Bidenomics – Schulden als Treib­stoff oder eher als Brand­satz?

Der immer optimistische Thomas Straubhaar stimmt ein in den Chor derjenigen, die den Biden-Boom kommen sehen –  getrieben von Schulden. Endlich. Denn wir haben ja noch nicht genug. Es stört uns nicht, dass sie immer weniger reales Wachstum bringen und vor allem wissen wir ja, dass sie uns nie etwas kosten werden. Den Notenbanken sei Dank!

Doch schauen wir auf seine Argumentation:

  • “Nun jedoch wird das Pendel viel weiter nach links ausschlagen als jemals zuvor in der Nachkriegszeit. Denn der Zentrist Joe Biden muss auf die radikalen Ränder der Demokraten hören. Um den bekennenden Sozialisten Bernie Sanders, bis zu seiner Aufgabe Anfang April 2020 Bidens letzten parteiinternen Gegner, scharen sich Staatsgläubige und Anhänger egalitärer Wohlfahrts­staaten, die sogar Europas Linke jenseits der Sozial­demokraten konservativ aussehen lassen. Vizepräsidentin Kamala Harris liegt mit ihren wirtschaftspolitischen Absichten näher bei Sanders als bei Biden. Mit ihr gelangen linke Progressive ins Zentrum der Macht. Das ist keine Bagatelle: Angesichts des hohen Alters Joe Bidens (78) kommt Harris eine herausragende Bedeutung zu.” – bto: nett gesagt. Gut möglich, dass sie schneller als allgemein gedacht Präsidentin ist. Und was dann? Sicherlich die heftigste Wahl in vier Jahren. Vor allem dann, wenn die Demokraten ein scharf linkes Programm umsetzen.
  • “Höchste Priorität haben auch und gerade für Bidenomics die USA. Alles andere – globale Führungsrolle, neue Weltwirtschaftsordnung – folgt danach und ist bestenfalls Mittel zum Ziel: zum amerikanischen Erfolg im Wettstreit mit China um geopolitische Dominanz, vor allem im Cyberspace. (…)  Auch er wird der Doktrin ‘America First’ folgen (müssen). Interventionismus zugunsten nationaler Interessen wird mehr denn je die Aussenwirtschaftspolitik der Demokraten kennzeichnen.” – bto: So ist es und das kann niemanden überraschen. Ich würde sogar sagen, dass sie damit durchaus Erfolg haben können, vor allem auch im direkten Vergleich mit der EU.
  • Ideologischer Kern von Bidenomics wird die Modern Monetary Theory (MMT) sein. Sie gibt der Fiskalpolitik den Vorrang gegenüber der Geldpolitik und stellt das Dogma des Monetarismus auf den Kopf, der die Geldpolitik zum obersten wirtschaftspolitischen Instrument zur Erreichung des wichtigsten Ziels, der Geldwertstabilität, erklärt. In der MMT hat es der Staat viel einfacher, seine Aktivitäten zu ­finanzieren: Braucht er Geld, muss er sich nicht am Kapitalmarkt verschulden, sondern erhält die Finanzmittel direkt und kostenlos von der Zentralbank. Sollte es zu Inflationserwartungen kommen, sammelt der Staat das Geld ein, indem er Steuern erhebt und an die Zentralbank zurückgibt.” – bto: Zum einen wissen wir, dass die MMT eine existierende Saldenmechanik beschreibt. Soweit so gut also. ABER: Wir wissen auch, dass sie, wenn sie so wie hier postuliert eingesetzt wird, ein erhebliches Risiko für den Geldwert darstellt.
  • “Es gibt zwei Indizien, die klarmachen, wie sehr die MMT bereits auf dem Vormarsch ist. Erstens hat das ­Biden-Team einen «New Deal» angekündigt, der alle Schuldendämme des monetaristischen Zeitalters einreisst. Mit billionenschweren, auf Pump finanzierten Stimuluspaketen öffnet Biden alle fiskalpolitischen Schleusen. Nahezu jeder Wunsch der Parteilinken wird erfüllt. Zwischen dem Weissen Haus und dem Kongress bestehende Meinungsverschiedenheiten werden mit noch mehr Staatsausgaben zugeschüttet.” – bto: eine auch von uns bekannte Vorgehensweise.
  • “Zweitens hat das Fed (…) einen grundsätzlichen Strategiewechsel vollzogen. Es wird künftig eine höhere Inflation als bisher tolerieren und der Fiskalpolitik mehr Spielraum gewähren. Die grössere Flexibilität dürfte bereits 2021 eine Rolle spielen: Nach dem Ende der Pandemie könnte, beflügelt durch die Stimuluspakete, ein rasanter Konjunkturaufschwung einsetzen. Preisschübe dürften die Folge sein. Das Fed wird gelassen(er) bleiben und wohl noch sehr lange nicht an der Zinsschraube drehen – auch das entspricht eher dem Denken der MMT als des Monetarismus.” – bto: Es kann ja auch die Zinsen nicht anheben, weil dann sofort alle Schuldner baden gehen. Die finanzielle Repression ist das Spiel des Jahrzehnts.
  • “Die staatliche Finanz-Bazooka von Bidenomics wird die USA im Rennen um neue Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle voranbringen. Das muss sie auch, denn für Biden wie zuvor für Trump ist der Wettstreit mit Peking um Macht und Dominanz in der Weltwirtschaft die zentrale geostrategische Herausforderung. Da gibt es zur Technologieführerschaft nur die Alternative des Zurückfallens hinter China.” – bto: Kombination aus Geld, großem Markt, Attraktivität für Talente und trotzdem Glaube an die Privatwirtschaft im Unterschied zu Europa.
  • Die USA stehen vor goldenen Zwanzigerjahren. Der Boom wird auf die Volkswirtschaften überschwappen, die Ideen, Innovationen und qualitativ hochstehende Vorleistungen liefern, auf die der amerikanische Aufschwung unverzichtbar angewiesen ist. Das sind gute Nachrichten für Deutschland und die Schweiz.” – bto: Es mag sein, dass wir was zuliefern dürfen. Das Problem ist aber, dass wir mit der EU in einem Boot sitzen, das in die völlig entgegengesetzte Richtung segelt. Was die “Goldenen 20er” betrifft: Einen großen Unterschied gibt es: 1921 waren Aktien in den USA so billig wie zu keinem anderen Zeitpunkt seither. Heute sind sie so teuer wie noch fast nie.

fuw.ch: “Bidenomics – Schulden als Treibstoff”, 21. Januar 2021