Alterung bedeutet Inflation

Vor einigen Jahren zitierte ich eine Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die angesichts der alternden Bevölkerung von höherer und nicht von tieferer Inflation und damit auch Zinsen ausgeht. Eine Argumentation, der ich sehr gut folgen kann. GAVEKAL unterstreicht das mit einem interessanten Blogbeitrag:

  • “The demography of most Western and Asian countries is set to change dramatically over the coming years. Take the US as an example. Every year from now on, some 3mn people will turn 70 years old. (…) the reality is that at around that age, the direct contribution of most people to society shifts. From their 30s to their 60s, people are capital providers. Past 70, they become heavy capital consumers.” – bto: Das leuchtet ein.

Quelle: GAVEKAL

  • “(…) if we accept that in most countries most of the saving is done by people aged 35-64 years, we can come up with a ‘capital providers ratio’. This is a weighted coefficient of the numbers of people in the savers’ cohorts relative to the total population. For the world (or at least for the top 85 countries by GDP, which account for almost all global saving), the capital providers ratio looks something like this.” – bto: Ich finde das nachvollziehbar und auch spannend. Dann wären wir vor einem strukturellen Zinsanstieg, den wir uns aber angesichts der Verschuldung nicht leisten können.

Quelle: GAVEKAL

  • “(…) the world is now entering a new ‘dis-saving’ phase, as the baby boomers start to live off their past contributions into 401(k), pension plans and the like. History suggests this phase is likely to be inflationary.” – bto: Und die Zinsen müssen trotzdem tief bleiben, um die Entschuldung zu erleichtern.
  • “Across emerging markets, a number of countries will continue to see improving capital providers ratios. But will China’s, India’s or Brazil’s excess capital flow to the US to fund excess consumption there? Or will it stay at home?” – bto: Die USA bleiben der sichere Hafen, da würde ich drauf wetten.

Quelle: GAVEKAL

  • “The counter example to this theory, of course, is Japan, where the capital providers ratio topped out in 2010 and where inflation has yet to make a significant mark. However, it is interesting to note that Japanese inflation bottomed out in 2010, just as the capital providers ratio topped out.” – bto: Und die Zinsen sind dort schon höher als bei uns!

Quelle: GAVEKAL

→ blog.evergreengavekal.com: “THE CASE OF THE MISSING INFLATION: THE CHANGING DEMOGRAPHIC PICTURE “, 21. Juni 2019

Kommentare (6) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Danny
    Danny sagte:

    Ich kann dem Standpunkt der Alters Inflation nicht folgen. Ich stelle in meinem Umfeld fest, das Menschen im letzten Viertel der Lebenserwartung überlegt konsumieren – aus Angst vor einer ungewissen Zukunft – sowie bestrebt sind, den “Lieben” Werte zu hinterlassen. Keinesfalls kann ich beobachten, dass diese zu Top Consumern werden u. mit Ihrer Liquidität den Markt fluten…

    Antworten
  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    M. Stöcker:

    >Alterung bedeutet Inflation beim HVPI sowie Deflation bei allen Assets:>

    Das ist richtig bei c.p.

    Es ist nur der Tendenz nach richtig, aber nicht die Wahrheit, weil es kein c.p. bis 2050!! gibt.

    Was heißt Alterung?

    Heißt es gemäß Schaubild 1

    “Every year from now on, some 3mn people will turn 70 years old. (…) the reality is that at around that age, the direct contribution of most people to society shifts.”

    oder heißt es

    “die Anzahl der Menschen, die 70 Jahre alt werden und aus dem Arbeitsleben austreten, d. h. von „net capital providers“ zu „net capital consumers“ mutieren, leben länger als zuvor, alles andere c.p?

