Cash horten statt Investitionen

Heute Morgen habe ich über die Cashpolster der US-Unternehmen diskutiert. Hier nochmals ein früherer Beitrag zu den Ursachen und Folgen der geringen Investitionen (die ja auch zu den hohen Cashbeständen führen):

Warum investieren wir nicht? Das habe ich an dieser Stelle schon mehrfach diskutiert. Hier nun ein neuer Blick auf die Situation in einem exzellenten Beitrag in der FINANZ und WIRTSCHAFT. Die Highlights:

  • Verglichen mit historischen Erholungsphasen hat der laufende Capex-Zyklus von Anfang an enttäuscht. So ist das Ausgabenwachstum – gemessen als Prozentsatz des Bruttoinlandprodukts – nach 2008/09 nie richtig in die Gänge gekommen.” – bto: aus vielen guten Gründen.
  • Eine zentrale Rolle spielen dabei die krisengeschüttelten Energie- und Rohstoffkonzerne. Noch Mitte der Nullerjahre trugen sie massgeblich zum Ausgabenboom bei: Zwischen 2003 und 2008 erhöhte sich ihr globaler Capex-Anteil von 33 auf 45 %. Im Zuge des Rohstoffpreiszerfalls dürfte ihr Beitrag per 2017 nun allerdings auf 32 % zurückfallen.”
  • “Die einzigen Bereiche, denen 2016 eine Ausgabensteigerung zugetraut wird, sind die Industrien Gesundheit, zyklischer Konsum und Informationstechnologie (IT).”
  • Ein Bündel von Faktoren wird für die Capex-Flaute verantwortlich gemacht. Morgan Stanley verweist etwa auf zyklische Gründe. So halte die Skepsis hinsichtlich einer nachhaltigen Wirtschaftserholung die Manager vom Investieren ab.”
  • “Für andere Analysten ist das schleppende Capex-Wachstum hingegen Ausdruck struktureller Veränderungen. So verweist das Research von Goldman Sachs auf den technologischen Fortschritt: Neue IT-Trends wie beispielsweise die Virtualisierung erlaubten deutliche Effizienzsteigerungen. Ausgaben für Hardware (Capex) würden deshalb vermehrt durch operative Softwareaufwendungen substituiert.”
  • Derweil hat der langjährige Investitionsboom gerade in den Schwellenländern zu Exzessen geführt. Vor allem China leide in mehreren Industrien an enormen Überkapazitäten, die zuerst abgebaut werden müssen.”
  • Ausserdem sei in vielen Sektoren und Ländern Unsicherheit hinsichtlich möglicher Regulierungsänderungen zu spüren. Die Investitionsflaute dürfte sich laut Goldman Sachs denn auch bis mindestens 2020 hinziehen.”
  • Gerade in den USA haben Konzerne über die letzten Jahre ihre Kapitalausgaben verstärkt durch Aktienrückkäufe und Dividenden substituiert. Investitionen, die oft erst nach geraumer Zeit Wirkung entfalten, wurden also durch kurzfristige Kurs stimulierende Massnahmen ersetzt.”
  • Der Anteil am operativen Cashflow, der für Kapitalinvestitionen eingesetzt wird, ist hier stetig rückläufig. Vor dreissig Jahren notierte er bei rund 75 %, ist inzwischen aber auf magere 42 % gefallen. Gemäss Analysten von Standard & Poor’s sei dieser Rückgang viel zu stark, um allein mit dem technologischen Fortschritt und Effizienzsteigerungen erklärt zu werden:”

Quelle: FINANZ und WIRTSCHAFT

  • “Die Flaute legt schonungslos offen, dass dem realwirtschaftlichen Einfluss der Notenbanken Grenzen gesetzt sind.”
  • Kapitalausgaben sind kaum von den Finanzierungsbedingungen am Anleihenmarkt abhängig. Nur weil eine Gesellschaft günstig Geld aufnehmen kann, wird nicht mehr investiert. So hat ihre Tiefzinspolitik die Investitionen kaum angeheizt.”
  • Der beste Weg, die langfristigen Investitionen zu stimulieren, ist, die Zinsen wieder auf ein normaleres Niveau zurückzuführen und damit die verzerrten Anreize für Aktienrückkäufe und Investments zu verringern.

