China zählt weiter zu den Hauptrisiken

Immer wieder habe ich bei bto die von China ausgehenden Risiken thematisiert. In letzter Zeit ist es ruhig um das Land geworden. Gab es vor zwei Jahren und im Frühjahr 2016 noch Panikattacken auf den Märkten, herrscht heute Eitel Sonnenschein. Zurecht? Wohl kaum. Zunächst ein Interview mit Anne Stevenson-Yang, Mitbegründerin des Anlageberaters J Capital in der FINANZ und WIRTSCHAFT:

  • „Für Chinas Mittelklasse dreht sich alles darum, wie weit die Immobilienpreise noch steigen. Wie man im Berufsleben vorankommt, seinen Kindern eine bessere Ausbildung ermöglicht oder andere grundsätzliche Überlegungen interessieren hingegen kaum. Was die Menschen beschäftigt, sind Fragen wie: Wow, ich habe diese Villa in Langfang im Süden Pekings gekauft, und ihr Wert ist 40 % gestiegen. Soll ich jetzt verkaufen? Oder soll ich warten, bis der Preis weitere 60 % steigt?bto: Das sind natürlich klassische Anzeichen für Blasen. Galt auch in anderen Regionen bis vor Kurzem, erinnere an Toronto.
  • „Gerade in der Gegend um Peking ziehen die Häuserpreise steil an. Vor wenigen Wochen war ich zum Beispiel in Zhuozhou, einer kleinen Industriestadt in der Provinz Hebei, wo sich die Stahlwerke befinden. Die Luftverschmutzung ist enorm, die Landschaft karg, und es gibt praktisch kein Freizeitangebot. Niemand will dort wohnen. Trotzdem sind die Immobilienpreise binnen Jahresfrist auf das Doppelte, das Dreifache und teilweise sogar auf das Vierfache gestiegen.“ – bto: was natürlich eine entsprechende Finanzierung voraussetzt. Also billiges und leicht verfügbares Geld.
  • Zur Finanzierung: „Das Paradebeispiel ist die in Hongkong kotierte Immobiliengruppe Evergrande. Sie steckt bis zum Hals in Schulden und ist das wohl grösste Pyramidensystem, das die Welt je gesehen hat. Ihr Portfolio umfasst rund 270 Projekte in ganz China. Ich habe über vierzig dieser größenwahnsinnigen Anlagen besucht, doch nur eine war bewohnt.“ – bto: Das erinnert mich an die Szene aus The Big Short, wo die Analysten nur einen Alligator im Pool vorfinden.
  • „Während ich künftige Bauruinen sehe, stellen sich (die Käufer) Städte mit europäischem Charme und wohlhabenden Einwohnern. Es ist eine Massenillusion, an die der Konzern perfekt appelliert, indem er Projekte speziell zur Spekulation auf Immobilienpreise konzipiert.“ – bto: Natürlich gehört zur Endphase einer Blase auch der Betrug.
  • „Die Zeichen in China stehen auf Sturm. Wie lange es bis zu einem Crash noch dauert und was ihn letztlich auslösen wird, ist allerdings schwierig zu sagen. Denkbar ist zum einen, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen verliert. Dazu braucht es ein Ereignis, das sich nicht kaschieren lässt und die Menschen aufrüttelt, beispielsweise den Kollaps einer Bank, eines Immobilienentwicklers oder eines populären Investmentprodukts.“ – bto: oder ein einfaches Ausbleiben der weiteren Wertsteigerung. Nicht auszuschließen.
  • „Dass es bisher noch nicht zum Desaster gekommen ist, hat damit zu tun, dass sich all die Immobiliengesellschaften stets refinanzieren können. Vereinfacht gesagt weitet sich die Geldmenge dadurch immer mehr aus, womit die chinesische Valuta international an Wert verliert. Noch ist der Wechselkurs relativ stabil (…). Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis ihr die Devisenreserven ausgehen werden.“ – bto: Natürlich entsteht durch neue Kredite, neues Geld. Und wenn dieses neue Geld mit schlechten Sicherheiten hinterlegt ist, kommen die Probleme. So auch in China.
  • „China werden oft große Ambitionen in der Weltpolitik nachgesagt. Ich zweifle aber, ob sie wirklich existieren. (…) Chinas Teilnahme an der Weltgemeinschaft ist primär darin motiviert, sich zu nehmen, was es gerade braucht. Eine weitsichtige Strategie fehlt, was sich in diplomatischen wie in militärischen Aspekten zeigt.“ – bto: was aber nicht zu der These der westlichen Beobachter passen würde, die gerade von der chinesischen Führung ein weitsichtiges Handeln erwarten und damit auch eine Kontrolle der Schuldenblase.
  • „Wer aber die Realität betrachtet, sieht einen winzigen Machtzirkel, der sich enormen Wohlstand anhäuft und die Ressourcen des Landes für gigantische Infrastrukturprojekte verschwendet. Die Elite füllt sich so die eigenen Taschen, was den Menschen im Land wenig hilft. Ich bestreite damit nicht, dass China in den letzten dreissig Jahren grosse Fortschritte gemacht hat. Die Bevölkerung wird aber um einen Grossteil des wirtschaftlichen Reichtums betrogen.“ – bto: Das aber gefährdet die politische Stabilität, sollte es wirklich zu Problemen kommen.
  • In der Wirtschaft steckt viel Potenzial, und es gibt interessante Unternehmen. Das wird sich zeigen, wenn sich das Land nach einer mehrjährigen Rezession erholt hat. Der Anteil der Investitionen an der Wirtschaft wird sinken und der Konsum an Bedeutung gewinnen.“ – bto: Letzteres wird ja schon seit Jahren erwartet, Erstes befürchtet. Eine Rezession würde auf die Welt sehr negativ ausstrahlen und den deflationären Druck erhöhen.