    Ein wirklich belastbares Szenario bis 2050 hängst von mehreren Variablen ab, die einen großen Einfluss auf die Inflationsentwicklung der Verbraucherpreise haben werden (nur mal angedacht):

    a) Die Anzahl derer, die arbeiten und das BIP schaffen, also net capital providers sind. Werden es mehr, z. B. durch Einwanderung von Qualifizierten und/oder steigt die Produktivität, dann wirkt das dämpfend auf die Verbraucherpreise.

    b) Wenn ein großer Teil von Ihnen aus welchen Gründen auch immer arbeitslos ist und es bleibt, dann führt das zu einem stärken Anstieg der Verbraucherpreise. Denn Arbeitslose im Alter der net capital provider SIND net capital consumers !

    c) Die Nachfrage und die Art der Nachfrage, die „net capital consumers“ generieren.

    c1. Wenn die Nachfrage mit vergleichsweise wenigen Menschen erbracht werden kann, weil die unter 35 Jährigen überwiegen an der Konsole hängen die über 70 Jährigen „arm“ sind, wirkt das dämpfend auf die Inflation, weil es dann vermehrt um automatisierte Online-Dienste für die Jungen und „nur“ um Pflege und Gesundheit und nicht um Luxusbedienung (Hotels, Reisen etc.) der Alten geht.

    c2. Wenn die Nachfrage der über 70 Jährigen mit weitgehend automatisierten Dienstleistungen erbracht werden kann, etwa Einwerfen der Tabletten bei Meldung am TV, Messen von Blutdruck etc. online an die „kommunale Gesundheits-Team“ kann das ebenfalls dämpfend auf die Verbraucherpreise wirken.

    Hierzu siehe @ Thomas M. am anderen Thread, der heute das Thema m. A. n. richtig und umfassender kommentiert hat:

    https://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/zu-den-ursachen-von-inflation/

    Vorläufig BESTER Indikator für mehr Inflation durch Alterung:

    Spahn will die Vergütung für Pflegekräfte von 10,55 EUR im Osten und 11,05 EUR im Westen anheben auf „Gute 14 EUR – und das ist immer noch wirklich ein Mindestlohn“.

    Hier:

    deutliche-anhebung-spahn-will-mindestens-14-euro-stundenlohn-fuer-pflegekraefte_id_10899127.html

    Und das ist nur der ANFANG mit diesem Mindestlohn, weil es hier um die Pflege von Menschen geht, die ein Leben lang gearbeitet haben und Respekt verdienen … (kenne wir bereits – ich warte nur noch darauf, wer sich “Respektpflege” patentieren lässt).

    Also keine Sorge:

    Keine MMT, keine EZB mit wilden Eskapaden, keine Fiskalpolitik, die den Staat zu hoch verschuldet, sondern nur die arbeitende Mittelklasse, hier: die „net capital providers“, richtig zur Kasse bitten. Denn diese werden den sich weiter erhöhenden Mindestlohn der immer mehr werdenden Pflegekräfte zu zahlen haben.

    Heißt:

    TRANSFERPOLITIK wie aus dem Bilderbuch – diejenigen, die das BIP produzieren, haben immer MEHR Abzüge und partizipieren damit immer WENIGER am von IHNEN geschaffen Wohlstand.

    Inflation hin oder her, ich bin gespannt, wie lange das gut geht (die Qualifizierten, die auswandern werden, lasse ich mal raus aus der Betrachtung, um nicht Panik zu schüren)

    Antworten
    • Ulrich Remmlinger
      Ulrich Remmlinger sagte:

      Herr Tischer es gab jetzt bei bto mehrere Artikel über die Mechanismen der Inflation. Es wird immer wieder betont, auch von Ihnen, daß steigender Konsum durch ältere oder arbeitslose Menschen bei schrumpfendem Bevölkerungsanteil der arbeitenden Menschen (c.p.) zu Inflation führt. Das stimmt sicher in einem abgeschlossenen System.
      Wie sieht es aber in einer globalisierten Welt aus? Güter sind weltweit im Überfluß vorhanden (Produktionsanlagen sind nicht ausgelastet, Erweiterungsinvestitionen warten nur auf zusätzliche Absatzmöglichkeiten). Solange die Notenbanken Geld drucken, damit Staatsanleihen kaufen, der Staat die Rentenkassen über Verschuldung aufstockt und China unser Papiergeld akzeptiert und dafür Waren liefert, kann die Party mit Niedrigpreisen noch weitergehen. Erst würden mal die Target2-Salden abgebaut, ob danach dann unser Papiergeld auch weiterhin weltweit akzeptiert wird oder ob der Wert des Euros abstürzt, kann man heute nicht wissen.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Ulrich Remmlinger