Und dann zeigt die FuW einige Bilder ohne sie genauer zu erläutern, die es aber in sich haben! Zunächst die Performance verschiedener Gruppen von Unternehmen, jene, die wenig, normal und übernormal investieren. Am besten sind demnach Unternehmen, die normal investieren:

Quelle: FINANZ und WIRTSCHAFT

  • Kurzfristig sieht es anders aus: Unternehmen, die wenig investieren, werden kurzfristig belohnt und performen an der Börse besser als jene, die längerfristig denken:

Quelle: FINANZ und WIRTSCHAFT

Das deckt sich mit meiner Beratungserfahrung. In den guten Börsenzeiten wurden immer jene belohnt, die einen besonders risikoreichen Kurs fuhren. Aber: Wenn alle so handeln, kommt gesamtwirtschaftlich ein ziemliches Problem heraus.

FINANZ und WIRTSCHAFT: „”Kein Ende der Investitionsflaute in Sicht”, 3. Mai 2016

Kommentare (5) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. SR
    SR sagte:

    Ich möchte noch einen Punkt hinzufügen:

    Die immer zentralistischer und monopolistischer werdende Web-Ökonomie (Amazon, Google, Microsoft, Netflix u.a.), bewirkt einen Rückzug aus der Fläche und eine Zerstörung lokaler Wirtschaftskraft.

    Antworten
    • SB
      SB sagte:

      Lieber Herr Stöcker,

      dienen all diese komplizierten Überlegungen zum “Gegenfeuer” nicht allein dem Zweck, ein (Geld-) System, das durch natürliche Umverteilung und ohne Manipulation relativ schnell an seinem natürlichen Ende ankommen würde, künstlich am Leben zu erhalten?

      Wenn man dieses Ende hinauszögern will, ist zwingend eine Rückwärts-Umverteilung von den Geldbesitzern zu den Nichtbesitzern erforderlich. Diese Rückwärts-Umverteilung kann man nun auf die komplizierteste Art und Weise begründen und vor allem umsetzen (dazu ihre interessanter Artikel und die interessanten Forumsbeiträge Ihrer Leser).

      Letztlich bleibt es aber bei der schlichten Frage, ob und wenn ja, von wem wie viel rückwärts umverteilt wird. Insoweit hilft die von den Organisatoren des Systems künstlich erzeugte Komplexität diesen dabei, die Lasten so (ungleich) zu verteilen, dass sie selbst möglichst wenig von der Rückwärts-Umverteilung betroffen sind und selbst dabei noch zu den Gewinnern gehören. Ich glaube darum geht es nur.

      Liege ich damit falsch?

      LG, SB

      Antworten
      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        „Liege ich damit falsch?“

        Damit liegen Sie genau richtig. Wir benötigen in der Tat viel mehr fiskalische Redistribution. Wann schmerzt es persönlich am wenigsten? Post mortem. Also ran an die Erbschaftssteuer. Ein Thema für unsere reanimierten Liberalen, die mal zeigen können, ob sie den Grundgedanken des Liberalismus wirklich ernst nehmen oder mal wieder drauf schei…. (siehe Hotelsteuer).

        Dennoch wird dies alleine nicht ausreichen, da es im Kapitalismus darum geht, aus Geld mehr Geld zu machen. Ware, Betriebsmittel etc. sind hierfür nur Mittel zum Zweck. Das Ganze funktioniert prima, solange der Kreditzyklus intakt ist. Mittels Abzahlungsgeschäften, Kreditkarten, Studentenkrediten etc. kann man diesen Zyklus ein wenig hinauszögern und erhöht somit aber zugleich die Fallhöhe im System. Von daher benötigen wir zusätzlich eine konstante Injektion von schuldfreiem Geld, damit der Motor des Kapitalismus (G-W-G‘) keinen Kolbenfresser bekommt. Insofern reicht die fiskalische Redistribution alleine nicht aus: https://zinsfehler.com/2013/10/13/zehn-masnahmen-fur-ein-europa-in-frieden-freiheit-und-wohlstand/.

        LG Michael Stöcker

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