fuw.ch: „In China stehen die Zeichen auf Sturm“, 28. August 2017

Kommentare (7) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Alexander
    Alexander sagte:

    Ich darf um einen ältere Artikel ergänzen – https://www.fuw.ch/article/nmtm-walking-dead-china/

    “Allein in den Jahren 2011 und 2012 wurde in China mehr Zement produziert als in den USA im ganzen 20. Jahrhundert”

    “Das Land sitzt nun auf riesigen Überkapazitäten. Allein die brachliegende Kapazität in den chinesischen Stahlwerken ist grösser als der gesamte Stahlausstoss aller Hersteller in den USA, Japan und Europa zusammen.”

    Alles wird gut, den ein Zentralbankkomitee versteht den Bedarf besser zu beurteilen, als alle Marktteilnehmer zusammen, egal ob das FED, ECB oder BoC….

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  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >In China stehen die Zeichen auf Sturm>

    Nachvollziehbar so:

    Viele Menschen – Chinas Mittelklasse – sind in den letzten Jahrzehnten zu einem Wohlstand gelangt, auf den sie auch im Alter nicht verzichten wollen.

    Was tun, wenn es weder ein dafür hinreichendes Rentensystem gibt und nicht die Kinderzahl erlaubt ist, die ihnen diesen Wohlstand auf Basis familiärer Verpflichtung garantiert?

    Man schafft sich eine Immobilie an, um wenigstens im Alter mietfrei wohnen zu können.

    Wenn das zu viele wollen und die Banken nicht nur das wachsende Bauvolumen finanzieren, sondern auch noch die steigenden Kosten für den Erwerb von Bestandsimmobilien, dann kommt es, wie es kommen muss:

    Es wird eine Blase geschaffen, die irgendwann platzen wird.

    Die Zeichen stehen aber nicht nur in China auf Sturm, sondern auch in den entwickelten Volkswirtschaften.

    Beispiel Deutschland:

    Auch bei uns wollen die Menschen auf den erreichten Wohlstand im Alter nicht verzichten. Finanzierungsbasis ist das umlagefinanzierte Rentensystem.

    Weil Altersarbeit ab 67 zum Tabu erklärt wurde, müssen aufgrund der demografischen Entwicklung, die Abgaben zur Rentenversicherung erheblich steigen.

