Claudia Kemfert: “Die Energiewende ist ein Erfolg” (allerdings überzeugt die Argumentation nicht ganz)

Heute Morgen hatte ich mit Bezug auf die Aussagen von Christian Lindner bei Anne Will am Sonntag nochmals einen Blick auf die ökonomische Logik der Klimaschutzpolitik geworfen. Dabei habe ich auch das Thema “Dunkelflaute” und “Geisterstrom” angesprochen, Themen, die zweifellos relevant sind, wenn sie denn zutreffen.

Claudia Kemfert vom DIW hat gemacht, was ich auch immer mache, nämlich im Nachgang zur Sendung einen eigenen “Faktencheck” veröffentlicht. Da ich das Thema spannend finde und wirklich nicht der Experte auf dem Gebiet bin, hier – quasi als Ergänzung zu heute Morgen – ihre Argumentation, wie immer garniert mit meinen Kommentaren.

Frau Kemfert will mit den Mythen zur Energiewende aufräumen:

Der erste Mythos sei die Behauptung, dass die Energiewende 300 Milliarden Euro gekostet hätte, ohne etwas zu bringen. Dazu schreibt sie:

  • “Die Zahl ‘300 Milliarden’ ist gängig. Manchmal wird der Zeitraum ‘seit 2005’ benannt. Trotzdem bleibt in der Regel diffus, von welchen Kosten genau die Rede ist.  Wer nachfragt, wird meist auf die Förderung der erneuerbaren Energien verwiesen (Einspeisevergütung nach dem EEG-Gesetz). Seit Beginn beträgt die Fördersumme 167 Mrd. Euro, seit 2005 sind es 152 Mrd. Euro, nachzulesen beim Statistischen Bundesamt.” – bto: Gut, dann nehmen wir 167 und nicht 300. Soweit ich weiß, bezieht sich die Zahl 300 auf die kumulierten Werte bis 2025. Aber das spielt keine Rolle. Wir akzeptieren 167 Milliarden bis jetzt.
  • “Das sind aber keine Kosten, sondern Investitionen.” – bto: Sie sollen, so führt sie das aus, letztlich zu tieferen Energiepreisen führen, sodass wir alle einen Return auf das Investment haben. Wenn dem so ist – nehmen wir mal an –, haben wir allerdings ein Gerechtigkeitsthema, weil jene, die künftig von den tiefen Strompreisen profitieren nicht unbedingt jene sind, die die Investition bezahlen. So sind die industriellen Großverbraucher ausgenommen von der EEG Umlage und diese müssten doch – so die Logik – künftig am meisten sparen. Die Privathaushalte subventionieren also die Industrie und das zudem sehr ungerecht, weil der Stromverbrauch nicht direkt proportional mit dem Einkommen wächst.
  • “Das gleiche gilt auch für die EEG-Förderung. Erneuerbarer Energien wirken kostensenkend an der Strombörse, dadurch konnten die Stromkosten gesenkt werden. Dass die Preise für dich und mich trotzdem gestiegen sind, liegt nicht an den Erneuerbaren Energien, sondern daran, dass die Stromversorger die günstigen Börsenpreise nicht an uns Verbraucher weitergegeben haben.” – bto: Wenn das so stimmt, müssten die Stromerzeuger Rekordgewinne ausweisen. Ein Blick auf die Kursentwicklung der Versorger in Deutschland ergibt jedoch einen anderen Eindruck. Führt mich zur Frage: Wo sind diese Gewinne? Und: Hat es nicht auch etwas mit fehlender Netzinfrastruktur zu tun und mangelnden Speichermöglichkeiten? Wie gesagt: Auch ich weiß, dass die Preise an der Börse weitaus tiefer liegen. Aber es gibt keine