        >Es wird immer wieder betont, auch von Ihnen, daß steigender Konsum durch ältere oder arbeitslose Menschen bei schrumpfendem Bevölkerungsanteil der arbeitenden Menschen (c.p.) zu Inflation führt. Das stimmt sicher in einem abgeschlossenen System.>

        Soweit sind wir uns einig.

        >Güter sind weltweit im Überfluß vorhanden (Produktionsanlagen sind nicht ausgelastet, Erweiterungsinvestitionen warten nur auf zusätzliche Absatzmöglichkeiten)>

        Nehmen wir an, dass es so ist.

        Aber:

        Warten nützt nichts, wenn es nicht genügend Nachfrage gibt, sie ABZUHOLEN.

        Genau das ist der Fall, wenn bei den Nachfragern die Inflation ins Laufen kommt.

        Denn bei Inflation wertet die Währung gegenüber der ab, mit der die wartenden Güter bepreist sind.

        Das wiederum heißt, dass tendenziell weniger der wartenden Güter gekauft werden können.

        Insofern:

        Das Gelddrucken der Notenbanken hilft nichts.

        Im Gegenteil, es würde die Inflation nur noch mehr anheizen, noch stärkere Abwertung, Kauf noch weniger Güter im Ausland.

        Entscheidender:

        Die Inflation von der ich ausgehe, wird zu Verteilungskämpfen führen, wie wir sie nach WK II noch nie erlebt haben, zugleich mit politischer Destabilisierung in vielen Ländern Europas und nicht mehr zu leistenden Transferzahlungen – letztlich zum Zerfall der Eurozone und der EU.

        An dieser Entwicklung kann z. B. die EZB nichts ändern, weil es eine politisch-soziale ist, die lediglich einen monetären Abdruck hat.

    • Susanne Finke-Röpke
      Susanne Finke-Röpke sagte:

      @Herrn Michael Stöcker:

      Ihr Satz zur Inflation und Deflation bei Alterung trifft den Nagel auf den Kopf.

      Allerdings würde ich Ihren Verweis auf Thomas Mayer bzw. Ihre eigenen Kommentare dazu einschränken wollen. Ja, Alterung alleine bewirkt keine Ketchup-Inflation, sondern nur moderate und später leicht gallopierende Inflation.

      Aber das gilt m.E. nur in einer nicht vorher schon überschuldeten Welt. Würden alle Staaten die Maastricht-Kriterien einhalten und hätten die Banken durchgängig 30 % echtes Eigenkapital, hätten die Volkswirtschaften Zeit, sich auf den Rückgang der Erwerbsbevölkerung, den Verkauf von Assets durch die Senioren und die Verlagerung auf den Konsum im Alter umzustellen. Keiner würde in Panik verfallen. Wenn aber der aktuell weltweit überzogene Leverage v.a. der Banken das nicht hergibt, kann die Angst vor Insolvenzen (v.a. von Unternehmen der Finanzwirtschaft) das Ganze enorm beschleunigen und eben doch Ketchup-Inflation hervorrufen, wenn Panikkäufe und -kapitalabzug die Geldumlaufgeschwindigkeit massiv erhöhen. Allerdings nur, wenn die Psychologie der Massen den Anstieg der Inflation emotionsgetrieben vorwegnimmt. Leider ist das aber im Licht der historischen Erfahrung der letzten Jahrhunderte nicht unwahrscheinlich. Daher halte ich Ihr Szenario für wünschenswert und unter Normalumständen für korrekt; nur leider haben wir keine normalen Umstände. Und wenn steinzeitliche Reflexe die Steuerung der Märkte übernehmen, bleibt kaum einer cool.

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