    Das werden sie auch bis diese Blase wegen Refinanzierungsschwierigkeiten – Verweigerung der arbeitenden Menschen – und begrenzter Staatsverschuldung platzt.

    In Afrika platzt die Blase schon jetzt.

    Da man dort nicht hinreichend beleihbares Eigentum hat und die Länder nicht die Wirtschaftsentwicklung aufweisen, die eine gesellschaftlich organisierte Alterssicherung ermöglicht, versuchen die Menschen durch Kinderreichtum ihren Alterswohlstand zu sichern.

    Die Geburtenrate ist zu hoch und die Menschen können nicht mehr ernährt werden, so dass sie fliehen. Das ist dort die platzende Blase.

    Gibt es einen gemeinsamen Nenner für diese unterschiedlichen Entwicklungen?

    Vielleicht diesen, ich stelle das einfach mal in den Raum:

    Der Kapitalismus schafft derart effizient und schnell Wohlstand – auch wenn er mancherorts vergleichsweise gering ist, braucht er dafür noch nicht einmal eine Generation –, dass Wohlstandverluste bzw. der Rückfall auch nur in relative Armut ausgeschlossen wird.

    Er ist nicht akzeptabel, daher nicht einmal als Möglichkeit vermittelbar und politisch praktisch nicht denkbar.

    Daher – Schlussfolgerung – MUSS es kommen, wie es kommt:

    Hier eine so generierte Blase, dort eine so generierte.

    Und übers globale Finanzsystem miteinander verknüpft eine, die vermutlich zu einem ALLE betreffenden Desaster führt.

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    • Felix Kurt
      Felix Kurt sagte:

      zu D. Tischer: „Weil Altersarbeit ab 67 zum Tabu erklärt wurde, müssen aufgrund der demografischen Entwicklung, die Abgaben zur Rentenversicherung erheblich steigen.“

      Das tatsächliche durchschnittliche Zugangsalter in Altersrenten betrug 2016 bei Frauen = 64,2 Jahre, bei Männern = 63,9; seit 2003 stabil bis rückläufig.
      Das Rentensystem funktioniert aktuell – wie zuvor noch stärker (vgl. Verlaufsgrafik unter angegebenem Link) – also auf der Basis einer faktisch längeren Rentenbezugsdauer und kürzeren Lebensarbeitszeit.
      Würde das Eintrittsalter überhaupt erst einmal auf tatsächliche 65 Jahre steigen (geschweige denn 67), dann wäre wohl schon eine faktische Verbesserung der Rentenkalkulation erreicht. Oder wo ist der Fehler?

      Link: Durchschnittliches Zugangsalter in Altersrenten 1993 – 2016

      http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Alter-Rente/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVIII11.pdf

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      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        >Weil Altersarbeit ab 67 zum Tabu erklärt wurde, müssen aufgrund der demografischen Entwicklung, die Abgaben zur Rentenversicherung erheblich steigen.>

        Was ich damit meine:

        Wenn für alle Zukunft die Obergrenze für den Renteneintritt mit 67 Jahren festgeschrieben bleibt und die Renten nicht gesenkt werden, weil – wie ich unterstellt habe – die Rentner ab diesem Alter nicht arbeitend einen hohen Lebensstandard beibehalten wollen (und das auch durchsetzen), dann werden die Zahlungen der arbeitenden Menschen in die Rentenkasse steigen müssen.

        Heißt:

        Die arbeitenden Menschen werden, wenn sie in gleicher oder sogar geringerer Zahl arbeiten und die Rentner länger leben, einen höheren Anteil des von ihnen erwirtschafteten BIP an die Rentner abgeben müssen (c. p).

        Das werden sie nicht einfach so mitmachen, sondern verweigern, u. a. durch Auswanderung.

        Diese Entwicklung würde demnach irgendwann wie eine Blase platzen, obwohl sie natürlich keine Immobilienblase ist.

