Bitcoin als Energie­fresser?

Am 14. November 2021 geht es in meinem Podcast um Kryptowährungen. Zu Gast ist (erneut) der österreichische Ökonom und Publizist Rahim Taghizadegan. Taghizadegan leitet die private und unabhängige Bildungs- und Forschungseinrichtung Scholarium in Wien. Im Podcast äußert er sich auch zur Problematik des Energieverbrauchs. Weil das ein interessanter Aspekt ist, hier schon mal seine Argumentation aus der FINANZ und WIRTSCHAFT: 

  • “Eine Datenbank und ein Zahlungssystem mit einem aktuellen Energieverbrauch von 140 TWh – so viel wie ein kleines Land – scheint in der Tat verschwenderisch. Doch Bitcoin selbst hat kaum Energiebedarf, die Energie wird nicht für die Transaktionen oder Datensätze verwendet. Sie wird von Schürfern aufgewandt, die gegeneinander mit Rechenleistung um die wenigen neu geschöpften Bitcoin konkurrieren. Diese Neuschöpfung wird in jedem Halbierungszyklus geringer. Der Energieverbrauch kommt also nicht aus der Nutzung von, sondern aus der Nachfrage nach Bitcoin.” – bto: Das ist technisch auch gewünscht, um die Knappheit zu sichern und Betrug zu verhindern.
  • “(…) ‘Schürfen’ (ist) die Zuteilung anhand eines Aufwandnachweises (‘Proof of Work’), willkürlich gewählter Bestandteil des Bitcoin-Codes. Der Zweck ist Schutz der Transaktionsdaten. Die Zahlungshistorie von Bitcoin abzuändern ist durch den Aufwandnachweis prohibitiv teuer. Jeder Manipulationsversuch konkurriert gegen die Rechenleistung all der anderen Schürfer, die allein für die Prozessoren bislang mehr als 7 Mrd. $ privater Mittel eingesetzt haben. Der Strom für die jährlich investierte Rechenleistung würde in der Schweiz fast 30 Mrd. Fr. kosten. Selbst wenn Akteure mit manipulativen Absichten Milliardenbeträge aufbringen könnten, würden sie nicht mehr erreichen können, als eigene Bitcoin mehrfach auszugeben. Daher hat es in den mehr als zehn Jahren des Bestehens der Bitcoin-Blockkette keinen einzigen erfolgreichen Angriff dieser Art gegeben. Der Energieverbrauch setzt die richtigen wirtschaftlichen Anreize, um Bitcoin sicher gegen Manipulationen und Zensur zu machen.” – bto: Und es ist ja nicht so, dass Alternativen wie Gold keinen Energiebedarf haben.
  • “Wenn Energieverbrauch an sich ein Übel wäre, dann stünde Bitcoin nicht gut da. Diese Extremansicht, die immer weiter um sich greift, ist letztlich menschenfeindlich. Es ist eine Spielart der ‘Tiefenökologie’, die zur Kinderlosigkeit führt, weil Menschenkinder nur noch als Belastung des Planeten interpretiert werden. Menschliches Leben bedeutet Umformung der Umwelt, und ein Teil dieser Umformung ist Energieverbrauch.” – bto: Deshalb ist es ja auch so, dass steigender Wohlstand und höhere Lebenserwartung und -qualität mit mehr Energieeinsatz einhergehen.
  • “In der Regel ist die günstigste Energie solche, die keine andere Verwendung hat. Da Bitcoin-Schürfen völlig ortsunabhängig ist, können auch sonst verlorene Energiequellen angezapft werden. Ein grosser Teil solcher Quellen ist erneuerbar: Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme sind am reichlichsten dort verfügbar, wo es kaum Nachfrager gibt – ausserhalb der dichten Ballungsräume. Sonne und Wind sind zudem zu schwankend, um die Grundlast normaler Energieverwendung zu sichern – gut geeignet hingegen sind sie für Schürfprozessoren, die jederzeit an- und abgeschaltet werden können. Bitcoin dient damit als Subvention für erneuerbare Energien, denn Energiequellen werden rentabel, die es ohne Bitcoin-Schürfen nicht wären. Bitcoin dient dann als Wertspeicher für aktuell nicht nutzbare Energie. Das erklärt, warum bereits 39% des Energiebedarfs für das Bitcoin-Schürfen aus erneuerbarer Energie kommen.” – bto: Das ist eine interessante Argumentation, allerdings wäre es besser, wir würden einen Speicher finden, der die Energie wieder freisetzt …
  • “Die Nutzung erneuerbarer Energie ist entgegen verbreiteter Illusion nicht an sich eine ökologische Wohltat. Der Ausbau dieser Energieformen – der selbst viel Energie und Ressourcen benötigt – führt nicht nur zur Umweltbelastung bei der Förderung der nötigen Metalle, sondern auch zur Versiegelung von Böden, was wohl einen grösseren Beitrag zu den dramatischen Überflutungen der Gegenwart leistet als der Klimawandel.” – bto: Auch das ist bekannt.
  • “Geld gibt es auch ohne Bitcoin. Eine wachsende Zahl von Menschen in aller Welt – schon mehr als 100 Mio. – sehen aber in Bitcoin potenziell besseres Geld. Aus unserer privilegierten Position mag das Suchen nach einer Alternative zum bislang funktionellen Geldsystem als sinnlose Utopie erscheinen. Viel klarer ist der Bedarf nach besserem Geld für den grösseren Teil der Weltbevölkerung: Gastarbeiter, die ihrer Familie Geld heimschicken und dafür bis zur Hälfte an Gebühren verlieren. Libanesen, die eben erst den grössten Teil ihrer Ersparnisse verloren haben. Chinesen, die durch Kapitalverkehrskontrollen von der Welt finanziell abgeschnitten sind.” – bto: Damit sind Bitcoin & Co. in der Tat Instrumente der Freiheit.
  • “Und letztlich alle, die erkennen, dass zwar für die privilegierten Konten- und Kartenbesitzer in Weltwährungen die Zahlungsprobleme weitgehend gelöst scheinen, viele andere Probleme aber immer sichtbarer werden: der laufende Kaufkraftverlust, die wachsende Verzerrung der Wirtschaftsstruktur durch grenzenlose Monetisierung von Schuldtiteln mit den Zentralbanken als Liquiditätsquelle letzter Instanz, die ungerechte und unmoralische Umverteilung zu den Nutzniessern der Geldschöpfung.” – bto: was aber auch für Gold spricht.
  • “Das aktuelle Finanzsystem verbraucht nach einer Schätzung etwa 13-mal so viel Energie wie Bitcoin, das bereits 20 Mrd. $ Transaktionen und 600 Mrd. $ Vermögen sichert – für 0,1 % des weltweiten Energieverbrauchs.” – bto: heute angesichts der Kursentwicklung viel mehr.

fuw.ch (Anmeldung erforderlich): „Bitcoin als Energiefresser?”, 6. August 2021