glücklichen Aktionäre. Where is the money? Übrigens gibt es eine alternative Berechnung der Kosten der einzelnen Energieträger der IEA, die zu der Aussage kommt, dass erneuerbare Energien bei Vollkostenbetrachtung teurer sind und je höher der Anteil der Erneuerbaren je höher die Stromkosten sein müssen. Ich kann das nicht beurteilen, fand es nur als Datenpunkt einer seriösen Quelle interessant. → IEA: “Commentary: Is exponential growth of solar PV the obvious conclusion?”, 6. Februar 2019
  • “Außerdem wurde der Import fossiler Energien reduziert: Das Bundeswirtschaftsministerium (Jahresbericht 2018) weist eingesparte Primärenergie aus (Abb. 28, S. 26) und damit eingesparte Kosten von etwa knapp 92 Mrd. Euro seit 2007. Allein dadurch vermindert sich die Nettofördersumme auf 60 Mrd. Euro.” – bto: Auch das ist komisch. Die Fördersumme ist ja on top. So gesehen müssten wir diese 92 Milliarden nicht abziehen, sondern zu den 167 Milliarden hinzurechnen, weil ja auch diese 92 im System gelandet sind! Also hier ist die Berechnung nicht nachvollziehbar. (Hinzu kommt, dass so der Handelsüberschuss Deutschlands noch größer wurde, auch keine gute Entwicklung.)
  • “Wenn man dann noch die vermiedenen CO2-Emissionen und die damit unterbundenen Schäden (180 Euro je Tonne CO2 laut Umweltbundesamt) hinzurechnet, ergeben sich auf der Plus-Seite insgesamt 327 Mrd. Euro seit 2005 und sogar 435 Mrd. Euro eingesparte Klimaschäden seit 1990.” – bto: Das führt zur Frage, wo denn die Schäden angefallen wären? Wir werden doch nicht ernsthaft von 435 Milliarden verhinderten Klimaschäden in Deutschland sprechen, wenn der CO2-Ausstoß hierzulande nur zwei Prozent des weltweiten Ausstoßes beträgt, also dem Zuwachs eines Jahres entspricht.
  • “Zu einer umfassenden volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Betrachtung gehört aber mehr. Denn durch die Förderung erneuerbarer Energien sind zwischen 2004 und 2017 laut Bundeswirtschaftsministerium wirtschaftlichen Impulse im Wert von 240 Mrd. Euro entstanden. Außerdem haben die Investitionen auch neue Arbeitsplätze hervorgebracht: Derzeit arbeiten über 330.000 Beschäftigte in der Erneuerbare-Energien-Branche. Zwischenzeitlich waren es deutlich mehr, aber die permanenten gesetzlichen Einschnitte infolge des Mythen-Lobbyismus’ haben immer wieder Arbeitsplätze vernichtet; zuerst in der Solarenergie, aktuell auch in der Windenergie. Ohne Mythen-Hokuspokus könnten es also deutlich mehr Arbeitsplätze sein.” – bto: Das finde ich ja witzig. Es lag also an den gesetzlichen Eingriffen, dass die Solarindustrie jetzt in China ist. Ich dachte, es lag einfach daran, dass die hiesigen Spieler zu lange subventioniert wurden, statt sich wie ordentliche Unternehmen zu verhalten und auf Skaleneffekte durch Massenfertigung zu setzen. Zur Erinnerung: Über 80 Milliarden flossen in die Förderung einer Industrie, die jetzt in China beheimatet ist.

Schon früher habe ich die Zahlen für die Solarindustrie zusammengetragen:

Förderung der Sonnenenergie

Ein Beispiel für die geringe Effektivität ist die Solarindustrie.

