern, kostet derzeit allein bis zu 90.000 Euro. Wer dazu noch eine Fußbodenheizung benötigt, um eine Wärmepumpe möglicherweise erst effizient nutzen zu können, der muss bei Bestandsimmobilien mit weiteren zehntausenden Euro rechnen.“ – bto: Die Kosten steigen, sie sinken nicht.
  • „Zudem steht es für ältere Eigentümer außer Frage, dass sich eine energetische Investition ins eigene Heim oder in die zur Altersvorsorge vermietete Wohnung in der Regel nicht mehr rechnen wird. Selbst dann nicht, wenn die Energierechnung dann niedriger ausfallen sollte – was ohnehin nicht zwangsläufig der Fall ist. (…) Die Kauflust der Jüngeren dürfte zweifellos derzeit ebenfalls eingedämmt sein. Denn bei einem Hauskauf besteht laut Gebäudeenergiegesetz ohnehin schon die Pflicht, innerhalb von zwei Jahren einen über 30 Jahre alten Heizkessel zu erneuern, falls dieser nicht zufälligerweise auf Nieder- oder Brennwerttechnik basiert.“ – bto: Es ist die faktische Entwertung von Vermögen.
  • „Nur etwa die Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland ist aber beispielsweise für den effizienten Betrieb einer Wärmepumpe geeignet. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Studie des Forschungsinstituts für Wärmeschutz München und des Instituts für Energie- und Umweltforschung. In 9,25 Millionen Wohngebäuden ist demnach der Einbau einer Wärmepumpe problemlos möglich. In weiteren rund zehn Millionen Wohngebäuden arbeite diese ineffizient. Ineffizienz führt entweder zu kalten Räumen oder zu einem sehr hohen Energieeinsatz (über Strom), der teuer und alles andere als ‚nachhaltig‘ wäre. Eine Investition würde also weder die laufenden Kosten senken, noch das, was als Klimaschutz verstanden wird, unterstützen.“ – bto: Aber es würde die Ideologen erfreuen und die Bürger ärmer machen.
  • „Eine Annahme von 1000 Euro an Sanierungskosten je Quadratmeter würde hochgerechnet eine Gesamt-Investition von zwei Billionen Euro für die betroffenen Eigentümer bedeuten. (…) Zum Vergleich: Das deutsche Nettoanlagevermögen in Wohn- und Nichtwohnbauten betrug 2020 laut ZIA rund 9,6 Billionen Euro. Davon entfielen 61 Prozent auf Wohnbauten und 39 Prozent auf Wirtschaftsimmobilien. Zusammen mit den Grundstückswerten (5,1 Billionen Euro), summiert sich das gesamte deutsche Immobilienvermögen auf knapp 14,7 Billionen Euro. Eine Verteilung von 61 zu 39 auch bei den Grundstückswerten unterstellt, läge das Wohn-Immobilienvermögen bei rund neun Billionen Euro. Eine Investition über zwei Billionen Euro, der ja nur auf den halben Bestand angenommen wird, würde also demnach gut 44 Prozent auf dessen aktuellen Wert bedeuten. Anders gedeutet: Der sanierungspflichtige Bestand wäre in Preisen von 2020 in Durchschnitt um fast die Hälfte überbewertet – oder diese Wertansätze wären erst wieder nach den Billioneninvestitionen zu rechtfertigen. Dabei würde sogar noch angenommen, dass die schlechtere, ältere Hälfte des Bestandes denselben (hohen) Wert hat wie die bessere, aus neueren Bauten bestehende Hälfte.“ – bto: Es ist eine Vernichtung von Vermögen in erheblichem Ausmaß.
  • „Auf Seiten der Banken stellt sich die Frage, inwieweit Bestandsimmobilien angesichts von Preis-Abschlägen möglicherweise auch die Werthaltigkeit der Hypotheken gefährden. (…)“
  • „Niedrigere Wertansätze und zudem die möglicherweise zusätzliche Kreditierung für Sanierungen könnten zu Problemen in den Hypothekenportfolios der Banken und bei den Kreditnehmern gleichzeitig führen.“ – bto: Die Politik ist einfach nur unglaublich.
  • „Im mittleren Szenario einer Bevölkerungsstagnation dürfte der Einfluss auf die Immobilienpreise ceteris paribus als neutral bis leicht positiv im Sinne von preissteigernd eingestuft werden. Der Annahme von Preissteigerungen bei konstanter Bevölkerung liegt zugrunde, dass ältere Menschen lieber in ihren bisherigen Häusern bleiben als umzuziehen. (…) Der Sanierungszwang könnte diesen Home Bias der Älteren theoretisch ändern – ebenso wie die Perspektive steigender Preise.“ – bto: Naja, der Bestand wird verfallen.
  • „Der deutsche Markt für Wohnimmobilien dürfte auch auf mittlere Sicht seine besten Jahre vorerst hinter sich haben. (…) Der Umschlag an Wohnungen sowohl was Kauf als auch Mieterwechsel betrifft, wird in dem aktuellen Umfeld voraussichtlich weiter sinken. Die wahrscheinlichste Variante ist ein eingefrorener Markt auf einem reduzierten Kaufpreisniveau. Die Mieten dürften spürbar steigen. Sollte jedoch ein Sanierungszwang entstehen, der tatsächlich die genannten Kosten nach sich zieht, dann droht ein Überangebot an Kaufobjekten und ein Überbietungswettbewerb bei Mietwohnungen.“ – bto: Ja, es ist die grüne DDR 2.0 und man kann es nicht fassen, wieso die Deutschen das mit sich machen lassen.
  • „Frühere Bürger der DDR dürften sich an alte Zeiten erinnern, wenn aufgrund des Nachfrageüberhangs knappe Mietwohnungen immer schlechterer Qualität offiziell rationiert und inoffiziell auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden. Wie damals dürfte mancher Eigentümer sein Mietshaus an den Staat verschenken wollen, um die damit verbundenen finanziellen Belastungen loszuwerden.“ – bto: Auch das ist ein politisches Ziel.

→ flossbachvonstorch-researchinstitute.com: “Eiszeit am deutschen Immobilienmarkt”, 22. März 2023