Da ist er wieder: Thomas Piketty und die Ungleichheit

Wie die meisten Leser dieser Seiten vermutlich wissen, habe ich mich 2015 sehr kritisch mit den Thesen von Thomas Piketty auseinandergesetzt, was letztlich zu meiner Replik in Buchform geführt hat:

Die Schulden im 21. Jahrhundert

Auch bei bto sind einige immer noch relevante Kommentare erschienen:

„Piketty beschreibt Symptome, nicht Ursache“ – Makroökonom Daniel Stelter kritisiert Wirtschaftsbestseller

Credit Suisse und Piketty beschreiben Symptome

Piketty liegt falsch: “Deciphering the fall and rise in the net capital share”

Heute nun eine Besprechung der neuesten Zahlen des Reichtumforschers im Handelsblatt:

  • “Ein Team um den Wirtschaftsforscher Thomas Piketty veröffentlicht seit diesem Jahr einen jährlichen Bericht über die weltweite Entwicklung wirtschaftlicher Ungleichheit: den World Inequality Report.” – bto: Das ist unter Marketinggesichtspunkten eine gute Strategie; er besetzt das Thema und hält es aktuell.
  • “Auf globaler Ebene besteht die wichtigste Entwicklung der letzten Jahrzehnte darin, dass der Anteil der Menschheit, der in extremer Armut lebt, drastisch zurückgegangen ist. Im Jahr 1981 waren 44 Prozent der Weltbevölkerung – damals zwei Milliarden Menschen – von Armut betroffen. Bis zum Jahr 2015 ist diese Quote bei steigender Weltbevölkerung auf zehn Prozent gefallen. Das sind 700 Millionen Menschen – immer noch zu viele, aber der Fortschritt ist gewaltig. (…) Der Bericht erwähnt diesen Erfolg der Armutsreduktion nicht.” – bto: natürlich nicht! Es passt ja nicht in die Kampagne des Kapitalismusgegners und Umverteilungsapologeten.
  • Der “konzentriert sich (lieber) auf andere Aspekte der Ungleichheit – nämlich die Entwicklung der Anteile bestimmter sogenannter Perzentile. Analysiert wird die Einkommensverteilung innerhalb ausgewählter Länder am Gesamteinkommen. Soziodemografische und ökonomische Veränderungen wie beispielsweise eine wachsende Frauenerwerbsbeteiligung oder eine Veränderung der Arbeitslosenquote führen dazu, dass sich die Zusammensetzung dieser Gruppen verändert und damit auch deren Durchschnittseinkommen, ohne dass sich die Einkommen der ursprünglichen Personen im jeweiligen Perzentil verändert hätten. Es erfolgt also keine Betrachtung derselben Personen über die Zeit. Deshalb müssen diese Zahlen sorgfältig interpretiert werden“. – bto: so wie bei uns die Armen, die vor allem aus der zunehmenden Zahl der Migranten stammen.
  • “Gleichzeitig ist das Niveau der Ungleichheit hoch. Das wird deutlich, wenn man den Blick auf das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung richtet. Im Jahr 1980 entfielen darauf 16 Prozent des Gesamteinkommens, bis 2006 stieg dieser Anteil auf 22 Prozent. Seit dieser Höchstmarke ist er wieder auf 20 Prozent zurückgegangen, ist damit aber immer noch hoch.” – bto: Also hat die Finanzkrise doch gewirkt, was klar ist, führt doch Deleveraging (so es denn überhaupt erfolgt) zu geringeren Vermögenswerten.
  • “Zu den Verlierern der globalen Entwicklung gehören die unteren Einkommensschichten in den Industrieländern. Sie gehören zwar im weltweiten Vergleich zur oberen Mittelschicht, ihr Einkommensanteil ist aber gesunken.” – bto: Was ist die Antwort darauf? Umverteilung, Protektionismus oder bessere Bildung? Letztere müsste es sein.