        Ich will zeigen, dass gleichgelagertes WOLLEN der Menschen (Verwirklichung von Ansprüchen) – hier: KEIN Wohlstandsverlust im Alter – TROTZ unterschiedlicher Ausgangslage zu Systemabstürzen führen, wenn auch anderer Art.

        Insoweit stehen die Zeichen praktisch überall auf Sturm.

        >Das Rentensystem funktioniert aktuell>

        Das stimmt und es wird auch weiterhin funktionieren.

        Die Frage ist allerdings:

        WIE wird es funktionieren und werden die Konflikte, die mit dem Funktionieren verbunden sind, beherrschbar BLEIBEN?

        Es ist klar, dass ein höheres Zugangsalter die Rentenkassen entlastet und somit auch die Beitragszahler.

        Den gleichen Effekt hätte ein Absenken des Rentenniveaus.

        Ersteres wird erfolgen, was heißt, dass die Menschen länger arbeiten müssen.

        Letzteres wird wenn überhaupt, dann m. A. n. nur in geringem Maße erfolgen, weil es die problematischere Alternative ist:

        Etwas länger arbeiten kann man eher verkraften, wenn man ab Zugang GLEICHBLEIBENDE Rentenbezüge erwarten kann.

        Früher in Rente zu gehen, aber mit SINKENDEN Bezügen rechnen zu müssen, ist viel ungewisser und damit die Variante, die mehr verunsichert.

        Von Fehler kann man nicht reden.

        Es geht um Anpassung.

        Bis ca. 2030 ist das noch kein großes Problem, danach wird es schwierig.

        Aber klar, die Leute sind jetzt schon besorgt.

  3. SB
    SB sagte:

    “Wer aber die Realität betrachtet, sieht einen winzigen Machtzirkel, der sich enormen Wohlstand anhäuft und die Ressourcen des Landes für gigantische Infrastrukturprojekte verschwendet. Die Elite füllt sich so die eigenen Taschen, was den Menschen im Land wenig hilft.”

    Wenn man sich umschaut, entdeckt man bestimmt noch weitere (Länder-) Kandidaten, bei denen ähnliche Verhältnisse herrschen.

    Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        Schon wieder dieser Quatschkopf Mausfeld.

        Die Parteien seien verantwortlich u. a. für die

        „Zertrümmerung des Sozialstaats“, die „Preisgabe des Staates an die Finanzmärkte“ … etc. etc.

        Kurzum: Die Parteien sind für alles Übel dieser Welt verantwortlich.

        Tatsache ist allerdings:

        Der Sozialstaat wird in Deutschland nicht zertrümmert, sondern die Sozialausgaben sind in den letzten Jahren stärker als die Wirtschaftsleistung gestiegen.

        Durchweg überall in der Welt haben die Parteien den Staat nicht den Finanzmärkten, sondern den Notenbanken preisgegeben.

        Stimmt nicht?

        Natürlich nicht, denn wer so etwas auch nur denkt, geschweige denn ausspricht, ist natürlich MANIPULIERT.

        Die angeblich „großen politischen Fragen“, die Mausfeld an die Wand malt, basieren auf der ILLUSION, dass sich irgendetwas NACHHALTIG Harmonisches in dieser Welt herstellen lasse.

        Soweit wir wissen, hat es das nie gegeben.

        Wenn man sich mit der REALITÄT befasst und dabei EMPIRISCH vorgeht – statt wie Mausfeld eine VERFÄLSCHTE, weil manipulierte Realität unterstellt –, erkennt man, dass es nicht den geringsten, aber auch nicht den allergeringsten Anlass gibt, dass es jemals anders sein könnte.

        Wenn es gelingt, die allerschlimmsten Katastrophen zu verhindern, dann ist schon viel erreicht – selbst dann, wenn es immer noch viele schlimme Dinge in dieser Welt gibt.

        Mausfeld ist ein Sehnsuchtsprediger und seine Anhänger sind Gläubige, die keine Lösung, sondern Erlösung suchen.

        Davon hatten wir genug, die brauchen wir nicht.

        Denn sie vernebeln nur und machen damit Menschen noch anfälliger für MISSBRAUCH.

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