Mit Vollgeld aus der Überschuldung?

Vor einigen Tagen habe ich anlässlich des Vorschlages der isländischen Reformkommission zum Thema Vollgeld Stellung genommen. Dabei finde ich besonders den Aspekt interessant, auf diesem Wege eine “elegante Lösung” für unser Schuldenproblem zu finden.

Nun haben sich – wie ich finde sehr erfreulich – Kritiker meines Beitrages gefunden. Martin Sauber und Benedikt Weihmayr bemängeln “die mangelnde theoretische Fundierung dieser Reformvorschläge” in einer Schrift mit dem Titel “Vollgeld und Full Reserve Banking – Geldreformen auf dem Prüfstand”. Hier Auszüge aus ihrem Aufsatz in Cicero, wie immer mit meinen direkten Anmerkungen:

  • „Der größte Anteil der Geldmenge wird jedoch von den Geschäftsbanken durch Kreditvergabe an Nichtbanken „geschöpft“ (Giralgeld- oder auch Buchgeldschöpfung). In diesem Fall vergibt die Bank einen Kredit, ohne vorher in selbiger Höhe über Zentralbankgeld zu verfügen. Dieses „Buchgeld“ ist für den Kreditnehmer eine Forderung auf Zentralbankgeld.“ – bto: richtig.
  • Im Vollgeldsystem wären die Geschäftsbanken „nur noch Kapitalsammelstellen, die ausschließlich Kredit vergeben dürfen, wenn sie Geld von der Zentralbank erhalten oder Sparer Geld bei der Bank deponieren. Sichtguthaben – also Guthaben auf Konten, die jederzeit abgehoben werden können – wären damit durch Zentralbankgeld voll abgesichert.“ – bto: ebenfalls richtig.
  • „Da in den Industriestaaten das Wachstum der Verschuldung das der Wirtschaft übersteigt, prognostiziert Vollgeldbefürworter Daniel Stelter für diese Länder eine gesamtwirtschaftliche Überschuldung.“ – bto: dabei beschreibe ich lediglich eine empirisch sichtbare Entwicklung. Zudem prognostiziere ich eine Überschuldung nicht, sondern konstatiere diesen Zustand!
  • „Ein solcher Schuldenüberhang, der staatliche wie private Haushalte betrifft, führe zu mangelnder Nachfrage und geringerem wirtschaftlichem Wachstum. Die Folgen wären Deflation gepaart mit hoher Arbeitslosigkeit.“ – bto: nicht nur. Letztlich haben wir weniger Wachstum verglichen mit dem zuvor künstlich aufgeblähten Wachstumsraten. Nun gibt es die beschriebene Gegenentwicklung.
  • „Mit einer Vollgeldreform ergebe sich nun eine einfache Variante, den Schuldenberg abzubauen. Denn wenn Banken durch eine 100-prozentige Mindestreserve gezwungen werden zusätzliches Zentralbankgeld in Höhe der Sichteinlagen zu halten, benötigen die Banken mehr Geld. Der Staat kann diese zusätzliche Geldnachfrage durch Rückzahlung von öffentlicher oder privater Verschuldung bedienen, indem die Zentralbank der Regierung schuldfrei Geld überlässt.“ – bto: so zumindest die Theorie von Irving Fisher, die in dem von mir zitierten Paper der IWF Ökonomen bestätigt wurde.
  • „Betrachtet man die Bilanzpositionen vor und nach der Umstellungsphase in das neue Geldsystem, können daher buchhalterisch tatsächlich Verbindlichkeiten in enormer Höhe abgebaut werden, (…). Dabei wird der Privatsektor gezwungen, anstatt verzinslicher Staatsanleihen nun unverzinsliches Zentralbankgeld zu halten.“ – bto: das ist eine zutreffende Beschreibung. Letztlich handelt es sich vorher wie nachher um eine Forderung gegen den Staat. Was die Zinsen betrifft: heute würden sich die Gläubiger zum Teil besser stellen, angesichts von Negativzinsen!
  • „Das zugrundeliegende Problem wird aber nur auf die lange Bank geschoben und nicht gelöst: Kann ein Schuldner seine Verbindlichkeiten aufgrund von Fehlinvestitionen oder zu geringer Leistungsfähigkeit nicht mehr bedienen, wird im Kreditgeldsystem die gegenüberliegende Forderung, das Kreditgeld, durch eine Insolvenz entfernt.“ – bto: hier habe ich früher zugestimmt. Mittlerweile denke ich, dass es letztlich einer einmaligen Monetarisierung der Schulden gleich kommt und die inflationären Effekte des Schuldenwachstums bereits in der Vergangenheit angefallen sind.