  • Deutschland hat bisher über 80 Milliarden für die Förderung von Solarenergie aufgewendet.
  • Einsparung CO2 in Deutschland durch Photovoltaik (PV): 19 Millionen Tonnen CO2 in 2017 (Quelle Fraunhofer Institut, „PHOTOVOLTAICS REPORT“, vom 14.03.2019, Seite 6).
  • Einsparung CO2 durch PV im Jahr 2017 entspricht damit zwei Prozent (19/926 = zwei Prozent) vom Gesamtausstoß an CO2 in Deutschland (Quelle: Gesamtausstoß Umweltbundesamt – 907 zuzüglich der gesparten 19 ergibt 926 Millionen Tonnen).
  • Da pro Jahr der CO2-Ausstoß weltweit um 2,7 Prozent wächst (rund 1 Milliarde Tonnen bzw. 2,7 Millionen Tonnen/Tag – Quelle: wissenschaft.de, „CO2-Emissionen steigen weiter“ ) ergibt sich aus der Förderung der Solarenergie ein Verlangsamen des Klimawandels um sieben Tage.

Ziemlich viel Geld für einen kleinen Effekt.

Wenn wir in Zukunft so ineffizient vorgehen wie mit der Solarförderung, kostet uns die Realisierung des Ziels von Null-CO2 4000 Milliarden (50* 80 Milliarden).

Aber man kann es auch anders interpretieren. Die deutschen Stromkunden haben einer wichtigen Industrie im Kampf gegen den Klimawandel den Weg bereitet. Wir haben die Anfangsfinanzierung gestellt, damit sich die Branche entwickeln konnte und legten damit die Grundlage dafür, dass PV heute deutlich billiger und günstiger ist als fossile Brennstoffe.

  • In Deutschland sind nur neun Prozent der weltweiten PV-Kapazität installiert. (Quelle: Fraunhofer Institut, „PHOTOVOLTAICS REPORT“, vom 14.03.2019, Seite 6) Legt man eine ähnliche Effizienz zugrunde wie in Deutschland (was zu pessimistisch ist, sind die Anlagen doch in besserer Lage mit mehr Sonne), ergibt sich eine weltweite Einsparung an CO2 von 211 Millionen Tonnen und damit 78 Tagen.
  • Man kann gut argumentieren, dass unseren Klimazielen ein Teil der Einsparungen in den anderen Ländern zugerechnet werden sollte. Schließlich haben wir die Entwicklung finanziert. Dann stehen wir mit unseren Fortschritten nicht ganz so schlecht dar.

Aber dafür haben wir doch eine Zukunftsindustrie für Deutschland geschaffen und Arbeitsplätze gesichert? Nein, zwar wurde uns das von der Politik immer erzählt. In Wirklichkeit haben wir den Aufbau eines Industriezweiges in China finanziert – sollten wir eigentlich unter Entwicklungshilfe verbuchen. In Deutschland gibt es nach einer kurzen Scheinblüte praktisch keine Arbeitsplätze mehr:

Quelle: Statista, „Anzahl der Beschäftigten* in der Photovoltaikbranche in Deutschland in den Jahren 1998 bis 2016“

Doch zurück zu dem Beitrag von Frau Kemfert, die folgendes Fazit zur Energiewende zieht: “Unterm Strich hat die Energiewende also bisher gar nichts gekostet, sondern einen enormen Ertrag gebracht. Es muss also richtigerweise heißen: Die Energiewende hat seit 2005 über 300 Mrd. Euro Gewinn erwirtschaftet.” – bto: eine Einschätzung, die mich nicht überzeugt, siehe meine Anmerkungen oben.

Der zweite Mythos ist dann der Geisterstrom, der 364 Millionen kostet, so Kemfert. Womit wir dann bei dem Beispiel von Herrn Lindner wären:

  • “Nach dem Mythos „Zappelstrom“ kommt nun der Mythos „Geisterstrom“. Beides sind Begriffe, die sich zwar auf Tatsachen beziehen, aber abwertend gemeint sind.” – bto: Aber entscheidend ist, dass es sie doch gibt. Oder?
  • “‘Geisterstrom’ bezieht sich auf Strom, der in Windanlagen produziert werden könnte, aber nicht produziert wird – und zwar aufgrund von Netzüberlastungen und -engpässen. Dafür bekommen Windanlagenbetreiber eine Entschädigung. Ein solcher Vorgang ist im Wirtschaftskontext völlig normal. Wenn jemand eine Pizza bestellt, sie dann aber doch nicht isst, muss er sie trotzdem bezahlen.” – bto: Nur würde niemand eine Pizza bestellen, wenn er auf einer unzugänglichen Insel sitzt. Was hier passiert ist natürlich denkbar: Man fördert eine Branche und will dieser Planungssicherheit geben, also zahlt man immer. Das ist o. k. Das macht man aber nur, wenn man davon ausgeht, dass es nur selten ein Problem ist – ich habe einen Fährdienst zu Insel und es ist selten Sturm. Zugleich, wenn doch öfters Sturm ist, baue ich eine Brücke. Hier ist es doch so, dass diejenigen die zu unseren finanziellen Lasten ein Versprechen abgeben, nicht ausreichend handeln, um den Schaden zu vermeiden. Und ich finde, es ist nicht unzulässig, diese Verschwendung von Geld durch unsere Politiker zu kritisieren. Gern auch abwertend. Denn es ist ein Skandal. 
  • “Kohlekraftwerke stehen zu großen Teilen nördlich der Mainlinie, also da, wo der meiste Wind weht. Wenn der Wind weht, könnten sie eigentlich runtergefahren werden. Aber weil diese ‘CO2-Schleudern’ verdammt unflexibel sind, müssen stattdessen die klimaschonenden Windanlagen abgeregelt werden. Das betrifft derzeit maximal ein Prozent der Strommenge, ist also eigentlich nicht der Rede wert. Und auch die scheinbar skandalösen 300 Mio. Euro ‘Ausfallprämie’ sind nur ein kleiner Betrag der gesamten Stromkosten in Deutschland, nämlich unter drei Prozent. Aber wer Mythen verbreiten will, macht gern aus Mücken Elefanten.” – bto: Wenn wir uns ansehen, um welch kleinere Beträge gerungen wird bei uns, finde ich die anhaltende, wiederkehrende Ausgabe von mehreren 100 Millionen Euro pro Jahr eine ziemliche Frechheit. Wir könnten ja die Politiker-Diäten kürzen, bis das Problem gelöst wird, wenn wir schon von “wirtschaftlichen Ansätzen” sprechen.
  • “Deswegen ist auch die ewige Litanei, die Netze würden bald nicht mehr ausreichen, ein Lobbyisten-Märchen: Mit dem Kohleausstieg werden nach und nach die trägen Kohlekraftwerke verschwinden, und nach und nach also auch die Netzengpässe abnehmen.” – bto: verstehe ich. Ich hatte allerdings verstanden, dass die Kritiker meinen, wenn wir alle Elektroauto fahren und also ein Vielfaches an Strom brauchen, dass es dann nicht ausreicht. Aber das kann ich missverstanden haben.
  • “Den überschüssigen Windstrom könnte man eigentlich auch an lokale Abnehmer liefern oder in Power-to-Gas-Anlagen sinnvoll in Wasserstoff oder „Power to Gas“ umwandeln. Aber das ist derzeit nicht erlaubt. Deswegen wäre es dringend geboten, dafür die Rahmenbedingungen zu ändern. Und jetzt ratet mal, wer dagegen ist!” – bto: keine Ahnung, aber auf jeden Fall schade, dass sie jetzt so emotional bei der Kommentierung wird. Wir wollen es doch nur besser verstehen.

Was zum Fazit vom Frau Kemfert führt: “Geisterstrom gibt es nicht, aber Ausfallprämien für Windbetreiber, wenn Kohlekraftwerke die Netze blockieren. Die Kosten dafür sind vernachlässigbar niedrig. Wer das ändern will, sollte gesetzliche Regelungen schaffen, die den Handel und die Speicherung von überschüssiger Windenergie ermöglichen.”bto: Geisterstrom gibt es also, nur der Name gefällt nicht. 300 Millionen p. a. mögen aus ihrer Sicht nicht viel sein, ich finde es eine Verschwendung. Fortschritte bei Regulierung und Netzausbau? Unbedingt!

