Buchtipp: “Umverteilung statt Wohlstand für alle”

Heute ist – soweit ich mich erinnern kann – eine Premiere bei bto. Ich verweise auf ein Buch, das ein anderer Autor als ich verfasst hat. Ein Buch, welches eine ideale Ergänzung zu meinem “Märchen vom reichen Land” darstellt, weil es sich aus einem anderen Blickwinkel mit der Entwicklung des Wohlstands der Deutschen beschäftigt. Die meisten Themen waren mir bekannt und dürften es auch für Leser dieser Seiten sein – Kosten für Euro, Migration, Soziales. Zugleich dürften die Kosten zum Teil noch überraschen.

Das Buch trägt den unscheinbaren Titel Umverteilung statt Wohlstand für alle” und ist bei Amazon erhältlich. Der Autor, Guido Bruch, ist Ökonom und Unternehmensberater. Deshalb hat er auch sehr schön vernetzt die Wirkung und Zusammenhänge der einzelnen Maßnahmen zusammengefasst. Diese Abbildung zeigt sehr gut, um was es geht. Vor allem auch, dass beim Bürger sehr viele Minuszeichen ankommen:

Quelle: “Umverteilung statt Wohlstand für alle”

Im Untertitel steht dann auch: “Der detaillierte Nachweis, dass Euro und Finanzkrise jeden Bürger mit 1.000 bis 4.000 Euro p. a. belasten”. Eine ähnliche Rechnung also, wie auch ich versucht habe, zu erstellen.

Insgesamt, so Bruch, werden 175 Milliarden Euro pro Jahr unbemerkt umverteilt. Einiges davon kennt man, ich denke nur an die Zinsersparnis des Staates, die dieser für Sozialleistungen verwendet. Die Verlierer dabei sind die Mittelschicht, die in Sparbuch und Lebensversicherung spart.

Doch damit nicht genug. Wie schon ich (→ Zehn Gründe, warum die Deutschen nicht die Gewinner des Euros sind ) rechnet Bruch vor, dass der Euro für den Durchschnittsbürger ein Zuschussgeschäft ist: “So sank der Wert des Euros gegenüber dem US-Dollar seit 2008 um etwa 30 %. Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass Deutschlands Handelsbilanz-Überschuss 2018 um rund 40 % über dem Vorkrisenjahr 2007 lag und in Deutschland Vollbeschäftigung herrscht. Die Vollbeschäftigung haben sich die Arbeitnehmer allerdings teuer erkauft. So wie die Unternehmen bei ihren Exporten vom für sie sehr günstigen Wechselkurs profitieren, haben die Bürger als Folge des für ihren Urlaub oder ihre Importe (Lebensmittel, Elektronik, Kraftstoffe, Kleidung) zu ungünstigen Wechselkurses erhebliche finanzielle Nachteile. Diese Nachteile gelten auch für den innergemeinschaftlichen Verkehr. Würde der Euro morgen abgeschafft, würde eine deutsche Währung stark zweistellig gewinnen, während eine italienische Währung zumindest einstellig gegenüber dem heutigen Euro verlieren würde. Er erscheint durchaus realistisch, dass Deutsche dann rund 25 % günstiger in Italien ihren Urlaub verbringen könnten. Italien wäre dann wieder das, was heute beispielsweise München, die teuerste Stadt Deutschlands, für Schweizer ist: Ein günstiges Einkaufsparadies.” – bto: So ist es. Es ist auch nicht so, dass Bruch und ich die Einzigen sind, die das erkennen. Ich erinnere an Michael Pettis, den ich ebenfalls bei bto zitiert habe. → Michael Pettis explains the euro crisis (and a lot of other things, too)

Der Verfasser hat zur Ermittlung der Kosten des Euros und der Finanzkrise für den deutschen Bürger unterstellt, dass die Auslandsreisen der Deutschen als Folge der Wechselkurseffekte heute um 20 Prozent teurer sind, als sie bei einer eigenständigen deutschen Währung wären. Bezogen auf die relevanten durchschnittlichen Ausgaben für Auslandsurlaube ergibt sich eine jährliche Belastung von rund 200 Euro/ Person. Auf die Ausgaben für Importe ergibt sich eine Mehrbelastung von rund 900 Euro/Person und Jahr. Diese Mehrausgaben stellen für den Verfasser eine Umverteilung vom Bürger an die Unternehmen dar, die massiv profitieren und ihre Waren im Ausland zum Teil günstiger als Zuhause anbieten und so Marktanteile erkaufen. So ist es auch! Es ist ein Subventionsprogramm für unsere Exportindustrie, das wir selber bezahlen!