  • „Unserer Meinung nach wird man nicht umhinkommen, den Schuldenüberhang in westlichen Ökonomien durch Umverteilung oder entsprechende Vermögensabgaben beziehungsweise Insolvenzen abzubauen, wie David Rhodes und Daniel Stelter in Ihrem bemerkenswerten Beitrag „Back to Mesopotamia?““ – bto: ich freue mich natürlich über das Lob an dieser Stelle. Ich habe mehrfach und regelmäßig betont, wie viel lieber mir eine solche Lösung wäre. Da sie aber zunehmend unrealistisch erscheint und stattdessen die Monetarisierung angestrebt wird, bevorzuge ich die Vollgeldidee.
  • „Wenn die Verschuldung des Staates reduziert wird, werden sowohl angebots- als auch nachfragetheoretisch üblicherweise positive Wirkungen auf Beschäftigung und Einkommen erwartet. (…) Da bei einer Umstellung auf Vollgeld die Verschuldung allerdings nur scheinbar reduziert wird, ähnlich eines Debt-Equity-Swaps eines Unternehmens (Staatsverschuldung wird in Zentralbankgeld getauscht), treten diese positiven Effekte nicht auf.“ – bto: Letztlich werden die künftigen und historischen Geldschöpfungsgewinne sozialisiert. Deshalb ist es ein Debt-Equity-Swap der besonderen Art. Der Hauptnutzen liegt zudem nicht in tieferen Zinsen und mehr privaten Investitionen sondern in der Reduktion des prozyklischen Spardrucks.
  • „ (…) wenn Banken Sichteinlagen nicht mehr zur Finanzierung von Krediten nutzen können, müssen diese ihre höheren Kosten an Einleger und Kreditnehmer weitergeben. Gerade der Bankensektor zeichnet sich in einer offenen Volkswirtschaft durch hohe Kapitalmobilität aus, was bei geringeren Einlagenzinsen zu Umschichtungen in Fremdwährungen oder Sachvermögen führen kann.“ – bto: ich denke nicht, dass unser Problem zu wenig Kredit ist, sondern zu viel. Ein kleinerer Bankensektor würde seine Aufgabe der effizienten Allokation einer KNAPPEN Ressource besser wahrnehmen.
  • „Eine gezieltere Regulierung sowie makroökonomische Koordinierung würde das System tatsächlich stabilisieren, jedoch auch ohne Vollgeldreform.“ – bto: dies stimmt. Allerdings scheint die Politik mit der Aufgabe überfordert wie mein Beispiel des Umfanges der Regulierung zeigt. Dies geht nur bei einer Beschränkung von Banken, so dass diese Pleite gehen können ohne das System zu gefährden und konsequentes Zulassen dieser Pleiten.
  • „Besteht ein Abwicklungsmechanismus mit klar definierter Haftungshierarchie (Aktien, Wandelanleihen, Festgelder) und Gläubigerbeteiligung, ist der Zahlungsverkehr auch in einem Giralgeldsystem sicher.“ – bto: stimmt.
  • „ eine Vollgeldreform (würde)die Entstehung von Blasen nicht verhindern.“ – bto: sehe ich auch so (habe ich auch nie behauptet) allerdings wären diese immer kleiner, weil das Kreditwachstum eine entscheidende Voraussetzung für jede Blase ist.
  • „Der Überschuldung industrieller Staaten kann langfristig nur durch eine andere Einkommens- und Vermögensverteilung begegnet werden. So zeigen auch neueste Forschungen zur Finanzkrise, dass sowohl die Deregulierung des Finanzsektors als auch die seit den 80er Jahren ansteigende Ungleichheit der Einkommen mitverantwortlich sind für die Überschuldung der entwickelten Ökonomien.“ – bto: hier hätten mich die Autoren eigentlich auch zitieren können, wobei ihnen meine Piketty Kritik vermutlich nicht gefällt. Nicht die ungleiche Einkommensentwicklung ist ursächlich für die Schulden. Die Schulden sind ursächlich für Einkommens- und Vermögensverteilung!

Wie bereits mehrfach angesprochen, wäre es gut, wenn wir auch in Deutschland eine intensive Diskussion darüber führen würden. Wer sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzen will, hier die Links zu einigen früheren Beiträgen:

Cicero online: Mit Vollgeld aus der Überschuldung?, 5. Mai 2015