Was zu Mythos Nummer drei bei Frau Kemfert führt: die Dunkelflaute im Winter:

  • “Der Begriff „Dunkelflaute“ ist eine weitere Wortschöpfung aus der Welt der Energiewende-Gegner. Gemeint sind Zeiten, in denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Kombiniert wird das Wort gern mit der Behauptung, dass es keine Speicher gibt – und zwar weil das technisch nicht möglich sei und/oder weil die so riesig sein müssten, dass das gar nicht geht. Zahlreiche Studien haben das widerlegt.” – bto: vielleicht kurz zur Klarstellung: Ich bin kein “Energiewende-Gegner”, ich bin ein Gegner von Verschwendung. Also können wir gern so viel Wende machen, wie wir wollen. Es sollte nur effizient und effektiv sein und da habe ich im aktuellen Prozess so meine Zweifel. Ich lasse die Links zu den Studien alle drin.
  • Wenn man wollte und dafür die Rahmenbedingungen schaffen würde, könnten heute schon Pumpspeicherkraftwerke, Wasserstoff-, Wärmespeicher usw. ohne weiteres zum Einsatz kommen, wenn man die Hemmnisse beseitigt. Es gibt dafür ausreichend viele geeignete Speicher-Technologien (siehe hier, Abb. 3.4.1). Aber für die Energiewende braucht man gar nicht so viel Speicher, wie gern behauptet wird. Die sogenannte Residuallast, also die Differenz zwischen benötigter Leistung und von nicht regulierbaren Kraftwerken erbrachter Leistung, ist ein Bruchteil dessen (siehe hier, Seite 63 ff), was durch die Mythen verbreitet wird.” – bto: Ich glaube allerdings, dass das entscheidende Thema hier ist: Wenn man wollte und dafür die Rahmenbedingungen schaffen würde.” Das lese ich so, dass es eben noch nicht so weit ist. Und wenn es nicht so weit ist, dann finde ich es richtig, dass in der Öffentlichkeit laut gewarnt wird, damit endlich gehandelt wird. Dass die Schweiz sich aus Angst vor einem von Deutschland ausgelösten Kollaps der Energieversorgung entsprechend vorbereitet, sollte zumindest zu denken geben. Ich unterstelle den Schweizern jetzt nicht pauschal, “Energie-Wende-Gegner” zu sein. Außerdem trifft es auch zu, dass sich das internationale Lob für unseren Weg der hohen “Investitionen” ohne entsprechende Versorgungssicherheit und CO2-Ersparnis zumindest in Grenzen hält …

Was Frau Kemfert so zusammenfasst: „‘Dunkelflauten’ werden skandalisiert. Es gibt ausreichend Speichermöglichkeiten auch für Extremwetter-Zeiten.”bto: Und würde sagen, “wenn man die Voraussetzungen schafft”, wie sie selber schreibt. Und das haben wir wohl noch nicht.

Was zu “Wasserstoff ist das neue Öl” als 4. Mythos in der Aufzählung von Frau Kemfert führt:

  • “Die Umstellung der Wirtschaft auf eine klimaschonende Lebensweise sei ohne Energiewende möglich, behaupten manche Gegner. Man müsse, so heißt es gern, einfach ‘technologieoffen’ bleiben. Dann würde Wasserstoff sich als Heilsbringer für die Mobilität von morgen erweisen. Und alles kann so weiter gehen wie bisher. Statt Benzin oder Diesel wird halt Wasserstoff ‘getankt’.” – bto: Da könnte ich jetzt mit kritisiert werden, weil es mir in der Tat zu denken gibt, dass Toyota auf Wasserstoff und nicht auf Elektro setzt. Generell bin ich ohnehin Technologieoptimist, was das ganze Thema Klima betrifft.
  • “Vereinzelt gibt es richtig krasse Einwände gegen E-Mobilität: Elektroautos würden in Wahrheit Kohlestrom verbrauchen und Kinderarbeit fördern. Beides können wir verhindern, indem wir E-Mobilität mit einer konsequenten Energiewende, Sozial- und Nachhaltigkeitsstandard beim Ressourcenabbau international verbindlich einfordern und 100 Prozent Recycling-Vorgaben von Batterien festsetzen.” – bto: Meine Meinung ist, dass auch die bisherigen Energien nicht gerade ein Muster an ethischer Verantwortung sind. Da würde ich jetzt nicht kritischer sein bei Elektro als bei Öl. Allerdings halte ich international einzufordernde Standards für Illusion, denn dann liefern die halt nicht an uns, sondern nach China.
  • “Brennstoffzellen-Fahrzeuge verursachen nur wenig Emissionen und haben längere Reichweiten als Elektroautos. Aber sie sind extrem ineffizient. Um nämlich den Wasserstoff für einen Kilometer Fahrt mit dem Brennstoffzellen-Fahrzeug zu produzieren, braucht man genauso viel Energie wie für acht Kilometer mit dem Elektroauto. (SRU Gutachten Seite 81 ff). Wo soll diese Energie herkommen? Und ist es uns das wert? Solchen Mehraufwand wird man nur dort aufbringen wollen, wo es keine oder kaum klimaschonende Alternativen gibt, also im Schwerlastverkehr, bei Schiffen oder Flugzeugen. Für Kleinwagen im Individualverkehr, wie wir ihn heute kennen, lohnt sich dieser Aufwand ganz sicher nicht. Dafür wäre Wasserstoff viel zu teuer.” – bto: Nun könnte es natürlich sein, dass Wasserstoff schnell deutlich günstiger würde, wenn man richtig daran forscht. Aber das kann ich nicht beurteilen, es ist mir letztlich auch egal.
  • “Wasserstoff ist aber genau wie das ebenfalls oft diskutierte Power-to-Gas (PtG) ein guter Langfrist-Speicher. Dafür gibt es gute Ideen.”

Fazit Kemfert: “Wasserstoff ist eine gute Langfrist-Speicher-Lösung, aber als Treibstoff für Autos viel zu teuer.”bto: mag sein.

Und dann kommt ihr politisches Gesamtfazit: “Über die Gründe, warum einige Menschen entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse solche rhetorisch geschickt verpackten Mythen verbreiten, kann man nur spekulieren. Manche Politiker erhoffen sich vielleicht Wählerstimmen von Menschen, die emotional auf Pseudo-Informationen anspringen. (…) Einer Vollversorgung mit erneuerbarer Energien steht somit nichts mehr im Wege, es sei denn man hört auf die laut schreienden Ewig-Gestrigen, die leicht widerlegbare Mythen in die Welt setzen. Wir sollten uns von ihnen nicht den Spaß an der Zukunft nehmen lassen. Klimaschutz ist eine Chance. Nutzen wir sie!”

bto: Das ist alles fein. Ich denke aber, hier wird ein Konflikt stilisiert, der so nicht stimmt und vermutlich nicht mal mit Herrn Lindner besteht. Wir haben Konsens,

  • dass eine Energiewende möglich ist.
  • dass wir bisher ziemlich viel Geld ausgeben haben.
  • dass es noch an vielen Enden “zwickt” – Netzausbau, Regulierung, Anreize.
  • dass wir dringend daran arbeiten müssen, um die Phänomene wie “Geisterstrom” und “Dunkelflaute” zu verhindern (statt uns an den Worten aufzuhängen).

Dissens besteht bei der Bewertung der finanziellen Bilanz bisher, über die Gerechtigkeit der Lastenteilung und der wirklichen Wirkung auf das Klima. Entscheidend muss sein, dass der Return auf das erhebliche Investment sich für das Land und die Bürger in billigerer und sicherer Energie niederschlägt. Bisher tut es das nicht und das muss offen kritisiert werden.

→ capital.de: “Energiewende – Mythen reloaded”, 20. November 2019