China steht so oder so im Zentrum der nächsten Krise

Dieser Beitrag erschien erstmals im April 2017 bei bto:

In den vergangenen Wochen habe ich mehrfach auf die Bedrohung hingewiesen, die von China für Weltwirtschafts- und Finanzmärkte ausgeht. Martin Wolf bespricht das Thema auch bei der FT und kommt dabei zu einem bedenklichen Fazit: Die nächste Finanzkrise könnte China im Zentrum haben. Hier seine wesentlichen Argumente:

  • “(…) the Chinese economy is, to cite the celebrated words of former premier Wen Jiabao, unstable, unbalanced, uncoordinated and unsustainable. That was true in 2007, when he said it. It is truer today.” bto: Dazwischen lag die Finanzkrise, die China mit einer Schuldenwirtschaft ungeahnten Ausmaßes bekämpft hat.
  • “Annual gross savings in the Chinese economy amount to 75 per cent of the sum of US and EU savings, at over $5tn last year. China’s gross investment, at 43 per cent of gross domestic product in 2015, was still above its share in 2008, even though the economy’s rate of growth had fallen by at least a third.” bto: Das Land ist zum Investieren verdammt, um das Problem nicht noch weiter zu vergrößern.

Quelle: FINANCIAL TIMES

  • “China saves more than it can profitably invest at home. In 2015, gross national savings were 48 per cent of GDP. (…) International comparisons suggest that economic growth of 6 per cent warrants investment of little more than a third of GDP. This indicates that China’s surplus savings — surplus, that is, to domestic requirements — may be as much as 15 per cent of GDP.” bto: Das sind Dimensionen, die die ganze Weltwirtschaft destabilisieren können. Es ist – zur Erinnerung – das gleiche Problem bei uns. Allerdings “nur” neun Prozent vom BIP.
  • “Where might such surpluses go? The answer is abroad, in the form of current account surpluses. (…) It is likely that this is what would also happen now if the government relaxed exchange controls and brought credit and debt growth to a halt. Capital would pour out, the renminbi would tumble and, in time, a globally unmanageable current account surplus would emerge.” bto: 15 Prozent Handelsüberschuss vom chinesischen BIP? Da dürfte nicht nur Trump ausrasten.
  • Today’s credit growth and consequent financial fragility are a direct consequence of the desire to prevent this from happening. It has been the way to keep investment up at uneconomic levels.” bto: Und das mit immer mehr neuen Schulden. Das Land bekämpft die Imbalance mit immer mehr Schulden.

Quelle: FINANCIAL TIMES

Im Vergleich mit anderen Schuldnern:

Quelle: FINANCIAL TIMES

  • “The Chinese authorities are in a trap: either halt credit growth, let investment shrink and generate a recession at home, a huge trade surplus (or both); or keep credit and investment growing, but tighten controls on capital outflows.” bto: also entweder eine Schuldenblase im Inland oder eine Exportoffensive in ungeahntem Ausmaß mit einer enormen deflationären Wirkung auf die Weltwirtschaft. Spätestens dann ist der Euro Geschichte.
  • “Suppose the Chinese authorities adopted, instead, the alternative policy of rapid liberalisation of both inflows and outflows, while relying on credit expansion to sustain domestic demand. (…) that would also cause three headaches. First, the domestic macroeconomic imbalances would persist. Second, the financial sector would become still more fragile. Finally, this vast, complex and fragile financial system would become fully integrated with the rest of the world’s, itself still far from fully stable. Instead of the Chinese financial crisis that many now think imminent, this would enormously increase the likelihood of another global crisis with China, not the US, at its heart.” bto: Na, das ist doch mal was. Und dann soll noch jemand sagen, bto wäre pessimistisch.

→ FT (Anmeldung erforderlich): “Chinese finance is storing up trouble for the rest of the world”, 4. April 2017

Kommentare (6) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Die chinesische Konsumgüternachfrage müsste steigen statt die Wirtschaft mit Investitionen am Laufen zu halten.

    Es wird nicht oder nicht hinreichend geschehen, wie ich am anderen Thread dargelegt habe.

    Was also wird geschehen?

    Vermutlich wird es ein weiter so sein, was zwar die Weltwirtschaft in große Schwierigkeiten stürzen würde, wenn die Blase platzt.

    Für China selbst wäre es ein plötzliches, einzigartiges Event, das einen Ausnahmezustand rechtfertigen würde, den die Chinesen möglicherweise unter Kontrolle halten könnten auf Basis erprobter Durchgriffsstrukturen und mit Einsatz des offensichtlich loyalen Militärapparats (Modell: Niederschlagung der Aufstands auf dem Platz des himmlischen Friedens 1989).

    Eine Rezession werden die Chinesen m. A. n. nicht gewollt zulassen.

    Ein Elite-Kader mit unbedingten Kontroll- und Herrschaftsanspruch – so stellt er sich mir dar – wird es um jeden Preis vermeiden wollen, dass mit einer sich entwickelnden Rezession gefährliche soziale und politische Instabilität WÄCHST

    Das ist natürlich Spekulation.

    Angesichts des Verschuldungswachstums des Landes drängt sie sich auf.

    Denn ganz sicher wird es mit der Verschuldung SO nicht ewig weitergehen können.

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    • jobi
      jobi sagte:

      Das Gefährdungspotential für das Weltfinanzsystem ist riesig durch die bestehenden Ungleichgewichte. Und diese können kurzfristig nicht beseitigt werden.Daher ist entscheidend , ob die chinesische Führung die Zahlungsströme kontrollieren kann.Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge.

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  2. rollo
    rollo sagte:

    Wichtig ist aus meiner sicht, die grosswetterlage der machtpole dieser welt zu sehen. und diese verschiebt sich immer eindeutiger von den usa zu china. china geht strategisch sehr geschickt vor und will den yuan international durchsetzen, vor allem im rohstoffhandel bzw. rohöl, aktuell mit saudi-arabien, und genau hier liegt der schlüssel des noch bestehenden petro-usd-packts zwischen usd und saudi-arabien. dieser ist sich am auflösen. der usd wird in wenigen montaten wohl weiter an wert verlieren. gold wird mit der engen negativen korrelation zum usd-verlauf massiv an stärke gewinnen. ich finde, es ist wichtig das grosse weltbild im auge zu behalten. gold war und wird immer eine schlüsselrolle im finanzwesen behalten. dagegen sind die kryptowährungen nur ein kurzfristiger spekulativer hype, mehr nicht. mehr zum non-mainstream auf derkursstimmt.ch gruss, rollo

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  3. jobi
    jobi sagte:

    Der Artikel beschreibt exakt das Dilemma, in dem sich China befindet. In den vergangenen Monaten ist das etwas in den Hintergrund getreten – der schwächere US-Dollar hat hierbei den Druck aus dem Kessel genommen.
    Im Falle einer wieder stärkeren US-Währung dürfte das Thema schnell wieder ganz oben stehen.

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  4. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Also wenn ich die vorletzte Graphik zu Chinas Schuldenentwicklung mit dem “corporate debt”-Artikel von bto von heute in Bezug setze, frage ich mich, wie groß dann erst der Anstieg der reinen öffentlichen oder der privaten Verschuldung sein muss. M.E. bräuchte man dringend eine Aufteilung der chinesischen Schuldengraphik in a) öffentliche Schulden b) corporate debt (Unternehmensschulden) und c) private Schulden. Ich weiß nur nicht, ob so etwas seriös öffentlich zugänglich ist.

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