Neben den erwähnten geringen Zinserträgen aus Sparbuch und Lebensversicherungen gehört zum negativen Effekt der Niedrigzinspolitik im gewissen Umfang die Entwicklung der Immobilienpreise samt Mietpreissteigerungen. Diese Preissteigerungen sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: dem allgemeinen Drang in die Großstadt, dem Wunsch Gutsituierter nach einem Zweitwohnsitz in einer Metropole, den niedrigen Zinsen wie auch dem Zuzug von EU-Ausländern nach Deutschland. Der Verfasser unterstellt, dass von der höheren Mietquote etwa zwei Drittel auf die Effekte Euro, Finanzkrise und Zuzug aus dem Ausland zurückzuführen sind. Bezogen auf das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen ergibt sich hieraus ein Mehraufwand von knapp 1.700 Euro/Jahr. Wird dieser Mehraufwand mit der Anzahl der Mietwohnungen (etwa 20 Millionen) multipliziert, ergibt sich ein Betrag von 34 Milliarden Euro p. a. Das ist zwar eine andere Art der Umverteilung von Mietern zu Vermietern, wie Bruch schreibt, jedoch trifft es natürlich die unteren Einkommensschichten überproportional.

Was dann zu dieser zusammenfassenden Rechnung führt:

Aufwandsart     Prämisse
Private Importe incl. Steuer

1.097

20 % (für D. zu niedriger Wechselkurs) des Anteils der Verbraucher an den dt. Einfuhren (über 1.000 Mrd. € p. a.).
Urlaub

183

20 % der relevanten Ausgaben Auslandsurlaub
Wechselkurs

 

1.280

 
Zinsverlust

410

(Ø Zins – Inflationsrate) x Ø Sparvermögen
Staatliche Rente

100

Konservative Annahme – künftige Kosten der heutigen SGB-2-Bezieher aus Osteuropa (erwerben kaum Rentenansprüche, d.h. sie benötigen später die Grundsicherung)
Betriebliche Rente

600

Annahme auf Basis des heutigen Niveaus abzügl. geringerem Garantiezins/ erwarteter Verzinsung
Lebensversicherung

600

Finanzen/ Altersvorsorge

 

1.710

 
Mieten

1.678

Bundesweiter Anstieg des Mietaufwandes am Nettoeinkommen von 2008 bis 2018 um sechs Prozentpunkte auf 34 %. Von diesen 6 Prozentpunkte werden pauschal 2/3 (also 4-%-Punkte) als relevant betrachtet (Effekt Niedrigzinsen, Zuzug als Folge der Wirtschaftskraft, die ohne den zu niedrigen Wechselkurs so nicht gegeben wäre) x Ø-Jahresnetto-Einkommen von 42.000 €.
Mieten

 

1.678

 
Kosten

 

4.668

 

Quelle: “Umverteilung statt Wohlstand für alle”

Wird die Einwohnerzahl Deutschlands um die weniger betroffenen Personengruppen Senioren, Kinder, Arbeitslose, Asylbewerber reduziert, ergibt sich grob eine Menge von 50 Millionen Menschen, die direkt von den Mehrausgaben betroffen ist. In Summe hat diese Bevölkerungsgruppe Kosten von 175 Milliarden Euro zu tragen, die dem Staat und den Unternehmen zu Gute kommen.

“Zusammenfassend bewirken Euro, die Niedrigzinspolitik und auch die Zuwanderung eine sehr große und kontinuierliche Umverteilung von der Mittelschicht, dem Rückgrat der sozialen Marktwirtschaft an den Staat und die Unternehmen. Die Umverteilung wird fragmentiert zwar immer wieder diskutiert, in ihrer Gesamtheit aber nicht erfasst”, so Bruch.

bto: Bei dieser Einschätzung kann ich Bruch nur zustimmen. Das Buch ist schnell gelesen, enthält viele interessante Fakten und Zahlen und ist zudem durchaus plausibel. Das Problem dürfte nur sein, dass es wiederum nicht von denen gelesen wird, die an den Entscheidungshebeln sitzen und erst recht nicht von jenen, die täglich zur Kasse gebeten werden. Schade und frustrierend.