Best of 2016: “Die Sorgen-Formel der Zukunft”

Dieser Beitrag erschien zum ersten Mal am 9. Mai 2016 bei bto: 

Immer wieder verweise ich mit Blick auf die wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands auf die geringen zu erwartenden Produktivitätszuwächse. Wenn es überhaupt Zuwächse sind! Passend dazu ein Beitrag der FINANZ und WIRTSCHAFT, die in einfachen Worten die dahinterliegende Mechanik erläutert:

  • „Während das Thema einer vierten industriellen Revolution die Business-Welt beschäftigt wie kaum ein anderes, zweifelt der Ökonom Robert Gordon daran. (…) Für Gordons Analyse spricht die Entwicklung der Produktivität. Eine technologische Revolution müsste diese explodieren lassen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Seit 2003 ist sie deutlich am Schrumpfen.“ – bto: Ich habe Gordon schon öfter hier zitiert und erwähne ihn auch in der Eiszeit.
  • Entscheidend ist, dass „weitere deutliche Steigerungen der Produktivität notwendig sind, wenn wir unseren Lebensstandard nur schon halten wollen und dass dieser sinkt, wenn die Produktivität zu wenig zunimmt“.
  • Das Einkommen pro Kopf hängt ab von der Anzahl der gearbeiteten Stunden und der Arbeitsproduktivität, also der Produktion pro geleisteter Stunde. Letzteres wird vor allem vom technischen Fortschritt getrieben.
  • „Das Einkommen pro Kopf geht also nicht nur zurück, wenn die Produktivität schrumpft, sondern auch dann, wenn in einer Gesellschaft insgesamt weniger gearbeitet wird. Umgekehrt formuliert muss die Produktivität umso stärker steigen, je mehr die gearbeiteten Stunden pro Kopf sinken, wenn das Pro-Kopf-Einkommen gehalten werden soll.“ – bto: Wenn wir also mehr Rentner haben, müssen die anderen entweder mehr Stunden arbeiten oder deutlich produktiver werden.
  • „Je kürzer die Arbeitszeit der Beschäftigten und/oder je geringer der Anteil der Beschäftigten an der Arbeitsbevölkerung und/oder je geringer der Anteil der Arbeitsbevölkerung an der Gesamtbevölkerung ist, je kleiner ist der Anteil gearbeiteter Stunden pro Person und entsprechend geringer fällt auch das Einkommen pro Kopf aus – außer all diese Effekte werden durch eine entsprechend höhere Produktivität kompensiert.“

Wie schlecht es um die weltweite Produktivitätsentwicklung steht, zeigt dieses Chart von JP Morgan:

Produktifität

  • „Die Bedeutung von Steuern und Sozialabgaben steht ebenfalls im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel: Ein größerer Anteil der Bevölkerung im Alter führt erwartungsgemäß zu höheren Kosten für Pflege und Sozialversicherungen und einem geringeren Anteil an Arbeitseinkommen, die besteuert werden können. Beides für sich führt zu einer höheren Abgabenlast auf den Einkommen der Aktivbevölkerung. Die Folge ist ein (noch) geringeres verfügbares Einkommen des (Median-)Lohnempfängers.“
  • „Robert Gordon hat alle Effekte für die USA in seinem Buch geschätzt, wobei er ein seiner Ansicht nach optimistisches Produktivitätswachstum von 1,2 Prozent pro Jahr zwischen 2015 und 2040. Weil es sich um Wachstumszahlen handelt, müssen alle in den obigen Formeln multiplizierten Einflussfaktoren auf das Pro-Kopf-Einkommen nun summiert (bzw. subtrahiert) werden. So senkt gemäß der Schätzung ein erwarteter Rückgang der gearbeiteten Stunden pro Person das Pro-Kopf-Einkommen um 0,4 Prozent jährlich. Die Ungleichheit (laut Gordon vor allem in den USA ein Problem) führt zu einem weiteren Abzug von 0,4 Prozent vom Durchschnitts-Pro-Kopf-Einkommen, um den entsprechenden Median-Wert zu erhalten. Die höheren Abgaben werden laut Gordons Schätzung zu einem weiteren Abzug von 0,1 Prozent pro Jahr führen. Im Ergebnis bleibt gerade noch ein Wachstum des verfügbaren jährlichen Median-Einkommens von 0,3 Prozent bis 2040 – deutlich weniger als 1,46 Prozent pro Jahr in den letzten 45 Jahren und 2,25 Prozent pro Jahr von 1920 bis 1970 (erste und zweite Spalte).“

bto: Das unterstreicht nochmals überdeutlich, in was für einem Ponzi-Schema wir unterwegs sind. Die Verbindlichkeiten werden nicht bedient und der Wohlstand wird sinken. Die USA stehen da aber viel besser da als wir: mehr qualifizierte Zuwanderung, bessere eigene demografische Entwicklung.

Doch auch in den USA ist ein Reset unumgänglich:

Quelle: Stan Druckenmiller, Zero Hedge

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Die Sorgen-Formel der Zukunft“, 4. April 2016

→ Zero Hedge: “Stanley Druckenmiller: This Is The Most Unsustainable Situation I Have Seen In My Caree“, 3. April 2016

Kommentare (3) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
    • h.c.
      h.c. sagte:

      @Weico

      Schön das Sie Tainter erwähnen – ich wollte Ihn erst noch in einem letzten Absatz noch erwähnen, hatten den dann doch gelöscht und nicht zu viele Pfade aufzumachen.

      Und ja, das von Ihnen verlinkte Video ist eine (sehenswerte und) sehr gute Zusammenfassung der Kernaussagen seines hervorragenden Buches.

      Antworten
  1. h.c.
    h.c. sagte:

    Alles richtig – dennoch ein großer blinder Fleck, den leider fast alle Ökonomen haben. Noch vor der Produktivität kommt die Energie (Öl, Gas, PV, etc. pp) und der Erntefaktor (in Bezug auf die Nutzungsstelle) der gehobenen Energie (im Prinzip der ERoEI nach Hall, et al.):

    Die beste Zusammenfassung ich ich dazu gelesen habe (S. Wietzke) lässt sich in 3 Punkte fassen:

    1. Der Erntefaktor, gemessen an der Nutzungsstelle seiner Anwendung, bestimmt die maximale Produktivität und damit das maximale Wohlstandsniveau.

    2. Die Produktivität bestimmt das Maximum an zivilisatorischer Entwicklungsfähigkeit einer Gesellschaft.

    3. Die verfügbare Energiemenge bestimmt die Größe der Population der dieses Zivilisationsniveau zu Gute kommt.

    Und nun haben wir ein Problem: Die Erntefaktoren sinken da es mit dem Nachschub immer mehr Probleme gibt (meint: Der Aufwand wird größer, die Energiekonzentration lässt nach – die einfach zu erntenden Äpfel sind bereits gepfückt). Schaut man sich die Steigerungsraten der zur Verfügungen stehenden ‘billigen’ (meint: einfach zu hebenden) Energie in den 50-70’er an und der Zeit danach, dann wir klar warum unsere Wirtschaften immer mehr Probleme haben zu wachsen. Es gibt zwar immer mehr Konsumenten – die müssen sich aber einen immer langsamer wachsenden Kuchen Teilen – die Primärenergie. Immer mehr der Energie des Energieproduzierenden Systems (oder Sektors) muss reinvestiert werden – in die zukünftige Bereitstellung von Primärenergie. Anteilsmäßig immer weniger bleibt zum Konsum, der Verlustigung – also für das reale Wachstum über, auch wenn dieses Mengenmäßig (Brutto) noch zu steigen scheint.

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