  • “Der Report beginnt das Kapitel über Deutschland mit einem Vergleich über ein ganzes Jahrhundert: 2013 lag der Einkommensanteil der reichsten zehn Prozent bei 40 Prozent, ebenso hoch wie im Jahr 1913. Damit soll wohl vermittelt werden, es habe keine Fortschritte in Richtung größerer Einkommensgleichheit gegeben. Das ist jedoch irreführend.” – bto: und beabsichtigt. Das kennen wir auch von anderen Experten, die die Fakten so interpretieren, dass sie zur eigenen politischen Agenda passen. Verzichte jetzt mal auf konkrete Namen. Leser von bto wissen ohnehin, an wen ich denke.
  • “Erstens zeigt ein Blick auf das reichste Prozent, die der Bericht sonst in den Vordergrund rückt, dass dessen Anteil von 18 Prozent im Jahr 1913 auf 13 Prozent im Jahr 2013 zurückgegangen ist. Zweitens ist zu berücksichtigen, dass im Report über Bruttoeinkommen berichtet wird. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es im Deutschen Reich keine progressive Einkommensteuer, wie wir sie heute kennen. Das Land Preußen erhob lediglich eine proportionale Steuer in Höhe von vier Prozent. Im Jahr 2013 lag der Spitzensteuersatz in Deutschland bei rund 47 Prozent. Die einkommensstärksten zehn Prozent zahlen damit mehr als die Hälfte des Einkommensteueraufkommens, das obere eine Prozent rund 25 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens. Deshalb ist der Anteil der einkommensstärksten Teile der deutschen Bevölkerung am Nettoeinkommen, auf das es letztlich ankommt, heute deutlich niedriger als 1913.” – bto: Dann kann man aber nicht nach höheren Steuern rufen, was natürlich blöd ist.
  • “In den letzten Jahrzehnten ist auch hierzulande eine Einkommensspreizung zu beobachten,(…) Vor allem im Zeitraum zwischen 1995 und 2005 hat die Einkommensungleichheit in Deutschland zugenommen. Das hat mit sinkenden Stundenlöhnen für Arbeitnehmer mit niedriger und mittlerer Qualifikation zu tun. Im Zeitraum seit 2005 hat sich die Lage verändert.” – bto: Seitdem steigen Löhne und Beschäftigung in dieser Gruppe wieder.
  • “(…) die wachsende Beschäftigung in Deutschland steigert die Einkommen vor allem in den unteren Einkommensschichten. Per saldo hat sich die Einkommensungleichheit in Deutschland seit Mitte der 2000er-Jahre stabilisiert. Im Vergleich zu anderen, vergleichbaren Industrieländern ist die Einkommensverteilung sehr ausgeglichen. Unter den G7-Staaten weist Deutschland bei den Nettoeinkommen sogar die niedrigste Ungleichheit auf.” – bto: hallo Politiker! Das genügt euch nicht? Hinzu kommt, dass die Armen vor allem Migranten sind, deren Anteil weiter anwächst.
  • “Hohe Belastungen durch Sozialabgaben und bei wachsendem Einkommen wegfallende Transfers führen teilweise dazu, dass höhere Bruttoeinkommen sich nicht in höheren Nettoeinkommen niederschlagenSo ist Deutschland ein Land mit moderater Einkommensungleichheit und einem stark ausgebauten Sozialstaat, der viel Geld umverteilt.” – bto: statt mehr Geld in die Zukunftssicherung zu stecken.
  • “Es wird immer wieder gefordert, in Deutschland umverteilende Steuern zu erhöhen – auf Kapital, Vermögen oder Erbschaften. In einer Welt mit hoher Mobilität von Kapital und Menschen mit hohen Einkommen oder Vermögen führt eine solche Politik aber zu Abwanderung und Kapitalflucht.” – bto: Dazu tragen weitere Fehlentwicklungen im Land bei.

Diese Analyse der Daten wird von der Politik wie immer nicht berücksichtigt werden. Es ist allemal leichter und populärer, nach noch mehr Umverteilung zu streben. Wahnsinn.

handelsblatt.com: “Ökonom Thomas Piketty: Neue Zahlen zum Thema Ungleichheit”, 19. Juli 2018